TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/18 G314 2224251-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2019
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Entscheidungsdatum

18.10.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2224251-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, bulgarischer Staatsangehöriger, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 27.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde im Bundesgebiet vier Mal strafgerichtlich verurteilt. Nach den ersten beiden Verurteilungen wurde gegen ihn ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Danach wurde er im März 2012 verurteilt. Nach seiner bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug verließ er das Bundesgebiet im Februar 2015. Nach einer fremdenpolizeilichen Kontrolle in Wien, bei der sein nicht rechtmäßiger Aufenthalt festgestellt worden war, reiste er am 30.10.2017 wieder aus.

Am XXXX.03.2019 wurde der BF in Wien verhaftet, in Untersuchungshaft genommen und am XXXX.05.2019 wegen Suchtgiftdelikten zu einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis XXXX.08.2019 in der Justizanstalt XXXX verbüßte.

Mit dem Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12.04.2019 wurde dem BF die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots abzugeben. Er gab keine Stellungnahme ab. Am 19.06. und am 27.08.2019 wurde er vor dem BFA dazu vernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde mit der neuerlichen strafgerichtlichen Verurteilung des BF, seinem Verstoß gegen melderechtliche Vorschriften und der Missachtung des bestehenden Aufenthaltsverbots begründet. Der BF habe sein Familienleben im Bundesgebiet im Wissen um das Aufenthaltsverbot begründet und trotzdem eine Beschäftigung im Lokal seiner Schwiegermutter aufgenommen.

Am XXXX.08.2019 wurde der BF in seinen Herkunftsstaat abgeschoben.

Gegen den Bescheid richtet sich die wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde, mit der der BF primär die Behebung des angefochtenen Bescheids anstrebt. Hilfsweise beantragt er die Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots und stellt einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er beantragt die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, u.a. zur Einvernahme seiner Ehefrau XXXX als Zeugin. Er lebe in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt mit ihr und den vier gemeinsamen minderjährigen Kindern. Auch seine Mutter lebe hier; er habe einen großen Freundeskreis und daher ein schützenswertes Privat- und Familienleben. Er sei 2017 aufgrund familiärer Bindungen in das Bundesgebiet zurückgekehrt, wo er sich seither durchgehend aufhalte. Die Behörde habe keine einzelfallbezogene Prüfung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit vorgenommen, sich nicht mit dem Verhalten, das seiner letzten Verurteilung zugrunde gelegen sei, auseinandergesetzt und weder die Wiederholungsgefahr noch die Dauer des Aufenthaltsverbots nachvollziehbar begründet. Der besonderen Rechtsstellung des BF als einer dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Person sei nicht Rechnung getragen worden. Ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot sei willkürlich, zumal dem BF am XXXX.06.2019 ein auf vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot angekündigt worden sei und sich die Umstände seither nicht entscheidungswesentlich geändert hätten. Das BFA habe die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs unzureichend begründet.

Das BFA erstattete eine ausführliche Stellungnahme zur Beschwerde und legte diese samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

Feststellungen:

Der BF wurde am XXXX in der bulgarischen Stadt XXXX als XXXX geboren. Er ist bulgarischer Staatsangehöriger; seine Muttersprache ist Bulgarisch. Er wuchs zunächst in Bulgarien auf, wo er acht Jahre lang die Schule besuchte. Ab 2008 lebte er gemeinsam mit seiner Mutter und deren Lebensgefährten in Österreich, wo er noch zwei Jahre lang die Schule besuchte. Im Mai 2008 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung ausgestellt. Der Lebensgefährte seiner Mutter kam für seinen Unterhalt auf. Der BF kennt seinen Vater nicht.

Am XXXX.08.2009 wurde der BF erstmals verhaftet. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 25.11.2009, XXXX, wurde er wegen Jugendstraftaten (Verbrechen des versuchten schweren Raubes und des versuchten Raubes) zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt, wobei ein Strafteil von 14 Monaten zunächst bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX.07.2009 und am XXXX.08.2009 versucht hatte, jeweils gemeinsam mit einem Mittäter in drei Angriffen insgesamt sechs anderen Personen Mobiltelefone zu rauben, wobei er in einem Fall seinem Opfer ein aufgeklapptes Springmesser vorhielt. Es blieb bei allen Angriffen beim Versuch, weil den Opfern die Flucht gelang bzw. die Polizei einschritt. Der unbedingte Strafteil wurde bis XXXX.03.2010 vollzogen.

Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 10.06.2010, XXXX, wurde der BF wegen weiterer Jugendstraftaten (Vergehen der Nötigung und des Diebstahls) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die Probezeit der zuvor gewährten bedingten Strafnachsicht auf fünf Jahre verlängert. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er ein Opfer am XXXX. und XXXX.04.2010 jeweils durch die Äußerung, er werde ihm sein Mobiltelefon wegnehmen, dazu nötigte, ihm Bargeld zu geben bzw. eine Halskette nicht zurückzufordern und ihm außerdem EUR 3 stahl.

Aufgrund dieser Verurteilungen wurde gegen den BF mit dem seit 02.06.2011 rechtskräftigen Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 11.05.2011 ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erlassen, das bis XXXX.07.2021 gültig ist. Die Anmeldebescheinigung wurde widerrufen.

Am XXXX.05.2011 wurde gegen den BF ein Haftbefehl erlassen. Er tauchte unter und wurde letztlich am XXXX.12.2011 in Bulgarien verhaftet, in Auslieferungshaft genommen und am XXXX.01.2012 nach Österreich ausgeliefert. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 28.03.2012, XXXX, wurde er wegen des Verbrechens des schweren Raubes als Jugendstraftat zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX.04.2011 in XXXX gemeinsam mit einem Mittäter vier Jugendlichen deren Mobiltelefone raubte, indem er seinem Komplizen das Messer gab, das dieser dann als Drohmittel einsetzte, Aufpasserdienste leistete, sich zum Eingreifen bereithielt und in einem Fall die Herausgabe des Mobiltelefons forderte. Bei der Strafbemessung wurden die einschlägigen Vorstrafen, die Opfermehrheit und die Tatbegehung innerhalb offener Probezeiten als erschwerend berücksichtigt; es lagen keine besonderen Milderungsgründe vor. Gleichzeitig wurden die zuvor gewährten bedingten Strafnachsichten widerrufen.

Die Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von vier Jahren und neun Monaten wurden in den Justizanstalten XXXX und XXXX vollzogen. Nach der Verbüßung von drei Jahren und zwei Monaten wurde der BF am XXXX.02.2015 bedingt entlassen und reiste am selben Tag in seinen Heimatstaat aus. Dort heiratete er die bulgarische Staatsangehörige XXXX und nahm ihren Familiennamen an.

Schon im April 2015 kehrte der BF in das Bundesgebiet zurück, wo er im September/Oktober 2015 und von XXXX.03.2016 bis XXXX.08.2017 bei Reinigungsunternehmen als Arbeiter erwerbstätig war. Davor war er im Bundesgebiet lediglich im Juli 2010 für knapp einen Monat geringfügig beschäftigt gewesen. Seit August 2017 ging er im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit mehr nach. Er arbeitete ohne Anmeldung bei der Sozialversicherung im Lokal seiner Schwiegermutter in XXXX. Am 30.04.2015 beantragte er die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung. Dieser Antrag wurde am 28.05.2015 wegen des bestehenden Aufenthaltsverbots abgewiesen.

Im Oktober 2017 wurde der BF bei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle in XXXX aufgegriffen und wegen seines nicht rechtmäßigen Aufenthalts angezeigt. Der Aufforderung, das Bundesgebiet zu verlassen, kam er insofern nach, als er am XXXX.10.2017 nach Tschechien ausreiste, aber nur zwei Tage später nach Österreich zurückkehrte und ohne Wohnsitzmeldung bei seiner Ehefrau Unterkunft nahm.

Am XXXX.03.2019 wurde der BF verhaftet und am XXXX.03.2019 in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 24.05.2019, XXXX, wurde er wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a zweiter Fall, Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 2a und Abs 3 und Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG zu einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX.11.2018 in einer U-Bahn-Station öffentlich (für mindestens 40 Personen wahrnehmbar) einem verdeckten Ermittler ein Säckchen Cannabiskraut (Wirkstoffe: Delta-9-THC und THCA) gegen Entgelt (EUR 10) überließ und am XXXX.03.2019 im Bereich der U-Bahn-Station gewerbsmäßig einem anderen verdeckten Ermittler Suchtgift (zwei Säckchen mit 1,8 g Cannabiskraut) zum Preis von EUR 20 - für ungefähr 15 Personen wahrnehmbar - verkaufte und 26 weitere Säckchen mit insgesamt 23,4 g Cannabiskraut zum unmittelbaren Weiterverkauf an Suchtgiftkonsumenten bereithielt. Außerdem besaß er in wiederholten Angriffen Cannabiskraut und Kokain zum Eigenbedarf. Bei der Strafbemessung wurden das Geständnis, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, und die Sicherstellung des Suchtgifts als mildernd, die einschlägigen Vorstrafen dagegen als erschwerend berücksichtigt. Der BF verbüßte die Strafe bis XXXX.08.2019 in der Justizanstalt XXXX und wurde nach seiner Entlassung am XXXX.08.2019 in seinen Herkunftsstaat abgeschoben.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er lebte im Bundesgebiet vor seiner Inhaftierung in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern XXXX (geboren am XXXX), XXXX (geboren am XXXX), XXXX (geboren am XXXX) und XXXX (geboren am XXXX). Auch die Mutter und die Schwiegermutter des BF, die ihn und seine Familie finanziell unterstützen, leben in Österreich.

Der BF war im Bundesgebiet seit 2015 (abgesehen von seiner Meldung in der Justizanstalt XXXX zwischen März und August 2019) nur von April bis Oktober 2015, von März bis Oktober 2017 und von August bis Dezember 2018 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er hielt sich nicht durchgehend in Österreich auf, sondern zwischendurch auch in anderen Staaten, zumal seine Angehörigen in verschiedenen europäischen Staaten leben. In Bulgarien hat der BF keine Bezugspersonen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf den entsprechenden Angaben in den Strafurteilen, auf seinem 2010 abgelaufenen Reisepass, der Geburtsurkunde, dem aktuellen Personalausweis und der Identifizierung durch Interpol. Die bulgarische Muttersprache des BF ist aufgrund seiner Herkunft und der in Bulgarien absolvierten Schulbildung plausibel und wird auch dadurch belegt, dass den Strafverfahren und den Einvernahmen vor dem BFA Dolmetscher für diese Sprache beigezogen wurden. Zeugnisse über Deutschprüfungen oder Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen sind nicht aktenkundig.

Der Umstand, dass der BF ab 2008 in Österreich lebte, kann festgestellt werden, weil er laut dem Zentralen Melderegister (ZMR) ab Februar 2008 mit Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet war und ihm im Mai 2008 eine Anmeldebescheinigung als Familienangehöriger, die dem BVwG vorliegt und im Zentralen Fremdenregister gespeichert ist, ausgestellt wurde. In der Stellungnahme vom 26.05.2010 gab der BF glaubhaft an, sich seit Jänner 2008 in Österreich aufzuhalten. Bei seiner Einvernahme am 15.09.2009 hatte er erklärt, er sei schon 2007 eingereist; mangels verlässlicher Nachweise für einen Aufenthalt vor 2008 kann jedoch keine entsprechende Feststellung getroffen werden. Letztlich ist es aufgrund der verstrichenen Zeit hier nicht mehr entscheidungswesentlich, ob der BF ab 2007 oder ab 2008 in Österreich lebte.

Der festgestellte Schulbesuch in Bulgarien und Österreich basiert auf den Angaben des BF und auf der Schulbesuchsbestätigung vom 10.04.2008. Der BF gab am 15.09.2009 an, er habe in Bulgarien acht Jahre lang die Schule besucht. Am 06.02.2012 erklärte er, es seien sieben Jahre gewesen. Da auch im Urteil vom 28.03.2012 ein achtjähriger Schulbesuch des BF in Bulgarien erwähnt wird (siehe Urteilseite 3), ist davon auszugehen, dass diese Angabe richtig ist. Letztlich ist auch diese Diskrepanz nicht entscheidungswesentlich, zumal jedenfalls feststeht, dass der BF in Bulgarien mehrere Jahre lang die Schule besuchte und dort den Großteil der Pflichtschulzeit absolvierte.

Aus dem aktenkundigen Beschluss über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines Unterhaltsvergleichs vom 08.04.2008 wird abgeleitet, dass zunächst der Lebensgefährte der Mutter des BF für dessen Unterhalt in Österreich aufkam, zumal er sich auch mit dem Notariatsakt vom 07.05.2008 zur Leistung von Unterhalt für die Mutter des BF verpflichtete.

Die Festnahme des BF im August 2009 wird aufgrund der entsprechenden polizeilichen Meldung festgestellt. Die Feststellungen zu seinen Straftaten, zu den Verurteilungen und den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf den vorliegenden Strafurteilen und den entsprechenden Einträgen im Strafregister. Der Strafvollzug wird anhand der Vorhaftanrechnungen laut den Strafurteilen, der aktenkundigen Vollzugsinformationen und der Wohnsitzmeldungen des BF in Justizanstalten laut ZMR festgestellt; er ist zum Teil auch im Strafregister dokumentiert.

Der Bescheid vom 11.05.2011 über die Erlassung eines Aufenthaltsverbots liegt vor. Informationen zu dessen Rechtskraft und zur Gültigkeitsdauer des damals erlassenen Aufenthaltsverbots lassen sich dem aktenkundigen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister vom 14.12.2012 entnehmen, ebenso der Widerruf der Anmeldebescheinigung.

Der 2011 gegen den BF erlassene Haftbefehl und seine Flucht gehen aus dem Kurzbrief des Polizeikommissariats XXXX vom 06.09.2011 hervor. Auch das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 28.03.2012, XXXX, enthält Informationen zur Flucht des BF nach Bulgarien (siehe insbesondere Urteilseite 5). Die Auslieferungshaft und die Auslieferung des BF ergeben sich aus dem Schreiben des Bundeskriminalamts vom XXXX.01.2012, dem Anhalteprotokoll vom XXXX.01.2012 und der Vorhaftanrechnung laut dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 28.03.2012.

Der Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 20.11.2014, XXXX, über die bedingte Entlassung des BF liegt vor. Diese ist auch im Strafregister dokumentiert.

Die Ausreisebestätigung vom XXXX.02.2015 liegt vor. Daraus ergibt sich auch, dass der BF im Februar 2015 freiwillig nach Bulgarien ausreiste und nicht - wie im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) angegeben - abgeschoben wurde.

Die Eheschließung und die Namensänderung des BF werden anhand seiner Angaben vor dem BFA am 21.10.2017 und am 19.06.2019 festgestellt. Bei der Einvernahme am 21.10.2017 gab er auch an, er sei zuletzt im Dezember 2016 in das Bundesgebiet eingereist. Da er laut ZMR ab 20.04.2015 mit Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet war und laut IZR am 30.04.2015 die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung beantragte, ist davon auszugehen, dass er nach der Ausreise im Februar 2015 schon im April 2015 wieder in das Bundesgebiet zurückkehrte. Damit in Einklang steht, dass der auf seinen neuen Namen lautende Personalausweis am XXXX.04.2015 in Bulgarien ausgestellt wurde.

Die Erwerbstätigkeit des BF im Bundesgebiet wird anhand der Versicherungsdatenauszüge festgestellt, die Tätigkeit im Lokal seiner Schwiegermutter anhand seiner Angaben am 21.10.2017, die plausibel sind, zumal er laut der Anzeige vom XXXX.10.2017 in diesem Lokal aufgegriffen wurde.

Die Ausreise des BF im Oktober 2017 geht aus dem Ausreisenachweis des Österreichischen Konsulats XXXX vom 30.102.017 hervor und ist auch im IZR dokumentiert. Bei der Einvernahme am 19.06.2019 gab der BF zu, zwei Tage später wieder nach Österreich gekommen zu sein und unter Verletzung des MeldeG bei seiner Frau Unterkunft genommen zu haben.

Die Festnahme des BF im März 2019 ergibt sich aus der Vollzugsinformation, die Verhängung der Untersuchungshaft aus der Verständigung vom 29.03.2019. Der Strafvollzug bis August 2019 geht aus der Vollzugsinformation, dem Strafregister und der Wohnsitzmeldung des BF in der Justizanstalt XXXX hervor. Seine anschließende Abschiebung nach Bulgarien ergibt sich aus dem Bericht vom 29.08.2019.

Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Probleme des BF oder Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit ergeben, zumal er sich bei der Einvernahme vom 19.06.2019 als gesund bezeichnete. Der gemeinsame Haushalt mit seiner Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern wird anhand der Angaben des BF und der Wohnsitzmeldungen seiner Angehörigen laut ZMR festgestellt. Die Feststellungen zur finanziellen Unterstützung des BF und seiner Familie durch Mutter und Schwiegermutter folgen seinen lebensnahen und schlüssigen Angaben dazu.

Die Wohnsitzmeldungen des BF ergeben sich aus dem ZMR. Die Feststellung, wonach er sich nicht durchgehend in Österreich aufhielt, sondern immer wieder auch im Ausland, basiert auf seinen Angaben vor dem BFA am 21.10.2017 ("Ich fahre aber ca. alle zwei Wochen ins Ausland und komme dann wieder her") und am 19.06.2019 ("Ich bin dann in die Schweiz gegangen, weil ich meine Familie

besucht habe. ... Ich habe Familie in verschiedenen EU-Ländern.").

Er betonte mehrfach, in Bulgarien niemanden zu haben. Dem wird mangels anderslautender Beweisergebnisse gefolgt.

Anhaltspunkte für über die Feststellungen hinausgehende Bindungen des BF im Inland sind nicht aktenkundig und lassen sich auch der Beschwerde nicht entnehmen.

Rechtliche Beurteilung:

Der BF ist bulgarischer Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden. Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe zuletzt etwa VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0131).

Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist nach den Grundsätzen der Judikatur umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden - etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall - manifestiert hat (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0118).

Suchtgiftdelinquenz stellt nach der Rechtsprechung des VwGH ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (siehe z.B. VwGH 01.04.2019, Ra 2018/19/0643).

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu berücksichtigen.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Die Verhältnismäßigkeit eines Aufenthaltsverbots ist unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289)

Da der BF das Bundesgebiet im Februar 2015 und zuletzt Ende Oktober 2017 aufgrund des bestehenden Aufenthaltsverbots verließ, hielt er sich zuletzt seit weniger als fünf Jahren kontinuierlich im Inland auf. Daher ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter bis vierter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") maßgeblich.

Der BF missachtete das gegen ihn wegen strafgerichtlicher Verurteilungen erlassene Aufenthaltsverbot hartnäckig und wurde im Bundesgebiet auch danach neuerlich straffällig, wobei er zuletzt öffentlich gewerbsmäßig Suchtgift verkaufte. Aufgrund seines Suchtgiftkonsums und des Umstands, dass ihn die bisherigen Sanktionen nicht von weiteren Straftaten abhielten, besteht eine erhebliche Wiederholungsgefahr, auch wenn man berücksichtigt, dass er nach der bedingten Entlassung im Februar 2015 erst wieder im November 2018 delinquierte und zuletzt wegen weniger gravierender Straftaten als zuvor verurteilt wurde. Aufgrund des Rückfalls nach einschlägigen Vorverurteilungen und der mangelnden Bereitschaft, sich an das bestehende Aufenthaltsverbot zu halten, ist die Annahme des BFA, dass von ihm auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 67 Abs 1 FPG ausgehen wird, nicht zu beanstanden, zumal die zuletzt abgeurteilten Straftaten nicht lange zurückliegen und der BF einen Gesinnungswandel hin zu einem rechtstreuen Verhalten nach dem Strafvollzug noch nicht unter Beweis stellte.

Das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot ist zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit und der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten. Aufgrund des persönlichen Verhaltens des BF, dessen Straftaten zum wiederholten Mal die Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe notwendig machten, der melderechtliche Vorschriften missachtete und ohne Anmeldung zur Sozialversicherung trotz eines Aufenthaltsverbots im Inland erwerbstätig war, ist die Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass die von ihm ausgehende Gefährdung die Erlassung eines weiteren Aufenthaltsverbots notwendig macht, zumal diese Maßnahme angesichts der Schwere der Verstöße gegen österreichische Rechtsnormen zur Verwirklichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele notwendig ist.

Das Aufenthaltsverbot greift in das Privat- und Familienleben des BF ein. Bei der nach § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass neben seiner Mutter auch seine Frau und die gemeinsamen Kinder in Österreich leben. Dieses Familienleben wird allerdings gemäß § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG dadurch relativiert, dass es zu einer Zeit entstand, als gegen den BF bereits ein Aufenthaltsverbot bestand und er sich daher seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Aufgrund der schwerwiegenden Straffälligkeit des BF ist dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen, sodass eine Trennung von seiner Frau und den Kindern gerechtfertigt ist (siehe VwGH 20.08.2019, Ra 2019/18/0046), auch wenn das Wohl der Kinder und ihr gemäß § 138 Z 9 ABGB maßgebliches Interesse an persönlichen Kontakten zu ihrem Vater einbezogen wird. Diese Kontakte waren zuletzt ohnedies haftbedingt eingeschränkt und können in Zukunft etwa durch Besuche außerhalb von Österreich gepflegt werden. Den Kontakt zu seinen erwachsenen, in Österreich lebenden Bezugspersonen kann der BF überdies durch moderne Kommunikationsmittel aufrecht halten. Weitere Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration des BF in privater, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht in Österreich liegen nicht vor, zumal er sich seit 2011 nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt und hier seit geraumer Zeit keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachging. Seine Mutter und Schwiegermutter können ihn auch außerhalb von Österreich finanziell unterstützen.

Den privaten und familiären Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich steht das große öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen und an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber. Es ist nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen zu dem Ergebnis kam, dass letzteres überwiegt. Allfällige mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Schwierigkeiten bei der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen. Das Aufenthaltsverbot erweist sich somit dem Grunde nach als zulässig.

Auch eine Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots ist nicht möglich, obwohl die Behörde die nach § 67 Abs 2 FPG mögliche Maximaldauer ausschöpfte, zumal der BF nach der Erlassung eines Aufenthaltsverbots 2011 noch zwei Mal wegen im Inland begangener Straftaten verurteilt wurde, unter anderem wegen bewaffneten Raubes und wegen des gewerbsmäßigen Verkaufs von Suchtgift. Angesichts der Missachtung des bestehenden Aufenthaltsverbots und melderechtlicher Vorschriften, der unerlaubten Erwerbstätigkeit, der wiederholten Straffälligkeit und der Wirkungslosigkeit des Vollzugs empfindlicher Freiheitsstrafen ist ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot notwendig, um der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen. Aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der vom BF begangenen Straftaten unter Berücksichtigung der Strafbemessungsgründe ist davon auszugehen, dass trotz seiner privaten und familiären Situation nur ein Aufenthaltsverbot in dieser Dauer eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten bewirken wird, zumal er die letzten Straftaten nur wenige Tage nach der Geburt seines jüngsten Kindes beging. Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit zu bestätigen.

Die Ankündigung bei der Einvernahme des BF vor dem BFA am 19.06.2019, gegen ihn werde ein vierjähriges Aufenthaltsverbot erlassen, ist nicht bindend. Es ist auch nicht willkürlich, wenn sich bei der Bescheiderlassung herausstellt, dass angesichts der Umstände dieses Falls ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot notwendig ist, zumal im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht einmal das Verbot der reformatio in peius gilt.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Da der BF mehrfach straffällig wurde, frühere Haftstrafen keine Wirkung zeigten, er sich über fremdenpolizeiliche Maßnahmen hinwegsetzte, melderechtliche Vorschriften missachtete und im Bundesgebiet unerlaubt erwerbstätig war, besteht eine erhebliche Wiederholungsgefahr, sodass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig war. Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist vor diesem Hintergrund korrekturbedürftig, sodass die Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist. Da gegen den BF bereits vor der Erlassung des angefochtenen Bescheids ein Aufenthaltsverbot bestand, würde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht dazu führen, dass er sich im Bundesgebiet aufhalten darf.

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine Herabsetzung der Dauer oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, unterbleibt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten, zumal das BVwG ohnedies von den Behauptungen des BF zu seinen privaten und familiären Anknüpfungen im Inland ausgeht, sodass kein klärungsbedürftiges Tatsachenvorbringen erstattet wurde. Aus diesem Grund kann auch die in der Beschwerde beantragte Einvernahme seiner Ehefrau als Zeugin unterbleiben.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Durchsetzungsaufschub, Interessenabwägung, öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2224251.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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