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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BAG 1969 §14 Abs2 litfBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A A, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts
vom 28. Mai 2019, L504 2120693-1/50E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 19. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. 2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Beschwerdeverfahren - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Ferner wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das BVwG für nicht zulässig. 3 Begründend führte das BVwG - zusammengefasst - aus, es sei dem Revisionswerber aus näher dargelegten Gründen nicht gelungen, die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung glaubhaft zu machen. Es sei ihm auch subsidiärer Schutz nicht zu gewähren. Betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung hielt das BVwG fest, der Revisionswerber sei in Österreich familiär nicht verankert. Er spreche Deutsch auf dem Niveau A2 und absolviere eine Lehre als Metalltechniker, welche als befristetes Ausbildungsverhältnis zu qualifizieren sei. Aufgrund dieser Tätigkeit sei der Revisionswerber nicht mehr auf die staatliche Grundversorgung angewiesen. Die integrationsbegründenden Schritte seien als maßgeblich relativiert zu betrachten, weil sie während eines Zeitraums gesetzt worden seien, in dem sich der Revisionswerber seines unsicheren Aufenthalts habe bewusst sein müssen. Im Übrigen befinde sich der Revisionswerber erst seit kurzer Zeit im Bundesgebiet und er habe den Großteil seines Lebens im Irak verbracht. Weiters sei zu seinen Ungunsten ein bis zum Jahr 2017 bestehender, wiederholter Suchtmittelkonsum zu berücksichtigen. Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung würden daher gegenüber den Interessen des Revisionswerbers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegen.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 9. Oktober 2019, E 2601/2019-13, die Behandlung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 12. November 2019, E 2601/2019-15, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Mit ihrem "Zulassungsantrag" wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK. Darüber hinaus führt sie ins Treffen, die Bestimmung des § 14 Abs. 2 lit. f Berufsausbildungsgesetz (BAG) sei aus näher genannten Gründen verfassungswidrig.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
8 Insoweit die Revision die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 25.2.2019, Ra 2018/19/0564, mwN).
9 Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0058, mwN). Liegt - wie im gegenständlichen Fall - eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (vgl. etwa VwGH 18.9.2019, Ra 2019/18/0246, mwN). Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben wären, lässt sich den Feststellungen des BVwG nicht entnehmen und wird von der Revision auch nicht dargelegt.
10 Das BVwG hat sich im Rahmen einer als nicht unvertretbar zu beurteilenden Interessenabwägung auch mit den zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umständen auseinandergesetzt. Es hat sich dabei mit dem Lehrverhältnis des Revisionswerbers befasst und dazu ausgeführt, dass dieses bei einer Gesamtbetrachtung - auch vor dem Hintergrund des § 14 Abs. 2 lit. f BAG - keine überwiegenden privaten Interessen im Sinn des Art. 8 EMRK begründe, zumal der Revisionswerber die integrationsbegründenden Schritte zu einem Zeitpunkt gesetzt habe, zu dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus habe bewusst sein müssen. Die Revision zeigt nicht auf, dass die diesbezügliche einzelfallbezogene Beurteilung des BVwG am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes zu beanstanden wäre (vgl. zur Berücksichtigung von Lehrverhältnissen bei der Interessenabwägung VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).
11 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Zulässigkeit einer Revision nicht mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit genereller Normen begründet werden kann (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0437, mwN). Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall bereits ausgesprochen, dass der Bundesgesetzgeber mit der Bestimmung des § 14 Abs. 2 lit. f BAG seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten habe (vgl. VfGH 12.6.2019, E 1057/2019-9).
In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180498.L00Im RIS seit
11.02.2020Zuletzt aktualisiert am
11.02.2020