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AbgabenverfahrenNorm
BAO §213 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde der Dr. Rechtsanwälte Dr. JW und Dr. RP in K, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 26. April 1979, Zl. 46.063- 4/79, betreffend Säumniszuschlag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer entrichteten am 10. November 1978 die für Oktober 1978 geschuldete Lohnsteuer und den Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds abzüglich ausbezahlter Familienbeihilfe. Am 12. Dezember 1978 brachten die Beschwerdeführer denselben Betrag (Lohnsteuer S 8.291,20, Dienstgeberbeitrag S 4.984,61, abzüglich Familienbeihilfe S 880,-- = S 12.395,81) zur Einzahlung. Auf dem Überweisungsschein für diese Zahlung wurde als Verrechnungszweck im Sinne des § 214 Abs. 2 BAO irrtümlich statt November 1978 neuerlich der Zeitraum Oktober 1978 angegeben.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen und nun angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gegen die Festsetzung eines Säumniszuschlages wegen verspäteter Entrichtung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag für Oktober 1978 unter Bezugnahme auf § 217 BAO mit im wesentlichen folgender Begründung ab:
Die Konkretisierung des Abgabenanspruches erfolge bei den gegenständlichen Lohnabgaben in der Form, daß der Abgabepflichtige anläßlich der Entrichtung der selbst zu berechnenden Abgaben von dem ihm nach § 214 Abs. 2 lit. a und b BAO zukommenden Weisungsrecht Gebrauch mache und die für eine Verbuchung notwendigen Daten - Abgabenart, -höhe und -zeitraum - auf dem Zahlungsbeleg bekanntgebe. Mit Bekanntgabe dieser Daten werde die entsprechende Abgabenzahlungsschuld formell begründet, und die Abgabenbehörde habe nach dem im § 213 Abs. 1 BAO verankerten Grundsatz der kontokorrentmäßigen Verrechnung das Steuerkonto des "Pflichtigen" mit dieser Abgabenschuld zu belasten, womit der gutgeschriebene Einzahlungsbetrag widmungsgemäß verwendet sei. Das Weisungsrecht sei nach dem Wortlaut des § 214 Abs. 2 BAO zeitlich spätestens mit der Zahlung auszuüben. Daraus ergebe sich, daß eine spätere Richtigstellung der einmal gegebenen Verrechnungsanweisung durch den Pflichtigen die bereits widmungsgemäß durchgeführte Verrechnung der Zahlung nicht mehr rückwirkend ändern und die mit der einmal - wenngleich irrig - gegebenen Verrechnungsanweisung verbundenen Folgen - wie etwa hier die "Säumniszuschlagsverpflichtu ng" - nicht mehr beseitigen könne. Ob die mit der "Zahlungszweckangabe" formell begründete Abgabenzahlungsschuld auch sachlich richtig gewesen sei, sei auf die Frage der "Säumniszuschlagspflicht" ohne Einfluß, weil diese nur den Bestand einer formellen Abgabenzahlungsschuld und deren nicht zeitgerechte Entrichtung voraussetzt. Mithin möge es zwar zutreffen, daß mit der im November 1978 geleisteten Zahlung die damit gleichzeitig begründete Abgabenschuld entrichtet und dadurch erloschen gewesen sei. Das ändere jedoch nichts daran, daß mit der am 12. Dezember 1978 geleisteten Zahlung zufolge der parteiseits erteilten Weisung, sie zur Abstattung von Lohnabgaben für Oktober 1978 zu verwenden, formell eine weitere Abgabenzahlungsschuld begründet worden sei, die nach den einschlägigen materiell-rechtlichen Vorschriften bereits am 10. November 1978 fällig gewesen wäre, aber erst nach diesem Zeitpunkt entrichtet worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 217 Abs. 1 BAO tritt die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages am Fälligkeitstag einer Abgabe ein, wenn die Abgabe nicht spätestens an diesem Tag entrichtet wird. Die in § 217 Abs. 2 bis 5 leg. cit. vorgesehenen Sondervorschriften gegenüber dieser grundsätzlichen Norm kommen im Beschwerdefall nicht zur Anwendung. Zufolge § 79 Abs. 1 EStG 1972 hat der Arbeitgeber die gesamte in einem Kalendermonat einbehaltene Lohnsteuer spätestens am zehnten Tag nach Ablauf des Kalendermonates an das Finanzamt abzuführen, wobei er auf dem "Zahlungsabschnitt" u.a. den Kalendermonat anzugeben hat, in dem die Lohnsteuer einbehalten worden ist. Gleiches gilt sinngemäß für den Dienstgeberbeitrag (§ 43 FLAG 1967). Ein diese Abgaben betreffender Abgaben(Haftungs-) bescheid ist nur unter den Voraussetzungen der §§ 201, 202 BAO zu erlassen. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Die Fälligkeit der gegenständlichen Abgaben, d.h. die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabenzahlungsschuld tritt daher jedenfalls kraft Gesetzes von selbst ein. Da die allgemeine Norm des § 213 Abs. 1 und 4 BAO - wonach die Gebarung der bei der gleichen Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben des Abgabepflichtigen in laufender Rechnung zusammengefaßt zu verbuchen ist, und Zahlungen und sonstige Gutschriften auf die dem Fälligkeitstag nach älteste Schuldigkeiten des Abgabepflichtigen zu verrechnen sind - bei den selbst zu berechnenden Abgaben und bei der Abfuhr einbehaltener Abgabenbeträge nicht gilt, Zahlungen und Gutschriften, diese betreffend, vielmehr gemäß § 214 Abs. 2 dem vom Abgabepflichtigen bekanntgegebenen Verrechnungszweck entsprechend zu verrechnen sind, ist es grundsätzlich richtig, daß das Finanzamt nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, eine Abgabenzahlungsschuld entsprechend den Angaben des Abgabepflichtigen anzunehmen. Diese Abgabenzahlungsschuld wird insofern zutreffend als "formell" bezeichnet werden können, als ihr eine materielle Überprüfung durch behördliche Dazwischenkunft abgeht. Es ist auch richtig, daß die Abgabenbehörde in diesen Fällen erst durch die "Verrechnungsweisung" im Sinne des § 214 Abs. 2 BAO Kenntnis von der kraft Gesetzes eingetretenen Fälligkeit erlangt und es stimmt des weiteren, daß sie dadurch in die Lage versetzt und berechtigt wird, die an den Eintritt der Fälligkeit sich knüpfenden Rechtsfolgen zu vollziehen. All das hindert aber die Abgabenbehörde nicht, die Folgen einer durch eine irrtümliche "Verrechnungsweisung" herbeigeführten doppelten Tilgung ein und derselben Zahlungsschuldigkeit zu beseitigen, sobald sie hievon Kenntnis erlangt. Da der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides bekannt war, daß die zweite Zahlung der lohnabgängigen Abgaben der Beschwerdeführer "für Oktober 1978" tatsächlich zur Tilgung dieser Zahlungsschuld für November 1978 bestimmt war, die strittige Zahlung somit - objektiv gesehen - keine nach dem Fälligkeitstag war, waren daraus alle Konsequenzen zu ziehen. Es war daher nicht nur - dem beiliegenden Kontoauszug ist zu entnehmen, daß dies geschehen ist -
die zweite Zahlung mit einer gleich hohen Belastung für den Monat November auszugleichen, sondern es hätte in Kenntnis der bereits erfolgten Abgabentilgung für Oktober 1979 der festgesetzte Säumniszuschlag spätestens mit dem angefochtenen Bescheid nicht mehr aufrechterhalten werden dürfen.
Wenn sich die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1961, Zl. 902/61, beruft, so ist damit für sie nichts gewonnen. Denn in jenem Fall ging es um die Frage der Rechtmäßigkeit eines Säumniszuschlages, der wegen der Nichtentrichtung von Grunderwerbsteuer am Fälligkeitstag festgesetzt wurde, wobei später zufolge Rechtsmittelentscheidung die Grunderwerbsteuerschuld in Abfall kam. Daß die belangte Behörde jenen Fall mit dem vorliegenden in Ansehung der zu entscheidenden Frage gleichsetzt, läßt erkennen, daß sie die Begriffe Abgabenschuld und Abgabenzahlungsschuld nicht auseinanderhält. Im Beschwerdefall ist nämlich davon auszugehen, daß die belangte Behörde nach dem weiter oben Gesagten eine Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gar nicht annehmen durfte. Denn die "formelle" Steuerzahlungsschuld in dem von der belangten Behörde verstandenen Sinn geht nicht so weit, daß in jedem Fall eine die Abgabenbehörde und den Abgabepflichtigen bindende und nur unter den Voraussetzungen der §§ 201 und 202 BAO korrigierbare Zahlungspflicht entstünde. Die von der belangten Behörde der Verrechnungsanzeige im Sinne des § 214 Abs. 2 BAO beigemessene Bedeutung hätte nämlich zur Folge, daß ein Abgabepflichtiger, der die Fälligkeit der von ihm selbst zu berechnenden Abgaben bzw. die einbehaltenen und abzuführenden Abgaben der Abgabenbehörde überhaupt nicht mitteilt, keinen Säumniszuschlag zu entrichten hätte, weil er - im Sinne der belangten Behörde - mangels Verrechnungsanweisung eine "formelle" Steuerzahlungsschuld nicht begründete.
Auch auf Reeger - Stoll, Auflage 1966, Anmerkung 5 auf S. 730, kann sich die belangte Behörde nicht erfolgreich stützen. Dort wird nämlich jener Fall behandelt, daß eine nach der Grundregel des § 213 Abs. 4 BAO auf den Rückstand verrechnete Zahlung hinsichtlich ihrer Verwendung durch eine nachträgliche Verrechnungsanzeige gemäß § 214 Abs. 2 BAO anders behandelt werden soll.
Abschließend bemerkt der Verwaltungsgerichtshof, daß die von ihm hier vertretene Rechtsansicht auch nicht mit jener Rechtsprechung in Widerspruch steht, wonach anrechenbaren Erstattungsansprüchen des Abgabepflichtigen aus ausbezahlten Familienbeihilfen schuldtilgende Wirkung erst mit ihrer Geltendmachung zukommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1971, Zl. 2035/70, und vom 1. Juli 1975, Zl. 445/75).
Nach dem Gesagten ist der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 542/1977. Der Ersatz von Stempelgebühren war nur in dem Umfang zuzusprechen, als die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren bestand.
Wien, am 25. Jänner 1980
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1980:1979001753.X00Im RIS seit
30.01.2020Zuletzt aktualisiert am
30.01.2020