TE Vwgh Beschluss 2019/12/17 Ra 2019/18/0173

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19103010
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
EURallg
32011L0095 Status-RL Art16 Abs2
32011L0095 Status-RL Art19 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des R O, vertreten durch Mag. Klemens Mayer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2019, W204 1432520-3/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus Kabul, stellte am 9. Juli 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 14. November 2012 wies das Bundesasylamt diesen Antrag hinsichtlich des begehrten Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber aber subsidiären Schutz zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung, die in weiterer Folge mehrfach (zuletzt mit Bescheid vom 10. November 2016 bis 14. November 2018) verlängert wurde.

3 Am 24. August 2018 beantragte der Revisionswerber eine weitere Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung. 4 Mit Bescheid vom 9. November 2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung, wies seinen Verlängerungsantrag vom 24. August 2018 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

6 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, das Bundesasylamt sei bei Zuerkennung des subsidiären Schutzes an den Revisionswerber aufgrund seiner damaligen Aussage davon ausgegangen, dass seine Eltern umgebracht worden seien. Im Aberkennungsverfahren habe sich aber herausgestellt, dass nur der Vater des Revisionswerbers bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen sei, seine Mutter sei jedoch nicht getötet worden und lebe (wie auch vier Brüder und vier Schwestern des Revisionswerbers) in der Hauptstadt Kabul. Der Revisionswerber sei entgegen seinem Vorbringen in der Beschwerde gesund und arbeitsfähig. Er habe keine Dokumente vorgelegt, aus denen ein gegenteiliger Schluss zu ziehen wäre. Auch wenn die Situation in Afghanistan bzw. in Kabul noch angespannt sei, könne nach den getroffenen Länderfeststellungen davon ausgegangen werden, dass die Lage im Herkunftsstaat des Revisionswerbers, insbesondere in Kabul, die Beibehaltung des subsidiären Schutzes für den Revisionswerber nicht mehr rechtfertige.

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der das BFA keine Revisionsbeantwortung erstattet hat. In der Zulassungsbegründung wird geltend gemacht, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Vorherrschen einer prekären allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, stichhaltige Gründe für die Annahme gegeben seien, bei Rückkehr einem realen Risiko willkürlicher Gewalt ausgesetzt zu sein. Anhand der "Sachverhaltsdarstellung" (gemeint offenbar die Länderfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis) sei es tatsächlich geradezu wahrscheinlich, dass ein reales Risiko bzw. eine ernsthafte Bedrohung von Leben und Unversehrtheit des Revisionswerbers bei Rückführung in den Herkunftsstaat vorliege. Eine Aberkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter komme somit jedenfalls nicht in Betracht.

8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

9 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Schutzstatus (§ 8 Abs. 1 leg. cit.) nicht oder nicht mehr vorliegen.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 betrifft hingegen jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 77; 14.8.2019, Ra 2016/20/0038, Rn. 32; 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, Rn. 17). 11 Die Heranziehung des zweiten Tatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN). 12 Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (vgl. etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0381, Rn. 13f).

13 Im gegenständlichen Fall hat das BVwG die Aberkennung des subsidiären Schutzes auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt. Seine rechtliche Argumentation deutet darauf hin, dass vom BVwG dabei beide Tatbestandsvarianten des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 in den Blick genommen wurden.

14 Die Revision wendet sich in der Zulassungsbegründung nur gegen die Annahme des BVwG, die Lage im Herkunftsstaat habe sich mittlerweile relevant gebessert.

15 Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben, weil das BVwG sich auch darauf gestützt hat, dass der Revisionswerber bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes - unstrittig - falsche Angaben zu seinen familiären Verhältnissen in Afghanistan gemacht hatte, die - gemeint offenbar zu Unrecht - zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten. Das BVwG stützt sich somit auch auf den ersten Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem die Revision in der Zulassungsbegründung nichts entgegensetzt.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2019

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180173.L01

Im RIS seit

11.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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