TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/8 96/08/0241

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Veröffentlicht am 08.09.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 idF 1996/201;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 1993/502;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des O in K, vertreten durch Dr. Gerhard Folk, Rechtsanwalt in 8605 Kapfenberg, Lindenplatz 4a, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 18. Juli 1996, Zl. LGS600/LA2/1218(7022)1996-Mag.Ed/S, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 1 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1960 geborene Beschwerdeführer bezieht seit März 1990 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit kurzzeitigen Unterbrechungen, zuletzt hatte er einen Anspruch auf Notstandshilfe.

Nach der Niederschrift vom 26. März 1996, aufgenommen bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bruck/Mur, wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, in seinem Beruf als Maschinenschlosser bzw. als Hilfsarbeiter laufend einmal monatlich acht Bewerbungen vorzulegen. Nach dem Inhalt dieser Niederschrift wurde der Beschwerdeführer darüber belehrt, daß es sich bei diesen Terminen um Kontrollmeldungen im Sinne des § 49 AlVG handle und er mit dem Verlust des Anspruches gemäß § 10 Abs. 1 AlVG rechnen müsse, wenn die entsprechenden Nachweise nicht beigebracht würden.

Diese Niederschrift wurde vom Beschwerdeführer nicht unterschrieben. Laut einem angebrachten Vermerk würde er "acht Bewerbungen nicht unterschreiben".

Nachdem am 22. April 1996 Bewerbungen des Beschwerdeführers einlangten, wurde ein neuerlicher Kontrolltermin mit 31. Mai 1996 vereinbart. An diesem Tag wurden vier Bewerbungen des Beschwerdeführers beigebracht. Im Akt wurde festgehalten, der Beschwerdeführer habe sich bei der Gewerkschaft erkundigt und es sei ihm dort mitgeteilt worden, daß eine Bewerbung wöchentlich zumutbar sei. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin für 10. Juni 1996 vorgeladen.

Anläßlich der Niederschrift am 10. Juni 1996 beim Arbeitsmarktservice Bruck/Mur gab der Beschwerdeführer an, er sei bei der Gewerkschaft gewesen und es sei ihm mitgeteilt worden, daß er nur eine Bewerbung pro Woche vorlegen müsse.

Mit Bescheid vom 24. Juni 1996 sprach daraufhin das Arbeitsmarktservice Bruck/Mur aus, daß der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 i.V.m. § 10 AlVG für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis 12. Juli 1996 verloren habe. In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei der ihm vom Arbeitsmarktservice aufgetragenen Anstrengung zur Erlangung einer Beschäftigung nicht nachgekommen.

Der Beschwerdeführer erhob eine als "Widerspruch" bezeichnete Berufung. Darin führte er aus, am 26. März 1996 sei ihm aufgetragen worden, in Eigeninitiative monatlich acht Vorstellungen durchzuführen. Dies sei ihm nicht jedes Monat möglich gewesen, aber er habe monatlich mindestens vier Vorsprachen getätigt. Laut Auskunft bei der "GMBE" stelle dies eine zumutbare und ausreichende Initiative dar. Im Kalendermonat Juni 1996 sei es ihm möglich gewesen, acht Vorstellungen zu tätigen und könne er dies auch nachweisen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung gab die belangte Behörde die angewendeten gesetzlichen Bestimmungen wieder und führte sodann ergänzend zum eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalt aus, der Beschwerdeführer habe beginnend von Mai 1994 bis

Februar 1996 monatlich im Durchschnitt zwei Bewerbungen vorgelegt. Daraus hätten sich für die Beraterin des Beschwerdeführers begründete Zweifel am Einsatz einer entsprechend vorhandenen Eigeninitiative ergeben, weshalb ihm am 26. März 1996 vorgeschrieben worden sei, acht Bewerbungen pro Monat zu tätigen. Dabei sei auf das Alter und die Ausbildung des Beschwerdeführers entsprechend Bedacht genommen worden. Für die Monate April und Mai 1996 habe der Beschwerdeführer die aufgetragenen Bewerbungen nicht nachgewiesen, weshalb ihm die Notstandshilfe für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis 12. Juli 1996 entzogen worden sei. Im Juni 1996 habe der Beschwerdeführer die vorgeschriebenen acht Bewerbungen erbracht. Die Auskünfte von der Gewerkschaft, auf die sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung bezogen habe, seien nicht maßgeblich. Der Beschwerdeführer sei dem ihm vom Arbeitsmarktservice erteilten Auftrag, acht Bewerbungen monatlich vorzulegen in den Monaten April und Mai 1996 nicht nachgekommen. Die von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bruck/Mur ausgesprochene Sanktion sei daher zu Recht ergangen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 AlVG ist eine Voraussetzung des Anspruches auf Arbeitslosengeld, daß der Arbeitslose arbeitswillig ist.

Nach § 9 Abs. 1 AlVG i.d.F. der ab 1. August 1993 geltenden Beschäftigungssicherungsnovelle 1993, BGBl. Nr. 502, ist unter anderem arbeitswillig, wer bereit ist, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternimmt, eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

Wenn der Arbeitslose auf Aufforderung durch das Arbeitsmarktservice nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen, so verliert er gemäß § 10 Abs. 1 AlVG (i.d.F. BGBl. Nr. 201/1996) für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Gemäß § 38 AlVG sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Arbeitslosengeldes sinngemäß anzuwenden.

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Beschäftigungssicherungsnovelle 1993 (vgl. 1194 BlgNR 18. GP., Seite 12) wird zu den §§ 9 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AlVG folgendes ausgeführt:

"Mit der vorgesehenen Gesetzesergänzung soll festgelegt werden, daß der Arbeitslose darüber hinaus alle gebotenen Anstrengungen von sich aus zu unternehmen hat, um eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist. Im allgemeinen kann davon ausgegangen werden, daß eine Bewerbung pro Woche sicher das Minimum an zu erwartender Anstrengung darstellt. In jenen konkreten Fällen, in denen nach Auffassung des Beraters vom Arbeitslosen nicht die entsprechenden Eigeninitiativen zur Erlangung einer Beschäftigung gesetzt werden, soll das Arbeitsmarktservice den Arbeitslosen auffordern, eine bestimmte Zeit eine vorgegebene Zahl von Bewerbungen anhand von Unterlagen nachzuweisen. Bei dieser Maßnahme ist jedoch nicht an eine schematische Vorgangsweise gedacht, vielmehr wird bei der Festsetzung der Zahl der Bewerbungen auf das Alter, den Gesundheitszustand, die Bildung und Ausbildung des Arbeitslosen entsprechend Bedacht zu nehmen sein ..."

Zur Zahl der Mindestbewerbungen wird im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (vgl. 1222 BlgNR, 18. GP., Seite 2) folgende Auffassung vertreten:

"Die in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage geäußerten Vorstellungen betreffend Zahl der Mindestbewerbungen können nur so verstanden werden, daß je nach der konkreten Lage des Einzelfalles Art und Ausmaß der Bewerbungsanstrengungen festzulegen sind, soweit diese auch wirklich sinnvoll erscheinen. Dabei ist auf die konkrete Situation des Arbeitsmarktes und die Möglichkeit seiner Beschäftigung Bedacht zu nehmen. Der Betreuer wird nach den Umständen des Einzelfalles dem Arbeitslosen dabei entsprechende Hilfestellung geben.

Für die Glaubhaftmachung der eigenen Anstrengungen genügen glaubwürdige Hinweise wie z.B. Kopien von Bewerbungsschreiben oder Angabe der Kontaktperson der Firma, mit der telefoniert wurde."

Nach diesen Erläuterungen zur Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes soll der Arbeitslose neben den Vermittlungsbemühungen der Behörde darüber hinaus selbst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternehmen, um eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist. In jenen Fällen, in denen nach Auffassung des AMS vom Arbeitslosen nicht die entsprechenden Eigeninitiativen zur Erlangung einer Beschäftigung gesetzt werden, sollte dem AMS die Möglichkeit gegeben werden, den Arbeitslosen aufzufordern, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen.

Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, schon ein Zuwiderhandeln gegen eine in dieser Weise vorgeschriebene Zahl von Bewerbungen sei als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG anzusehen. Damit verkannte sie aber die Rechtslage: Gemäß § 10 AlVG kann die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Arbeitslosen auffordern, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen. Im Beschwerdefall wurde eine solche Aufforderung dahingehend konkretisiert, daß der Beschwerdeführer monatlich eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachweisen solle. Dies konnte aber nichts daran ändern, daß der Beschwerdeführer nur glaubhaft machen mußte, er habe ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht. Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die glaubhaft gemachten Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes und nach den persönlichen Verhältnissen (Stand, Alter, Ausbildung) des Beschwerdeführers "ausreichend" waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die glaubhaft gemachten Anstrengungen sind nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der glaubhaft gemachten Anstrengungen zu enthalten. Hiebei ist das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen. Bedeutsam sind nicht nur Art und Ausmaß, sondern auch die Ernsthaftigkeit der glaubhaft gemachten Anstrengungen. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde kommt es hingegen auf das Verhältnis der auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden freien Stellen und der Zahl der Arbeitslosen nicht an. Dem Arbeitslosen wird vielmehr - je nach der Zahl der angebotenen Stellen - zugemutet, mit den anderen Arbeitslosen im Bemühen um Erlangung einer solchen Stelle zu konkurrieren.

Solche Ausführungen enthält der angefochtene Bescheid, ausgehend von der Rechtsauffassung, das Zuwiderhandeln gegen die Aufforderung eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachzuweisen, sei für den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe ausreichend, nicht. Dadurch belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 8. September 1998

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996080241.X00

Im RIS seit

09.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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