TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/7 W264 2176916-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2019
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Entscheidungsdatum

07.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W264 2176916-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ralf Heinrich HÖFLER, gegen die Spruchpunkte II. bis IV. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, Außenstelle Klagenfurt, vom 10.10.2017, 1086541903-151307654/BMI-BFA_KNT_AST_01_TEAM_02, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.12.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 55, 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ralf Heinrich HÖFLER, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, Außenstelle Klagenfurt, vom 10.10.2017, 1086541903-151307654/BMI-BFA_KNT_AST_01_TEAM_02, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.12.2018 den

BESCHLUSS

gefasst:

Das Verfahren über die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. eingestellt.

C)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch als "BF" bezeichnet), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste minderjährig in das Bundesgebiet ein und stellte am 9.9.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am gleichen Tage gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari/Farsi an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der Volksgruppe Hazara mit schiitisch-islamischem Glauben sei. Er sei im Iran geboren und führte er zu seinen Fluchtgründen aus.

2. Eine sachverständige Volljährigkeitsbeurteilung am Zentrum für Anatomie und Zellbiologie ergab laut Gutachten vom XXXX .2015 das fiktive Geburtsdatum XXXX 1999 und war demnach eine Minderjährigkeit mit dem höchstmöglichen Beweismaß anzunehmen.

3. Im vorgelegten Fremdakt liegt ein Abschlussbericht der PI XXXX vom 23.4.2016, XXXX , ein, wonach der BF des Diebstahls am 3.3.2016 in der Billa Filiale in XXXX verdächtigt wurde. Der BF war verdächtig, dem XXXX zuvor gesagt zu haben, letzterer solle ihm ein Duschgel und ein Haargel entwenden, da dem XXXX als 14jährigen in Österreich nichts passiere, er hingegen als 16jähriger Probleme bekomme. Aus dem Abschlussbericht geht weiters hervor, dass der BF im Flüchtlingsheim eine "Alphastellung" inne habe und Anführer der Gruppe sei, vor denen sich großteils alle fürchten.

4. Im vorgelegten Fremdakt liegt eine Abgängigkeitsanzeige der PI

XXXX vom 9.9.2017, XXXX , ein, wonach der BF seit 8.9.2017, 23.30 Uhr, von seiner Unterkunft (Asylheim für unbegleitete Jugendliche) abgängig ist.

5. Bei der am 20.9.2017, 9.00 Uhr bis 11.45 Uhr, durchgeführten Einvernahmen im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein seiner Rechtsberaterin der ARGE Rechtsberatung Kärnten vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als "BFA" oder als "belangte Behörde" bezeichnet), sprach der BF über seine ihn zur Flucht veranlasst habenden Gründe und seine Personalien. Die aufgenommene Niederschrift wurde ihm rückübersetzt und zeitgleich der Rechtsberaterin zum Durchlesen ausgehändigt. Er gab an, bei der Erstbefragung die Wahrheit gesagt zu haben und habe sei die Niederschrift über die Erstbefragung korrekt protokolliert und habe eine Rückübersetzung stattgefunden.

6. Im vorgelegten Fremdakt liegen folgende Beweismittel ein:

* Teilnahmebestätigung am Kurs Deutsch A1/1

* Teilnahmebestätigungen "Kurs Deutsch als Fremdsprache"

* Kursbesuchsbestätigungen "Basisbildung für junge Flüchtlinge"

* Praktikumsbestätigung in Tischlerei XXXX als Praktikant

* Kopie von Farbfotos in A4 (BF als Besucher eines Patienten im Krankenhaus, in einer Küche, BF innerhalb einer Gruppe, BF in der Küche, Zeitungsausschnitt fremdsprachig, Männer in Militäruniformen, kleines Farbfoto dreier Männer in afghanischen Gewändern mit Langwaffen und einem kleinen Buben, Foto von glaublich einer Grabsteinplatte mit männlicher Abbildung)

* Bevollmächtigung der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH durch das obsorgeberechtigte Land Kärnten, vertreten durch die BH Villach-Land

7. Im vorgelegten Fremdakt liegt die Stellungnahme der Rechtsberatung vom 4.10.2017 ein, welche die Länderfeststellung und die Asylrelevanz des Fluchtvorbringens des BF betraf.

8. Mit dem im Spruch näher bezeichneten Bescheid des BFA vom 10.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 9.9.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde traf Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates, zur Situation im Falle seiner Rückkehr sowie zur Lage in Afghanistan.

Für die Beweiswürdigung wird auf den Inhalt dieses Bescheides verwiesen.

9. Gegen diesen Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 8.11.2017, erstattet vom mit Vollmacht vom 16.10.2017 ausgestatteten Verein für Menschenrechte Österreich ("VMÖ"). Der Beschwerdeführer beantragte, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG zuerkannt werde. Darüber hinaus mögen die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung und der Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung aufgehoben werden, in eventu möge der angefochtener zur Gänze behoben werden und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

10. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 17.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

11. Am 12.12.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, welcher ein Dolmetscher für die Sprache Dari beigezogen wurde. Der BF erschien im Beisein seines Rechtsanwaltes Dr. Ralf Heinrich Höfler.

Der Rechtsvertreter gab nach Rücksprache mit dem BF an, dass die vom bisherigen Rechtsberater VMÖ erhobene Beschwerde eingeschränkt werde und der Antrag auf Gewährung von subsidiärem Schutz bzw humanitären Aufenthaltsrecht aufrecht erhalten werde.

Es folgen Auszüge aus der Verhandlungsschrift:

"R: Sind Sie chronisch krank, benötigen Sie regelmäßig einer Medikamenteneinnahme?

BF: Nein ich bin nicht krank.

Mit Übersetzung durch den D wird fortgefahren.

R: Haben Sie bei der Einvernahme vor dem BFA die Wahrheit gesagt?

BF: Ja, es war alles die Wahrheit.

BF wird auf die Mitwirkungspflicht nach § 15 AsylG hingewiesen: BF wird darauf hingewiesen, alle zur Flucht veranlassenden Gründe vorzubringen, nichts zu verschweigen, auch Details, welche im Herkunftsland etwa zur Schande gereichen, nicht zu verschweigen und wird seitens der R weiters mitgeteilt, dass nichts von dem, was heute hier vorgebracht wird, an die Behörden oder die Vertretung des Herkunftsstaates weitergegeben wird.

BF wird darauf hingewiesen, dass es unumgänglich ist, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbstständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für den BF / die BF nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung wird ausdrücklich hingewiesen. Ferner darüber, dass falsche Angaben über die Identität bzw. Nationalität strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

R belehrt, dass es ausschließlich nur um die Fluchtgründe, die ausschließlichen Bezug auf Afghanistan haben, geht!

BF wird über das Aussageverweigerungsrecht belehrt: Die Aussage darf verweigert werden über Fragen, deren Beantwortung den / die BF selbst, einen der Angehörigen, eine mit seiner Obsorge betrauten Person, seinen Sachwalter oder einen seiner Pflegebefohlenen einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen oder zur Unehre gereichen würden. Die Aussage kann weiters verweigert werden über Fragen, deren Beantwortung eine dem BF / der BF / den BF obliegende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der nicht entbunden wurde, verletzt oder über Fragen, die Kunst-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbaren. Die Aussage kann auch verweigert werden über die Ausübung des Wahlrechts oder Stimmrechts, wenn diese Ausübung gesetzlich für geheim erklärt ist. Ein Weigerungsgrund wegen der Gefahr eines Vermögensschadens besteht nicht.

BF wird darauf hingewiesen, im Falle, dass es Verständigungsschwierigkeiten mit dem D gibt, sofort darauf hinzuweisen.

Haben Sie den D bis jetzt sowohl von der Lautstärke her als auch von der Sprache her einwandfrei verstanden?

BF: Ja.

[...]

R: Haben Sie vor Ihrer Einreise nach Österreich eine Schule besucht? Wie lange?

BF: Ich bin im Iran 5 Jahre zur Schule gegangen. Keine staatliche Schule, sondern eine Schule für afghanische Migranten. Ich kann in Dari auch schreiben und lesen.

R: Haben Sie vor Ihrer Einreise nach Österreich Berufserfahrung erlangt? Wieviele Jahre?

BF*: Drei Jahre Tischler im Iran.

Die R fordert BF auf, nun in Ruhe in freier Erzählung nochmals die Gründe für eine Flucht betreffend Afghanistan und warum ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß zu erzählen. Lassen Sie nichts weg! Nehmen Sie sich Zeit und erzählen Sie ganz konkret und mit Details. Falsche Angaben beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit Ihres Fluchtberichts.

Sie haben nun die Möglichkeit von sich aus alles zu erzählen, ohne auf Fragen von mir warten zu müssen.

BF führt aus wie folgt: Ursprünglich komme ich aus Afghanistan. Mein Vater hatte dort Probleme. Er führte eine Feindschaft gegen die Taliban. Daher musste er die Heimat verlassen und in den Iran gehen, das war vor ca 20 Jahren. Wir haben in Karabagh auch einen Drohbrief bekommen., daher sind wir in den Iran gezogen und ich kann nicht mehr nach Afghanistan fahren und zweitens habe ich dort auch niemanden mehr.

Soweit ich von meinem Vater mitbekommen habe, habe ich es Ihnen jetzt gesagt.

R: Wo sind Sie geboren?

BF: Im Iran, Teheran.

R: Sie sagten vorhin Ihr Vater hatte eine Feindschaft gegen die Taliban geführt und musste daher die Heimat verlassen und in den Iran gehen, das war vor ca 20 Jahren.

Sie sind Jahrgang XXXX . Waren Sie damals schon auf der Welt oder hat Ihnen das alles der Vater erzählt?

BF: Ich war noch nicht auf der Welt, erst später habe ich das von meinem Vater gehört. Aber ich habe im Iran auch keine offiziellen Dokumente wie Aufenthaltsberechtigung gehabt. Ein Grund, warum ich den Iran verlassen hab, war weil ich dort nichts hatte und konnte ich auch nach Afghanistan nicht zurückgehen.

R: Woran ist Ihr Vater gestorben?

BF: Mein Vater hat einen Krebstumor gehabt. Er war drei Jahre deshalb auch krank. Er hat alles versucht, sich behandeln zu lassen. Trotzdem hat er den Kampf verloren.

R: Sind Sie der Ältere oder Ihre beiden Geschwister älter?

BF: Ich bin der Mittlere, die Schwester ist jünger als ich, der Bruder der Älteste. Der Bruder sorgt jetzt für die Familie.

BF*: alle zusammenleben.

R: Was arbeitet Ihr Bruder?

BF: Auch Tischler. In einer anderen Firma, nicht dort wo ich im Iran als Tischler war.

R an D: Wie ist die Sprache des BF?

D: Man hört bei ihm, dass er im Iran war.

R: Haben Sie Ihren Vater zu den Taliban näher befragt - mit wem er Ärger hatte, wer das war?

BF: Nein. Er hat keine Namen genannt, aber bestimmt waren sie die Taliban.

R: Was genau hat er Ihnen erzählt?

BF: Zum Beispiel sagte er, dass er dieses Problem in Afghanistan hatte. Ich fragte um den Grund des Umzugs in den Iran. Er antwortete "Wegen des Problems mit den Taliban haben wir damals Afghanistan verlassen müssen".

R: Was genau war das "Problem"?

BF: Sie haben damals unser Haus angegriffen. Sie wollten das ganze Dorf einnehmen.

R: Wissen Sie wie das Dorf heißt?

BF: Karabagh. Den Namen des Dorfes weiß ich nicht, aber ich bin sicher, dass es zu Karabagh gehört.

R: Wenn Sie nach Afghanistan zurückmüssten: wem würden Sie dort sagen: "das ist meine neue Adresse, meine Handynummer"?

BF: Ich habe dort niemanden.

R: Wissen Sie aus welcher Region diese Taliban waren, mit denen der Vater Probleme hatte? BF: Ja, die Taliban haben immer ein Problem mit den Hazaras.

R an RV: Herr Doktor haben Sie Fragen an den BF?

RV: Nachdem Asyl kein Thema ist, danke nein.

R: Haben Sie nun alle Ihre Fluchtgründe vorgebracht? Oder gibt es noch etwas von dem Sie sagen: Deshalb kann ich nicht nach Afghanistan zurück!:

BF: Wegen dieser Feindschaft kann ich nicht zurück und habe dort keine

Ausbildungsmöglichkeit. Wer weiß, wenn ich zurückkehre ob nicht mein zukünftiger Lehrer oder mein zukünftiger Nachbar ein Talib ist. Niemand kann das versichern.

R: Wurden Sie in Afghanistan aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit jemals bedroht oder verfolgt?

BF: Als die Taliban das ganze Dorf und unser Haus angegriffen haben, war das nur aus dem einzigen Grund weil wir Hazara waren. Sogar heute ist die ganze Provinz Ghazni umzingelt von den Taliban.

R: Wurden Sie in Afghanistan aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit jemals bedroht oder verfolgt?

BF: ich bin persönlich zwar nicht bedroht worden, aber als Shiit ist es möglich oder andersgesagt: Jeder Schiit ist bedroht. Außerdem kann man als Schiit dort den Glauben nicht praktizieren. Aber man hat sogar die Moschee der Schiiten der Hazara in die Luft gesprengt, das war in Kabul. Ich hab davon gehört, ich war selbst nicht dort.

R: Waren Sie in Afghanistan einmal Mitglied einer Partei oder sonst politisch tätig? BF: nein

R: Waren Sie in Afghanistan jemals in Haft?

BF: nein, ich war nie in Afghanistan

R: Sind Sie in Afghanistan vorbestraft oder werden Sie mit einer staatlichen Fahndungsmaßnahme wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief gesucht?

BF: Sie suchen mich zwar nicht, aber sie suchen meinen Vater. Aber ich bin sein Sohn. Daher kann man sagen, dass man auch mich suchen würde.

R: Wer sucht Ihren Vater? Die Regierung oder die Taliban? BF: Die Taliban.

R: Hatten Sie in Afghanistan jemals Probleme mit Behörden, der Polizei oder einem Gericht? BF: Meinen Sie mich oder meinen Vater?

R: Sie persönlich.

BF: ich habe Afghanistan nie gesehen.

R: Hatten Sie in Österreich jemals Probleme mit der Polizei oder einem Gericht gehabt?

BF: Es war einmal eine Kleinigkeit, ich musste deshalb aber nicht zu Gericht. Es war so, dass wir in eine BILLA-Filiale hineingegangen sind. Ich war mit einem anderen Jungen und dieser Junge denke ich hat etwas gestohlen und da auch anwesend war, hat man auch mich mitgenommen. Aber ich habe nichts gemacht.

R: Wo ist dieser BILLA?

BF*: In XXXX .

R: Wann war das?

BF: Vor ca. 2 Jahren.

R: Nahmen Sie in Afghanistan an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?

BF: ich war dort nie.

R: Wurden Sie in Afghanistan jemals von irgendjemandem bedroht oder verfolgt (Blutfehde, Racheakte oder dergleichen)?

BF: nein.

Waren Sie schon einmal in Herat, Mazar-e Sharif ?

BF*: Ich war nicht in Afghanistan.

Ist in Afghanistan irgendeinmal irgendein Mensch zu Ihnen gekommen und hat sie bedroht oder verfolgt?

BF*: ich war nicht in Afghanistan.

R: Was befürchten Sie für Ihr Leben, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten? BF: Die Gefahr besteht wegen meinem Vater für mich. Aus diesem Grund kann ich dort auch keine Zukunft für mich sehen. Ich habe dort auch niemanden. Natürlich die Feinde meines Vaters leben dort.

R: Kennen Sie die Namen und die Adresse der Feinde Ihres Vaters dort? BF: Nein.

R: Wie hat Ihr Vater mit vollem Namen geheißen?

BF: Er hieß XXXX .

R: Würden Sie bei der Rückkehr nach Afghanistan fremden Menschen sagen, dass XXXX Ihr Vater war?

BF: Ob ich es sage, es spielt keine Rolle. Man würde es wissen.

R: Woher soll man das wissen?

BF: Die erste Frage bei uns in Afghanistan lautet: wessen Sohn bist du?

D: Kulturell gesehen ist diese Frage in Afghanistan voll verständlich.

R: Und würden Sie jemandem auf der Straße, den Sie nicht kennen, den Namen des Vaters nennen?

BF: Die kennen mich selber. Ob ich das sage oder nicht spielt keine Rolle. Sogar in Büros lautet die erste Frage "wessen Sohn bist du"?

R: Was hat Ihr Vater beruflich gemacht?

BF: Er hat in Afghanistan als Hirte gearbeitet."

12. Der BF legte in der Verhandlung vor:

* 3 Nachweise der Gemeinde XXXX über Arbeitseinsätze (Kassa-Ausgangsbelege)

* Kopie eines Farbfotos (Männer in Militäruniformen, kleines Farbfoto dreier Männer in afghanischen Gewändern mit Langwaffen und einem kleinen Buben)

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Niederschrift über die Erstbefragung des Beschwerdeführers, der Niederschrift über seine weitere Einvernahme durch die belangte Behörde, des Beschwerdevorbringens, den mündlichen Verhandlung sowie der Länderberichte zur Lage in Afghanistan, der dazu erstatteten Ausführungen des Rechtsberaters und später des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers und der von ihm vorgelegten (Integrations)Unterlagen werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zu Person, Rückkehrmöglichkeit und (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger aus der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari.

Er wurde im Iran geboren, wo er mit seiner Familie bis zu seiner Ausreise lebte.

Im September 2015 reiste der Beschwerdeführer unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte als Minderjähriger am 9.9.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2. Der Beschwerdeführer ist nunmehr erwachsen, arbeitsfähig, gesund und steht nicht in ärztlicher Behandlung.

Der BF hat keine Sorgepflichten und ist ledig.

Der BF ist im Iran zur Schule gegangen und kann in Dari schreiben und lesen.

Er hat im Iran Arbeitserfahrung als Tischler erworben.

Das Ausmaß seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung kann nicht festgestellt werden.

1.1.3. Der BF verfügt über Familienangehörige im Iran.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF nicht über Verwandte in Afghanistan verfügt.

1.1.4. Die Herkunftsprovinz des BF ist Ghazni. Ghazni zählt zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes und grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv und kommt es in der Provinz zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen. Ghazni scheidet als Ort für die Wiederansiedelung des BF nach seiner Rückkehr daher aus.

Ebenso scheidet die Hauptstadt Kabul vor dem Hintergrund des "Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Beurteilung des internen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Afghanistan vom 30.8.2018" als innerstaatliche Fluchtalternative aus.

1.1.5. Dem Beschwerdeführer ist es möglich in den Herkunftsstaat zurückkehren. Es ist dem Beschwerdeführer auch möglich und zumutbar, sich in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat niederzulassen. Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und einer in Afghanistan gesprochenen Sprache (Dari) vertraut und wuchs in einem Familienverband einer afghanischen Familie im Iran - somit in einem von islamischen Werten geprägten Land - auf.

Der Beschwerdeführer hat zwar nie in Mazar-e Sharif oder Herat gelebt und verfügt dort auch über keine familiären Anknüpfungspunkte.

Angesichts seiner Arbeitsfähigkeit und seiner Berufserfahrung könnte er sich dennoch in Mazar-e Sharif oder Herat eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der Beschwerdeführer verfügt über Berufserfahrung als Tischler. Dem Beschwerdeführer ist der Aufbau einer Existenzgrundlage in Mazar-e Sharif oder Herat möglich. Er ist in der Lage, in Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Im Ergebnis ist aufgrund des Gesundheitszustandes, der Arbeitsfähigkeit und der Berufserfahrung von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des ledigen BF ohne Sorgepflichten auszugehen.

1.1.6. Die Familie des BF (Mutter, Geschwister, ein Onkel mütterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits) halten sich im Iran auf. Der BF steht in telefonischem Kontakt zu seiner Familie im Iran.

Er hat keine Familienangehörigen oder Verwandte im Bundesgebiet.

Seine Bindung zu dem Herkunftsstaat Afghanistan ist angesichts dessen, dass er im Iran - einem von islamischen Werten geprägten Land - in einer afghanischen Familie aufgewachsen, der Sprache Dari mächtig ist und der Staatsreligion Afghanistans angehört deutlich intensiver als jene zu dem von westlichen Werten geprägten Österreich. Der Beschwerdeführer möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit seiner Asylantragstellung seit September 2015 im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt.

Er ist in Österreich nicht beschäftigt. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse und arbeitete zumindest im Juni, Juli und Oktober - je 2018 - für die Gemeinde XXXX gegen Entlohnung.

Der Beschwerdeführer ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Lage in Afghanistan

Aus dem Länderbericht der Staatendokumentation vom 29.06.2018 idgF:

KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

[...]

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. [...]

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Gha

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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