TE Vwgh Beschluss 2019/12/30 Ra 2019/18/0502

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Veröffentlicht am 30.12.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des F C, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 2019, L512 2196467-1/6E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger, beantragte am 30. Juli 2015 internationalen Schutz und brachte im Wesentlichen vor, einer Familie sunnitischen Glaubens anzugehören, im Jahr 1995 aber gegen den Willen der Familie eine Frau geheiratet zu haben, die der Religionsgemeinschaft der Schiiten angehöre. Deshalb seien er, seine Frau und seine Kinder von seinen Brüdern verfolgt worden. Aus Angst vor den Brüdern sei er schließlich (allein) geflohen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Bestätigung eines Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19. April 2018 den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

3 Begründend schloss sich das BVwG der Beweiswürdigung des BFA an, wonach das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers "nicht nachvollziehbar, gesteigert, widersprüchlich bzw. aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens für unglaubwürdig zu bewerten" sei. Im Folgenden stellte das BVwG in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses die bereits vom BFA aufgezeigten Widersprüche in der Aussage des Revisionswerbers zur angeblichen Verfolgung durch Angehörige seiner Familie im Einzelnen dar. Eine mündliche Verhandlung führte das BVwG nicht durch, sondern berief sich darauf, dass dem Bescheid ein umfassendes, mangelfreies Ermittlungsverfahren durch das BFA vorausgegangen sei, der entscheidungswesentliche Sachverhalt vom BFA ordnungsgemäß festgestellt worden sei und die Beschwerde kein Vorbringen enthalten habe, das einer Abstandnahme von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entgegengestanden wäre.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das BVwG habe zu Unrecht eine mündliche Verhandlung unterlassen. Dies stehe im Widerspruch zur jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 28.8.2019, Ra 2018/14/0241 bis 0247). Die massiven Ungereimtheiten in der Aussage des Revisionswerbers hätten beim Verwaltungsgericht Bedenken an der Geschäftsfähigkeit des Revisionswerbers aufkommen lassen müssen. Bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung wäre zu Tage getreten, dass der Revisionswerber einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter brauche und es wäre in weiterer Folge festgestellt worden, dass seine Fluchtgeschichte den Tatsachen entspreche.

5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

6 Es ist nicht nachvollziehbar, welche Schlüsse die Revision für den vorliegenden Fall aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. August 2019, Ra 2018/14/0241 bis 0247, ziehen möchte, weil der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung lediglich dargestellt hat, dass nach seiner Rechtsprechung bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen von einem geklärten Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG, der eine mündliche Verhandlung entbehrlich mache, nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden dürfe, nicht aber, wie näher dargelegt wurde, im dort entschiedenen Fall. 7 Im gegenständlichen Fall rügt die Revision die Verletzung der Verhandlungspflicht aber im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung des BFA und des BVwG zum Fluchtvorbringen des Revisionswerbers ohne aufzuzeigen, dass das BVwG von den rechtlichen Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Abstandnahme von einer Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG abgewichen wäre (vgl. dazu grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).

8 Die Revision gesteht selbst zu, dass die Aussage des Revisionswerbers vor dem BFA massive Widersprüche aufwies. Wenn sie diese (erstmals) mit Bedenken an der Geschäftsfähigkeit des Revisionswerbers zu begründen versucht, verstößt sie zum einen gegen das Neuerungsverbot im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, zum anderen vermag sie nicht darzulegen, dass die Widersprüche tatsächlich und fachlich belegbar auf eingeschränkten geistigen Fähigkeiten des Revisionswerbers beruhten.

9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180502.L00

Im RIS seit

11.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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