TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/18 W137 2224373-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.10.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W137 2224373-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Sierra Leone, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2019, Zl. 279227705/191030678, sowie die fortdauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 10.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft ab 10.10.2019 für rechtmäßig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Sierra Leone. Er stellte in Österreich - wo er sich seit 2004 aufhält - bereits zweimal erfolglos Anträge auf internationalen Schutz. 2017 wurde seine Staatsangehörigkeit von der Botschaft Sierra Leones bestätigt und es wurde im November 2017 ein Heimreisezertifikat (HRZ) für ihn ausgestellt.

2. Am 12.05.2019 wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt. Am 24.09.2019 wurde er wegen der Begehung von Suchtmitteldelikten zu einer teilbedingten mehrmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

3. Am 01.10.2019 wurde ein Festnahmeauftrag in Bezug auf den Beschwerdeführer erlassen. Am 04.10.2019 wurde erneut die Ausstellung eines HRZ beantragt. Am 10.10.2019 wurde der Beschwerdeführer unmittelbar nach der Entlassung aus der Strafhaft festgenommen.

4. Nach einer mündlichen Einvernahme (wobei er die Unterschrift unter das Protokoll verweigerte) wurde über den Beschwerdeführer am 10.10.2019 mit dem im Spruch angeführten Bescheid die Schubhaft angeordnet. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit der weitgehend fehlenden sozialen Verankerung und Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Mit der Anordnung des gelinderen Mittels könne auch unter Berücksichtigung der Straffälligkeit des Beschwerdeführers nicht das Auslangen gefunden werden. Insgesamt erweise sich die Schubhaft angesichts der vorliegenden "ultima-ratio-Situation" auch als verhältnismäßig. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe (gemeinsam mit der Verfahrensanordnung betreffend die Beigabe eines Rechtsberaters) zugestellt.

5. Am 14.10.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde (samt Vollmacht vom 11.10.2019) ein. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass das Bundesamt die unterstellte Fluchtgefahr nicht hinreichend begründet habe und diesbezüglich auch unrichtige oder aktenwidrige Feststellungen getroffen habe. Zudem seien die gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers unberücksichtigt geblieben - diese würden ebenfalls gegen eine Fluchtgefahr sprechen. Der Beschwerdeführer sei kooperationsbereit; er könnte nach einer Haftentlassung auch wieder in der Grundversorgung aufgenommen werden. Auch im Zusammenhang mit der Prüfung des gelinderen Mittels sei die "besondere Vulnerabilität des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt worden.

Beantragt werde daher a) eine mündliche Verhandlung anzuberaumen; b) den Schubhaftbescheid zu beheben und diesen sowie die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären; c) festzustellen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen;

d) der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen aufzuerlegen.

6. Am 15.10.2019 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs auf, die angeführten Krankheiten und die vorgebrachten medizinischen Behandlungen zu belegen. Ausdrücklich erging die Aufforderung, Behandlungsunterlagen seit 2018 vollständig und geordnet vorzulegen.

7. Am 15.10.2019 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einer Stellungnahme verwies das Bundesamt im Wesentlichen auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers und führte aus, dass mit der neuerlichen Ausstellung eines Heimreisezertifikats und der Abschiebung "zeitnah" zu rechnen sei.

Beantragt wurde die Abweisung der Beschwerde; die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen; sowie den Beschwerdeführer zum Ersatz der angeführten Kosten zu verpflichten.

8. Mit Schreiben vom 17.10.2019 gab der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter den Namen seines behandelnden Arztes bekannt. Der Beschwerdeführer habe seine Rezepte jeweils für drei Monate erhalten. Da die Diagnose bereits 2014 erstellt worden sei, gebe es dazu keine aktuelleren Befunde. Beantragt werde nunmehr auch die Beischaffung des amtsärztlichen Aktes (PAZ) und die zeugenschaftliche Einvernahme des Amtsarztes.

Beigelegt (in Kopie) waren ein ärztliches Schreiben vom 30.09.2005, der Ausweis für Diabetiker sowie die Diagnose des behandelnden Arztes vom 08.04.2014.

9. Ebenfalls am 17.10.2019 übermittelte das Bundesamt die Dokumentation der medizinischen Betreuung des Beschwerdeführers im PAZ.

Noch am selben Tag reichte der Beschwerdeführer eine e-mail seines Arztes nach, in der dieser das Betreuungsverhältnis seit Oktober 2005 bestätigt.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Sierra Leone. Er verfügt über keine Personal- oder Reisedokumente. Bereits 2017 wurde seine Staatsangehörigkeit bestätigt und ein Heimreisezertifikat ausgestellt.

Seine zwei Anträge auf internationalen Schutz in Österreich wurden rechtskräftig abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung verbunden. Insofern bestehen rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahmen. Ein Heimreisezertifikat wurde vom Bundesamt umgehend beantragt, als der Entlassungstermin des Beschwerdeführers aus der Strafhaft feststand. Mit dessen Ausstellung ist nicht nur tatsächlich, sondern auch binnen einiger Wochen (jedenfalls noch 2019) zu rechnen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich im September 2019 wegen der Begehung von Suchtmitteldelikten zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten (davon 5 Monate unbedingt) verurteilt worden. Zur Zeit der Tatbegehung war der Beschwerdeführer im Rahmen der Grundversorgung umfassend versorgt. Seine Verbrechen und Vergehen begründete er mit fehlender Unterstützung durch den Staat und die Caritas. Der Beschwerdeführer ist insgesamt nicht vertrauenswürdig.

Der Beschwerdeführer verfügt er über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Familiäre Anknüpfungspunkte liegen in Österreich nicht vor - sehr wohl aber in Sierra Leone. Seine Existenz in Österreich ist nicht gesichert; er ging und geht keiner längerfristigen legalen Beschäftigung nach. Er verfügt gegenwärtig über Barmittel in Höhe von etwa 780€ und lebte seit 2010 im Wesentlich von staatlicher Grundversorgung. Er verfügt über keinen Rechtsanspruch auf Grundversorgung; das Bestehen einer gesicherten Unterkunft kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. An seiner bisherigen Unterkunft - die sein bevollmächtigter Vertreter im gegenständlichen Verfahren betreut - würde er - "sofern grundversorgungsberechtigt" - erneut aufgenommen.

Betreffend den Beschwerdeführer wurde die Diagnose Diabetes Mellitus und HIV bereits 2005 gestellt. Sie war damit stets auch Gegenstand der asylrechtlichen Entscheidungen. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ist hinsichtlich der angeführten Erkrankungen jedenfalls seit 2014 vollkommen stabil. Seine Medikation erhielt er in Freiheit regelmäßig für drei Monate. Seit Anordnung der Schubhaft wird der Beschwerdeführer engmaschig ärztlich betreut und erhält auch weiter seine verschriebenen Medikamente. Es gibt keinen stichhaltigen Hinweis für weitere substanzielle gesundheitliche Probleme körperlicher oder psychischer Natur seit Mai 2019. Der Beschwerdeführer ist (und war zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung) abseits der oben angeführten Dauererkrankungen grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 279227705/191030678 (Schubhaft) sowie dem Inhalt des ebenfalls vorgelegten fremden- und asylrechtlichen Verwaltungsaktes. Unstrittig sind die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu seinen Asylverfahren.

Das 2017 ausgestellte Heimreisezertifikat ist in den Akten belegt; gleiches gilt für den Antrag auf neuerliche HRZ-Ausstellung. Der Antrag erfolgte wenige Tage nach Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers; vorher wäre der Zeitpunkt des Haftendes reine Spekulation gewesen. Gründe, warum diesmal kein HRZ ausgestellt werden sollte, sind nicht ersichtlich und wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet. Umgekehrt ergibt sich daraus kein Grund zur Annahme, dass dieser Vorgang länger als allenfalls einige Wochen dauern könnte. Auch das Bundesamt geht gegenwärtig offensichtlich von einer solchen Zeitspanne ("zeitnah") aus.

1.2. Die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ist aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister ersichtlich und im Übrigen auch unstrittig. Seine Versorgung im Rahmen der Grundversorgung zum Zeitpunkt der Tatbegehung ist aus dem GVS-Speicherauszug ersichtlich. In seiner Einvernahme am 10.10.2019 gab er zur Finanzierung seines Aufenthalts im Bundesgebiet an: "Ich habe Drogen verkauft, es ist mir nichts Anderes übriggeblieben, weil mir die Caritas und der Staat nicht geholfen haben.". Diese auch im Bescheid abgedruckte Ausführung wurde auch in der Beschwerde nicht bestritten, weshalb sie als authentisch zu werten ist.

Diese Aussage belegt vor dem Hintergrund einer umfassenden Versorgung und finanziellen Alimentierung des Beschwerdeführers durch die Republik Österreich sowie Betreuung durch die Diakonie (als Unterkunftgeber) - die offenkundig mit "Caritas" gemeint sein soll - über Jahre hinweg, dass es dem Beschwerdeführer nicht nur an Respekt für die ihm hier geleistete Hilfe mangelt, sondern auch, dass er für sich Tatsachen negiert, um Ausreden für seine Straftaten zu finden. Eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Fehlverhalten ist in einer solchen Aussage nicht einmal ansatzweise ersichtlich.

Einer Person, die sich hinsichtlich der Begehung schwerer - für die Gemeinschaft besonders schädlicher - Straftaten lediglich "hinauszureden" versucht und darüber hinaus tatsachenwidrig staatliche Einrichtungen und sogar sozial engagierte NGOs für ihr Fehlverhalten verantwortlich macht, kann jedenfalls keine Vertrauenswürdigkeit attestiert werden.

1.3. Das Fehlen sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der Aktenlage und ist unbestritten. Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich hat der Beschwerdeführer ausdrücklich verneint; gleichzeitig solche in Sierra Leone eingeräumt. Im Verfahren sind keine Hinweise auf legale Beschäftigungsverhältnisse oder die Fähigkeit zur mittelfristigen Sicherung der eigenen Existenz in Österreich hervorgekommen. Dies ergibt sich auch aus der langjährigen Inanspruchnahme der Grundversorgung. Das aktuelle Barvermögen des Beschwerdeführers ist aus der Anhaltedatei ersichtlich; es entstammt keiner sicheren Einnahmequelle und kann somit eine Existenzsicherung allenfalls für einige Wochen belegen.

Der Beschwerdeführer konnte im Verfahren keinen Rechtsanspruch auf (neuerliche) Aufnahme in die Grundversorgung belegen. Er ist nicht Asylwerber und verfügt auch über keinen legalen Aufenthaltsstatus. Seine bisherige Versorgung einer kulanten Anwendungspraxis des Landes Wien geschuldet; was sich aus dem notorischen Wissen über eben diese Anwendungspraxis ergibt.

Die Aufnahmebereitschaft des bisherigen Unterkunftgebers ist durch eine schriftliche Erklärung belegt und glaubhaft, weil dieser Unterkunftgeber (Diakonie Flüchtlingsdienst) auch der Vertreter des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren ist.

1.4. Die seit jedenfalls 2005 bestehenden Erkrankungen (Diabetes, HIV) des Beschwerdeführers sind (seit diesem Zeitpunkt) belegt und überdies unstrittig. Damit steht auch fest, dass sie Gegenstand der beiden abgeschlossenen Asylverfahren waren. Die völlige Stabilität des Gesundheitszustandes seit 2014 (hinsichtlich der genannten Erkrankungen) ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Informationen. Er erhielt seit dieser Zeit durchgehend die gleiche Medikation (für jeweils drei Monate) und es wird im ersten Schreiben vom 17.10.2019 auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es keinen aktuelleren Befund als jenen von 2014 gebe - was zwangsläufig bedeutet, dass seither keinen substanziellen Veränderungen hinsichtlich der angeführten Dauererkrankungen eingetreten sind. Die medizinische Betreuung in der Schubhaft samt Fortsetzung der Medikation ist durch die einschlägige PAZ-Dokumentation aktenkundig. Für darüberhinausgehende substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers gibt es keinen Hinweis und sind solche auch im Verfahren nie behauptet worden. Bluthochdruck als logische Folge von Übergewicht und Diabetes kann nicht als substanzielles Problem angesehen werden.

Aus dem oben Dargestellten ergibt sich die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers, die überdies durch eine unmittelbar zuvor verbüßte Strafhaft zusätzlich belegt ist. Eine grundsätzliche Haftunfähigkeit wurde in der Beschwerde auch nicht behauptet.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, der Festnahme und der Anhaltung in Schubhaft seit 10.10.2019:

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Über den Beschwerdeführer, wurde unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der mangelhaften Mitwirkung des Beschwerdeführers im Verfahren, der Verletzung auferlegter Verpflichtungen aus dem gelinderen Mittel, dem Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie dem Fehlen substanzieller sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Das Bundesamt stützte sich dabei erkennbar auf die Ziffern 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG.

Dem Vorliegen der Kriterien der Ziffer 3 wurde auch in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

3.3. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid im Kern auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer weder eine legale Erwerbstätigkeit ausübt, noch über hinreichende Barmittel zur eigenständigen Existenzsicherung und weder familiäre noch substanzielle soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt.

Diesen Feststellungen wird auch in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Glaubhaft ist, dass ihn sein Vertreter in der von ihm selbst betriebenen Unterkunft "sofern er nach wie vor grundversorgungsberechtigt ist" erneut aufnehmen würde. Der Beschwerdeführer ist aber - da weder Asylwerber noch Schutzberechtigter - nicht "grundversorgungsberechtigt" im Sinne eines Rechtsanspruchs. Dass er eine realistische Chance hat, dennoch erneut in die Grundversorgung aufgenommen zu werden, ist zu berücksichtigen, stellt aber keinen gesicherten Wohnsitz im Sinne des Gesetzes dar.

Die belangte Behörde kam daher in Summe zutreffend zu der Auffassung, dass der Beschwerdeführer über keine Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zur (realistisch möglichen) Überstellung den Behörden nicht entziehen werde.

3.4. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

3.5. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da sich der Beschwerdeführer durch sein vor Anordnung der Schubhaft gezeigtes kriminelles Verhalten als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat - was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Auf Grund dieser Umstände und der (wenn auch gering ausgeprägten) Fluchtgefahr, überwogen daher - wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

3.6. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone nicht nur in zumutbarer, sondern sogar binnen relativ kurzer Frist möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war nicht unverhältnismäßig: Mit der Durchführung der Überstellung war tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen. Abschiebungen nach Sierra Leone finden statt; für den Beschwerdeführer wurde auch bereits einmal ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet.

Mit den gesundheitlichen Problemen des Beschwerdeführers hat sich das Bundesamt im angefochtenen Bescheid hinreichend befasst, wobei diesbezüglich festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer unmittelbar zuvor eine mehrmonatige Freiheitsstrafe wegen der Begehung von Suchtmitteldelikten verbüßt hat.

3.7. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 10.10.2019 abzuweisen.

4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:

4.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur "ermächtigt", einen "weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen", sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

4.2. Für die Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines 2019 gezeigten Verhaltens - insbesondere der Begehung von Suchtmitteldelikten - und der nunmehr realistisch in relativ kurzer Zeit bevorstehenden Abschiebung jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem über keine feststellbaren beruflichen, familiären und (substanziellen) sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte.

Dies gilt auch für seine Dauererkrankungen, da es keine Zweifel gibt, dass er die erforderliche Medikation von seinem Arzt erneut für drei Monate im Voraus erhalten würde - womit eine hinreichende Zeitspanne gegeben wäre, um gegen ein gelinderes Mittel (Meldepflicht, Unterkunftnahme) zu verstoßen, einen Abschiebetermin zu vereiteln oder ein Heimreisezertifikat auslaufen zu lassen. Angesichts der fehlenden Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers muss ein solches Verhalten jedenfalls einkalkuliert werden.

4.3. Im gegenständlichen Fall ist das Kriterium der Ziffer 3 des § 76 Abs. 3 FPG wie dargelegt weiterhin gegeben. Hinsichtlich Ziffer 9 sind abseits möglichen Unterkunft bei seinem Vertreter keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte hinzugekommen. In diesem Zusammenhang ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) "soziale Anknüpfungspunkte" für sich alleine nicht ausreichen, der Anordnung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den "Grad der sozialen Verankerung in Österreich", wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall sind diese Anknüpfungspunkte allerdings weitgehend nicht gegeben.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine zur Schubhaftanordnung hinreichende Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie - im Zusammenhang mit der Straffälligkeit - ein hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer Abschiebung zu bejahen ist.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall - vorrangig aufgrund der fehlenden Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers - die Anwendung des gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Der Beschwerdeführer hat auch am 10.10.2019 unmissverständlich dargelegt, dass er die ihm bis Mai 2015 gebotene umfassende Grundversorgung und Betreuung als nicht ausreichend empfunden hat. Damit liegt auch die geforderte "ultima-ratio-Situation" für die Anordnung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig.

4.4. Hinsichtlich der absehbaren Dauer der Schubhaft ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass diese in vergleichsweise kurzer Zeit beendet werden kann. Von der Ausstellung eines Heimreisezertifikats und der Möglichkeit der Abschiebung binnen einger Wochen, jedenfalls noch 2019, kann gegenwärtig ausgegangen werden. Diese Haftdauer ist dem Beschwerdeführer unter Einbeziehung der dargestellten Umstände (insbesondere auch seiner Erkrankungen) jedenfalls zumutbar. Für die Annahme einer (zukünftigen) unverhältnismäßig langen Anhaltung gibt es gegenwärtig keinen Anhaltspunkt. Einzubeziehen in diese Verhältnismäßigkeitsprüfung ist auch das - durch die Suchtgiftdelinquenz des Beschwerdeführers bedingte - besonders hohe Interesse des Staates an einer Sicherung der Abschiebung.

Umgekehrt ergibt sich aus den Dauererkrankungen des Beschwerdeführers und der vergleichsweise gering ausgeprägten Fluchtgefahr, dass eine längerfristige Verzögerung bei der HRZ-Ausstellung unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung jedenfalls Beachtung zu finden hätte.

4.5. Es ist daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Insbesondere gilt das für die Dauererkrankungen des Beschwerdeführers, wo die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers vollständig der Entscheidung zugrunde gelegt worden sind. Dazu wurden die vorgelegten Bestätigungen ebenfalls nicht in Frage gestellt. Durch Einträge in öffentlichen Registern (ZMR, Strafregister, etc.) belegte oder widerlegte Tatsachen beziehungsweise Sachverhaltselemente bedürfen ebenfalls keiner mündlichen Erörterung.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Die in der Beschwerde behauptete Kooperationswilligkeit hat der Beschwerdeführer durch sein 2019 gezeigtes Verhalten und seine Aussagen vom 10.10.2019 - die sich in einer fehlenden Vertrauenswürdigkeit niederschlugen - selbst beschädigt. Er hat dabei wissentlich Unwahrheiten zu den Ursachen seiner Straftaten zu Protokoll gegeben. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind. Die Erläuterung von Rechtsfragen in einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.

6. Kostenersatz

6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

6.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Mitwirkungspflicht, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche
Verurteilung, Verhältnismäßigkeit, Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W137.2224373.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten