TE Vwgh Beschluss 2019/12/19 Ra 2019/21/0276

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.12.2019
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des S J, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. April 2019, G307 2204547-1/12E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, heiratete am 17. September 2016 eine österreichische Staatsbürgerin. Er lebte mit ihr in der Folge bis zu seiner Abschiebung in den Herkunftsstaat (laut eigenem Vorbringen: im Mai 2019) in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt, ohne über Aufenthaltstitel zu verfügen. Davor hatte er sich - von Besuchen in Österreich abgesehen - in Serbien und in Deutschland aufgehalten.

2 Mit Bescheid vom 20. Juli 2018 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Das BFA erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, stellte nach § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei, und erließ gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 1 FPG ein auf sieben Jahre befristetes Einreiseverbot. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die genannte Rückkehrentscheidung aberkannt.

3 Mit dem angefochtenen (nach mündlicher Verhandlung vom 7. Dezember 2018 erlassenem) Erkenntnis vom 23. April 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wies es als unzulässig zurück. Das BVwG sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 4 Begründend führte das BVwG - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - aus, dass der (suchtgiftabhängige, schon im Alter von 13 Jahren erstmals mit Drogen "in Kontakt" gekommene) Revisionswerber bereits während seines Aufenthalts in Deutschland Diebstähle begangen habe und vier Mal wegen Drogendelikten verurteilt worden sei. In Österreich sei er mit am 3. August 2012 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln und Suchtgifthandels (im Wesentlichen betreffend eine Weitergabe von Kokain) zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden.

Schließlich habe das Landesgericht Eisenstadt über ihn mit rechtskräftigem Urteil vom 9. November 2016 wegen des Verbrechens der Vorbereitung des Suchtgifthandels eine (unbedingte) Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verhängt. Er habe als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in L von Juni bis November 2014 vorschriftswidrig 1243 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung von Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge in einer professionell angelegten "Indoorplantage" mit dem Vorsatz angebaut bzw. am Anbau und bei der Pflege der Pflanzen mitgewirkt, dass das gewonnene Suchtgift in Verkehr gesetzt werde. Mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 8. Februar 2017 sei dem Revisionswerber gemäß § 39 SMG ein Strafaufschub von zwei Jahren (beginnend mit 10. Februar 2017) unter der Voraussetzung bewilligt worden, dass er sich einer Psychotherapie sowie regelmäßigen Harnuntersuchungen unterziehe. Dem sei der Revisionswerber nachgekommen. Mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 30. August 2017 sei demnach die ursprünglich unbedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen worden.

Der Gesinnungswandel eines Straftäters sei - so das BVwG - grundsätzlich am Wohlverhalten nach dem Strafvollzug zu messen, wobei der erforderliche Zeitraum umso länger anzusetzen sei, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert habe. Angesichts des Vorliegens von bereits sechs einschlägigen Verurteilungen wegen Suchtmitteldelikten und unter Berücksichtigung des großen öffentlichen Interesses an eine Unterbindung von Verbrechen wie des zuletzt begangenen, erweise sich die Dauer des Wohlverhaltens als zu kurz, um eine positive Zukunftsprognose zu rechtfertigen.

Bei der gemäß § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung berücksichtigte das BVwG vor allem die seit 2016 bestehende Ehegemeinschaft mit einer Österreicherin. Die Ehefrau leide "an einer Anpassungsstörung F 43.2 mit Angst und depressiver Reaktion gemischt" und befinde sich in ärztlicher Behandlung. Darüber hinaus habe sie eine Fehlgeburt erlitten. Seit 24. Jänner 2018 sei sie deshalb arbeitsunfähig.

Der Revisionswerber, der (schon aufgrund seines früheren Aufenthalts in Deutschland) sehr gute Deutschkenntnisse aufweise, sei bisher in Österreich nicht erwerbstätig gewesen; er verfüge lediglich über eine bezüglich eines tatsächlichen Arbeitsantritts als unrealistisch beurteilte "Einstellungszusage". Seinen Unterhalt habe er nur durch Unterstützungen der Eltern, seines Bruders und seiner Ehefrau finanziert. Er habe ein sehr gutes Verhältnis zu seinem zehnjährigen Stiefsohn (dem österreichischen Sohn seiner Ehefrau), dem eine Niere fehle und den er (unter anderem) zu Kontrolluntersuchungen begleite. Einen in Salzburg lebenden Onkel habe er etwa einmal wöchentlich getroffen. Die in Österreich seit 2016 erreichte Integration sei insgesamt nicht so ausgeprägt, dass sie der Außerlandesbringung des Revisionswerbers entgegenstünde. Dies gelte umso mehr, weil die (in Rn. 1 erwähnte) Eheschließung am 17. September 2016 erfolgt sei, also kurz vor der zweiten strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers in Österreich und ohne dass er jemals einen Aufenthaltstitel besessen hätte, der Revisionswerber sich also seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste. Mit der Möglichkeit einer Reintegration des Revisionswerbers in Serbien, wo er keinerlei Bedrohungen ausgesetzt sei, sei zu rechnen; sich dabei ergebende Schwierigkeiten müssten aufgrund des hohen öffentlichen Interesses an Vermeidung weiterer Straffälligkeit in Kauf genommen werden.

Aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes sowie der massiven Straffälligkeit könne von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes nicht abgesehen werden.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2019, E 1881/2019, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. 6 Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 Unter diesem Gesichtspunkt spricht der Revisionswerber - unter Hervorhebung einzelner seinen Standpunkt unterstützender Gesichtspunkte - die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung an. Diese ist jedoch im Allgemeinen, wenn sie (wie hier) in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht revisibel. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung der - in der Revision ebenfalls kritisierten - Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0139, Rn. 8, mwN).

9 Das (in Bezug auf die in Rn. 4 wiedergegebene Begründung) vom BVwG fallbezogen erzielte Ergebnis kann angesichts der wiederholten einschlägigen und in der Intensität gesteigerten Rückfälle in Bezug auf Suchtmitteldelikte, die zuletzt zur Verurteilung des Revisionswerbers zu einer - wenn auch letztlich bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe - von zweieinhalb Jahren geführt hatten, jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden.

10 Soweit der Revisionswerber die "Nichteinholung eines Gutachtens zum Gesinnungswandel" (wozu im Verfahren vor dem BVwG im Übrigen nicht einmal ein Beweisantrag gestellt wurde) anspricht, ist ihm zu entgegnen, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Annahme eines Wegfalls der sich durch das bisherige Fehlverhalten manifestierten Gefährdung - auch nach Absolvierung einer Therapie - in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten (in Freiheit) maßgeblich ist (vgl. etwa VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0050, Rn. 10, und VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0112, Rn. 9, mwN). Im vorliegenden Fall wurde aber die Dauer des vom Revisionswerber gezeigten Wohlverhaltens vertretbar als nicht ausreichend beurteilt.

11 Auch die Schlussfolgerung, dass der Revisionswerber und seine österreichische Ehefrau sowie der Stiefsohn die durch die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot bewirkte Trennung im öffentlichen Interesse an der Verhinderung insbesondere von Suchtgiftkriminalität der vorliegenden Art hinzunehmen haben (so das BVwG im Ergebnis), ist vertretbar.

12 Zusammenfassend ergibt sich somit, dass in der Revision keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt werden. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210276.L00

Im RIS seit

11.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten