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32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §115 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der O GmbH in K, vertreten durch die Ludwig & Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 1010 Wien, Schreyvogelgasse 2/4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 2. August 2018, Zl. RV/7102556/2017, betreffend Ausnahmegenehmigung nach § 48 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Im Rahmen von zwei bei der revisionswerbenden GmbH durchgeführten Außenprüfungen wurden die Verrechnungspreise gegenüber der A Ltd. (einer in Hongkong ansässigen Tochtergesellschaft der Revisionswerberin) als nicht fremdüblich beanstandet. Weiters habe es die Revisionswerberin unterlassen, Geschäftsführerkosten und Aufwendungen für Sozialprojekte an die A Ltd. weiter zu verrechnen.
2 Das Finanzamt nahm die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2012 wieder auf und erließ entsprechend geänderte Körperschaftsteuerbescheide. 3 Mit Schriftsätzen vom 9. Juli 2015 beantragte die Revisionswerberin, die im Rahmen der Außenprüfung festgestellten Gewinnerhöhungen aus der österreichischen Steuerpflicht gemäß § 48 BAO auszuscheiden, weil die Beträge bereits bei der Tochtergesellschaft in Hongkong versteuert worden seien und eine zusätzliche Besteuerung in Österreich zu einer Doppelbesteuerung führe. Die Revisionswerberin habe versucht, in Hongkong eine entsprechende Gegenberichtigung zu erwirken (Berücksichtigung der Korrekturen als Betriebsausgaben). Eine schriftliche Erledigung der Anfrage sei nicht erfolgt. Der Steuerberater der Revisionswerberin habe lediglich eine telefonische Rückmeldung des Inhalts erhalten, dass eine Gegenberichtigung nicht möglich sei. Es liege keine willkürliche Gewinnverschiebung zwischen den beiden Ländern vor, welche eine Korrektur aus österreichischer Sicht notwendig oder sinnvoll erscheinen ließe.
4 Der Bundesminister für Finanzen (BMF) wies die beiden Anträge im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass von Seiten der Revisionswerberin verabsäumt worden sei, Rechtsmittel gegen die geänderten Körperschaftsteuerbescheide einzulegen. Die Revisionswerberin halte die österreichische Primärkorrektur für materiell unzutreffend. Daraus ergebe sich "per se" keine Notwendigkeit für eine unilaterale Entlastung nach § 48 BAO, da auf dem Rechtsmittelweg eine Lösung des Besteuerungskonflikts zumindest hätte gesucht werden können. Im Falle einer berechtigten Primärkorrektur durch Österreich, wie es der BMF für gegeben erachte, wäre das Ermessen zu prüfen, das § 48 BAO der Abgabenbehörde einräume. Gegenständlich könne zwar durch die Doppelbesteuerung zu einem gewissen Grad eine Unbilligkeit vorliegen. Allerdings seien keine außergewöhnlichen Umstände gegeben. Im Rahmen der Zweckmäßigkeit sei zu berücksichtigen, dass eine gegebenenfalls eintretende Doppelbesteuerung durch eine in Österreich durchgeführte Betriebsprüfung herbeigeführt worden sei. Die Außenprüfung würde ad absurdum geführt, wenn eine auf rechtsrichtigen Prüfungsfeststellungen basierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung wiederum im Wege einer unilateralen Entlastung beseitigt würde. Vielmehr wäre es wohl Aufgabe des Ansässigkeitsstaates des verbundenen Unternehmens, eine allenfalls eintretende Doppelbesteuerung zu beseitigen. Der Antrag sei daher abzuweisen.
5 Bezüglich des Jahres 2012 führte der BMF aus, dass gemäß Art. 27 Abs. 2 lit. b DBA-Hongkong, welches seit 1. Jänner 2012 anwendbar sei, ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 24 DBA-Hongkong eingebracht worden sei. Da aufgrund des offenen Verständigungsverfahrens eine bilaterale Lösung möglich sei, könne die gewinnerhöhende Korrektur der Verrechnungspreise mangels Erforderlichkeit nicht gemäß § 48 BAO aus der österreichischen Abgabepflicht ausgeschieden werden.
6 In der gegen die Abweisungsbescheide eingebrachten Beschwerde bekämpfte die Revisionswerberin sowohl die Ansicht des BMF, wonach eine Maßnahme nach § 48 BAO die Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges voraussetze, als auch die Ermessensübung. Die gegen die geänderten Körperschaftsteuerbescheid e 2003 bis 2007 zunächst eingelegte Berufung sei zurückgezogen worden, weil der seinerzeit dafür zuständige unabhängige Finanzsenat "kommuniziert" habe, dass die Berufung keine Erfolgsaussicht habe und eine Verböserung im Raum gestanden sei. Im Hinblick auf diese Erfahrungen habe die Revisionswerberin für den Zeitraum der zweiten Außenprüfung (Jahre 2008 bis 2012) entschieden, kein Rechtsmittel zu ergreifen. Im Hinblick auf die Höhe der gegenständlich vorgenommenen Gewinnkorrekturen (4,7 Mio. Euro für den Zeitraum 2003 bis 2007 und 10,7 Mio. Euro für den Zeitraum 2008 bis 2012) liege eine beträchtliche Unbilligkeit vor. Eine Berichtigung in Hongkong zu erreichen, habe die Revisionswerberin erfolglos versucht. Im Übrigen bestehe auch für die Zeit bis zum Abschluss des Verständigungsverfahrens ein Interesse der Revisionswerberin, die Unbilligkeit der Doppelbesteuerung "temporär" zu beseitigen.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesfinanzgericht für das Jahr 2012 aus, dass die auf die strittigen Verrechnungspreise entfallende "Hongkong Gewinnsteuer" auf die österreichische Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung des Anrechnungshöchstbetrages angerechnet werde, soweit dies zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung erforderlich sei. Diese Anordnung scheide mit Beendigung des Verständigungsverfahrens, spätestens zwei Jahre ab Zustellung dieses Erkenntnisses aus dem Rechtsbestand aus (Spruchpunkt 2). Im Übrigen, somit hinsichtlich der Jahre 2003 bis 2011, wurde die Beschwerde hingegen abgewiesen (Spruchpunkt 1).
8 Begründend wird im angefochtenen Erkenntnis zum gegenständlich strittigen Spruchpunkt 1 ausgeführt, die Frage, inwieweit das Tatbestandsmerkmal einer internationalen Doppelbesteuerung tatsächlich erfüllt sei, bedürfe keiner abschließenden Beantwortung. Ebenso wenig müsse darauf eingegangen werden, ob im Falle des Vorliegens einer Doppelbesteuerung das Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" iSd Ausführungen des BMF erfüllt sei. Die Erlassung von auf § 48 BAO gestützten Begünstigungsbescheiden liege nämlich stets im Ermessen des BMF. Im vorliegenden Fall möge die Erlassung eines Begünstigungsbescheides zwar angesichts des Umfanges der Steuernachforderung billig sein, widerspräche aber jedenfalls dem Zweckmäßigkeitsmoment. Die dem Antrag zu Grunde liegenden Abgabennachforderungen fußten nämlich auf Bescheiden, die im Anschluss an eine Betriebsprüfung ergangen seien und gegen die die Revisionswerberin entweder gar kein Rechtsmittel ergriffen habe oder das bereits erhobene Rechtsmittel wieder zurückgezogen habe. Es könne nicht das Ziel der Bestimmung des § 48 BAO sein, "ohne Ausschöpfung von Rechtsmitteln bzw. im Falle der Zurücknahme von Rechtsmitteln (wegen des Hinweises auf eine mögliche Verböserung!) eine Steuerentlastung zu erwirken und dergestalt die Außenprüfung ad absurdum zu führen".
9 Weiters sprach das BFG aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob das Unterlassen der Einbringung eines Rechtsmittels bzw. die Zurücknahme eines bereits eingebrachten Rechtsmittels einer Maßnahme nach § 48 BAO entgegenstehe. 10 Die vorliegende Revision wendet sich ausschließlich gegen jenen Teil des Erkenntnisses, mit dem der Antrag der Revisionswerberin abgewiesen wurde (Spruchpunkt 1).
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Gemäß § 48 BAO kann der Bundesminister für Finanzen bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, anordnen, bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht auszuscheiden oder ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die inländischen Abgaben anzurechnen.
13 Die angeführte Bestimmung stellt es, wenn die in ihr normierten Rechtsvoraussetzungen vorliegen, in das Ermessen des Bundesministers für Finanzen, die dort vorgesehene Entsteuerung anzuordnen (vgl. VwGH 14.3.1990, 89/13/0115).
14 Im angefochtenen Erkenntnis lässt das Bundesfinanzgericht das Vorliegen der Rechtsvoraussetzungen des § 48 BAO dahingestellt. Diese sind daher auch nicht Gegenstand der Revision. Das Bundesfinanzgericht hat Maßnahmen nach § 48 BAO (iVm § 279 Abs. 1 BAO) in Ausübung des ihm vom Gesetz eingeräumten Ermessens abgelehnt.
15 Die Ermessensentscheidung muss sich nach § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei wird dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei" und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beigemessen (vgl. für viele VwGH 24.4.2014, 2010/15/0159).
16 Das Bundesfinanzgericht hat die Ermessensentscheidung auf den Umstand gestützt, dass die Revisionswerberin keine Rechtsmittel gegen die nach der Außenprüfung ergangenen geänderten Körperschaftsteuerbescheide ergriffen bzw. die eingebrachte Berufung nicht aufrecht erhalten habe. Es könne nicht Ziel der Bestimmung des § 48 BAO sein, ohne Ausschöpfung von Rechtsmitteln eine Steuerentlastung zu erwirken und dergestalt die Außenprüfung ad absurdum zu führen.
17 Es trifft zu, dass das Verfahren nach § 48 BAO nicht dazu dient, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Berufungen bzw. Bescheidbeschwerden) nachzuholen. Daran vermag auch der allgemeine Hinweis der Revisionswerberin auf "lange Verfahrensdauern" nichts zu ändern. Die Revisionswerberin hat ihren Antrag nach § 48 BAO aber gar nicht mit der Rechtswidrigkeit der nach der Außenprüfung ergangenen geänderten Körperschaftsteuerbescheide begründet. Sie hat ihren Antrag lediglich darauf gestützt, dass einem Ersuchen des Steuerberaters auf Vornahme einer Gegenberichtigung in Hongkong nicht nachgekommen worden sei und daher eine internationale Doppelbesteuerung vorliege.
18 Geht man davon aus, dass die von der Außenprüfung ermittelten Verrechnungspreise aus österreichischer Sicht zutreffend sind und daher das Ergreifen eines Rechtsmittels der Revisionswerberin nicht habe zugemutet werden können, wäre es aber jedenfalls Aufgabe der Revisionswerberin gewesen, im Verfahren darzulegen, aus welchen - im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigenden - Umständen nicht von vornherein fremdübliche Verrechnungspreise in Ansatz gebracht worden waren. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt bei Begünstigungstatbeständen, dazu gehören auch Maßnahmen nach § 48 BAO, die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. VwGH 17.12.2003, 99/13/0070).
19 Dies hat die Revisionswerberin unterlassen, obwohl der BMF seinen Abweisungsbescheid ausdrücklich darauf gestützt hatte, dass der geschilderte Sachverhalt das Vorliegen außergewöhnlicher (im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigender) Umstände nicht erkennen lasse. Das Vorliegen von für einen Verzicht auf den österreichischen Steueranspruch sprechender Gründe zeigt im Übrigen auch die Revision, die in diesem Zusammenhang lediglich die Höhe der von der Außenprüfung vorgenommenen Gewinnkorrekturen ins Treffen führt, nicht auf.
20 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
21 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 18. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018150025.J00Im RIS seit
18.02.2020Zuletzt aktualisiert am
18.02.2020