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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des H K in H, vertreten durch Dr. Gerhard Jahn, Rechtsanwalt in Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 28. September 1994, Zl. UVS-3/1819/11-1994, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen Pkt. 1 und 2 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 31. Jänner 1994 als unbegründet abgewiesen und die im folgenden wiedergegebene Präzisierung vorgenommen. In den genannten Punkten des Erstbescheides wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 7. Juli 1993 um 23.35 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten Personenkraftwagen in Hallein 1. auf der B 159 auf Höhe des Julius-Raab-Hauses mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h gelenkt und dadurch die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h überschritten und 2. am Pingitzer-Kai auf Höhe der Polytechnischen Schule die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 30 km/h überschritten. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen zu 1. gemäß § 20 Abs. 2 StVO 1960 und zu 2. gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO wurden über den Beschwerdeführer gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO je eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (im Nichteinbringungsfall eine Erstatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag) verhängt. Die belangte Behörde änderte den Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend, daß es anstelle von 23.35 Uhr: "ca. 23:30 Uhr" zu lauten hat und in beiden Spruchpunkten die Wortfolge: "um 30 km/h" jeweils durch das Wort "erheblich" ersetzt wird.
Begründend führt die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe in der Berufung gegen den Erstbescheid vorgebracht, nicht er, sondern seine Mutter habe das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt. Zu diesem Beweisthema habe er seine Mutter sowie Josef D. und P. als Zeugen angeführt. Die belangte Behörde habe diese Personen und auch beide Meldungsleger (Rev. Insp. F. und Rev. Insp. M.) als Zeugen einvernommen. Sie nehme als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer vom Gasthof Angerer in Oberalm kommend in Richtung Hallein gefahren sei und an einer bestimmt bezeichneten Stelle im Ortsgebiet gegen 23.30 Uhr von den Meldungslegern, die gerade in einem Gendarmeriefahrzeug unterwegs gewesen seien, wahrgenommen worden sei. Aufgrund der von den Meldungslegern infolge von deren langjähriger Erfahrung ohne weitere technische Hilfsmittel vorgenommenen Geschwindigkeitsschätzung und festgestellten erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung hätten diese eine Wende gemacht und seien dem Beschwerdeführer Richtung Süden fahrend über die Döttelstraße, die Neumayer-Brücke, den Pingitzer-Kai bis zur Firma Demmelmayer in der Gamperstraße-Süd, welche sich etwa 20 m vom Wohnhaus des Beschwerdeführers befinde, gefolgt. Im Bereich des Pingitzer-Kais, wo eine "30 km/h-Beschränkung" verordnet sei, sei der Beschwerdeführer ebenfalls mit "ziemlich erhöhter Geschwindigkeit" gefahren. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung sei durch Nachfahren in einem gleichbleibenden Abstand von etwa 100 m im gesamten Bereich der Geschwindigkeitsbeschränkung festgestellt worden. Im Bereich der
B 159 habe schwacher Verkehr geherrscht; im Bereich des Pingitzer-Kais sei das Beschuldigtenfahrzeug das einzige Auto gewesen. Es sei nicht dunkel gewesen, weil die Straßen eine entsprechende Straßenbeleuchtung gehabt hätten. Die exakte Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung sei nicht feststellbar. Die Meldungsleger hätten eine Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Beschwerdeführer angenommen, seien diesem nachgefahren und hätten ihn in der Nähe seines Wohnhauses angehalten. Sie hätten dem Beschwerdeführer sodann gestattet, zu seinem Wohnhaus weiterzufahren. Zu diesem Zeitpunkt habe sich nur der Beschwerdeführer, dessen Identität in der Folge durch Einsichtnahme in den Führerschein festgestellt worden sei, im Fahrzeug befunden. Die Meldungsleger hätten das Fahrzeug ab dem Aufmerksamwerden - zu diesem Zeitpunkt habe Rev.Insp. F bereits das Kennzeichen des Fahrzeuges notiert - bis zur Anhaltung niemals aus den Augen verloren. Im Bereich des Abstellplatzes vor seinem Wohnhaus habe der Beschwerdeführer an Alkoholisierungsmerkmalen einen unsicheren Stand und Alkoholgeruch gezeigt. Auf die Aufforderung der Meldungsleger, zwecks Ablegung eines Alkomattestes zum Gendarmerieposten Hallein mitzukommen, habe der Beschwerdeführer geantwortet, daß er bereits zu Hause sei und keinen Alkomattest mehr durchführe. Dies sei um 23.35 Uhr erfolgt. Der Beschwerdeführer habe damals nicht bestritten, das Fahrzeug gelenkt zu haben. Im Zuge der Amtshandlung sei die Mutter des Beschwerdeführers am Balkon des Wohnhauses erschienen. Sie habe sich in der Folge in das Geschehen gemischt und zu schimpfen begonnen. Sie habe Rev.Insp. M den Führerschein des Beschwerdeführers entrissen. Sie habe im Zuge der Amtshandlung in keiner Weise geäußert, daß sie das Fahrzeug gelenkt habe. In der Folge sei auch der Zeuge Wolfgang D, der Halbbruder des Beschwerdeführers, erschienen und habe zu schimpfen begonnen. Die Mutter der Beschwerdeführers habe als Zeugin angegeben, daß sie von ihm um 23.00 Uhr angerufen und sodann von P zum Gasthof Angerer gefahren worden sei. Sie sei dann mit dem Auto des Beschwerdeführers nach Hause gefahren. Gegen 23.30 Uhr sei sie am Parkplatz vor dem Wohnhaus eingetroffen. Dort habe sich der Beschwerdeführer vom Beifahrersitz auf den Fahrersitz begeben, um etwas zu suchen, und sei von den Meldungslegern ertappt worden. Die Zeugen D und P bestätigten im wesentlichen diese Darstellung. Die belangte Behörde stützte ihre Beweiswürdigung im wesentlichen auf die von ihr als glaubwürdig erachteten Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten und führte aus, daß die in Rede stehende Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet gemäß § 20 Abs. 2 StVO 1960 durch die Meldungsleger anhand des an denselben vorbeifahrenden Fahrzeuges des Beschwerdeführers festgestellt worden sei. Wenngleich sich die Meldungsleger keinerlei technischer Hilfsmittel bedient hätten, sei ihnen doch aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung, welche konkret der Zeuge Rev. Insp. S. mit 14 Jahren beziffert habe, bei einer beleuchteten Straße und wenig Verkehr zuzugestehen, daß sie feststellen können, ob das Fahrzeug die zugelassene Höchstgeschwindigkeit einhalte oder nicht. An dieser rechtlichen Beurteilung vermöge auch die Tatsache, daß die Meldungsleger ihre eigene Geschwindigkeit ebenfalls geschätzt hätten, nichts zu ändern. Die Überschreitung der mittels Vorschriftszeichen kundgemachten erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h sei von den Meldungslegern durch Nachfahren in einem Abstand von etwa 100 m im Bereich der gesamten Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt worden, wobei ebenfalls die eigene gefahrene Geschwindigkeit geschätzt worden sei. Zu beiden Geschwindigkeitsüberschreitungen sei festzuhalten, daß jeweils niedrige zulässige Höchstgeschwindigkeiten erheblich überschritten worden seien; eine derartige Schätzung sei jedenfalls sicherer und leichter als die Schätzung von (geringfügigen) Überschreitungen hoher Geschwindigkeiten. Schließlich führt die belangte Behörde aus, der Antrag des Beschwerdeführers auf Gegenüberstellung der Zeugen mit dem Beschuldigten sei abgelehnt worden, weil die Angaben des Beschwerdeführers, er befinde sich in stationärer Behandlung, nämlich insofern unrichtig gewesen seien, als er zum Zeitpunkt seines Vertagungsantrages und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 29. August 1994 bereits entlassen gewesen wäre; weiters habe die Durchführung eines Lokalaugenscheines unterbleiben können, weil sowohl dem Beschwerdeführer als auch dem zuständigen Einzelmitglied der belangten Behörde "die Tatörtlichkeiten hinlänglich bekannt" seien.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid zunächst ein, daß er das besagte Fahrzeug zur Tatzeit nicht gelenkt habe. Er bringt diesbezüglich vor, es hätte widersprüchliche Aussagen von Gendarmeriebeamten einerseits und von ihm und den von ihm angeführten Zeugen andererseits gegeben. In einem solchen Fall hätte die belangte Behörde die verschiedenen Personen einander gegenüberzustellen gehabt, um sich einen entsprechenden Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu verschaffen. Er rügt, daß seinem diesbezüglichen Antrag nicht stattgegeben worden ist. Verfehlt in diesem Zusammenhang seien auch die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung nicht im Krankenhaus gewesen wäre und daher bei der Verhandlung hätte anwesend sein können; es liege nämlich ein entsprechendes Beweisergebnis, ob der Beschwerdeführer am Verhandlungstag tatsächlich im Krankenhaus gewesen sei, nicht vor. Zudem habe die belangte Behörde mit Schreiben vom 26. August 1994 einem Vertagungsantrag unter anderem mit Begründung nicht Folge gegeben, daß der Beschwerdeführer bereits in der ersten mündlichen Verhandlung am 3. August 1994 ausführlich zum Sachverhalt Stellung genommen hätte, so daß sein persönliches Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung am 29. August 1994 nicht erforderlich wäre. Aufgrund dieses Schreibens habe der Beschwerdeführer davon ausgehen können, daß seiner Verantwortung entweder geglaubt werde oder daß sämtliche Beteiligte zu einer Gegenüberstellung vorgeladen würden.
Weiter habe es die belangte Behörde unterlassen, einen für die Beurteilung des Sachverhaltes unbedingt notwendigen Lokalaugenschein durchzuführen, um überhaupt feststellen zu können, ob die "behaupteten Geschwindigkeitsüberschreitungen an den genannten Örtlichkeiten möglich" seien; insbesondere hätte im Zuge eines Lokalaugenscheins auch dargetan werden können, daß der behauptete Ablauf der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung, nämlich "das gegenseitige Basieren" (wohl: Passieren), "das Wenden des Gendarmerieautos und das angeblich gleichbleibende Nachfahren zur Ermittlung der Geschwindigkeitsüberschreitung technisch nicht möglich" sei.
1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Soweit die Beschwerde die besagte Nichtvornahme einer Gegenüberstellung sowie einer Vertagung rügt, gleicht der vorliegende Beschwerdefall in den für seine Erledigung wesentlichen Punkten - sowohl hinsichtlich des Sachverhaltes als auch in Ansehung der zu lösenden Rechtsfragen - jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0110 (betreffend die im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht erfaßte Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960), zugrundelag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird insoweit auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Verfahrensrüge betreffend die Nichtvornahme eines Lokalaugenscheins geht schon deswegen fehl, weil es der Beschwerdeführer unterlassen hat darzulegen, aufgrund welcher konkreter Umstände das Nachfahren zur Ermittlung der Geschwindigkeitsüberschreitung technisch nicht möglich gewesen sein soll, und somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan hat ( § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG; vgl. in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 87/02/0200 ); mangels der Angabe solcher konkreter Umstände gründet sich die Einwendung des Beschwerdeführers betreffend die genannte technische Unmöglichkeit weiters lediglich auf eine allgemein gehaltene Mutmaßung, weshalb die belangte Behörde auch nicht gehalten war, dem letztlich auf die Aufnahme eines - im Verwaltungsverfahren unzulässigen - Erkundungsbeweises zielenden Beweisantrag durch weitere Ermittlungen zu folgen.
2. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes führt die Beschwerde ins Treffen, daß die belangte Behörde die im Erstbescheid ursprünglich festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h dahingehend abgeändert habe, daß nunmehr nur eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung feststellbar wäre, weshalb eine Bestrafung im Hinblick auf § 20 Abs. 2 StVO unzulässig sei, zumal keinesfalls feststehe, daß der Beschwerdeführer schneller als 50 km/h gefahren sei. Im übrigen wäre es auch erforderlich gewesen, eine konkrete Geschwindigkeitsüberschreitung festzustellen, was jedoch unterblieben sei.
Auch mit diesem Vorbringen ist für die Beschwerde nichts gewonnen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt nämlich das genaue Ausmaß einer Geschwindigkeitsüberschreitung kein Tatbestandselement einer Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO dar (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 31. Jänner 1990, Zl. 90/02/0082, und vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0061, weshalb es nicht als rechtswidrig erkannt werden kann, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Beschwerdeführer die erlaubte Höchstgeschwindigkeit in der dort beschriebenen Art erheblich überschritten habe.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war es daher nicht erforderlich, gesondert festzustellen, daß der Beschwerdeführer "schneller als 50 km/h gefahren" sei; dem angefochtenen Bescheid steht - sofern man der Beschwerde diesen Einwand entnehmen zu können glaubte - auch nicht Verfolgungsverjährung entgegen, weil - wie erwähnt - der Angabe des Ausmaßes einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit Blick auf § 20 Abs. 2 StVO 1960 keine rechtserhebliche Bedeutung zukommt und dem Beschwerdeführer nach Ausweis des Verwaltungsaktes schon im Ladungsbescheid der Erstbehörde vom 14. Juli 1993 eine Überschreitung der im Ergebnis jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit um jeweils mehr als die Hälfte zur Last gelegt worden war.
3. Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1998
Schlagworte
Ablehnung eines BeweismittelsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995030111.X00Im RIS seit
12.06.2001