TE Dsk BescheidBeschwerde 2019/1/23 DSB-D123.342/0001-DSB/2019

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Veröffentlicht am 23.01.2019
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Norm

DSG §1 Abs1
DSG §1 Abs2
ÄrzteG 1998 §27 Abs1
GRC Art11
EMRK Art10
DSGVO Art4 Z2
DSGVO Art6 Abs1 lita
DSGVO Art6 Abs1 litf
DSGVO Art17 Abs1 litd
DSGVO Art17 Abs3 lita
GRC Art52 Abs3

Text

GZ: DSB-D123.342/0001-DSB/2019 vom 23.1.2019

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde der Dr. R*** G*** (Beschwerdeführerin) vom 19. August 2018 (bei der Datenschutzbehörde eingelangt am 22. August 2018) gegen die N*** GmbH (Beschwerdegegnerin), vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X*** Y***, wegen Verletzung im Recht auf Löschung wie folgt:

-    Die Beschwerde wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen: § 1 und § 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; Art. 17 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016, S. 1., § 27 Abs. 1 Ärztegesetze 1998 – ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 idgF; Art. 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl 1958/210 idgF; Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRC), ABl 2016 C 202, 389 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin führte mit Beschwerde vom 19. August 2018 (bei der Datenschutzbehörde eingelangt am 22. August 2018) aus, dass sie mit der Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten nicht einverstanden sei. Sie habe die Beschwerdegegnerin mehrmals ersucht, ihre Daten zu löschen, was jedoch seitens der Beschwerdegegnerin immer abgelehnt worden sei. Als Beilagen übermittelte die Beschwerdeführerin ein vom 6. August 2018 datiertes und an die Beschwerdegegnerin gerichtetes E-Mail mit folgendem Inhalt: „(…) Außerdem ignorieren Sie vehement mein Verbot an Sie meine persönlichen Daten lt. DSGV vom April 18 zu verwenden.!!! Ich fordere Sie hiermit ein letztes Mal auf, die Seite von mir mit meinen personenbezogenen Daten zu entfernen. (…)“. Weiters legte die Beschwerdeführerin drei an sie gerichtete E-Mails der Beschwerdegegnerin vom 26. Juni 2018, vom 6. August 2018 und vom 14. August 2018 vor.

2. Die Datenschutzbehörde fragte mit Mangelbehebungsauftrag vom 18. September 2018 bei der Beschwerdeführerin nach, ob sie sich im Recht auf Löschung oder im Recht auf Geheimhaltung als verletzt erachte. Weiters forderte die Datenschutzbehörde die Beschwerdeführerin auf, sie möge den an die Beschwerdegegnerin gerichteten Antrag auf Löschung vom April 2018 vorlegen.

3. Die Beschwerdeführerin antwortete mit Schreiben vom 25. September 2018, dass sie die Beschwerdegegnerin mehrmals zur Löschung ihrer personenbezogenen Daten auf deren Homepage aufgefordert habe, dies aber nie veranlasst worden sei. Sie führte weiter aus, dass sie ihr Recht auf Löschung wahrnehmen wolle und sie im April 2018 erstmals um Löschung ihrer personenbezogenen Daten ersucht habe. Auch legte die Beschwerdeführerin weitere E-Mail-Korrespondenz zwischen ihr und der Beschwerdegegnerin vor.

4. Die Datenschutzbehörde forderte die Beschwerdeführerin mit einem zweiten Mangelbehebungsauftrag vom 9. Oktober 2018 auf, ihren an die Beschwerdegegnerin gerichteten Löschungsantrag vom April 2018 vorzulegen. Weiters fragte die Datenschutzbehörde die Beschwerdeführerin, ob es richtig sei, dass sie ihren Vor- und Nachnamen samt Titel („Dr. R*** G***“), sowie die Berufsbezeichnung („Frauenärztin“) sowie die Telefonnummer („***“) und die Adresse („***“) von der Website der Beschwerdegegnerin gelöscht haben wolle. Auch fragte die Datenschutzbehörde nach, ob es sich bei der Telefonnummer „***“ um die private Telefonnummer der Beschwerdeführerin handle.

5. Die Beschwerdeführerin führte mit Schreiben vom 25. September 2018 aus, dass sie das an die Beschwerdegegnerin gerichtete Löschungsbegehren vom April 2018 nicht mehr habe. Aus dem dem Schreiben beigelegten E-Mail der Beschwerdegegnerin an die Beschwerdeführerin vom 10. April 2018 gehe aber hervor, dass die Beschwerdeführerin bereits im April 2018 um Löschung ersucht habe. Gemeinsam mit dem Schreiben legte die Beschwerdeführerin auch E-Mail-Korrespondenz zwischen ihr und der Beschwerdegegnerin vor, unter anderem ein an die Beschwerdegegnerin gerichtetes E-Mail der Beschwerdeführerin vom 7. August 2018 mit folgendem Inhalt: „Genau das Urteil des OGH war im Jahr 2016. Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass es ein neues Datenschutzgrundverordnungsgesetz seit April 2018 gibt. Hier wird untersagt, dass personenbezogene Daten wie Name, Adresse, Telefonnummer gegen den Willen der betroffenen Person verwendet werden. Ich habe Ihnen das untersagt! (…)

6. Die Datenschutzbehörde forderte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 23. November 2018 zur Stellungnahme auf und übermittelte die Beschwerde der Beschwerdeführerin.

7. Die Beschwerdegegnerin übermittelte ihre Stellungnahme mit Schreiben vom 14. Dezember 2018, sowie eine Kopie des Löschungsbegehrens der Beschwerdeführerin vom 9. April 2018 sowie einen Screenshot des Eintrags der Beschwerdeführerin auf dem N***-Portal vom 11. Dezember 2018.

In ihrer Stellungnahme führte die Beschwerdegegnerin aus, dass sie im Internet unter der Internetadresse www.n***.at eine Arztsuch- und Bewertungsplattform betreibe. Es sei richtig, dass die Beschwerdegegnerin öffentliche Daten gemäß § 27 ÄrzteG (insb. Namen und Ordinationsadresse, Fachbereich) der Beschwerdeführerin auf ihrer Plattform veröffentliche. Patienten würden auf der Plattform Bewertungen und Erfahrungsberichte zu Ärzten abgeben können. Die bewerteten Ärzte würden wiederum die Möglichkeit haben, zu den Erfahrungsberichten Stellung zu nehmen und diese zu kommentieren. Auf dem Portal der Beschwerdegegnerin seien verschiedene Qualitätssicherungsmaßnahmen (AGB mit Vorgaben zu Inhalten, Filter, notice and take down Verfahren, Kommentarfunktion für Ärzte u.a.) implementiert. Die Verarbeitung der beschwerdegegenständlichen Daten erfolge auf Grundlage eines überwiegenden berechtigten Interesses der Beschwerdegegnerin; dieses bestehe im Interesse ein vollständiges öffentliches Verzeichnis aller niedergelassenen Ärzte zu führen und den Patienten die Möglichkeit zu geben, Erfahrungen zu diesen Ärzten zu finden, zu lesen, zu veröffentlichen und die Arztsuche zu erleichtern. Ärzten - so die Beschwerdegegnerin weiter - biete die Plattform die Möglichkeit, sich zu präsentieren, Feedback zu erhalten und Erfahrungsberichte zu kommentieren. Das Interesse der Beschwerdegegnerin sei insbesondere durch das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 10 EMRK) geschützt (VfGH 8.10.2015, G 264/2015). Nach der Judikatur überwiege dieses Interesse an der Verarbeitung auf der N***-Plattform das Interesse eines Arztes auf Löschung (OGH 27.6.2016, 6 Ob 48/16a). Eine Zustimmung des Arztes sei nicht erforderlich; die Verarbeitung seiner Daten sei auch gegen seinen Willen zulässig. Die Verarbeitung erfolge auch auf Grundlage des überwiegenden berechtigten Interesses Dritter, nämlich der Nutzer der N***-Plattform am Informationsaustausch in Ausübung des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit. An einem öffentlichen Meinungsaustausch zu Gesundheitsthemen bestehe ein hohes öffentliches Interesse, dem die Beschwerdegegnerin auf dem N***-Portal nachkomme. Da Gesundheitsthemen und insbesondere das Thema der Suche nach einem passenden Arzt jedermann betreffen würden, sei das öffentliche Interesse an einem Meinungsaustausch darüber evident. Gerade im Bereich der Meinungsbildung zu Gesundheitsthemen bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an einem breiten Informations- und Meinungsaustausch. In diesem Zusammenhang habe der BGH in einem eine Arztbewertungsplattform in Deutschland betreffenden Fall festgehalten: „Auszugehen ist dabei zunächst von dem ganz erheblichen Interesse, das die Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Dienstleistungen hat.“ (BGH 23.9.2014, VI ZR 358/13; Rz 39). Einschränkungen der Kommunikationsfreiheit in diesem Bereich würden daher besonders drastisch wirken. In diesem Zusammenhang habe auch der EGMR in der Rechtssache Bergens Tidende (EGMR, Urt. v 2.5.2000, Beschwerde Nr. 26132/95) das besondere Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über die Folgen ärztlicher Tätigkeit (kosmetische Operationen) betont und dieses über die Interessen und das berufliche Ansehen des Arztes gestellt. Es bestehe daher ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit, dass über ärztliche Leistungen transparent und auch kritisch berichtet und ein Meinungsaustausch ermöglicht werde. Es bestehe kein Löschungsanspruch der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin gehe rechtsirrig offenbar davon aus, dass eine Verarbeitung ihrer Daten in jedem Fall nur mit ihrer Zustimmung zulässig sei und dass sie die Verarbeitung der Daten nach ihrem Belieben und ohne Begründung untersagen könne. Dies ergebe sich aus dem von ihr ausgesprochenen „Verbot“ der Verwendung ihrer Daten (E-Mail vom 06.08.2018) und der Formulierung „Genau das Urteil des OGH war im Jahr 2016. Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass es ein neues Datenschutzgrundverordnungsgesetz seit April 2018 gibt. Hier wird untersagt, dass personenbezogene Daten wie Name, Adresse, Telefonnummer gegen den Willen der betroffenen Person verwendet werden. Ich habe Ihnen das untersagt!“ im E-Mail der Beschwerdeführerin vom 07.08.2018. Tatsächlich sei die Verarbeitung der Daten durch die Beschwerdegegnerin jedoch zulässig. Es liege keiner der Gründe für eine Löschung gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO vor. Es sei auch kein derartiger Grund geltend gemacht worden. Die gegenständliche Verarbeitung diene - so die Beschwerdegegnerin weiter - der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information iSd Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO. Weiters sei die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung und Verteidigung von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung auf dem N***-Portal (insb. iZm Missbrauchsmeldungen, beanstandete unrichtige Behauptungen) erforderlich (Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO). Es bestehe daher auch aus diesen Gründen kein Löschungsanspruch.

8. Per E-Mail vom 19. Dezember 2018 übermittelte die Datenschutzbehörde der Beschwerdeführerin die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 14. November 2018 zum Parteiengehör.

9. Die Beschwerdeführerin äußerte sich dazu nicht.

B. Beschwerdegegenstand

Beschwerdegegenstand ist die Frage, ob die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Löschung verletzt hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

1. Die Beschwerdegegnerin betreibt unter der Domain www.n***.at ein Arztsuch- und Bewertungsportal. Öffentliche Daten gemäß § 27 Ärztegesetz, nämlich Titel, Vor- und Nachname („Dr. R*** G***“), Berufsbezeichnung („Frauenärztin“), sowie die Adresse („***“) und Telefonnummer („***“) der Ordination der Beschwerdeführerin, sind auf der Webseite der Beschwerdegegnerin veröffentlicht.

2. Die Beschwerdeführerin verlangte erstmals am 9. April 2018 die Löschung ihrer personenbezogenen Daten von der Webseite der Beschwerdegegnerin.

3. Die Beschwerdegegnerin lehnte eine Löschung - unter anderem im an die Beschwerdeführerin gerichteten E-Mail vom 14. August 2018 - mit der Begründung ab, dass die Verwendung der personenbezogenen Daten der Beschwerdegegnerin zulässig ist.

Beweiswürdigung: Die Feststellungen gründen sich auf das übereinstimmende Vorbringen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin. Dass die Beschwerdegegnerin die genannten, personenbezogenen Daten der Beschwerdeführerin veröffentlicht, ergibt sich auch aus einer amtswegigen Recherche auf der Webseite www.n***.at zum Stichtag 21. Jänner 2019. Dass die auf www.n***.at veröffentlichten Daten ident sind mit den gemäß § 27 Ärztegesetz zu veröffentlichenden Daten, ergibt sich aus einer amtswegigen Recherche auf http://www.aerztekammer.at/arztsuche zum Stichtag 23. Jänner 2019.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die gegenständliche Beschwerde lediglich gegen die Löschung der Daten: Titel, Vor- und Nachname, Berufsbezeichnung, Adresse und Telefonnummer der Ordination der Beschwerdeführerin richtet und nicht gegen eine Bewertung auf der Webseite der Beschwerdegegnerin.

2. Weiters ist auf den Bescheid vom 17. Dezember 2018 zu DSB-D123.040/0006-DSB/2018 zu verweisen, in welchem die Datenschutzbehörde hinsichtlich einer – dieselbe Beschwerdegegnerin betreffenden – Beschwerde wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung ausgesprochen hat, dass es sich bei den gemäß § 27 Ärztegesetz veröffentlichten Daten von Ärzten um nicht schutzwürdige Daten im Sinn des § 1 Abs. 1 DSG handelt, weshalb die Beschwerde abzuweisen war (vgl. dazu auch das - noch zur Rechtslage nach dem „Datenschutzgesetz 2000“ - ergangene Urteil des OGH vom 27. Juni 2016, GZ 6 Ob 48/16a, wonach eine Verletzung im Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG 2000 bei öffentlichen Daten gemäß § 27 Abs. 1 Ärztegesetz grundsätzlich auszuschließen ist).

3. Im vorliegenden Fall wurde aber seitens der Beschwerdeführerin nicht das Recht auf Geheimhaltung, sondern das Recht auf Löschung geltend gemacht.

Artikel 17 DSGVO (Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“)) lautet:

„(…)

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:

a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.

b) Die betroffene Person widerruft ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a oder Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung.

c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.

d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.

e) Die Löschung der personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt.

f) Die personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Artikel 8 Absatz 1 erhoben.

(…)

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist

a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information;

b) zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

c) aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit gemäß Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben h und i sowie Artikel 9 Absatz 3;

d) für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1, soweit das in Absatz 1 genannte Recht voraussichtlich die Verwirklichung der Ziele dieser Verarbeitung unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt, oder

e) zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen.“

4. Gegenständlich werden auf der Webseite der Beschwerdegegnerin der Vor- und Nachname samt Titel, die Berufsbezeichnung, die Adressdaten und die Telefonnummer der Ordination der Beschwerdeführerin veröffentlicht.

5. Es handelt sich dabei um personenbezogene Daten der Beschwerdeführerin gemäß Art. 4 Z 1 DSGVO. Deren Veröffentlichung auf der Website der Beschwerdegegnerin www.n***.at stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinn des Artikel 4 Z 2 DSGVO dar.

6. Wie bei jeder Verarbeitung personenbezogener Daten ist zunächst auf die Rechtsgrundlage der Verarbeitung abzustellen, das heißt darauf, ob die Verarbeitung der personenbezogenen Daten rechtmäßig im Sinn des Art. 6 DSGVO bzw. § 1 DSG ist.

7. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist unter anderem dann rechtmäßig, wenn die Verwendung von personenbezogenen Daten mit Zustimmung (siehe dazu § 1 Abs. 2 DSG) oder – wie es in der DSGVO heißt – mit Einwilligung der betroffenen Person gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO erfolgt.

8. Die Beschwerdeführerin verlangt nun von der Beschwerdegegnerin die Löschung ihrer personenbezogenen Daten und begründet dies erkennbar damit, dass sie der Verarbeitung ihrer Daten nicht zustimmt bzw. in die die Veröffentlichung ihrer Daten nicht einwilligt hat.

9. Was die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang jedoch übersieht, ist, dass es für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nicht notwendigerweise in jedem Fall der Zustimmung der betroffenen Person bedarf. So sehen § 1 DSG wie auch Art. 6 DSGVO vor, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten (unter anderem) auch dann rechtmäßig ist, wenn sie zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen (siehe § 1 Abs. 2 iVm Abs. 3 und Abs. 4 DSG sowie Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) erforderlich ist.

10. Auf ein solches Überwiegen berechtigter Interessen stützt sich aber die Beschwerdegegnerin im vorliegenden Fall, indem sie das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit (Art 10 EMRK und Artikel 11 EU-GRC) ins Spiel bringt. Sie führt dazu aus, dass an einem öffentlichen Meinungsaustausch zu Gesundheitsthemen ein hohes öffentliches Interesse besteht, dem die Beschwerdegegnerin auf dem N***-Portal nachkommt. Die Beschwerdegegnerin bringt weiters vor, dass Gesundheitsthemen und insbesondere das Thema der Suche nach einem passenden Arzt jedermann betreffen, weshalb das öffentliche Interesse an einem Meinungsaustausch und der Meinungsbildung darüber evident ist.

Letztlich verweist die Beschwerdegegnerin auch auf die überwiegenden berechtigten Interessen Dritter, nämlich der Nutzer der N***-Plattform, am Informationsaustausch in Ausübung des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit.

11. Die Datenschutzbehörde folgt der Argumentation der Beschwerdegegnerin und geht von einem Überwiegen der Interessen der Beschwerdegegnerin einerseits und den Nutzern der Website www.n***.at andererseits aus:

Im vorliegenden Fall kollidiert das Recht auf Datenschutz (konkret: das Recht auf Löschung) der Beschwerdeführerin mit dem Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung der Beschwerdegegnerin und Dritter, nämlich der Nutzer der Website der Website www.n***.at

Die Freiheit der Meinungsäußerung wird geschützt durch Art. 11 der EU-GRC („Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit“). Dieses Recht „schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben“. Art. 11 EU-GRC entspricht Art. 10 EMRK. Gemäß Art. 52 Abs. 3 der EU-GRC gilt: Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, „haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird“. Die Einschränkungen, die rechtmäßig auf das in Art. 11 EU-GRC festgeschriebene Recht angewandt werden können, dürfen daher über die in Art. 10 Abs. 2 EMRK vorgesehenen Einschränkungen nicht hinausgehen, müssen also gesetzlich vorgesehen sein und in einer demokratischen Gesellschaft „zum Schutz […] des guten Rufes oder der Rechte anderer“ notwendig sein. Mit diesem Konzept (der Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung) wird auch das Recht auf Datenschutz erfasst (siehe dazu Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, Handbuch zum europäischen Datenschutzrecht, 2014, S. 23 ff).

12. Nach Art. 10 Abs. 1 EMRK hat jedermann „Anspruch auf freie Meinungsäußerung“. „Jedermann“ schließt gleichermaßen natürliche sowie juristische Personen - somit auch die Beschwerdegegnerin („N*** GmbH“) - mit ein (vgl. dazu Bezemek in Holoubek/Lienbacher, GRC-Kommentar (2014) Art. 11 GRC (Stand 1.5.2014, rdb.at)).

13. Zur Frage der Vereinbarkeit des Rechts auf Datenschutz und des Rechts auf freie Meinungsäußerung hat der EGMR mehrere Grundsatzurteile gesprochen, darunter auch Axel Springer AG gegen Deutschland. In dieser Rechtssache befand der EGMR, dass ein von einem innerstaatlichen Gericht ausgesprochenes Verbot gegen den Eigentümer einer Zeitung, der einen Artikel über die Verhaftung und Verurteilung eines bekannten Schauspielers veröffentlichen wollte, ein Verstoß gegen Art. 10 EMRK ist. Der EGMR verwies auf Kriterien, die er in seiner Rechtsprechung bei der Abwägung zwischen dem Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und dem Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK), wovon das Recht auf Datenschutz mitumfasst ist, festgelegt hatte:

Erstens: Handelt es sich bei dem Ereignis, um das es in dem betreffenden Artikel ging, um ein Ereignis von allgemeinem Interesse?

Zweitens: Handelt es sich bei der betreffenden Person um eine Person öffentlichen Interesses?

Drittens. Wie wurden die Informationen beschafft und waren sie zuverlässig (siehe dazu Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, Handbuch zum europäischen Datenschutzrecht, aaO)?

14. Legt man die vom EuGH in Axel Springer AG gegen Deutschland herausgearbeiteten Kriterien auf den vorliegenden Fall um, dann ist hinsichtlich des ersten Kriteriums zu bejahen, dass (die Veröffentlichung und) das Nicht-Löschen der Daten der Beschwerdeführerin im allgemeinen Interesse liegt, da die Suche nach einem passenden Arzt jede Person betrifft.

Hinsichtlich des zweiten Kriteriums ist auszuführen, dass – wenngleich die Privatperson der Beschwerdeführerin keine Person öffentlichen Interesses sein mag – dennoch an der Ausübung ihres Berufes, das heißt: an ihrer Tätigkeit als Frauenärztin, ein öffentliches Interesse zu bejahen ist. Dieses Interesse manifestiert sich darin, dass jede Person bei Bedarf auf www.n***.at nach einer Frauenärztin suchen und die Beschwerdeführerin finden kann.

Hinsichtlich des dritten Kriteriums: In ihrer Stellungnahme vom 14. Dezember 2018 führt die Beschwerdegegnerin aus: „Es ist richtig, dass die Beschwerdegegnerin öffentliche Daten gemäß § 27 ÄrzteG (insb. Namen und Ordinationsadresse, Fachbereich) der Beschwerdeführerin auf ihrer Plattform veröffentlicht“. Bei den auf der Website der Beschwerdegegnerin veröffentlichten Daten der Beschwerdeführerin handelt es sich um jene Daten, die gemäß § 27 ÄrzteG seitens der Österreichischen Ärztekammer in einer elektronischen Liste der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen (Ärzteliste) zu veröffentlichen sind. Eine amtswegige Recherche hat ergeben, dass die von der Beschwerdegegnerin auf ihrer Website www.n***.at veröffentlichten Daten ident sind mit jenen die auf der Website der Österreichischen Ärztekammer veröffentlicht sind. Die seitens der Beschwerdegegnerin auf www.n***.at verwendeten Daten der Beschwerdeführerin sind demnach zuverlässig.

15. Aufgrund des Gesagten war daher bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen den Interessen der Beschwerdeführerin an der Löschung ihrer personenbezogenen Daten von der Website www.n***.at einerseits und den geltend gemachten Interessen der Beschwerdegegnerin und der Nutzer der N***-Plattform am Informationsaustausch in Ausübung des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit andererseits von einem Überwiegen der Interessen der Beschwerdegegnerin auszugehen.

16. Es liegt daher eine rechtmäßige Verarbeitung wegen überwiegender berechtigter Interessen des Verantwortlichen und Dritter im Sinn des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO vor.

17. Prinzipiell steht der Beschwerdeführerin zwar das Recht auf Löschung personenbezogener Daten gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO zu. Im vorliegenden Fall beruft sich die Beschwerdegegnerin allerdings auf den Ausnahmetatbestand des Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO, wonach der Verantwortliche personenbezogene Daten der betroffenen Person dann nicht löschen muss, soweit die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist. Wie dargestellt, kann sich die Beschwerdegegnerin aber zu Recht auf das Vorliegen überwiegender berechtigter Interessen in Ausübung des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit stützen.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Schlagworte

Löschung, Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, Ärzte, Datenverarbeitung im WWW, Suchportal, Bewertungsportal, berufliche Sphäre, Interessenabwägung, Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2019:DSB.D123.342.0001.DSB.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2020
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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