TE Vwgh Beschluss 2019/12/27 Ra 2017/22/0171

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Veröffentlicht am 27.12.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §45 Abs3
B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §11 Abs2 Z3
NAG 2005 §20 Abs1
NAG 2005 §64 Abs1
NAGDV 2005 §7 Abs1 Z6
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des A A M H, vertreten durch Dr. Karin Zahiragic, Rechtsanwältin in 1210 Wien, Brünner Straße 130-134/1/2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 21. Juni 2017, VGW-151/060/3966/2017- 18, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht den Bescheid der belangten Behörde vom 20. Jänner 2017 - mit dem der Erstantrag des Revisionswerbers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, vom 18. Jänner 2016 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG; in der fallbezogen maßgeblichen Fassung vor BGBl. I Nr. 56/2018) wegen Fehlen einer ortsüblichen Unterkunft (§ 11 Abs. 2 Z 2 NAG) und gesicherter Unterhaltsmittel (§ 11 Abs. 2 Z 4 iVm. Abs. 5 NAG) abgewiesen worden war - mit der Maßgabe, dass die Abweisung wegen Fehlen einer alle Risken abdeckenden in Österreich leistungspflichtigen Krankenversicherung (§ 11 Abs. 2 Z 3 NAG) erfolge.

2.2. Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, es habe dem Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung die nachträgliche Vorlage eines Nachweises über das Bestehen einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung eingeräumt. Der Revisionswerber habe daraufhin ein "certificate of insurance" vorgelegt, das nur einen Versicherungszeitraum vom 1. bis zum 30. Juni 2017 und keinen Leistungsumfang ausgewiesen habe. Im Hinblick darauf sei kein Versicherungsschutz für die gesamte Dauer des beantragten Aufenthaltstitels (zwölf Monate) und kein alle Risken abdeckender Versicherungsumfang nachgewiesen worden. Da bereits die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG nicht erfüllt sei, brauche auf das von der belangten Behörde herangezogene Fehlen weiterer Erteilungsvoraussetzungen nicht (mehr) eingegangen zu werden. Ein schutzwürdiges Privat- und Familienleben in Österreich sei nicht hervorgekommen, sodass sich der Revisionswerber auch nicht auf § 11 Abs. 3 NAG berufen könne.

2.3. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in der keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird.

4.1. Der Revisionswerber macht einerseits geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es die vorgelegte Versicherungsurkunde als nicht ausreichend erachtet habe, sei doch nach der Judikatur (Hinweis auf VwGH 14.5.2009, 2008/22/0143) lediglich der Nachweis über das Bestehen einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung erforderlich.

4.2. Gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 NAG iVm. § 7 Abs. 1 Z 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) ist dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels ein Nachweis über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz, insbesondere durch eine entsprechende Versicherungspolizze, sofern kein Fall einer gesetzlichen Pflichtversicherung bestehen wird oder besteht, anzuschließen.

Der zu erbringende Nachweis hat insbesondere (auch) den Leistungsumfang der Krankenversicherung darzutun. § 7 Abs. 1 Z 6 NAG-DV liegt nämlich das Verständnis zugrunde, dass eine nicht bestehende gesetzliche Pflichtversicherung durch eine Privatversicherung substituiert werden kann und daher beide insofern als gleichwertig zu erachten sind. Dies setzt freilich voraus, dass der Leistungsumfang der Privatversicherung im Wesentlichen jenem der gesetzlichen Pflichtversicherung entspricht (vgl. etwa VwGH 7.12.2016, Fe 2015/22/0001; 25.10.2017, Ra 2017/22/0146). Die diesbezügliche Prüfung erfordert daher zwingend die Dartuung des konkreten Leistungsumfangs einer Privatversicherung durch den Antragsteller, um deren Gleichwertigkeit mit einer gesetzlichen Pflichtversicherung beurteilen zu können.

Der zu erbringende Nachweis hat ferner die gesamte Dauer des Aufenthaltstitels gemäß § 20 Abs. 1 NAG abzudecken (vgl. etwa VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0081; 17.6.2019, Ra 2018/22/0096). Ist ein beantragter Aufenthaltstitel gemäß § 20 Abs. 1 NAG für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen (weil ein Fall, wonach ein Titel mit kürzerer Dauer erteilt werden kann, nicht vorliegt), so stellt eine Versicherung für eine kürzere Dauer schon allein wegen der kürzeren Geltungsdauer keine ausreichende Krankenversicherung im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG dar (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/22/0151; 6.8.2009, 2008/22/0391).

4.3. Vorliegend ist - wie das Verwaltungsgericht im Einklang mit der soeben dargestellten Rechtsprechung erkannte - der Revisionswerber seiner Obliegenheit zum initiativen Nachweis des Bestehens eines in Österreich leistungspflichtigen und alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG nicht nachgekommen. Das vorgelegte "certificate of insurance" enthielt keinerlei Angaben zum Leistungsumfang, sodass eine Beurteilung, ob ein alle Risken abdeckender Versicherungsschutz im Sinn einer Gleichwertigkeit mit einer gesetzlichen Pflichtversicherung gegeben ist, nicht möglich war. Das "certificate of insurance" wies auch nur eine Gültigkeitsdauer für den Zeitraum vom 1. bis zum 30. Juni 2017 auf, obwohl der vom Revisionswerber beantragte Aufenthaltstitel nach § 20 Abs. 1 NAG (ein Fall, wonach ein Titel mit einer kürzeren Dauer erteilt werden könnte, lag hier nicht vor) für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen gewesen wäre. Ausgehend davon kann aber die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG sei nicht erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4.4. Dem steht auch die vom Revisionswerber zitierte Entscheidung VwGH 2008/22/0143 nicht entgegen, in der es nicht um die Beurteilung der Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG ging, sondern der Tatbestand bloß im Zusammenhang mit einer Haftungserklärung (die bis zur Novelle BGBl. I Nr. 84/2017 unter anderem für die Erfordernisse einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung abgegeben werden konnte) zur Sprache kam.

5.1. Der Revisionswerber macht andererseits geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung abgewichen, indem es in der Entscheidung Tatsachen herangezogen habe, die es unter Verletzung des Parteiengehörs und des Überraschungsverbots dem Revisionswerber vorweg nicht zur Kenntnis gebracht habe bzw. zu denen es ihm keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt habe.

5.2. Die (allfällige) Verletzung des Parteiengehörs und des Überraschungsverbots bewirkt freilich nur dann einen wesentlichen Mangel, wenn das Verwaltungsgericht bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Der Revisionswerber muss deshalb die entscheidenden Tatsachen behaupten, die dem Verwaltungsgericht wegen des Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind. Er darf sich nicht darauf beschränken, den Mangel bloß zu rügen, sondern muss konkret darlegen, welches Vorbringen er im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet hätte und inwiefern das Verwaltungsgericht dadurch zu einer anderen (für ihn günstigeren) Entscheidung hätte gelangen können (vgl. VwGH 8.7.2019, Ra 2017/08/0119; 23.3.2015, Ro 2014/08/0033).

Die Notwendigkeit der Relevanzdarstellung im Sinn des Vorgesagten gilt auch für das Zulässigkeitsvorbringen (vgl. VwGH 25.7.2019, Ra 2019/22/0067; 13.9.2017, Ra 2016/08/0174).

5.3. Vorliegend erstattete der Revisionswerber keinerlei Vorbringen im soeben aufgezeigten Sinn und legte damit die Relevanz der behaupteten Verletzung des Parteiengehörs und des Überraschungsverbots nicht dar. Dem geltend gemachten Mangel kommt schon deshalb keine Bedeutung zu.

6. Insgesamt werden daher - in der für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen gesonderten Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 29.7.2019, Ra 2017/22/0087) - keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 27. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017220171.L00

Im RIS seit

03.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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