RS Vfgh 2019/12/12 E3369/2019

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Veröffentlicht am 12.12.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erlassung einer Rückkehrentscheidung betreffend einen afghanischen Staatsangehörigen mangels Auseinandersetzung mit den Länderberichten des EASO

Rechtssatz

Die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG), wonach dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif möglich sei, basieren hauptsächlich auf der "Country-Guidance: Afghanistan - Guidance note and common analysis" des EASO vom Juni 2018. Diese gehe davon aus, dass alleinstehenden Männern eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul zumutbar sei, auch wenn es in dem Neuansiedlungsgebiet kein Unterstützungsnetzwerk gebe. Mit dieser Einschätzung steht das BVwG zwar auf dem Boden der zu im Iran geborenen und aufgewachsenen, alleinstehenden, jungen und arbeitsfähigen afghanischen Männern ohne familiäres Netzwerk in Afghanistan ergangenen Judikatur des VfGH, die allerdings auf einer älteren Berichtslage fußt.

Das BVwG übersieht, dass die von ihm selbst herangezogene Country-Guidance des EASO aus Juni 2018 (die aktuellere Fassung aus Juni 2019 enthält keine hier relevanten Neuerungen) von dieser Beurteilung ausdrücklich jene Gruppe von Rückkehrern ausnimmt, die entweder außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben.

Aus dem Bericht des EASO geht hervor, dass für die genannte Personengruppe eine innerstaatliche Fluchtalternative dann nicht in Betracht komme, wenn am Zielort der aufenthaltsbeendenden Maßnahme kein Unterstützungsnetzwerk für die konkrete Person vorhanden sei, das sie bei der Befriedigung grundlegender existenzieller Bedürfnisse unterstützen könnte, und dass es einer Beurteilung im Einzelfall unter Heranziehung der folgenden Kriterien bedürfe: Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person bzw Verbindungen zu Afghanistan sowie sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund (insbesondere Bildungs- und Berufserfahrung, Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans).

Damit hat sich das BVwG aber in Bezug auf den diesem Personenkreis angehörenden Beschwerdeführer, der nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses im Iran geboren wurde, dort bis zu seiner Ausreise lebte und in Afghanistan keine Familie mehr hat, in keiner Weise auseinandergesetzt. Es hat der Country-Guidance des EASO in seiner Entscheidung besonderes Gewicht beigemessen, aber ohne nähere Begründung eine von deren Inhalt abweichende Schlussfolgerung gezogen. Die Entscheidung des BVwG ist daher unter Außerachtlassung des konkreten Sachverhaltes erfolgt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E3369.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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