TE Vwgh Beschluss 2019/12/30 Ra 2019/18/0491

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Veröffentlicht am 30.12.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M H, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 2019, Zl. W246 2152769- 1/27E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 29. November 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass sein Vater Mitglied der Partei Hezb-e Islami gewesen sei und ihm von Feinden aus anderen Parteien Verfolgung drohen würde. Sein Vater habe ihn weggeschickt. Die genauen Gründe dafür kenne er nicht. 2 Mit Bescheid vom 15. März 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise fest. 3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. August 2019 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG aus, der Vater des Revisionswerbers sei zwar Kommandant der Hezb-e Islami gewesen, dem Revisionswerber drohe bei einer Rückkehr nach Afghanistan aber nicht die Gefahr, von Feinden seines Vaters getötet zu werden. Zudem drohe ihm weder aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit, noch aufgrund einer "westlichen Wertehaltung" bzw. seiner Tätowierungen physische oder psychische Gewalt. Dem Revisionswerber, der zwar in Ghazni geboren, dann aber nach Kabul gezogen sei und dort bis zu seiner Ausreise gelebt habe, sei eine Rückkehr nach Kabul möglich. Alternativ sei ihm auch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat zumutbar. In seiner Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK erwog das BVwG, dass fallbezogen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers überwiegen würden.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 9. Oktober 2019, E 3634/2019-8, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG habe entgegen der eigenen Länderfeststellungen und der Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018, festgestellt, dass dem Revisionswerber aufgrund seiner Tätowierungen keine Verfolgung drohe. Bei der Beweiswürdigung sei unberücksichtigt geblieben, dass der Revisionswerber bei der Einreise nach Österreich noch minderjährig gewesen sei und ihm nach den afghanischen Traditionen daher keine Details über die Bedrohung seines Vaters berichtet worden seien. Des Weiteren hätte das BVwG Kabul anhand der Kriterien für die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative prüfen müssen, weil der Revisionswerber tatsächlich aus einer anderen Region stamme. Zudem habe das BVwG Länderberichte zu den Folgen der Dürre in Mazar-e Sharif und Herat gänzlich außer Acht gelassen. Im Übrigen habe das BVwG keine Gesamtabwägung der in § 9 BFA-VG angeführten Kriterien durchgeführt.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Soweit sich die Revision hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, vermag sie nicht aufzuzeigen, dass diese an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leidet (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0048, mwN).

12 Das BVwG hat nachvollziehbar dargelegt, warum aus den Länderfeststellungen nicht abzuleiten sei, dass Personen mit Tätowierungen unausweichlich der Gefahr physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt seien. Es hat auch nicht verkannt, dass der Revisionswerber bei der Ausreise noch minderjährig war. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, dass der Revisionswerber in der Erstbefragung weder die Mitgliedschaft seines Vaters in der Hezb-e Islami noch die daraus resultierenden Bedrohungen ansatzweise erwähnt habe. Es sei auch nicht plausibel, dass sich der Revisionswerber nicht zumindest nach seiner Ausreise, trotz wöchentlichem telefonischen Kontakt mit dem Vater, nähere Informationen über die gegen seinen Vater bestehenden Bedrohungen in Afghanistan beschafft habe, zumal ein gewisses Interesse des Revisionswerbers für die Gründe seiner Ausreise vorliegen müsse. Die Ausführungen des Revisionswerbers seien, trotz konkreter Fragestellungen und der Aufforderung, präzise und detailliert zu antworten, oftmals nur detailarm und oberflächlich geblieben und er habe nur Vermutungen und keine fundierten Bedenken geäußert. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, dass im Laufe der Zeit nie konkrete Bedrohungen gegen den Vater des Revisionswerbers getätigt worden seien, die er entweder mitbekommen hätte oder über die ihm zumindest im Nachhinein berichtet worden wäre. 13 Ob das BVwG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass dem Revisionswerber eine Rückkehr nach Kabul möglich sei, kann gegenständlich dahingestellt bleiben, weil schon die vom BVwG hilfsweise herangezogene Begründung, der Revisionswerber finde jedenfalls in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative, das Ergebnis der Entscheidung trägt.

14 Das BVwG hat sich dabei sowohl mit der Sicherheits- und Versorgungslage in den genannten Städten als auch mit den persönlichen Umständen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und entgegen dem Revisionsvorbringen auch die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 12. Oktober 2018 zu den Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif in seine Betrachtungen einbezogen. Ausgehend davon ist die Einschätzung des BVwG, dem Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung, am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001; 11.11.2019, Ra 2019/18/0448, jeweils mwN).

15 Soweit die Revision betreffend die Rückkehrentscheidung die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK rügt, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 4.11.2019, Ra 2019/18/0326, mwN).

16 Mit dem pauschalen Vorbringen, das BVwG habe keine Gesamtbetrachtung durchgeführt, gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass die die persönlichen Umstände des Revisionswerbers berücksichtigende Interessenabwägung unvertretbar wäre.

17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180491.L00

Im RIS seit

11.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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