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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des I M, vertreten durch Mag. Gerold Schwarzer, Rechtsanwalt in Wien, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Stutterheimstraße 16-18, Stg. 2, Etage 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2019, W201 2118015-1/7E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 23. September 2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, er befürchte Verfolgung durch einen Onkel väterlicherseits, der mit den Taliban zusammenarbeite und infolge von Grundstücksstreitigkeiten bereits seinen Vater ermordet habe.
2 Mit Bescheid vom 24. September 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).
3 Die gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig. 4 Begründend führte das BVwG - zusammengefasst und soweit entscheidungserheblich - aus, es sei dem Revisionswerber nicht gelungen, ein asylrelevantes Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen. Seine Angaben seien ungenau und wenig konkret geblieben, zudem hätten sich auch Widersprüche ergeben. Er habe u.a. die Vorgänge zur Vorbereitung der Beerdigung seines Vaters nicht erläutern können. Dies erscheine, auch wenn der Revisionswerber darauf hingewiesen habe, dass er damals erst vierzehn Jahre alt gewesen sei, ungewöhnlich. Es entspreche nämlich den afghanischen Usancen, dass der älteste Sohn des Toten, unterstützt durch Verwandte, bei sämtlichen Zeremonien anwesend sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Familie nicht an die Polizei gewandt habe. Überdies habe der Revisionswerber seinen Angaben zufolge nach der behaupteten Ermordung seines Vaters ein weiteres Jahr lang bei seinem Onkel mütterlicherseits in demselben Distrikt gelebt wie auch der Onkel väterlicherseits, der nach den Schilderungen des Revisionswerbers seinen Vater ermordet habe. Ferner sei anzunehmen, dass sich der Onkel väterlicherseits, wenn er des Revisionswerbers nicht hätte habhaft werden können, an dessen jüngeren Bruder gehalten hätte. Es erscheine lebensfremd, dass der Onkel sowohl den Revisionswerber als auch seinen Bruder unbehelligt gelassen habe. Bei Bestehen einer tatsächlichen Feindschaft hätte der Onkel alles daran gesetzt, den Revisionswerber aufzugreifen. Schließlich sei es dem Revisionswerber nicht gelungen, zu erklären, wie er zu seiner Familie, die nach seinen Schilderungen nunmehr in der Wüste in einem Zelt lebe, per Mobiltelefon Kontakt halte, weil es dort offensichtlich keine Möglichkeit gebe, das Telefon aufzuladen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erschienen das Fluchtvorbringen sowie die behauptete Ermordung des Vaters als nicht schlüssig, nicht der afghanischen Realität entsprechend und daher auch nicht glaubwürdig.
Im Übrigen handle es sich bei den geschilderten Verfolgungshandlungen selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens lediglich um "einen Sachverhalt im innerfamiliären Spannungsbereich" ohne Bezug zu Rasse, Religion, Nationalität, politischer Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Aus diesem Grund liege kein Konnex zu einem Konventionsgrund vor. Zudem seien fallbezogen auch die Schutzfähigkeit und -willigkeit des afghanischen Staates nicht ausgeschlossen. Aus diesen Gründen sei der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu ihrer Zulässigkeit führt sie lediglich aus, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach angesichts der Minderjährigkeit des Revisionswerbers ein altersspezifischer Maßstab zugrunde zu legen sei und eine Auseinandersetzung mit der Frage zu erfolgen habe, welche Kenntnisse von einem Jugendlichen in diesem Alter überhaupt erwartet werden dürften.
Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Zunächst wird in der Zulässigkeitsbegründung übersehen, dass das BVwG seine Entscheidung nicht nur auf die mangelnde Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens stützte, sondern darüber hinaus auch davon ausging, dass es diesem Vorbringen an einem Konnex zu einem Konventionsgrund mangle. Dieser Alternativbegründung tritt die Zulässigkeitsbegründung nicht entgegen (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG bei Vorliegen einer tragfähigen Alternativbegründung, VwGH 6.11.2018, Ra 2018/18/0203, mwN).
10 Im Übrigen wendet sich die Revision, soweit sie vorbringt, dass Formalitäten einer Begräbnisfeier nicht den "Inbegriff" jenes Wissens darstellten, das von einem zum Zeitpunkt der Ereignisse Vierzehnjährigen erwartet werden dürfe, lediglich gegen einen Teilaspekt der gerichtlichen Beweiswürdigung. Sie zeigt daher auch insofern nicht auf, dass die beweiswürdigenden Überlegungen des BVwG gemessen am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes insgesamt als unschlüssig und daher als unvertretbar zu qualifizieren wären.
11 Auch führen die weiteren Ausführungen der Revision, die nur pauschal auf die in Afghanistan gesellschaftlich anerkannte Institution der Blutrache und die dort im ländlichen Raum extrem schwach ausgeprägten staatlichen Strukturen verweisen, hinsichtlich der Annahme des BVwG, es liege selbst bei Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens keine asylrelevante Verfolgung vor, nichts Stichhaltiges ins Treffen.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180407.L00Im RIS seit
11.02.2020Zuletzt aktualisiert am
11.02.2020