Entscheidungsdatum
08.07.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W136 2206112-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde der XXXX gegen den mit Beschwerdevorentscheidung vom 13.08.2018 bestätigten Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz vom 04.07.2018, Zl. 1 Jv 608/18v-35-19, beschlossen:
A) Die Beschwerde wird für gegenstandslos erklärt und das Verfahren
gemäß § 31 VwGVG eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden BF) leistete ab 01.03.2018 Gerichtspraxis nach dem Rechtspraktikantengesetz (RPG) und war Übernahmswerberin den richterlichen Vorbereitungsdienst.
2. Mit Note vom 03.04.2018 wies die belangte Behörde gemäß § 5 Abs. 1 RPG den Präsidenten des Landesgerichtes XXXX an, dass die BF, wenn sie während ihrer Ausbildung als Rechtspraktikantin ein Kopftuch trägt, keine Tätigkeiten, bei denen sie von BürgerInnen als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen wird, ausüben darf. So dürfe sie beispielsweise bei Verhandlungen im Gerichtssaal nur im Zuschauerraum und nicht auf der Richterbank sitzen und dürfe keine Beweisaufnahmen führen. Gleichzeitig wurde der Präsident des Landesgerichtes XXXX angewiesen, dass sich die Nichtheranziehung zu den betroffenen Tätigkeiten nicht nachteilig auf die Beschreibung der Aufnahmewerberin auswirken dürfe, sondern andere Leistungen und Tätigkeiten als Grundlage für die Beurteilung heranzuziehen seien.
3. Die über diese Weisung in Kenntnis gesetzte BF ersuchte die belangte Behörde mit Schreiben vom 08.06.2018 um schriftliche Entscheidung und teilte mit, dass sie die Nichtteilnahme an den genannten Tätigkeiten als Dienstpflicht ablehne und sie dadurch in ihrer positiven Religionsfreiheit verletzt werde.
4. Mit dem bekämpften Bescheid vom 04.07.2018 wurde der Feststellungsantrag abgewiesen und mit näherer Begründung festgestellt, dass die Befolgung der Weisung vom 03.04.2018 zu den Dienstpflichten der BF als Rechtspraktikantin zählt.
Die gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobene Beschwerde der BF wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 13.08.2018 als unbegründet abgewiesen. Am 11.09.2018 stellte die BF einen rechtzeitigen Vorlageantrag.
5. Mit Note vom 18.09.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am 21.09.2018 eingelangt, wurde die Beschwerde samt den bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt. Gleichzeitig teilte die belangte Behörde mit, dass die Gerichtspraxis der BF mit 30.09.2019 (infolge Zeitablaufs) endet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Verfahrenseinstellung
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderer gesetzlicher Bestimmungen somit Einzelrichterzuständigkeit vor. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichtes durch Beschluss.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde festgestellt, dass die Befolgung der Weisung der belangten Behörde zu den Dienstpflichten der BF als Rechtspraktikantin gehört.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides im öffentlichen Interesse liegt oder, wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Ein wirtschaftliches, politisches oder wissenschaftliches Interesse rechtfertigt nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. zB VwGH 17.10.2011, 2010/12/0150 mwN).
Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts stellt der (nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehene) Feststellungsbescheid bloß einen subsidiären Rechtsbehelf dar ["notwendiges, letztes und einziges Mittel der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung"]). Danach fehlt es nämlich an einem (privaten und öffentlichen) Feststellungsinteresse, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen, verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens "entschieden", dh genau genommen gelöst werden kann (Hengstschläger/Leeb, AVG Online-Kommentar, § 56, Rz 75 ff.). Die Tatsache, dass die konkreten Auswirkungen eines Dienstauftrages der Vergangenheit angehören, bildet für sich allein noch kein Hindernis für die Erlassung eines Feststellungsbescheides; die an ein abgeschlossenes Geschehen anknüpfende Feststellung über ein Recht oder Rechtsverhältnis muss aber der Abwendung zukünftiger Rechtsgefährdung des Antragstellers dienen (VwGH 28.03.2008, Zl. 2005/12/0011).
Ein Feststellungsbescheid hinsichtlich erteilter Weisungen ist zulässig, wenn er der erforderlichen Klarstellung für die Zukunft dient (vgl. VwGH vom 14.05.1998, Zl. 95/12/0063).
Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde oder des Untergangs des Beschwerdeführers kann analog zu § 33 VwGG eine Einstellung auch bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers (Wegfall der Beschwer) in Betracht kommen. Dies grundsätzlich sowohl bei formeller Klaglosstellung als auch bei materieller Klaglosstellung wegen Wegfall des Rechtsschutzinteresses (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm 5).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eine Beschwerde mit Beschluss für gegenstandslos geworden zu erklären, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Gegenstandslosigkeit wird - neben formeller Klaglosstellung - angenommen, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt. Dabei ist zu beachten, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit einer Partei nicht den Anspruch auf die verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden an sich gewähren, sondern nur einen Anspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (vgl. z.B. VwGH 13.12.2010, 2009/10/0050 mit Verweis auf VwGH 29.9.2010, 2008/10/0029; VwGH 5.11.2014, Ro 2014/10/0084).
Die Grundsätze der auch für das Verfahren vor den VwG relevanten Rechtsprechung zum Begriff des Rechtsschutzinteresses lauten: Das Rechtsschutzinteresse besteht bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Bf an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Bf keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Bf keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. B 29. September 2010, 2008/10/0029; B 24. Jänner 1995, 93/04/0204) (vgl. VwGH vom 31.01.2018, Ra 2018/10/0022).
Da die BF ihre Gerichtspraxis am 30.09.2018 beendet hat, betrifft die Weisung nur ein abgeschlossenes Geschehen und besteht auch keine Wiederholungsgefahr der gegenständlichen Weisung, weshalb kein rechtliches Interesse der BF an der Erlassung eines Feststellungsbescheides gegeben ist zur Abwendung einer zukünftigen Rechtsgefährdung.
Das Rechtsschutzinteresse der BF ist weggefallen, weshalb die eingebrachte Beschwerde einer meritorischen Erledigung nicht mehr zuzuführen war und das Beschwerdeverfahren spruchgemäß einzustellen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beschwerdevorentscheidung, Dienstpflicht, Feststellungsantrag,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W136.2206112.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.01.2020