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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §27 Abs4 idF 1983/594;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. Heribert Kirchmayer, Rechtsanwalt in Hainburg/Donau, Wienerstraße 3, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 10. Jänner 1996, Zl. Abt. 12/7022/7100 B, betreffend Widerruf der Zuerkennung (richtig: rückwirkende Berichtigung der Bemessung) und Rückforderung von Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bezog nach der Geburt ihres Sohnes Patrick am 25. Dezember 1992 vom 27. Februar 1993 bis zum 31. Jänner 1994 erhöhtes Karenzurlaubsgeld im Sinne des § 27 Abs. 2 AlVG.
Mit Bescheid vom 18. September 1995 sprach das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste nach umfangreichen Ermittlungen einen "Teilwiderruf" des Karenzurlaubsgeldes (im Sinne einer rückwirkenden Berichtigung der Bemessung der Leistung) für den Zeitraum vom 27. Februar 1993 bis zum 31. Dezember 1993 aus und verpflichtete die Beschwerdeführerin zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen in der Höhe von S 25.195,--. Begründend wurde ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe folgendes ergeben:
"Nach Abklärung der Einkommenssituation ihres Lebensgefährten, Hr. ... im Jahre 1993, war nach Berücksichtigung aller Freigrenzen das Karenzurlaubsgeld im obigen Zeitraum teilwiderrufen und rückzufordern."
In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid bestritt die Beschwerdeführerin (gemeint: schon für das Jahr 1993) den Bestand einer Lebensgemeinschaft zwischen ihr und dem Vater ihrer beiden Kinder. In diesem Zusammenhang führte sie unter anderem aus:
"Richtig ist zwar, daß sich die Berufungswerberin neben ihrem Wohnsitz in 1030 Wien, ..., auch fallweise in 2460 Bruck an der Leitha, ..., aufhielt. Allerdings besteht auf dieser Liegenschaft ein Zweifamilienhaus, wobei Hr. ... gemeinsam mit seiner Mutter die im Erdgeschoß befindliche Wohnung benutzte, dagegen die Berufungswerberin die Wohnung im ersten Stock zur Verfügung hatte. Dieser Umstand wurde auch durch eine Mitarbeiterin der regionalen Geschäftsstelle in 2460 Bruck an der Leitha festgestellt. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb die Behörde erster Instanz das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft bejahte. Abgesehen davon ist bei der Beurteilung, ob Lebensgemeinschaft vorliegt, nicht nur vom Wohnsitz mit der gleichen Anschrift auszugehen ...".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid und begründete dies im wesentlichen wie folgt:
"Anläßlich Ihrer ha. Einvernahme vom 30. November 1995 bestätigten Sie Ihre Berufungsausführungen und gaben außerdem bekannt, daß Sie die Kosten für den Lebensunterhalt für sich und Ihre Kinder immer selbst bestritten und auch die laufenden Kosten für die Wohnung in Bruck an der Leitha selbst trugen.
Anläßlich einer Niederschrift vom 10. Juni 1994 beim Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste gaben Sie an, Ihren Hauptwohnsitz in Wien zu haben, jedoch hielten Sie sich an den Wochenenden in Ihren Zweitwohnsitz in Bruck an der Leitha bei Ihrem Lebensgefährten und Vater Ihrer beiden Kinder auf.
In einer weiteren Niederschrift vom 5. Jänner 1995 beim Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste gaben Sie bekannt, daß Hr. ...bis vor einem Jahr Ihr Lebensgefährte war. Sie hielten sich zwar nach wie vor an den Wochenenden in Bruck an der Leitha auf, allerdings getrennt von Hrn. ....
Die Berufungsbehörde hat erwogen:
Da Sie in den beiden oben angeführten Niederschriften Ihre Lebensgemeinschaft mit Hrn. ... nicht bestritten, sondern erst im Berufungsverfahren eine Lebensgemeinschaft abstritten, muß angenommen werden, daß zum fraglichen Zeitpunkt (im Jahr 1993) eine Lebensgemeinschaft bestand, zumal auch Ihre beiden Kinder dieser Verbindung entstammen.
Es war daher Ihr Karenzurlaubsgeld Anspruch neu zu berechnen und zu berichtigen, und die Differenz zum Rückersatz vorzuschreiben."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat den Verfahrensgegenstand im Spruch des angefochtenen Bescheides unter Bezugnahme auf die §§ 24 Abs. 2, 25 Abs. 1 und 29 AlVG beschrieben und ihren zuvor zitierten Ausführungen eine Wiedergabe von Inhalten dieser Vorschriften vorangestellt. Der Begründung des angefochtenen (und auch des erstinstanzlichen) Bescheides ist aber nicht entnehmbar, auf welche die Höhe des Karenzurlaubsgeldes für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum regelnden Rechtsvorschriften sich die von der belangten Behörde bestätigte (und nur anhand eines Rechenstreifens im Leistungsakt, aber nicht anhand des erstinstanzlichen oder des angefochtenen Bescheides nachvollziehbare) Einkommensanrechnung gründen soll.
Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nur vermuten, daß die belangte Behörde gemäß § 27 Abs. 5 AlVG (in der Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995) vorgehen und auf den Fall der offenbar als nicht alleinstehend im Sinne des § 27 Abs. 4 AlVG angesehenen Beschwerdeführerin § 27 Abs. 3 letzter Satz AlVG (jeweils in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung) anwenden wollte.
Voraussetzung eines derartigen Vorgehens wäre es nach dem Inhalt dieser von der belangten Behörde nicht erwähnten Vorschriften gewesen, daß die Beschwerdeführerin - abgesehen vom Fall eine bestimmte Höhe übersteigender Unterhaltszahlungen seitens des Kindesvaters - mit diesem während des Bescheidzeitraumes nach den Vorschriften des Meldegesetzes "an der gleichen Adresse" angemeldet war oder anzumelden gewesen wäre. Auf eine Lebensgemeinschaft als solche - und nicht nur als Indiz für eine Unterkunftnahme - kam es nicht an (vgl. dazu im einzelnen etwa die Erkenntnisse vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0188, vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0250, vom 23. April 1996, Zl. 95/08/0134, und vom 22. April 1997, Zl. 94/08/0166).
Die belangte Behörde hat dies nicht erkannt und ihren Bescheid dadurch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Nach den Akten des Ermittlungsverfahrens - dessen Gegenstand wiederholt auch die Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin waren - ist der vorliegende Sachverhalt dadurch gekennzeichnet, daß die Beschwerdeführerin zwar seit 18. Juni 1990 an einer Adresse, die nach den Meldeauskünften mit der des Kindesvaters übereinzustimmen scheint, gemeldet war, dabei aber auf dem Standpunkt steht, es handle sich um ein Zweifamilienhaus mit zwei baulich getrennten Wohnungen, von denen eine (nach einem Teil der Angaben: nur fallweise) von der Beschwerdeführerin und die andere vom Kindesvater und dessen Mutter bewohnt worden sei (vgl. zu den Ermittlungen hierüber etwa den Erhebungsbericht vom 9. Februar 1995 und den Bericht vom 2. Mai 1995). Mit dieser auch in der Berufung angesprochenen Frage wird sich die belangte Behörde zunächst insoweit auseinanderzusetzen haben, als das Vorliegen melderechtlich zu unterscheidender Adressen zu prüfen sein wird (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 10. November 1988, Zl. 87/08/0011, vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0127, und vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0156). Ergibt sich danach, daß die Beschwerdeführerin während des Bescheidzeitraumes nicht nach den Vorschriften des Meldegesetzes an der gleichen Adresse wie der Vater des Kindes gemeldet war, so wird zu prüfen sein, ob sie in der von diesem benützten Wohnung (oder er in der von ihr benützten Wohnung) im Sinne des Melderechtes Unterkunft genommen hatte. Hiezu wird es einer auf den Bescheidzeitraum bezogenen, beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit den im angefochtenen Bescheid nur unvollständig und unter Außerachtlassung der rechtlich wesentlichen Gesichtspunkte wiedergegebenen Ermittlungsergebnissen bedürfen, wobei der Beschwerdeführerin die ihr nicht schon bekannten Ermittlungsergebnisse, soweit sie herangezogen werden sollen, vorzuhalten und ihre Beweisanträge nicht - wie in der Beschwerde unter anderem geltend gemacht wird - mit Stillschweigen zu übergehen sein werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996080043.X00Im RIS seit
18.10.2001