TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/17 W250 2223855-1

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Veröffentlicht am 17.10.2019
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Entscheidungsdatum

17.10.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W250 2223855-1/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 04.10.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) am 16.08.2000, dieser wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 09.11.2001 abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung des BF nach Nigeria zulässig sei.

2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 16.02.2001 wurde der BF wegen Vergehen nach § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz - SMG zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 06.06.2003 wurde der BF nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

4. Am 27.02.2004 stellt der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der rechtskräftig zurückgewiesen wurde.

5. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 01.06.2005 wurde der BF wegen Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

6. Mit rechtskräftigem Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 20.03.2006 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

7. Am 12.12.2011 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz in der Schweiz. Österreich erklärte sich bereit, den BF zurückzunehmen und das Asylverfahren auf Grund des Antrages vom 27.02.2004 wiederaufzunehmen. Nach seiner Rücküberstellung nach Österreich wurde am 29.03.2012 über den BF Schubhaft angeordnet, aus der er am 13.04.2012 entlassen werden musste, da er durch Hungerstreik seine Haftunfähigkeit herbeigeführt hat.

8. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 24.09.2013 wurde der BF wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB wegen einer am 08.11.2012 begangenen Tat zu einer Geldstrafe verurteilt.

9. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.11.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Gleichzeitig wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gleichzeitig wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2018 wurde die Beschwerde gegen Spruchtpunkt V. abgewiesen. In diesem Erkenntnis wurde festgehalten, dass es dem BF zumutbar sei, den Ausgang des Beschwerdeverfahrens in Nigeria abzuwarten.

10. Der BF verfügt seit 15.04.2019 über keine Meldeadresse im Bundesgebiet, weshalb das Bundesamt am 06.05.2019 gemäß § 34 Abs. 3 Z. 2 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG einen Festnahmeauftrag erließ, da der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war.

11. Am 25.09.2019 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Grund des Festnahmeauftrages vom 06.05.2019 festgenommen und am 26.09.2019 vom Bundesamt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Englisch zu den Voraussetzungen der Anordnung der Schubhaft einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er Medikamente nehme, da er psychische Probleme habe. Die weitere Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen wurde vom BF verweigert.

12. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.09.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz - FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG von Fluchtgefahr auszugehen sei. Gegen den BF bestehe eine durchführbare Rückkehrentscheidung, über eine Meldeadresse verfüge der BF jedoch nicht. Er sei im Besitz von EUR 400,--, gehe jedoch keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach. Im Bundesgebiet lebe der Sohn des BF, der sich jedoch in der Obhut einer Pflegemutter befinde. Der BF habe sich bisher trotz durchführbarer Rückkehrentscheidung kein Reisedokument beschafft und sei auch nicht nach Nigeria zurückgekehrt. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werden, da auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF und seiner persönlichen Lebenssituation ein beträchtliches Risiko des Untertauchens bestehe. Die Vorführung des BF vor eine Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde sei am XXXX vorgesehen.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 26.09.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt, die Unterschrift zur Bestätigung der Übernahme dieses Bescheides wurde vom BF verweigert.

13. Am 28.09.2019 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 26.09.2019 und brachte im Wesentlichen vor, dass ihm seine Aggressivität im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt am 26.09.2019 nicht vorzuwerfen sei, da es ihm am Abend des 25.09.2019 unmöglich gewesen sei, seine erforderlichen Medikamente einzunehmen. Die belangte Behörde habe auch zu unrecht seine bestehende soziale Verankerung nicht erkannt. Er sei Vater eines Sohnes, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Sein Sohn lebe bei Pflegeeltern, da sich die besachwaltete Kindesmutter nicht um das Kind kümmern könne. Zu dem Kind habe er regelmäßig Kontakt. Auch zur Kindesmutter habe er ein gutes Verhältnis und regelmäßig Kontakt. Der BF sei auch nicht arbeitslos, sondern verdiene ein nicht sehr hohes Einkommen durch nächtliches Zeitungsaustragen, von dem er aber leben könne. Als Zeitungsausträger sei er selbstständig erwerbstätig und rechtmäßig beschäftigt.

Über einen Wohnsitz verfüge der BF derzeit tatsächlich nicht. Dies liege jedoch ausschließlich daran, dass er sein Grundversorgungsquartier verloren habe, als die Behörde - rechtswidrig - mit Bescheid vom 08.04.2019 eine Wohnsitzauflage erlassen habe. Die sofort erhobene Vorstellung habe sich als berechtigt erwiesen, die Behörde habe kein ordentliches Verfahren eingeleitet, sodass die Wohnsitzauflage außer Kraft getreten sei.

Erst am 17.09.2019 habe die Behörde dem Organisator der Grundversorgung mitgeteilt, dass kein ordentliches Verfahren zur Wohnsitzauflage eingeleitet worden sei. Von seinem Rechtsvertreter habe der BF erst am 20.09.2019 erreicht werden können. Am 23.09., 24.09. und 25.09.2019 habe der BF beim Organisator der Grundversorgung vorgesprochen und sei ihm ein Wohnplatz zugesagt worden. Nach einer Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.09.2019 habe der BF beabsichtigt, zum Asylzentrum zu gehen, um dort untergebracht zu werden. In den vergangenen Monaten habe er in einer Obdachloseneinrichtung genächtigt bzw. im Kellerbereich jener Häuser, die er mit Zeitungen beliefert habe oder einfach in öffentlichen Verkehrsmitteln. Wäre der BF am 25.09.2019 nicht festgenommen worden, wäre er bereits in einem Grundversorgungsquartier versorgt worden.

Der BF sei über seinen Rechtsvertreter für die Behörde erreichbar gewesen, am 02.05.2019 sei er sogar zu einer Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes nach Innsbruck gefahren. Es sei daher erkennbar, dass er nicht untergetaucht sei. Da der BF wegen seines Sohnes in Österreich bleiben wolle, unternehme er alles Mögliche, um mit der Behörde zusammenzuarbeiten.

Die Behörde habe nicht dargelegt, aus welchem Grund ein gelinderes Mittel nicht zur Verfahrenssicherung ausgereicht habe.

Der BF beantragte die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sowie der Anhaltung in Haft festzustellen sowie festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

14. Das Bundesamt legte am 30.09.2019 den Verwaltungsakt vor, Stellungnahme wurde keine abgegeben, Anträge wurden nicht gestellt.

15. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.10.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Englisch sowie im Beisein eines Vertreters des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung unentschuldigt nicht teil. Im Rahmen der Verhandlung brachte der Rechtsvertreter ergänzend im Wesentlichen vor, dass die Rückkehrentscheidung noch nicht umsetzbar sei, da auf Grund des Urteils des EuGH in der Sache Gnandi während der Frist der Einlegung eines Rechtsmittels sowie während des anhängigen Rechtsmittels alle Wirkungen auszusetzen seien.

16. Am 04.10.2019 stellte der BF einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 04.10.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.16. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF hat keine Dokumente vorgelegt die seine Identität bescheinigen, er gibt an nigerianischer Staatsangehöriger zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

2.2.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 16.02.2001 wurde der BF wegen Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

2.2.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 06.06.2003 wurde der BF wegen nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Moanten verurteilt.

2.2.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 01.06.2005 wurde der BF wegen Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

2.2.4. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 24.09.2013 wurde der BF wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB wegen einer am 08.11.2012 begangenen Tat zu einer Geldstrafe verurteilt.

2.3. Der BF leidet an keinen Krankheiten, insbesondere an keinen chronischen psychischen Erkrankungen. Er nimmt Medikamente wegen einer Tendenz zur Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion ein. Der BF ist haftfähig.

2.4. Der BF wird seit 26.09.2019 in Schubhaft angehalten.

2.5. Der BF wird am XXXX einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vorgeführt.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Der BF gab vor Vertretern der nigerianischen Vertretungsbehörde in den Jahren 2006 und 2012 an XXXX zu heißen und Staatsangehöriger Ghanas zu sein. Damit wollte er die Ausstellung eines Heimreisezertifikates verhindern.

3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.11.2017 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und die aufschiebende Wirkung einer dagegen erhobenen Beschwerde aberkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt. Es liegt eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.3. Der BF ist seiner seit 22.05.2018 bestehenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Er hat keinerlei Handlungen zur Vorbereitung seiner Ausreise gesetzt, insbesondere hat er kein Reisedokument bei der nigerianischen Vertretungsbehörde beantragt. Dadurch ist er seine Ausreise umgangen und hat seine Abschiebung zumindest erschwert.

3.4. Der BF verfügt seit 15.04.2019 über keinen Wohnsitz in Österreich. Von seinem Grundversorgungsquartier wurde er abgemeldet, da er einer mit Bescheid angeordneten Wohnsitzauflage nicht nachgekommen ist. Auf Grund eines Rechtsmittels gegen diesen Bescheid fiel die Wohnsitzauflage am 17.09.2019 rückwirkend ab ihrer Erlassung weg. Der BF hat sich nach dem 15.04.2019 weder obdachlos gemeldet noch hat er sich nach dem 17.09.2019 aktiv und ernstlich um die Wiederaufnahme in die Grundversorgung bemüht. Dadurch hat er seine Abschiebung zumindest erschwert.

3.5. Der BF ist im Jahr 2006 unrechtmäßig aus Österreich ausgereist und hat sich anschließend jahrelang unrechtmäßig in Italien und Griechenland aufgehalten. Am 12.12.2011 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz in der Schweiz.

3.6. Der BF hat im Jahr 2012 durch Hungerstreik seine Haftunfähigkeit herbeigeführt und damit seine Entlassung aus der Schubhaft erzwungen.

3.7. Die Unterschriften zur Bestätigung der Übernahme des Schubhaftbescheides sowie der diesbezüglichen Verfahrensanordnung über die Bestellung eines Rechtsberaters wurde vom BF am 26.09.2019 verweigert.

4. Zur sozialen und familiären Komponente

4.1. Der BF ist nicht verheiratet und hat keine Sorgepflichten.

4.2. In Österreich lebt der leibliche Sohn des BF bei Pflegeeltern. Der BF hat für zwei Stunden alle drei Wochen Kontakt zu seinem Sohn. Zwischen dem BF und seinem Sohn besteht keine tiefgreifende emotional positive Bindung. Weitere Familienangehörige des BF leben in Österreich nicht.

4.3. Der BF hat Kontakt zur Mutter seines Sohnes, die in einem Pflegeheim wohnt. Auch zur Familie der Mutter seines Sohnes hat er Kontakt. Über weitere nennenswerte soziale Kontakte verfügt er in Österreich nicht.

4.4. Der BF geht in Österreich seit August 2018 einer beruflichen Tätigkeit als Zeitungszusteller nach. An Einkommen erhält er dadurch ca. EUR 400,-- bis EUR 500,-- pro Monat. Über diese Tätigkeit liegt kein schriftlicher Vertrag vor, da der BF über keine Personaldokumente verfügt. Der BF begann diese Tätigkeit zu einem Zeitpunkt, in dem er bereits zur Ausreise aus Österreich verpflichtet war. Diese Tätigkeit veranlasste den BF nicht dazu, ein Personaldokument zu erlangen.

4.5. Der BF verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz und kein Vermögen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und den Gerichtsakt sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend und durch die Befragung des BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung. Einsicht genommen wurde in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in die Anhaltedatei.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der BF bisher keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen. Die Vorlage eines derartigen Dokumentes wurde von ihm bisher auch nicht behauptet. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.10.2019 gab der BF an, dass er keine Reisedokumente besitze und diese bisher auch nicht bei der nigerianischen Vertretungsbehörde beantragt habe. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.10.2019 gab der BF an, dass er nigerianischer Staatsangehöriger sei. Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. An der Volljährigkeit des BF besteht kein Zweifel. Da seine bisherigen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich vollinhaltlich abgewiesen wurden, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten.

2.2. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister.

2.3. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF - insbesondere seines psychischen Zustandes - ergeben sich aus dem im Beschwerdeverfahren das Asylverfahren betreffend erstellten psychologischen Gutachten eines klinischen Psychologen vom 03.10.2019. In diesem Gutachten kommt der Sachverständige zu der Schlussfolgerung, dass sich in der Vorgeschichte des BF keine Hinweise für hirnorganische Beeinträchtigungen, Entwicklungsverzögerungen oder Verhaltensauffälligkeiten finden. Die aktuelle Entwicklung zeige die Notwendigkeit einer Einnahme von entsprechenden Medikamenten auf Grund von offensichtlich immer wiederkehrenden akuten Erregungszuständen. Die nervenfachärztliche Behandlung ab März 2018 mit regelmäßigen Kontrollen ergebe eine gute Stabilisierung des psychischen Allgemeinzustandes. Beim BF zeige sich keine chronische psychische Erkrankung bei einem Zustand nach einem akuten Erregungszustand mit einer Tendenz zur Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion.

2.4. Dass der BF seit 26.09.2019 in Schubhaft angehalten wird ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

2.5. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich auf Grund des darin enthaltenen behördeninternen Schriftverkehrs, dass der BF am XXXX einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vorgeführt wird.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Die Feststellungen zu den vom BF vor Vertretern der nigerianischen Vertretungsbehörde in den Jahren 2006 und 2012 angegebenen falschen Identitätsdaten ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und wurden vom BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.10.2019 bestätigt.

3.2. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.11.2017 gegen den BF getroffenen Rückkehrentscheidung und der damit verbundenen Aberkennung einer dagegen erhobenen Beschwerde sowie der dazu mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2018 ergangenen Entscheidung die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend, beruht auf einer Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt.

3.3. Dass der BF seiner seit 22.05.2018 bestehenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist und er keinerlei Handlungen zur Vorbereitung seiner Ausreise gesetzt und insbesondere kein Reisedokument bei der nigerianischen Vertretungsbehörde beantragt hat, ergibt sich einerseits aus dem Verwaltungsakt und wurde auch vom BF in der mündlichen Verhandlung am 04.10.2019 eingeräumt. Insbesondere gab er dazu an, dass er seiner Ausreiseverpflichtung deshalb nicht nachgekommen sei, da das Familiengericht von ihm verlange, dass er sein Kind für zwei Stunden alle drei Wochen sehen solle. Er habe noch nie versucht, ein Reisedokument bei der nigerianischen Vertretungsbehörde zu beantragen, da er hoffe die Chance zu erhalten, in Österreich zu bleiben, da er diesem Land ein Kind geschenkt habe. Aus diesem Verhalten ergibt sich, dass der BF seine Ausreise umgangen ist und er seine Abschiebung zumindest erschwert hat.

3.4. Dass der BF seit 15.04.2019 weder über einen Wohnsitz in Österreich verfügt noch eine Meldung als obdachlos aufweist ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister und wurde von ihm auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.10.2019 bestätigt. Der Grund für die Abmeldung aus dem Grundversorgungsquartier wurde vom BF selbst in seiner Beschwerde dargelegt. Aus dem vom BF in der Beschwerde vorgelegten Schriftverkehr ergibt sich auch, dass seinem Rechtsvertreter ab 17.09.2019 bekannt war, dass eine Aufnahme des BF in die Grundversorgung wieder möglich wäre. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.10.2019 danach befragt, warum er über keine Meldeadresse verfüge, gab der BF an, dass er vor einigen Tagen einen Brief seines Rechtsvertreters erhalten habe, dass er laut Bundesamt wieder zur Caritas gehen und dort eine Wohnung erhalten könne. Er sei zur Caritas gegangen, wobei ihm gesagt worden sei, dass er zu spät gekommen sei, weil es schon nach zwei Uhr gewesen sei. Ihm sei gesagt worden, dass er am nächsten Tag - einem Dienstag - wiederkommen solle. Bevor er am Dienstag zur Caritas gegangen sei sei er zu Ambamed gegangen, da er seine Medikamente für Depression nicht gehabt habe. Bevor er am Dienstag noch einmal hingegangen sei, sei ihm von der Caritas gesagt worden, dass er wieder zu spät sei. Am nächsten Tag sei er wieder hingegangen, seine Papiere seien entgegen genommen worden und er habe einen Termin für drei Uhr erhalten. Er habe auch Papiere erhalten, dass ihn die Security hineinlasse. An diesem Tag habe er eine Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gehabt, die bis in die Nacht gedauert habe. Nach der Verhandlung sei er festgenommen worden. Das von ihm genannte Schreiben habe er bei der Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes mitgehabt. Auf die Frage wo sich dieses Schreiben derzeit befinde gab der BF in der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2019 an, dass ihm von seinem Rechtsvertreter alle Papiere abgenommen worden seien. Der BF denke, dass sein Rechtsvertreter dieses Schreiben habe. Vom Rechtsvertreter wurde in der mündlichen Verhandlung am 04.10.2019 angegeben, dass sich dieses Schreiben möglicherweise beim Akt befinde, mit habe er es nicht. In der Niederschrift der vom BF genannten mündlichen Verhandlung vom 25.09.2019 - welche in seinem Asylverfahren durchgeführt wurde - wurde der BF danach gefragt, wo er derzeit wohne oder schlafe. Diese Frage beantwortete der BF damit, dass er in einem Keller oder im Nachtbus schlafe. Er habe eine Jahreskarte und schlafe im Bus. Seine Wohnmöglichkeit, die sich laut seinen Angaben am 04.10.2019 bereits unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung am 25.09.2019 für den BF eröffnet habe, erwähnte der BF dabei nicht. Dass sich der BF nicht ernstlich um die Erlangung eines Wohnsitzes im September 2019 bemüht hat, ergibt sich daher zum einen daraus, dass es ihm nicht möglich war, selbst bei der zweiten Vorsprache bei der Caritas rechtzeitig zu erscheinen. Dass er tatsächlich am 25.09.2019 nach der Beschwerdeverhandlung zur Caritas kommen wollte wird als Schutzbehauptung gewertet, da der BF zwar angibt, eine Bestätigung für den "verspäteten" Einlass in diese Einrichtung mit sich geführt zu haben, diese jedoch dem Gericht bisher weder vorgelegt hat noch in der Beschwerdeverhandlung am 25.09.2019 auf die unmittelbar nach der Verhandlung erlangbare Wohnmöglichkeit hingewiesen hat, obwohl er ausdrücklich nach seiner Wohnsituation befragt wurde. Da vom BF in der mündlichen Verhandlung der Eindruck gewonnen werden konnte, dass er die vom Gericht gestellten Fragen ausführlich beantwortet, ist es nicht nachvollziehbar, dass er bei Vorhandensein einer konkret und unmittelbar nach der Verhandlung erlangbaren Wohnmöglichkeit nicht auf diese hingewiesen hätte.

3.5. Dass der BF im Jahr 2006 unrechtmäßig aus Österreich ausgereist ist und sich anschließend jahrelang unrechtmäßig in Italien und Griechenland aufgehalten hat, räumt er selbst in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 04.10.2019 ein. So gab er in diesem Zusammenhang insbesondere an, dass er Österreich ohne Reisedokument verlassen habe und er sich anschließend in Italien und Griechenland aufgehalten habe, ohne einen Asylantrag zu stellen. Zwar gab der BF in der mündlichen Verhandlung an, er habe sich rechtmäßig in Italien und Griechenland aufgehalten, da er dort kein Verbrechen begangen habe, er sei dort jedoch nicht von der Polizei kontrolliert worden und habe auch keinen Meldezettel gehabt. Dass der BF am 12.12.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in der Schweiz gestellt hat, ergibt sich aus dem diesbezüglichen EURODAC-Treffer, der im Zentralen Fremdenregister vermerkt ist.

3.6. Dass der BF im Jahr 2012 durch Hungerstreik seine Haftunfähigkeit herbeigeführt hat, was zu seiner Entlassung aus der Schubhaft führte, wurde vom BF in der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2019 eingeräumt.

3.7. Dass der BF die Unterschriften zur Bestätigung der Übernahme des Schubhaftbescheides sowie der diesbezüglichen Verfahrensanordnung über die Bestellung eines Rechtsberaters am 26.09.2019 verweigert hat, ergibt sich aus den diesbezüglichen Übernahmebestätigungen im Verwaltungsakt.

4. Zur sozialen und familiären Komponente

4.1. Dass der BF nicht verheiratet ist und keine Sorgepflichten hat ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 04.10.2019.

4.2. Dass in Österreich der leibliche Sohn des BF bei Pflegeeltern lebt und der BF für zwei Stunden alle drei Wochen Kontakt zu seinem Sohn hat, ergibt sich aus den Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 04.10.2019 und seinen bisherigen Angaben in seinem Asylverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dass zwischen dem BF und seinem Sohn keine tiefgreifende emotional positive Bindung besteht ergibt sich aus dem im Beschwerdeverfahren das Asylverfahren des BF betreffend erstellten psychologischen Gutachten eines klinischen Psychologen vom 03.10.2019. Dass keine weiteren Familienangehörige des BF in Österreich leben gab er selbst in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.10.2019 an.

4.3. Die Feststellungen zum Kontakt mit der Mutter seines Kindes und ihrer Familie ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung vom 04.10.2019. Weitere nennenswerte soziale Kontakte nannte der BF nicht, da er die diesbezüglich gestellte Frage lediglich mit "zu viele" beantwortete und während der gesamten Verhandlung auf keine weiteren Bekanntschaften hinwies.

4.4. Die Feststellungen zu der vom BF seit August 2018 ausgeübten Tätigkeit als Zeitungszusteller ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 04.10.2019. Dass ihn auch diese Tätigkeit nicht dazu veranlasste, Personaldokumente zu erlangen, steht insofern fest, als der BF die diesbezüglich in der Beschwerdeverhandlung vom 04.10.2019 an ihn gerichtete Frage damit beantwortete, dass er nicht wisse, was er machen könne.

4.5. Dass der BF über kein Vermögen verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, in der er angab, EUR 400,-- zu besitzen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war insofern zu rechnen, als bereits eine durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung vorlag, ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet und ein Vorführungstermin vor die nigerianische Vertretungsbehörde organisiert war.

3.1.5. Das Bundesamt geht auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat in den Jahren 2006 und 2012 im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates falsche Identitätsdaten und die Staatsangehörigkeit Ghanas behauptet. Obwohl er seit 22.05.2018 zur Ausreise aus Österreich verpflichtet ist, hat der BF keinerlei Anstrengungen unternommen, ein Reisedokument zu erlangen. Durch dieses Verhalten hat er die Rückkehr umgangen und seine Abschiebung behindert. Damit hat er aber auch den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt. Auch aus dem Umstand, dass der BF ab April 2019 über keinen Wohnsitz mehr verfügte und nicht aufrecht gemeldet war, ergibt sich, dass er sich auch in Zukunft seiner Abschiebung entziehen wird. Es kommt dabei nicht darauf an, aus welchen Gründen der BF einer ihm erteilten und danach bekämpften Wohnsitzauflage nicht Folge geleistet hat und ob dieser Auftrag berechtigt war oder nicht (vgl. VwGH vom 19.09.2019, Ra 2019/21/0204).

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Es liegt eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor und der BF hat seine Rückkehr umgangen und seine Abschiebung erschwert. Es ist daher auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG sind bei Beurteilung der Fluchtgefahr der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

In Österreich lebt der Sohn des BF, zu dem der BF für zwei Stunden alle drei Wochen Kontakt hat. Die Obsorge über sein Kind kommt dem BF nicht zu, das Kind lebt in einer Pflegefamilie. Eine tiefgreifende emotional positive Bindung zwischen dem BF und seinem Sohn liegt nicht vor.

Der BF geht in Österreich seit August 2018 der Tätigkeit eines Zeitungszustellers nach, für die er ein monatliches Einkommen von ca. EUR 400,-- bis EUR 500,-- bezieht. Dass durch diese Tätigkeit die Fluchtgefahr verringert wird wird jedoch dadurch relativiert, dass der BF diese Tätigkeit zu einem Zeitpunkt aufgenommen hat, in dem er bereits monatelang zur Ausreise aus Österreich verpflichtet war und diese Tätigkeit daher dazu nutzte, seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich zu finanzieren und fortzusetzen. Bemerkenswert ist auch, dass kein schriftlicher Vertrag zur Ausübung dieser Tätigkeit existiert. Der BF hat daher keinen Rechtsanspruch auf eine gewisse Dauer dieser Tätigkeit. Grund dafür, dass kein schriftlicher Vertrag vorliegt ist, dass der BF über keine identitätsbezeugenden Dokumente verfügt. Dass der BF nicht ernstlich daran interessiert ist, eine existenzsichernde berufliche Tätigkeit auszuüben zeigt sich insbesondere daran, dass nicht einmal diese Tätigkeit Grund genug für ihn war, sich um die Ausstellung von Personaldokumenten bei der nigerianischen Botschaft zu bemühen.

Insgesamt zeigt sich daher, dass der BF zwar über familiäre und berufliche Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, dass ihn diese jedoch nicht zu rechtskonformem Verhalten bewegen konnten, sondern ganz im Gegenteil der Aufrechterhaltung seines unrechtmäßigen Aufenthaltes dienten. Es liegen daher keine Umstände vor, die es als unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass sich der BF seiner bevorstehenden Abschiebung entziehen wird.

Das Bundesamt ist daher zu Recht von Fluchtgefahr ausgegangen.

3.1.6. Das Bundesamt ist auch zu Recht von Sicherungsbedarf ausgegangen. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der BF hat bereits in den letzten Jahren gezeigt, dass er nicht bereit ist, nach Nigeria auszureisen. So hat er im Jahr 2006 vor der nigerianischen Vertretungsbehörde falsche Identitätsdaten angegeben und nach seiner Haftentlassung Österreich ohne Reisedokument - und damit unrechtmäßig - verlassen und sich illegal in Italien und Griechenland aufgehalten, bevor er im Dezember 2011 in der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Nach seiner Überstellung nach Österreich gab er vor der nigerianischen Vertretungsbehörde abermals falsche Identitätsdaten an und erzwang seine Entlassung aus der Schubhaft durch Hungerstreik. Seit 22.05.2018 ist der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und unternahm keinerlei Anstrengungen, um ein Reisedokument zu erlangen. Aus der Grundversorgung wurde er zwar auf Grund eines rückwirkend außer Kraft getretenen Bescheides entlassen, er gab dem Bundesamt jedoch keine neue Zustelladresse bekannt und meldete sich nicht nach den Bestimmungen des Meldegesetzes als obdachlos.

Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte vom BF der Eindruck gewonnen werden, dass er seine Ausreiseverpflichtung völlig negiert. Er unternahm keinerlei Anstrengungen um seine Ausreise vorzubereiten und verschleierte dem Bundesamt gegenüber seinen Aufenthalt. Auch wenn der BF durch einen rückwirkend außer Kraft getretenen Bescheid des Bundesamtes seinen Wohnsitz verloren hat, so lag in diesem Zeitpunkt - ab April 2019 - bereits seit ca. elf Monaten eine durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung vor. Gerade in diesem fortgeschrittenen Verfahrensstadium wäre es am BF gelegen, sich dem Bundesamt nicht zu entziehen, er aber ließ das Bundesamt bewusst im Unklaren über seinen Aufenthalt. Auch wenn der BF in seiner Beschwerde ausführte, er sei über seinen Rechtsvertreter für das Bundesamt erreichbar gewesen, so konnte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung der Rechtsvertreter des BF nicht angeben, ob dem Bundesamt eine Adresse, an der der BF für das Bundesamt erreichbar war, bekannt gegeben worden ist. Auch daraus ist erkennbar, dass der BF das Bundesamt bewusst über seinen Aufenthaltsort im Unklaren gelassen hat und keineswegs zu einer Kooperation mit dem Bundesamt bereit war.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF hält sich seit Mai 2018 unrechtmäßig in Österreich auf und verfügt seit April 2019 über keine Meldeadresse und keinen festen Wohnsitz. In Österreich lebt zwar der leibliche Sohn des BF, zu dem dieser auch regelmäßig für kurze Zeit alle drei Wochen Kontakt hat. Eine tiefgreifende emotional positive Bindung besteht zwischen dem BF und seinem Sohn jedoch nicht. Über weitere Angehörige verfügt der BF in Österreich nicht, mit der Mutter seines Sohnes lebt er nicht im gemeinsamen Haushalt. Seine berufliche Tätigkeit nahm der BF nur auf, um seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich zu finanzieren.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält.

Auch der Gesundheitszustand des BF lässt die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen und hat das Bundesamt seiner Verpflichtung, die Schubhaft so kurz als möglich aufrechtzuerhalten insofern Rechnung getragen, als die Vorführung des BF vor die nigerianische Vertretungsbehörde für den XXXX vorgesehen ist.

Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.1.8. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF ist nicht damit zu rechnen, dass er diesem nachkommen werde. So ist dem BF zwar seit 22.05.2018 bekannt, dass er ausreisepflichtig ist, er hat jedoch bisher keinerlei Vorbereitungen für diese Ausreise getroffen und hat darüber hinaus das Bundesamt seit April 2019 bewusst über seinen Aufenthalt im Unklaren gelassen. Zur Finanzierung seines unrechtmäßigen Aufenthaltes hat er eine Tätigkeit als Zeitungszusteller aufgenommen, wobei er auch hier nicht an der Erlangung eines schriftlichen Arbeits- oder Werkvertrages interessiert war, da er sich nicht um die Erlangung eines Ausweisdokumentes bemüht hat.

Insbesondere ist es dem BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er einem gelinderen Mittel nachkommen werde. Seine diesbezüglichen Ausführungen blieben vage und oberflächlich. Insbesondere ging er bei der Frage, warum er einem g

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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