TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/3 VGW-003/032/11986/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.12.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

VStG §45 Abs1 Z2
AWG §2 Abs1
AWG 2002 §2 Abs6 Z3
AWG 2002 §24a Abs1
AWG 2002 §79 Abs2 Z6

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde des A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 31. Juli 2019, Zl. MBA/..., betreffend Übertretung des § 24a Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002 iVm § 79 Abs. 2 Z 6 AWG 2002 iVm Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung iVm der ÖNORM S 2100 iVm § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 28. November 2019

zu Recht e r k a n n t:

I. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das gegen den Beschwerdeführer geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang

1.       Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet:

"Datum:   28.09.2018 sowie 01.08.2018 bis 28.09.2019

Ort:                      Wien, C.-weg, Stiege ..., sowie Wien, D.-gasse ggü. ..., E.-weg ggü. ..., F.-weg ggü. ..., G.-straße ggü. ..., C.-weg neben ..., H., I. ggü. ..., C.-weg ggü. ..., J.-gasse neben ..., K.-weg ggü. ...

Verein                   L. mit Sitz in Wien, M.-Straße

Beschuldigter Herr A. B., Obmann des Vereins

Sie haben es als Obmann und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Vereins L. mit Sitz in Wien, Zustellanschrift Wien, M.-Straße, zu verantworten, dass dieser Verein am 28.09.2018 sowie im Zeitraum 01.08.2018 bis 28.09.2018 die Tätigkeit eines Sammlers von nicht gefährlichen Abfällen ausgeübt hat, ohne im Besitz der nach § 24a Abs. 1 AWG 2002 erforderlichen Erlaubnis des Landeshauptmannes zu sein, obwohl die Tätigkeit eines Sammlers oder Behandlers von nicht gefährlichen Abfällen der Erlaubnis durch den Landeshauptmann bedarf.

Folgende Abfälle wurde von diesem Verein am 28.09.2018 in Wien, C.-weg, Stiege ..., und im Zeitraum 01.08.2018 bis 28.09.2018 in Wien, D.-gasse ggü. ..., E.-weg ggü. ..., F.-weg ggü. ..., G.-straße ggü. ..., C.-weg neben ..., H., I. ggü. ..., C.-weg ggü. ..., J.-gasse neben ..., K.-weg ggü. ..., in Sammelcontainern gesammelt:

Altkleider und Schuhe, welche der nicht gefährlichen Abfallart 'Stoff- und Gewebereste, Altkleider' mit der Schlüsselnummer 58107 zuzuordnen sind.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 24a Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/20002 in der geltenden Fassung iVm § 79 Abs. 2 Z 6 AWG 2002, iVm Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003, iVm der ÖNORM S 2100 'Abfallverzeichnis', ausgegeben am 01.10.2005, iVm § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 in der geltenden Fassung

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von  falls diese uneinbringlich ist,   […]            Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

1. € 3.120,00                     3 Tage 4 Stunden § 79 Abs. 2 Z 6 erster  Strafsatz

Abfallwirtschaftsgesetz BGBl. I Nr. 193/2013 i.d.g.F iVm § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 in der geltenden Fassung

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 312,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10 für jedes Delikt

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 3.432,00"

2.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Behebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Erteilung einer Ermahnung oder einer "Belehrung samt Frist", in eventu eine Strafherabsetzung begehrt.

3.       Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde samt den bezughabenden Verwaltungsakten vor.

4.       Das Verwaltungsgericht Wien führte am 28. November 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer als Beschuldigter und N. O. als Zeugin einvernommen wurden.

II.      Sachverhalt

1.       Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Der Beschwerdeführer ist Obmann des haftungsbeteiligten Vereins L. (ab hier: der Verein). Dieser Verein wurde im Jahr 2009 gegründet, um Kinderheimen und anderen Einrichtungen in der Region um …, regelmäßig kostenlosen Zugang zu gebrauchten Textilien aus Österreich zu verschaffen.

Zu diesem Zweck vereinbarte der Verein mit über den Zeitverlauf hinweg verschiedenen privatrechtlichen Gesellschaften (ab hier: die Gesellschaft) folgende Vorgangsweise:

Der Verein beantragte beim Magistrat der Stadt Wien für verschiedene Standorte in Wien eine Gebrauchserlaubnis iSd § 1 Gebrauchserlaubnisgesetz für das Aufstellen von Altkleidercontainern. Diese Container wurden in der Folge von der Gesellschaft angeschafft, aufgestellt, betreut und entleert. Die Gesellschaft brachte auf den Containern das Logo und einen Hinweis auf den Verein an. Die Kosten für die Anschaffung, Betreuung und Entleerung der Container wurden von der Gesellschaft übernommen. Der Inhalt der Container wurde in ein zentrales Lager der Gesellschaft gebracht und dort von der Gesellschaft sortiert. Die Gesellschaft war verpflichtet, von den gesammelten Textilien jährlich eine Lieferung im Umfang von ca. 14.000 kg – was etwa 10% der jährlich gesammelten Menge entspricht – auf eigene Kosten nach ... zu überbringen und dort den Kinderheimen unentgeltlich zu überlassen. Die übrigen Textilien konnte die Gesellschaft entgeltlich verwerten. Der Verein hatte keinen Einfluss darauf, welche der gesammelten Textilien nach ... verbracht wurden.

Über diese Vorgangsweise wurde im Jahr 2013 eine Vereinbarung zwischen dem Verein und der P. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführerin N. O., geschlossen. Im Jahr 2017 wurde die Q. GmbH gegründet, deren Geschäftsführerin war ebenfalls N. O.; die Q. GmbH trat anstelle der P. GmbH in die Vereinbarung aus 2013 ein. Zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten war diese Vereinbarung aufrecht und erfüllte die Q. GmbH die im vorigen Absatz geschilderte Rolle der Gesellschaft. Die P. GmbH war Inhaberin einer Erlaubnis nach § 24a Abs. 1 AWG 2002, die Q. GmbH hatte im Tatzeitraum keine solche Erlaubnis inne. Auch der Verein hatte im Tatzeitraum keine Erlaubnis nach §24a Abs. 1 AWG 2002 erwirkt.

2.       Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbringens und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sowie Einvernahme des Beschwerdeführers als Beschuldigten und der N. O. als Zeugin in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zum Ablauf der Sammlung der gebrauchten Textilien mittels Container ergeben sich aus den eigenen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers, welche mit den von der Zeugin O. gemachten Angaben im Wesentlichen übereinstimmen. Dieser Geschehensablauf steht zudem im Einklang mit einem im Verwaltungsakt (AS 33) enthaltenen "Entsorgungsvertrag" zwischen dem Verein und der P. GmbH vom 10. Mai 2013, übernommen von der Q. GmbH am 25. April 2017; aus diesem Vertrag lässt sich die Aufgabenverteilung zwischen dem Verein und der Gesellschaft in der Art und Weise erkennen, wie sie vom Beschwerdeführer als tatsächlich geübte Praxis geschildert wurde.

I.       

II.      

III.     Rechtliche Beurteilung

1.       Die im Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 – AWG 2002, BGBl. I 102/2002 idF BGBl. I 44/2018, lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1)-(5) […]

(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

         […]

         3.       ist 'Abfallsammler' jede Person, die von Dritten erzeugte Abfälle selbst oder durch andere

         a) abholt,

         b) entgegennimmt oder

         c) über deren Abholung oder Entgegennahme rechtlich verfügt;

[…]

Erlaubnis für die Sammlung und Behandlung von Abfällen

§ 24a. (1) Wer Abfälle sammelt oder behandelt bedarf einer Erlaubnis durch den Landeshauptmann. Das Anbieten des Sammelns oder des Behandelns von Abfällen gegenüber einem größeren Kreis von Personen ist der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit gleichzuhalten. Der Antrag kann, sofern dieser Teilbereich in einem Register gemäß § 22 Abs. 1 eingerichtet ist, über dieses Register erfolgen.

[…]

Strafhöhe

§ 79. (1) […]

(2) Wer

         6. die Tätigkeit eines Sammlers oder Behandlers von nicht gefährlichen Abfällen ausübt, ohne im Besitz der gemäß § 24a Abs. 1 erforderlichen Erlaubnis zu sein, oder entgegen § 25a Abs. 6 oder § 26 Abs. 5 die Tätigkeit nicht einstellt,

[…]

begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis 8 400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 € bedroht."

2.       Dem Beschwerdeführer wird als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufenem des haftungsbeteiligten Vereins angelastet, dass dieser Verein Abfälle der Schlüsselnummer 58107 "in Sammelcontainern" gesammelt habe, ohne eine Erlaubnis nach § 24a Abs. 1 AWG 2002 gehabt zu haben.

2.1.    Zunächst steht für das Verwaltungsgericht Wien fest, dass es sich bei den in den gegenständlichen Containern gesammelten Gegenständen um Abfall iSd § 2 Abs. 1 AWG 2002 handelt, weil bei jenen Personen, die die Altkleider und Schuhe in die Container einwerfen, Entledigungsabsicht anzunehmen ist und somit der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (vgl. VwGH 25.9.2014, Ro 2014/07/0032).

2.2.    Fraglich ist jedoch, ob angesichts des im verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgestellten Sachverhalts der haftungsbeteiligte Verein als Abfallsammler iSd § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 aufgetreten ist und somit einer Erlaubnis nach § 24a Abs. 1 AWG 2002 bedurft hätte.

Für die Eigenschaft als Abfallsammler genügt gemäß § 2 Abs. 6 Z 3 lit. c AWG 2002 bereits das rechtliche Verfügen über die Abholung oder Entgegennahme von Abfällen. Nach den Gesetzesmaterialien zu dieser mit der AWG-Novelle 1998 eingefügten Bestimmung soll der Begriff "Abfallsammler" nicht nur darauf abstellen, ob ein Abfall tatsächlich körperlich übernommen wird; andernfalls könnte sich jeder Abfallsammler durch die Zwischenschaltung eines Transporteurs den Verpflichtungen gemäß §§ 15 ff AWG 2002 entziehen (Erläuterungen zur Regierungsvorlage GP XX RV 1201).

2.3.    Im Beschwerdefall stellt sich die Sachlage derart dar, dass der haftungsbeteiligte Verein nicht Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Container war und auch über deren Aufstellung, Betreuung und Entleerung nicht verfügte. Der haftungsbeteiligte Verein hatte lediglich einen Rechtsanspruch darauf, dass ein mengenmäßig bestimmter Anteil der jährlich gesammelten Altkleider von der die Container aufstellenden Gesellschaft unentgeltlich einem Dritten überbracht wurde.

In diesem zivilrechtlichen Anspruch ist für das Verwaltungsgericht Wien keine Abholung oder Entgegennahme und auch kein rechtliches Verfügen darüber zu erkennen, weil sich dieser Anspruch nicht auf die Abholung oder Entgegennahme selbst, sondern lediglich auch das weitere Verfügen über die Abfälle nach der Abholung oder Entgegennahme bezieht. Wie die Entgegennahme der Abfälle – eine Abholung steht ohnehin nicht im Raum – im Einzelnen vor sich ging, stand einzig im Einflussbereich der Gesellschaft. Diese konnte alleinig disponieren, zu welchem Zeitpunkt welche Container aufgestellt bzw. entleert wurden, wie mit den Abfällen weiter verfahren wurde und welche einzelnen Stücke aus diesen Abfällen letztlich an einen Dritten weitergegeben wurden.

2.4.    Somit trat der haftungsbeteiligte Verein nicht als Abfallsammler iSd § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 auf und bedurfte für sein Tätigwerden auch keiner Genehmigung nach § 24a Abs. 1 AWG 2002.

3.       Das angefochtene Straferkenntnis ist zu beheben und das gegen den Beschwerdeführer geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen, weil der Beschwerdeführer die ihm angelastete Tat nicht begangen hat.

4.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu leisten.

5.       Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im Beschwerdefall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsgericht Wien hat sich bei seiner Entscheidung betreffend die Abfalleigenschaft von Altkleidern an der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und im Übrigen am hinreichend deutlichen Gesetzeswortlaut orientiert. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Abfall; subjektiver Abfallbegriff; Abfallsammler; zivilrechtlicher Anspruch; Eigentum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.003.032.11986.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten