TE Vwgh Erkenntnis 2019/12/20 Ra 2017/22/0221

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Veröffentlicht am 20.12.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
22/01 Jurisdiktionsnorm
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Melderecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §46
JN §66
MeldeG 1991 §1
MeldeG 1991 §6
MeldeG 1991 §9
NAG 2005 §11 Abs1 Z5
NAG 2005 §21 Abs6
NAG 2005 §41 Abs2 Z4
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des H X, vertreten durch Mag. Alfred Witzlsteiner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 28. November 2017, LVwG- 2016/17/2261-6, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Der Revisionswerber, ein chinesischer Staatsangehöriger, der sich zunächst gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen 2007 und 2014 geborenen Kindern (alle chinesische Staatsangehörige) auf Grund eines befristeten italienischen Aufenthaltstitels (permesso di soggiorno) in Italien aufhielt, stellte am 24. Februar 2016 persönlich bei der belangten Behörde einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte" (selbständige Schlüsselkraft) gemäß § 41 Abs. 2 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

1.2. Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit Bescheid vom 14. September 2016 mit der Begründung ab, der Revisionswerber sei auf Grund seines italienischen Aufenthaltstitels berechtigt (gewesen), sich 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen visumfrei in Österreich aufzuhalten. Laut dem Zentralen Melderegister sei er vom 19. November 2015 bis zum 24. Februar 2016 in Österreich gemeldet gewesen, sodass er seinen rechtmäßigen Aufenthalt ab dem 17. Februar 2016 überschritten und den Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 iVm. § 21 Abs. 6 NAG verwirklicht habe. Überdies sei er gemeinsam mit seiner Ehefrau bei einer Kontrolle des von der X H KG (im Folgenden nur: KG) betriebenen China-Imbisslokals am 12. Mai 2016 bei der Arbeit betreten worden, ohne über eine österreichische Beschäftigungsbewilligung zu verfügen. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen, ohne dass ein Gutachten des Arbeitsmarktservice einzuholen gewesen wäre.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde mit dem wesentlichen Vorbringen, er sei am 15. November 2015 gemeinsam mit seiner Ehefrau in Österreich eingereist, um die KG - deren persönlich haftender Gesellschafter er sei und deren Kommanditistin die Ehefrau sei - zu gründen; am 29. November 2015 sei er mit der Ehefrau wieder nach Italien zurückgekehrt, wo er weiterhin einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Anfang Februar 2016 sei er gemeinsam mit der Ehefrau und der 2007 geborenen Tochter (im Folgenden nur: Tochter) neuerlich in Österreich eingereist, um die selbständige Tätigkeit im Rahmen der KG vorzubereiten, wobei er am 24. Februar 2016 auch den (hier gegenständlichen) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt habe. Nach der Eröffnung des Lokals am 4. März 2016 - das von Anfang an von seinem Bruder betrieben worden sei, weil er selbst (noch) über keinen Aufenthaltstitel und keine Gewerbeberechtigung verfügt habe - sei er in der zweiten Märzwoche wieder nach Italien zurückgekehrt; Anfang Mai 2016 sei er neuerlich in Österreich eingereist und am 19. Mai 2016 wieder ausgereist sowie in der Folge bis September 2016 durchgehend in Italien verblieben. Im Hinblick darauf habe er sich niemals länger als 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen in Österreich visumfrei aufgehalten. Was den Vorwurf betreffe, er habe im Zeitpunkt der Kontrolle am 12. Mai 2016 ohne Beschäftigungsbewilligung gearbeitet, so habe er damals lediglich für sich und seine Ehefrau sowie für Freunde ein Essen zubereitet. Auch insofern sei daher keine unerlaubte Erwerbstätigkeit und kein unrechtmäßiger Aufenthalt vorgelegen.

2.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, in der die Zeugen- und Parteienvernehmungen durchgeführt wurden - die Beschwerde als unbegründet ab.

2.2. Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung - über den eingangs (Punkt 1.1.) wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt hinaus - folgende Feststellungen zugrunde:

Der Revisionswerber weise keine Vorstrafen auf. Es liege eine "Mietwohnrechtbestätigung" vor, laut der er "eine Eigentumswohnung besitzt". Er sei unbeschränkt haftender Gesellschafter der KG, die er seit dem 26. November 2015 selbständig vertrete und an der er "Geschäftsanteile" von EUR 40.000,-- halte.

Einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zufolge sei der Revisionswerber vom 19. November 2015 bis zum 24. Februar 2016 in Österreich gemeldet gewesen, anschließend habe er sich abgemeldet. Die Tochter sei laut einer Schulbestätigung vom 11. Jänner bis zum 8. Juli 2016 in der Volksschule V (in Tirol) angemeldet gewesen.

Einer Anzeige der belangten Behörde vom 19. Mai 2016 zufolge sei bei einer Kontrolle im Lokal am 12. Mai 2016 festgestellt worden, dass der Revisionswerber als unbeschränkt haftender Gesellschafter der KG zu verantworten habe, dass das Gastgewerbe in der Betriebsart "Imbissstand" (mit 13 Verabreichungsplätzen) seit dem 24. Februar 2016 ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung betrieben werde.

Einer (weiteren) Anzeige der belangten Behörde vom 3. August 2016 zufolge sei bei einer Kontrolle am 25. Mai 2016 festgestellt worden, dass der Revisionswerber beschäftigt gewesen sei, ohne über eine entsprechende Arbeitsbewilligung zu verfügen und ohne zur Pflichtversicherung bei der Gebietskrankenkasse angemeldet zu sein. Er habe gemeinsam mit seiner Ehefrau Speisen und Getränke zubereitet und an die Gäste verabreicht sowie das Inkasso durchgeführt; es entspreche insbesondere nicht den Tatsachen, dass er und seine Ehefrau damals bloß für sich und die Tochter ein Essen zubereitet hätten. Der Revisionswerber habe zwar (wie die Ehefrau) über einen italienischen Aufenthaltstitel verfügt, der ihn aber nicht zur Arbeitsaufnahme in Österreich berechtigt habe.

2.3. In der (mit der rechtlichen Beurteilung vermengten) Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Feststellungen ergäben sich vor allem aus den behördlichen Anzeigen und den Angaben des D A (eines Mitarbeiters der belangten Behörde), dessen Darstellung glaubwürdig und nachvollziehbar gewesen sei.

Den Angaben des Revisionswerbers sei nicht zu folgen gewesen, weil dieser widersprüchliche Angaben zu den Daten der behördlichen Kontrolle gemacht habe, indem er diese zunächst überhaupt abgestritten habe, später jedoch im beschränkten Ausmaß an einem anderen Tag zugegeben habe. Es sei daher davon auszugehen, dass er tatsächlich im Lokal gearbeitet habe, ohne über eine Arbeitserlaubnis zu verfügen.

Der Revisionswerber habe zwar einen längeren Aufenthalt in Österreich zwischen November 2015 und Mai 2016 in Abrede gestellt und die wiederholte Rückkehr nach Italien behauptet, wo er weiterhin gearbeitet habe, wo zunächst auch (noch) die Ehefrau und die Tochter gelebt hätten und wo er auch über einen (zuletzt bis März 2018 verlängerten) Aufenthaltstitel verfügt habe. Die vorgelegte italienische Arbeitsbestätigung sei jedoch nicht glaubwürdig und nicht verwertbar gewesen, zumal es sich um eine sehr schlecht lesbare Kopie handle, die auch nicht auf einem Geschäftspapier verfasst worden sei, sondern von jeglicher Person erstellt worden sein könne und folglich jeder Glaubwürdigkeit entbehre. Wer das Schreiben verfasst habe, sei letztlich nicht zu klären gewesen. Im Hinblick darauf sei jedoch der Revisionswerber den Beweis schuldig geblieben, dass er sich nicht über den 17. Februar 2016 hinaus unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe.

Die Angaben des Bruders und der Ehefrau des Revisionswerbers seien ebenso unglaubwürdig gewesen, weil diese keine klaren Antworten gegeben bzw. Fragen schlichtweg offen gelassen hätten.

2.4. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, der Revisionswerber sei vom 19. November 2015 bis zum 24. Februar 2016 in Österreich gemeldet gewesen, obwohl er auf Grund seines italienischen Aufenthaltstitels lediglich 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen visumfrei im Bundesgebiet habe bleiben dürfen. Sein Aufenthalt sei daher - folge man den Meldedaten - nach dem 17. Februar 2016 nicht (mehr) rechtmäßig gewesen. Zudem habe er (im Mai 2016) Arbeiten im Lokal (als Koch, Kellner und Kassier) verrichtet, ohne über eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu verfügen.

Der Revisionswerber habe daher bereits im Februar 2016 die Dauer seines erlaubten visumfreien Aufenthalts in Österreich überschritten, sodass er den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht habe. Zudem habe er im Mai 2016 eine Arbeit unerlaubt aufgenommen. Im Hinblick darauf sei jedoch der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzuweisen gewesen; die Einholung eines Gutachtens des Arbeitsmarktservice habe unterbleiben können.

2.5. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

3.1. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die - Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende - außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht sei (unter anderem) in den nachstehend erörterten Punkten von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen.

3.2. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Die Revision ist - aus den im Folgenden näher dargelegten Erwägungen - zulässig und auch berechtigt.

5.1. Der Revisionswerber macht geltend, das Verwaltungsgericht habe den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht vollständig festgestellt, zumal es sich in Beantwortung der Frage, ob er im Antragszeitpunkt die Dauer des zulässigen Aufenthalts überschritten habe, lediglich auf die Meldedaten berufen habe, die aber nichts darüber aussagten, ob er sich in dem betreffenden Zeitraum tatsächlich in Österreich aufgehalten habe.

5.2. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass der Revisionswerber den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht habe, weil er als Inhaber eines italienischen Aufenthaltstitels über den nach Art. 21 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) erlaubten Zeitraum (90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen) hinaus in Österreich verblieben sei. Das Verwaltungsgericht ist dabei jedoch - wie der Revisionswerber zutreffend rügt - von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen.

Das Verwaltungsgericht traf nämlich lediglich die Feststellung, dass der Revisionswerber laut dem Zentralen Melderegister vom 19. November 2015 bis zum 24. Februar 2016 durchgehend in Österreich polizeilich gemeldet gewesen sei, und folgerte daraus, dass er ab dem 17. Februar 2016 den zulässigen Aufenthalt in Österreich überschritten habe. Das Verwaltungsgericht ließ dabei jedoch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs außer Acht, wonach eine polizeiliche Meldung keinen Beweis betreffend den tatsächlichen Aufenthalt einer Person liefert (vgl. VwGH 16.10.2007, 2004/18/0288) und eine Meldeauskunft für sich genommen noch nicht ausreicht, um daraus ohne Weiteres auch auf einen tatsächlichen Aufenthalt während der Zeit der Meldung schließen zu können (vgl. VwGH 19.11.2003, 2003/21/0001).

5.3. Das Verwaltungsgericht hätte daher die erforderlichen Feststellungen treffen müssen, in welchen konkreten Zeiträumen der Revisionswerber tatsächlich in Österreich aufhältig war. Der bloße Hinweis auf die amtliche Meldung konnte dem nicht genügen, stellt diese doch (lediglich) ein Indiz für die Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines Wohnsitzes oder Aufenthalts dar, nicht jedoch einen diesbezüglichen Beweis (vgl. VwGH 3.7.2008, 2005/18/0077).

Das Verwaltungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren - auf Grundlage einer umfassenden und nachvollziehbaren Beweiswürdigung, die insbesondere das im betreffenden Zeitraum behauptetermaßen noch vorwiegend in Italien stattgefundene Erwerbs- und Familienleben berücksichtigt - die gebotenen Feststellungen nachzuholen haben.

5.4. Soweit das Verwaltungsgericht festhielt, der Revisionswerber wäre den Beweis schuldig geblieben, dass er sich nicht (insbesondere über den 17. Februar 2016 hinaus) unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe, ging es (scheinbar) von einer diesbezüglichen Beweislast des Revisionswerbers aus.

Dem ist freilich zu entgegnen, dass § 11 Abs. 1 Z 5 NAG als Versagungsgrund konzipiert ist, sodass es Sache der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts ist, Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Dauer des erlaubten Aufenthalts darzutun, und verbleibende Zweifel folglich nicht zu Lasten des Revisionswerbers gehen.

6.1. Der Revisionswerber macht weiters geltend, das Verwaltungsgericht habe eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen, indem es die widersprüchlichen Angaben des Zeugen D A (wonach der Revisionswerber im Zuge einer behördlichen Kontrolle am 25. Mai 2016 bei einer unerlaubten Erwerbstätigkeit - nämlich bei der Zubereitung und beim Verkauf von Speisen und Getränken an die Lokalgäste - angetroffen worden sei) als glaubwürdig, hingegen die Darstellung des Revisionswerbers und seiner Ehefrau (wonach die Kontrolle tatsächlich bereits am 12. Mai 2016 stattgefunden habe und der Revisionswerber damals nur ein Essen für seine Familie und für Freunde zubereitet habe) als unwahr erachtet habe.

6.2. Mit dem aufgezeigten Vorbringen bekämpft der Revisionswerber die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof zwar im Allgemeinen nicht berufen ist. Allerdings unterliegt die Beweiswürdigung insoweit einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, als es (unter anderem) darum geht, ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind und das Verwaltungsgericht alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2017/21/0117).

6.3. Abgesehen davon, dass sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen lässt, welchen Versagungsgrund das Verwaltungsgericht durch die von ihm angenommene unerlaubte Aufnahme der Arbeit als verwirklicht ansah, wird hinsichtlich der im Einzelnen behaupteten Mängel der Beweiswürdigung auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Mai 2018, Ra 2018/21/0010, verwiesen. Mit dieser Entscheidung hob der Verwaltungsgerichtshof ein - gegen den Revisionswerber im Strafverfahren wegen Übertretung des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG in derselben Sache (Betretung bei einer unerlaubten Erwerbstätigkeit im Imbisslokal im Mai 2016) ergangenes - die behördliche Bestrafung bestätigendes - Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 16. November 2017 wegen gravierender Mängel der Beweiswürdigung auf. Da es dort im Wesentlichen um die Würdigung derselben Beweismittel ging wie im hier gegenständlichen Verfahren und die dortige Beweiswürdigung in wesentlichen Punkten mit denselben Mängeln bzw. Ungereimtheiten behaftet war wie die hier gegenständliche Beweiswürdigung, kann auf die Ausführungen in jenem Erkenntnis verwiesen werden (§ 43 Abs. 2 VwGG).

6.4. Das Verwaltungsgericht wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit den Ausführungen im genannten - dieselben Fragen betreffenden - Vorerkenntnis auseinanderzusetzen und eine - die erforderlichen Feststellungen tragende, auf schlüssigen Erwägungen beruhende, alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigende - entsprechende Beweiswürdigung vorzunehmen haben.

7.1. Der Revisionswerber macht ferner geltend, das Verwaltungsgericht hätte im Rahmen seiner Interessenabwägung berücksichtigen müssen, dass das angefochtene Erkenntnis dem Wohl der Tochter, die inzwischen in das österreichische Schulsystem integriert sei, widerspreche. Weiters wäre zu beachten (gewesen), dass die Versagung des Aufenthaltstitels auch den sonstigen Interessen des Revisionswerbers, der bereits hohe Beträge in das Unternehmen investiert habe, abträglich sei. Im Übrigen habe das Vorgehen der Behörde zu Schwierigkeiten für die gesamte Familie geführt.

7.2. Damit rügt der Revisionswerber (im Ergebnis) zu Recht die Unterlassung einer Interessenabwägung im Sinn des § 11 Abs. 3 NAG. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ähnlichen Fallkonstellationen bereits ausgesprochen, dass - selbst wenn der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht ist - eine Prüfung nach Art. 8 EMRK in verfassungskonformer Weise vorzunehmen ist (vgl. etwa VwGH 15.4.2010, 2008/22/0641).

7.3. Sollte sich daher im fortgesetzten Verfahren die Verwirklichung des genannten Versagungsgrunds ergeben, so hätte das Verwaltungsgericht vor der Abweisung des Antrags zu prüfen, ob nicht das Vorliegen von humanitären Gründen die Erteilung des Aufenthaltstitels (bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen) gebietet.

8. Insgesamt ist daher das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Mangelhaftigkeit des Verfahrens belastet. Die Entscheidung ist deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

9. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 20. Dezember 2019

Schlagworte

AllgemeinBegründung BegründungsmangelBegründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtBesondere RechtsgebieteBeweismittel Indizienbeweise indirekter BeweisBeweismittel UrkundenBeweiswürdigung Wertung der BeweismittelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastSachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelVerfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht ManuduktionspflichtVerfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017220221.L00

Im RIS seit

18.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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