Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** B*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. G***** D***** GmbH & Co KG, *****, 2. V***** AG, *****, beide vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 16.670,15 EUR sA, über den Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 24. September 2019, GZ 3 R 108/19a-15, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 26. Juni 2019, GZ 6 Cg 3/19a-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.175,22 EUR (darin 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger mit Wohnsitz in Österreich erwarb vom erstbeklagten österreichischen Autohändler im Jänner 2016 einen Pkw der Marke V***** mit Dieselmotor, hergestellt von der Zweitbeklagten mit Sitz in Deutschland.
Der Kläger begehrt im Zusammenhang mit behaupteten „V*****-Abgasmanipulationen“ die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Benützungsentgelt Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs, hilfsweise die Zahlung einer Wertminderungsentschädigung sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden Schaden aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Hinsichtlich der Erstbeklagten als seiner Vertragspartnerin gründet der Kläger sein Begehren auf Irrtumsanfechtung, hinsichtlich der zweitbeklagten Herstellerin auf deliktische Schädigung, insbesondere wegen Verwendung irreführender Geschäftspraktiken gemäß § 2 UWG. Die Zuständigkeit des Erstgerichts für die Klage gegen die in Deutschland ansässige Zweitbeklagte ergebe sich aus Art 7 Nr 2 sowie Art 8 EuGVVO 2012 (in der Folge: EuGVVO).
Die Zweitbeklagte bestritt die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts, weil der maßgebliche Erstschaden an ihrem Sitz in Deutschland eingetreten sei. Ein nach Art 8 EuGVVO erforderlicher Sachzusammenhang zwischen den auf ganz unterschiedliche Rechtsgründe gestützten Klagebegehren bestehe nicht.
Das Erstgericht erklärte sich hinsichtlich der Zweitbeklagten für international unzuständig und wies die Klage zurück. Es lägen keine Umstände vor, die im Sinne der Judikatur des EuGH den Klägergerichtsstand begründen könnten, insbesondere auch keine Konnexität der auf unterschiedliche Rechtsgründe gestützten Begehren.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, verwarf die Einrede der (internationalen und örtlichen) Unzuständigkeit und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.
Der Kläger könne sich gegenüber der Zweitbeklagten auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Art 8 Nr 1 EuGVVO berufen. Der erforderliche Sachzusammenhang der Klagebegehren sei darin zu sehen, dass die Ansprüche gegen beide Beklagte vom Vorhandensein einer im Klagsfahrzeug eingebauten unzulässigen, nicht durch ein bloßes Softwareupdate korrigierbaren Abschalteinrichtung abhingen. Es handle sich um eine Vorfrage, über die tunlichst in einem gemeinsamen Verfahren zu verhandeln sei.
Ob gegenüber der Zweitbeklagten auch der Gerichtsstand nach Art 7 Nr 2 EuGVVO zum Tragen käme, könne bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben. Eine Unterbrechung des Rekursverfahrens bis zur Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der anhängigen Rechtssache C-343/19 Verein für Konsumenteninformation/Volkswagen AG sei deshalb nicht erforderlich.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Kläger beantwortete Revisionsrekurs der Zweitbeklagten ist aus den vom Rekursgericht genannten Erwägungen zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
1. Der Revisionsrekurs verweist, soweit sich sein Inhalt überhaupt auf den Gerichtsstand nach Art 8 Nr 1 EuGVVO bezieht, auf die unterschiedlichen gegen die Beklagten geltend gemachten rechtlichen Anspruchsgrundlagen. Während die Erstbeklagte als Verkäuferin des Fahrzeugs für die vereinbarte Erfüllung des Kaufvertrags einzustehen habe, stehe die Zweitbeklagte in überhaupt keinem Vertragsverhältnis zum Kläger. Der Gerichtsstand nach Art 8 Nr 1 EuGVVO stelle eine restriktiv auszulegende Ausnahme zum allgemein geltenden Beklagtengerichtsstand dar. Der Zweck dieser Ausnahme, nämlich das Gebot, widersprechende Entscheidungen zu verhindern, komme im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, weil gegen die Beklagten schon wegen der unterschiedlich geltend gemachten Rechtsgrundlagen ohne weiters unterschiedliche Sachentscheidungen möglich seien.
2. Nach Art 8 Nr 1 EuGVVO kann eine von mehreren beklagten Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, auch vor dem Gericht des Orts verklagt werden, an dem einer der anderen Beklagten seinen Wohnsitz hat, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten (vgl auch früher Art 6 der VO 44/2001).
Die Zuständigkeitsvorschriften sollen in hohem Maß vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Besondere Zuständigkeitsvorschriften sind, weil von der aufgestellten Grundregel des Gerichtsstands des Wohnsitzes des Beklagten abgewichen wird, eng auszulegen (EuGH C-366/13 Profit Investment SIM SpA/Ossi u.a., Rn 61 ff; EuGH C-145/10 Painer/Standard VerlagsGmbH u.a., Rn 74 f).
Zur Anwendung des Art 8 Nr 1 EuGVVO muss zwischen den verschiedenen Klagen eines Klägers gegen verschiedene Beklagte ein Zusammenhang bestehen, der vom Gericht in den Mitgliedstaaten zu beurteilen ist (EuGH C-366/13 Profit Investment SIM SpA/Ossi u.a., Rn 64; EuGH C-189/87 Kalfelis/Schröder u.a., Rn 9 f; vgl RS0115274 [T11]; 5 Ob 39/11p).
3. Der Zusammenhang ist nach dem anwendbaren Recht (der lex causae) zu beurteilen, weil die Gefahr, dass in getrennten Verfahren einander widersprechende Entscheidungen ergehen, nur aufgrund des auf die einzelnen Ansprüche anwendbaren Rechts beurteilt werden kann (RS0121290; RS0115274; 7 Ob 29/01t).
Ein ausreichender Sachzusammenhang ist nach der Rechtsprechung in der Regel zu bejahen, wenn die Entscheidung über den einen Anspruch vom anderen abhängt oder beide Ansprüche von der Lösung einer gemeinsamen Vorfrage abhängen (RS0115274; 10 Ob 79/08b).
4. Das Rekursgericht hat diese Voraussetzung im vorliegenden Fall deswegen bejaht, weil die Forderungen gegenüber beiden Beklagten ungeachtet ihrer unterschiedlichen Anspruchsgründe von der gemeinsamen Vorfrage abhängig seien, ob im Klagsfahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut wurde und ob dieses Problem allenfalls mit dem durchgeführten Softwareupdate behoben wurde.
Der erkennende Senat erachtet diese Begründung, auf die der Revisionsrekurs nicht konkret eingeht, aus den folgenden Erwägungen für zutreffend:
5. Der bloße Umstand, dass sich das Ergebnis eines Verfahrens auf das des anderen auswirken kann, reicht nach der Rechtsprechung des EuGH noch nicht aus, um die im Rahmen der beiden Verfahren zu treffenden Entscheidungen als „widersprechend“ im Sinne der Verordnung zu qualifizieren. Die Auswirkung der Begründetheit einer der Klagen auf den Umfang des Interesses der anderen Klage genügt demnach nicht (EuGH C-366/13 Profit Investment SIM SpA/Ossi u.a., Rn 66 f [hier: einerseits Haftung aufgrund fehlerhafter Geschäftsführung und andererseits Nichtigerklärung eines Vertrags und Rückgewähr rechtsgrundloser Zahlungen zur Unterschiedlichkeit sowohl hinsichtlich der Rechtsgrundlagen als auch hinsichtlich des Gegenstands]; vgl Schlussanträge GA Yves Bot in C-366/13, Profit Investment SIM SpA/Ossi u.a., Rn 99).
6. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung zu 7 Ob 117/01t (wenn auch dort letztlich unter Verneinung des Zusammenhangs) festgehalten, dass zufolge der verbindlichen (RS0114822) Auslegung des Europäischen Gerichtshofs von einem sehr weiten Streit- bzw Verfahrensgegenstandsbegriff auszugehen sei. Identität der Streitgegenstände sei dann gegeben, wenn beide Klagen dieselbe „Grundlage“ und denselben „Gegenstand“ betreffen. Die „Grundlage“ des Anspruchs umfasse den Sachverhalt und die Rechtsvorschriften, auf die die Klage gestützt wird. Dieselbe Grundlage hätten etwa zwei auf demselben Vertragsverhältnis beruhende Rechtsstreitigkeiten. Derselbe Gegenstand liege im gemeinsamen Zweck, im Kern beider Rechtsstreitigkeiten, und bestimme sich danach, welche Begehren im Mittelpunkt beider Verfahren stehen.
Der Oberste Gerichtshof hat einen solchen engen Zusammenhang in der Rechtssache 4 Ob 298/02f bejaht, in der Ansprüche aufgrund sittenwidrigen Abwerbens von Vertriebspartnern der Klägerin in gemeinsamem Zusammenwirken der zwei Beklagten als tatsächlich und rechtlich gleichartig qualifiziert wurden.
7. In der Entscheidung 5 Ob 188/03p wurde der erforderliche Sachzusammenhang im Falle einer Klage auf Schadenersatz wegen fehlerhafter Stahlrohrbögen, wobei der Zweitbeklagten die Herstellung dieser Rohrbögen vorgeworfen wurde, der Erstbeklagten die Zusage einer bestimmten Beschaffenheit, verneint. Der Oberste Gerichtshof ging hier noch von der älteren Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (Rs C-51/97, Réunion européenne SA/Spliethoff's Bevrachtingsskantoor BV) aus, wonach der für die Zuständigkeitsbegründung notwendige Zusammenhang zwischen zwei Klagen fehle, die auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen (vertraglich vs deliktisch) beruhten.
Diese Rechtsansicht kann jedoch mittlerweile aufgrund der jüngeren Judikatur des EuGH (C-98/06, Freeport/Arnoldsson [siehe dazu unten]) nicht mehr aufrecht erhalten werden (10 Ob 79/08b).
8. Zu 4 Ob 124/07z bejahte der Oberste Gerichtshof den ausreichenden Zusammenhang im Falle eines Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Zahlungsbegehrens, das aufgrund der Lieferung von Trägermaterial unter Umgehung der österreichischen Leerkassettenvergütung gegen zwei Beklagte erhoben wurde. Das bewusste Zusammenwirken zwischen einem ausländischen Händler und dem inländischen Vertriebspartner, dessen er sich für die Abwicklung von Kaufgeschäften im Inland bedient, begründe den notwendigen Zusammenhang. Dass der Zweitbeklagte in keiner Vertragsbeziehung zum Kläger stand, schadete nicht, zumal er im Inland die für die Erfüllung der Rechtsgeschäfte notwendigen Vertriebshandlungen im Interesse des Verkäufers durchführte.
Der französische Cour de cassation sah offenbar mit Urteil vom 24. 2. 1998 in einem ähnlichen Fall einen inhaltlichen Zusammenhang als gegeben, wenn eine Klage auf Ersatz des durch ein fehlerhaftes Produkt verursachten Schadens gegen den Verkäufer und den Vermittler des Kaufvertrags gerichtet wird (Cour de cassation, JABl 2001, 141).
9. Weder von einem einheitlichen rechtserzeugenden Sachverhalt noch einer Verpflichtung aus demselben tatsächlichen Grund wurde zu 5 Ob 213/12b ausgegangen. Ein Werkunternehmer wurde wegen Gewährleistung und ein Hersteller aufgrund eines behaupteten konstitutiven Anerkenntnisses belangt. Zur Durchsetzung des Anspruchs gegen die Zweitbeklagte kam es hier weder auf das Vorhandensein von Mängeln noch auf die zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten getroffenen Vereinbarungen an. Weil hier die Begehren auf unterschiedliche Sachverhalte und verschiedene Rechtsgründe gestützt waren, bestand die Gefahr von widersprechenden Entscheidungen im Sinne des (hier noch:) Art 6 Nr 1 EuGVVO 2001 nicht. Diese Gefahr besteht also dann nicht, wenn die einzelnen Ansprüche von vornherein ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben, sodass es schon aus formaler Sicht keinen Widerspruch zwischen den Entscheidungen geben kann (4 Ob 122/06d).
10. Die Klagen müssen somit im Wesentlichen tatsächlich oder rechtlich gleichgelagert sein. Der erforderliche Sachzusammenhang wird in der Regel immer dann vorliegen, wenn die Entscheidung über den einen Anspruch von dem anderen abhängt (zB Gesamtschuldnerschaft und Bürgschaft; jedoch nicht nur der Höhe nach; EuGH C-366/13 Profit Investment SIM SpA/Ossi u.a., Rn 66 f), oder wenn beide Ansprüche von der Lösung einer gemeinsamen Vorfrage abhängen (RS0115274 [T9]; 4 Ob 173/09h; vgl Simotta in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze2 [2008] Art 6 EuGVVO Rn 25 f mwN; ebenso Wittwer in Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht [2017] Rz 3.364).
Der deutsche Bundesgerichtshof erachtete dementsprechend den Sachzusammenhang bei Inanspruchnahme zweier Beklagter als Gesamtschuldner aufgrund einer rechtswidrig verhängten Dopingsperre wegen Maßgeblichkeit derselben Sach- und Rechtslage als gegeben (BGH, KZR 6/15 = NJW 2016, 2266 [2267]).
11. Unvereinbare Entscheidungen liegen immer dann vor, wenn beide Verfahren dieselben anspruchsbegründenden Tatsachen zum Gegenstand haben.
Die Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht, wenn sich die im Verfahren zwischen denselben Parteien ergehenden Entscheidungen entweder im Spruch oder in den ihn tragenden Feststellungen widersprechen können (Czernich in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht4 [2014] Art 8 Rn 17, 19). Entscheidungen sind also nicht schon deswegen einander „widersprechend“, weil es zu einer „abweichenden“ Entscheidung kommen kann. Vermieden werden soll eine Abweichung bei derselben Sach- und Rechtslage (EuGH C-366/13 Profit Investment SIM SpA/Ossi u.a., Rn 65; EuGH C-145/10 Painer/Standard VerlagsGmbH u.a., Rn 79).
12. Bei der Beurteilung, ob in getrennten Verfahren die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestünde, ist der Umstand, dass die erhobenen Klagen auf derselben Rechtsgrundlage beruhen, nur einer von mehreren erheblichen Faktoren. Er ist keine unabdingbare Voraussetzung. Der Anwendung des Art 8 Nr 1 EuGVVO steht es nach der jüngeren Rechtsprechung des EuGH (in weiterer Auslegung gegenüber der Rs C-539/03 Roche Nederlands u.a./Primus und Goldenberg) für sich genommen nicht entgegen, dass gegen mehrere Beklagte erhobene Klagen auf je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen nationalen Rechtsgrundlagen beruhen (EuGH C-145/10 Painer/Standard VerlagsGmbH u.a., Rn 80; C-98/06 Freeport/Arnoldsson, Rn 38 ff [vertraglicher vs deliktischer Anspruch]).
Die Einheitlichkeit der auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen begehrten Ansprüche ergibt sich auch daraus, dass die Ansprüche auf dasselbe Interesse gerichtet sind (EuGH C-645/11 Berlin/Sapir, Rn 46 f [hier: Anspruch auf Rückzahlung nach bereicherungsrechtlichen sowie schadenersatzrechtlichen Bestimmungen und nach dem deutschen Vermögens- und Investitionsvorranggesetz mit dem gemeinsamen Interesse auf Rückzahlung eines irrtümlich angewiesenen Betrags]).
13. Zu 4 Ob 173/09h bejahte der Oberste Gerichtshof daher auch den geforderten Sachzusammenhang in einem Fall, in dem gegen die Erstbeklagte ein vertraglicher Schadenersatzanspruch behauptet wurde, gegen die Zweitbeklagte hingegen ein deliktischer (Kauf eines Mähdreschers von der Erstbeklagten, der von der Zweitbeklagten hergestellt und mit unrichtigem Datenblatt ausgeliefert wurde, wodurch es zu einem Schaden kam).
14. Die hier vorzunehmende Beurteilung des Zusammenhangs nach Art 8 Nr 1 EuGVVO hat sich im Sinne der dargestellten Rechtsprechung daran zu orientieren, ob der gemeinsame Zweck der Klagen gegen die zwei Beklagten auf einheitlichen rechtserzeugenden Tatsachen (vgl 7 Ob 117/01h) beruht. Er muss aber nicht notwendig auf denselben Rechtsgrundlagen beruhen. Zumindest in seinen Feststellungen darf sich das Urteil aber für beide Beklagte nicht widersprechen.
Gegenüber der Erstbeklagten wird die Erfüllung des Kaufvertrags im Sinne der Einhaltung der geschuldeten Qualität geltend gemacht, gegenüber der Zweitbeklagten ihr rechtswidriges Verhalten durch den Einbau einer Software, die den Abgaswert der von der Erstbeklagten verkauften Ware am Prüfstand mit bestimmten Wirkungen verändert. Damit stellt sich im Verfahren gegenüber beiden Parteien die Frage, ob eine solche Software eingebaut wurde und wie dies zu bewerten ist. Einerseits bildet diese Frage den zu prüfenden Anspruchsgrund gegenüber der Zweitbeklagten, andererseits bildet sie die Vorfrage für die Beurteilung der Erfüllung des Kaufvertrags gegenüber der Erstbeklagten. Der gegenüber der Zweitbeklagten zu beurteilende Sachverhalt wirkt sich nicht etwa nur auf die Höhe des Interesses gegenüber der Erstbeklagten aus. Eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über diese Vorfrage ist daher im Sinne der Judikatur geboten, um miteinander unvereinbare Entscheidungen zu vermeiden.
15. Der Umstand, dass das Ergebnis des Verfahrens trotzdem für beide beklagten Parteien unterschiedlich sein kann, schadet nicht, zumal der Anspruch hinsichtlich der Erstbeklagten – wie der Revisionsrekurs auch richtig vorbringt – von weiteren Voraussetzungen abhängt. Trotz gleicher Sachlage könnten somit die Ergebnisse differieren.
Inhaltlich ist der vorliegende Fall mit jenem zu 4 Ob 124/07z vergleichbar, vor allem aber zu 4 Ob 173/09h (vertragliche und deliktische Haftung aufgrund eines einheitlichen Sachverhalts).
16. Das Rekursgericht hat daher den ausreichenden Sachzusammenhang für die Begründung des inländischen Gerichtsstands auch für die Zweitbeklagte zutreffend bejaht (vgl auch Oberhammer, Deliktsgerichtsstand am Erfolgsort reiner Vermögensschäden, JBl 2018, 750 [766]).
17. Auf die im Revisionsrekurs enthaltenen umfassenden Ausführungen zur Anwendung des Gerichtsstands nach Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 ist bei diesem Ergebnis mangels Entscheidungsrelevanz nicht mehr einzugehen. Ebensowenig bedarf es der von den Streitteilen angeregten Unterbrechung des Revisionsrekursverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-343/19.
18. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Zweitbeklagte ist im Zwischenstreit über die Zuständigkeit unterlegen. Besondere Gründe für einen Zuschlag nach § 21 Abs 1 RATG liegen hinsichtlich der Rechtsmittelbeantwortung nicht vor.
Textnummer
E127181European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00126.19S.1216.000Im RIS seit
30.01.2020Zuletzt aktualisiert am
06.08.2020