Entscheidungsdatum
14.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
G313 2167043-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Kosovo, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Tirol, wurde gegen den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß 46 FPG in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die erlassene Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.), und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 5 FPG gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).
Die belangte Behörde stützte das gegen den BF erlassene Einreiseverbot auf seine strafrechtlichen Verurteilungen im Bundesgebiet und erkannte keine einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegenstehenden familiären oder privaten Interessen des BF.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 19.07.2017 in Strafhaft zugestellt.
2. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen und die Rückkehrentscheidung für auf Dauer als unzulässig zu erklären und dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuzuerkennen, in eventu das Einreiseverbot zu beheben bzw. dessen Dauer herabzusetzen.
3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt langte am 09.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
4. Mit Schreiben des BVwG vom 16.08.2017 wurde die betreffende Justizanstalt ersucht, die Besucherliste des BF zu übermitteln und das voraussichtliche Ende der Strafhaft des BF bekannt zu geben.
5. Am 10.10.2017 langte beim BVwG auch die Haftauskunft zur bis 07.09.2022 vorgesehenen Strafhaft des BF und eine am 10.10.2017 von der betreffenden Justizanstalt erstellten Besucherliste für den Zeitraum von Juli 2015 bis Oktober 2017 ein.
6. Mit Erkenntnis des BVwG vom 25.02.2019, G313 2167043-1/8E, änderte das BVwG in teilweiser Stattgebung einer gegen den im Spruch angeführten Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde den genannten Bescheid dahingehend ab, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf acht Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
7. Gegen dieses Erkenntnis wurde außerordentliche Revision erhoben.
8. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden: VwGH) wurde das angefochtene Erkenntnis des BVwG vom 25.02.2019, Ra 2019/21/0115-7, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist kosovarischer Staatsangehöriger, Moslem und gehört der albanischen Volksgruppe an.
1.2. Er hat in seinem Herkunftsstaat noch einen Bruder, im Bundesgebiet seine Ehefrau und drei mit ihr gemeinsame nunmehr vier, neun und dreizehn Jahre alte, minderjährige Kinder und noch einen im August 2018 volljährig gewordenen Sohn aus vorangegangener Ehe.
1.3. Der BF stellte im Bundesgebiet bereits in den Jahren 1998, 1999 Anträge auf internationalen Schutz, über die jeweils negative Asylbescheide ergangen sind. Mit Festnahmeauftrag der zuständigen Bundespolizeidirektion vom 07.11.2000 wurde der BF wegen der gegen den BF zuletzt erlassenen rechtskräftigen vollstreckbaren Ausweisung und damit wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet festgenommen. In einer niederschriftlichen Einvernahme des BF vom 16.11.2000 wurde dem BF mitgeteilt, ihn in Schubhaft zu nehmen und in weiterer Folge in den Kosovo abzuschieben. Am Tag dieses Vorhalts - am 16.11.2000 - stellte der BF einen neuen - dritten - Asylantrag, über welchen ebenso eine negative Asylentscheidung ergangen ist.
1.4. Der BF war zunächst von Mai 2001 bis Ende Juli 2004 im Bundesgebiet aufrecht gemeldet. Im Dezember 2001 heiratete der BF eine österreichische Staatsbürgerin und lebte mit ihr bis Juli 2004 in Österreich zusammen, bevor er mit einer anderen österreichischen Staatsbürgerin, die er zuvor in Österreich kennengelernt hatte, nach England ausgereist ist und sich mit dieser dort mehr als zwei Jahre lang bis zur Wiedereinreise in Österreich Ende des Jahres 2006 gemeinsam aufgehalten hat. Der BF nahm dann kurze Zeit nach seiner Wiedereinreise im Dezember 2006 eine Arbeit auf, ließ sich im Februar 2007 von seiner ehemaligen Ehegattin scheiden und begründete im März 2007 einen gemeinsamen Wohnsitz mit der österreichischen Staatsbürgerin, mit welcher er mehr als zwei Jahre lang in England war und welche er im August 2007 geheiratet hat.
Geheiratet hat der BF seine nunmehrige Ehegattin Anfang August 2007, nachdem am 27.06.2007 bei der nunmehrigen Ehegattin des BF anlässlich einer polizeilichen Ausländerkontrolle festgestellt worden war, dass deren Lebensgefährte - der BF - keine gültige Aufenthaltsberechtigung mehr hatte und die letzte doch bereits am 14.06.2005 war, und der BF deswegen telefonisch aufgefordert worden war, diesbezüglich mit der zuständigen BH Kontakt aufzunehmen.
Derzeit im Bundesgebiet besteht ein aufrechter gemeinsamer Wohnsitz des BF mit seiner Ehegattin und ihren Kindern.
1.5. Nach Ablauf seiner ersten Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet am 14.06.2005 wurde im Zuge einer Ausländerkontrolle bei seiner nunmehrigen Ehegattin am 27.06.2007 der unrechtmäßige Aufenthalt des BF festgestellt. Am 08.11.2007 stellte der BF im Bundesgebiet seinen ersten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger, welcher ihm für den Zeitraum von 04.02.2008 bis 04.02.2009 erteilt wurde. Daraufhin folgten Verlängerungen - bis 02.01.2016.
1.6. Der BF wurde im Bundesgebiet insgesamt dreimal von einem inländischen Strafgericht verurteilt, und zwar mit
* Urteil vom XXXX.08.2013, rechtskräftig am XXXX.08.2013, wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei im Jahr 2014 diese Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert und im Jahr 2016 die bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, mit
* Urteil vom XXXX.05.2014, rechtskräftig an XXXX.05.2014, wegen gefährlicher Drohung zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je EUR 4,00 (800,00 EUR), im NEF 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und mit
* Urteil vom XXXX.06.2016, rechtskräftig am XXXX.01.2017, wegen schwerer Nötigung, schweren Raubes (Raub unter Verwendung einer Waffe) und unbefugten Besitzes oder unbefugter Führung genehmigungspflichtiger Schusswaffen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Jahren.
1.6.1. Der ersten strafrechtlichen Verurteilung des BF von August 2013 lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde (Name des Sohnes des BF aus vorheriger Ehe umschrieben):
Der BF "hat seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber dem mj. (dieses Jahr volljährig gewordenen Sohn des BF aus vorheriger Ehe) gröblich verletzt, indem er im Zeitraum von Mai 2011 bis zum 31.3.2013 keinerlei Unterhaltszahlungen leistete und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt des Unterhaltsberechtigten gefährdet gewesen oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre
(...)."
1.6.2. Dem Strafrechtsurteil von Juni 2016 lagen folgende strafbare Handlungen des BF im Zeitraum von 06.05.2014 bis zur Verhaftung am 07.07.2015 zugrunde:
Es haben
A) der BF, ein namentlich bekannter und ein weiterer unbekannter
Mittäter "haben in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben und unter Verwendung einer Waffe einem anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie
1. am 06.05.2014 in den Kellerräumlichkeiten des (...) anwesenden Personen unter Vorhalt von Pistolen verbunden mit der Äußerung "Geld her!" zur Herausgabe von Bargeld aufforderten und solcherart vom (...) einen Bargeldbetrag in der Höhe von cirka EUR 50,- bis EUR 60,- erbeuteten;
2. am 30.06.2014 im (...) die dort anwesende Reinigungskraft (...) aufforderten, sich ruhig zu verhalten, weil "er sonst tot sein würde", wobei einer der Täter die Ernsthaftigkeit dieser Androhung dadurch unterstrich, dass er (...) mittels eines Elektroschockgerätes am rechten Unterarm leicht verletzte, (...) sodann von einem der Täter so lange am Boden fixiert wurde, bis einer der anderen beiden Täter mit einem mitgebrachten Tresorschlüssel den Standtresor geöffnet und sich den darin verwahrten, im Eigentum der Verfügungsberechtigten der (...) stehenden Bargeldbetrag in Höhe von EUR 22.061,19 angeeignet hatte, und (...) sodann von den Tätern zur Gewährleistung einer ungehinderten Sicherung der Beute bzw. ihrer Flucht mit einem Nylonsack gefesselt am Tatort zurückgelassen wurde;
C) der BF, ein namentlich angeführter und ein weiterer unbekannter
Mittäter "am 06.05.2014 (...) in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) unmittelbar vor der in Pkt. A) 1. angeführten Tathandlung die im Erdgeschoss des (...) aufhältige Kellnerin (...) durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem einer von ihnen ihr seine Pistole in den Rücken drückte und ihr zu verstehen gab, dass sie über die Stiege in den Keller gehen soll, zu einer Handlung, nämlich zum Vorangehen in den Keller des Wettlokals, genötigt";
D) der BF ab einem unerhobenen Zeitpunkt (zumindest seit dem 06.05.2014) bis zum 07.07.2015 in (...) und an anderen Orten, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe samt Munition, nämlich eine Pistole der Marke (...), sowie 36 Stück Patronen des Herstellers (...) im Kaliber 9 mm Luger besessen."
1.6.2.1. Bei der Strafbemessung dieses Strafrechtsurteils wurden zwei einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen von drei Verbrechen mit einem Vergehen, die teilweise Begehung während eines anhängigen Verfahrens und die teilweise Begehung mit Mittätern als erschwerend, das teilweise Geständnis des BF (in sehr geringem Umfang) hingegen als mildernd gewertet.
1.6.2.2. Der BF war von 07.07.2015 bis 18.04.2019 in Strafhaft.
1.6.3. Er wurde im Zeitraum von Juli 2015 bis Oktober 2017 nachweislich regelmäßig von seiner Ehegattin in Haft besucht.
1.7. Der BF war im Bundesgebiet - mit ein paar Unterbrechungen dazwischen - im Zeitraum von März 2008 bis Juni 2015 erwerbstätig und steht auch nunmehr nach seiner am 18.04.2019 erfolgten Strafhaftentlassung seit dem Entlassungszeitpunkt in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis.
Nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses am 19.02.2014 bezog er im Zeitraum von 16.04.2014 bis 30.09.2014 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und beging dem Strafrechtsurteil von Juni 2016 folgend ab Mai 2014 Straftaten, bevor er am 10.12.2014 ein neues Arbeitsverhältnis angetreten ist.
Die Ehegattin des BF ging im Zeitraum von August 2007 bis Mai 2009 einer Erwerbstätigkeit nach, bevor sie von Mai 2009 bis Juni 2009 Kranken-, von Juni 2009 bis Februar 2010 Wochen- und von Februar 2010 bis Mai 2012 Kinderbetreuungsgeld bezogen hat. Sie bezog dann von August 2015 bis Februar 2018 erneut Kinderbetreuungsgeld und von 01.08.2015 bis 05.08.2015 und von 06.02.2018 bis 17.04.2019 bedarfsorientierte Mindestsicherung.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens:
2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum) und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.
2.2.2. Dass der BF bereits in den Jahren 1998 und 1999 im Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz gestellt hat, über welche jeweils eine negative Asylentscheidung ergangen ist, beruht auf den diesbezüglichen dem Verwaltungsakt einliegenden negativen Asylbescheiden (AS 23ff und 95ff). Die daraufhin erfolgte Festnahme des BF mit Festnahmeauftrag der zuständigen Bundespolizeidirektion vom 07.11.2000 wegen rechtskräftiger und vollstreckbarer Ausweisung und damit unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet beruht auf dem diesbezüglichen dem Verwaltungsakt einliegenden Festnahmeauftrag (AS 237). Die Niederschrift über die Einvernahme des BF vor der zuständigen Bundespolizeidirektion vom 16.11.2000 ist im vorgelegten Verwaltungsakt enthalten (AS 245f). Der am 16.11.2000 vom Rechtsvertreter des BF gestellte Asylantrag des BF liegt ebenso dem gegenständlichen Verwaltungsakt ein (AS 261) wie die negative Asylentscheidung über den dritten Asylantrag des BF (AS 315ff).
Dass sich der BF, wie er in seiner Beschwerde anführt, jedoch bereits seit 1998 - beinahe durchgehend - in Österreich aufgehalten hat, war nicht feststellbar. Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet umfasste Wohnsitzmeldungen ab Mai 2001. Nach Verlassen der ersten Wohnung des BF im Juli 2004 folgte eine Meldeunterbrechung für mehr als zwei Jahre bis zur neuen Wohnsitzmeldung ab März 2007, während welcher Zeit sich der BF zusammen mit seiner nunmehrigen Ehegattin in England aufgehalten hat.
2.2.3. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt. Dass der BF von Mai 2001 bis Juli 2004 mit seiner ehemaligen Ehegattin, die er im Dezember 2001 geheiratet hat, und deren gemeinsamem Sohn zusammengelebt hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt in Zusammenschau mit entsprechenden Zentralmelderegisterauszügen.
Dass der BF von seiner ersten Ehegattin im Februar 2007 geschieden wurde, beruht auf einem dem Verwaltungsakt einliegenden Scheidungsurteil (AS 575 ff). In diesem wurde festgehalten, der BF sei aus für seine Ehegattin unerklärlichen Gründen im Juli 2004 aus ihrer gemeinsamen Wohnung ausgezogen, habe seither keine Unterhaltszahlungen an seine Ehefrau geleistet und in England mit einer Frau zusammengelebt, mit welcher er ein - zum Zeitpunkt des Scheidungsurteils - ca. ein Jahr altes gemeinsames Kind habe.
Dass der BF Ende des Jahres 2006 wieder nach Österreich zurückgekehrt ist, ergab sich aus dem Akteninhalt und dabei auch aus dem glaubhaften Vorbringen der ersten Ehegattin des BF im Zuge der Ehescheidungsklage, der BF sei nach mehr als zweijährigem Aufenthalt erst kürzlich wieder nach Österreich gekommen und gehe seit kurzem auch wieder einer Beschäftigung nach, wobei sich diese von der ehemaligen Ehegattin des BF erwähnte Beschäftigung nach Einsichtnahme in das AJ WEB-Auskunftsverfahren als ab Dezember 2006 nachgegangenes Beschäftigungsverhältnis des BF herausstellte.
Im Zuge einer bei der damaligen Lebensgefährtin bzw. nunmehrigen Ehegattin des BF am 27.06.2007 durchgeführten polizeilichen Ausländerkontrolle wurde festgestellt, dass der BF nicht mehr im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels war. Daraufhin wurde der BF telefonisch zur Kontaktaufnahme mit der zuständigen BH aufgefordert. Dies ergab sich aus der dies bescheinigenden dem Verwaltungsakt einliegenden Anzeige der zuständigen Polizeiinspektion an die BH (AS 619f).
Dass der BF seine österreichische Lebensgefährtin, mit welcher er sich mehr als zwei Jahre lang gemeinsam in England aufgehalten hat, Anfang August 2007 in Österreich geheiratet hat, ergibt sich aus dem diesbezüglichen glaubhaften Akteninhalt und einem seine Ehegattin betreffenden Zentralmelderegisterauszug, worauf die heiratsbedingte Namensänderung der nunmehrigen Ehegattin des BF aufscheint.
2.2.4. Aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass im Zuge einer bei seiner Lebensgefährtin bzw. nunmehrigen Ehegattin am 27.06.2007 durchgeführten Ausländerkontrolle ein unrechtmäßiger Aufenthalt des BF im Bundesgebiet festgestellt (AS 619), und daraufhin vom BF am 08.11.2007 erstmals ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger gestellt wurde (AS 599), woraufhin dem BF für den Zeitraum von 04.02.2008 bis 04.02.2009 tatsächlich ein solcher Aufenthaltstitel erteilt wurde (AS 603). Wie aus einem Fremdenregisterauszug ersichtlich, wurde dieser Aufenthaltstitel bis einschließlich 02.01.2016 stets verlängert und stellte der BF zuletzt am 20.12.2018 einen Verlängerungsantrag, über welchen noch keine Entscheidung ergangen ist.
2.2.5. Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen des BF und seiner Familienangehörigen im Bundesgebiet beruhen auf diese Personen betreffenden aktuellen Auszügen aus dem Zentralen Melderegister.
2.2.6. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des BF im Bundesgebiet beruhen auf einem aktuellen Strafregisterauszug und zu den - den strafrechtlichen Verurteilungen von August 2013 und Juni 2016 - zugrundeliegenden strafbaren Handlungen beruhen auf dem dies bescheinigenden Inhalt des vorgelegten Verwaltungsakts (AS 613ff, AS 713ff).
Dass der BF im Zeitraum von Juli 2015 bis Juli 2017 regelmäßig von seiner Ehegattin in Strafhaft besucht wurde, beruht auf einer dies bescheinigenden Besucherliste der betreffenden Justizanstalt (AS 831ff). Daraus geht, wie bereits im angefochtenen Bescheid angeführt, hervor, dass der BF in Strafhaft regelmäßig Kontakt zu seiner Ehefrau und deren minderjährigen Kindern hatte.
2.2.7. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des BF und seiner Ehegattin ergaben sich aus aktuellen AJ-WEB Auskunftsverfahrensauszügen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A): ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides
3.1. Mit im Spruch angeführtem Bescheid des BFA vom 18.07.2017 wurde gegen den BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Kosovo zulässig ist, einer Beschwerde gegen die erlassene Rückkehrentscheidung wegen Einstufung des Herkunftsstaates des BF als sicheren Herkunftsstaat die aufschiebende Wirkung aberkannt und gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 25.02.2019 wurde in teilweiser Stattgebung der Beschwerde der genannte Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf acht Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
3.2. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden: VwGH) vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0115-7, wurde das angefochtene Erkenntnis des BVwG vom 25.02.2019 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründend dafür wurde ausgeführt:
"Der Revisionswerber macht u.a. geltend, dass er mit seiner nunmehrigen Ehefrau, einer österreichischen Staatsbürgerin, die von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht habe, jahrelang in England zusammengelebt habe. Durch die nachträgliche Eheschließung sei er somit zu einem begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG geworden, sodass sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Begleitaussprüchen sowie die Erlassung eines Einreiseverbotes schon von daher als verfehlt erwiesen.
7 Diese Rüge ist insofern berechtigt, als nach den (in Rn. 4 zusammengefasst wiedergegebenen) Feststellungen des BVwG von vornherein indiziert war, die österreichische Ehefrau des Revisionswerbers habe ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht (wie dargestellt gemeinsam mit dem Revisionswerber in England) in Anspruch genommen, und der Revisionswerber sei damit als begünstigter Drittstaatangehöriger nach § 2 Abs. 4 Z 11 FPG anzusehen. Das wäre daher näher zu untersuchen gewesen, woran der Umstand nichts ändert, dass dem Revisionswerber bis 2016 Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt worden waren.
Auch spielt es keine Rolle, dass die Angehörigeneigenschaft (durch die 2008 erfolgte Eheschließung mit der österreichischen Staatsbürgerin) erst nach der potentiellen Ausübung der Freizügigkeit durch die Ehefrau (ab 2004) erworben wurde (vgl. etwa VwGH 20.10.2011, 2009/21/0235, mwN).
8 Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden. Vielmehr sind die Bestimmungen des vierten Abschnitts des achten Hauptstücks des FPG, die in § 66 und in § 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen (u.a.) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige (Ausweisung und Aufenthaltsverbot) regeln, einschlägig. Ebenso kommt bei begünstigten Drittstaatsangehörigen die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 von vornherein nicht in Betracht, weil die gesamte Bestimmung des siebenten Hauptstücks gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für diese Personengruppe gilt (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0103, Rn. 10, mwN)."
3.3. Der BF heiratete im Dezember 2001 eine österreichische Staatsbürgerin und lebte mit dieser bis Juli 2004 in Österreich zusammen, reiste dann mit einer zuvor im Bundesgebiet kennengelernten österreichischen Staatsbürgerin nach England und hielt sich dort mit ihr gemeinsam mehr als zwei Jahre lang auf. Der BF wurde nach seiner Rückkehr im Bundesgebiet - Ende des Jahres 2006 - im Februar 2007 von seiner ehemaligen Ehegattin geschieden, begründete dann im März 2007 mit der österreichischen Staatsbürgerin, mit der er zusammen in England war, einen gemeinsamen Wohnsitz und heiratete diese dann im Bundesgebiet im August 2007.
Dem oberhalb angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes folgend kommt dem BF, mit welchem gemeinsam seine nunmehrige Ehegattin in England ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, ein von seiner Ehegattin abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu. Der BF ist somit begünstigter Drittstaatsangehöriger.
Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann jedoch keine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG erlassen werden (vgl. dazu des Näheren VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0014, Rn. 8, mwN). Es sind vielmehr die Bestimmungen des 4. Abschnitts des 8. Hauptstücks des FPG, die in § 66 und § 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen (unter anderem) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige, nämlich Ausweisung und Aufenthaltsverbot, regeln, einschlägig (vgl. VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7, mwN). Bei einem begünstigten Drittstaatsangehörigen wäre aber auch die vom BFA vorgenommene amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 schon von vornherein nicht in Betracht gekommen, weil die genannte Bestimmung des 7. Hauptstücks gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für diese Personengruppe gilt (siehe auch dazu VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7, mwN).
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt erscheint, konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2167043.1.01Zuletzt aktualisiert am
30.01.2020