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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E189 EGV Art189;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in F, vertreten durch Dr. Rainer Santner, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 8. Jänner 1998, Zl. IVb-69-45/1997, betreffend Festsetzung der monatlichen Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 83-86, 1051 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides des mitbeteiligten Sozialversicherungsträgers - festgestellt, daß für den - seit 19. September 1996 in Österreich ein Gewerbe ausübenden - Beschwerdeführer die monatliche Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung gemäß § 25a GSVG für das Kalenderjahr 1996 S 12.452,-- und für 1997 S 13.438,-- beträgt.
Der Beschwerdeführer hatte ins Treffen geführt, daß seine im Fürstentum Liechtenstein ausgeübte unselbständige Tätigkeit in Anwendung der Bestimmungen des Art. 14c lit. b in Verbindung mit Anhang VII und Art. 14d Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 so anzusehen wäre, als ob die unselbständige Beschäftigung in Österreich ausgeübt würde. Dies bedeute, daß im Ergebnis die Bestimmungen über die Mehrfachversicherung in der Pensionsversicherung (gemeint: § 35a GSVG) anzuwenden seien. Da der Beschwerdeführer im Fürstentum Liechtenstein einen Bruttobezug unterhalb der jeweils geltenden Höchstbeitragsgrundlagen der betreffenden Kalenderjahre beziehe, seien ihm Beiträge nicht auf der Mindestbeitragsgrundlage gemäß § 25a GSVG, sondern nur in der Differenz zwischen seinen Bruttobezügen und der jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage vorzuschreiben gewesen.
Die belangte Behörde ging in der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß aufgrund der Zugehörigkeit Liechtensteins zum EWR und des Inkrafttretens des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und des Anpassungsprotokolles, BGBl Nr. 485/1995, mit 1. Mai 1995 die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zwischen Österreich und Liechtenstein für die Streitjahre 1996 und 1997 anzuwenden sei.
Nach Hinweisen auf die angewendeten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen und die Bestimmungen des GSVG begründet die belangte Behörde ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß "nach den österreichischen Rechtsvorschriften Versicherungszeiten insbesondere in der Pensionsversicherung nur erworben werden, wenn ein jeweils vorgesehener Mindestbeitrag entrichtet wurde". Das EG-Recht enthalte keine Verpflichtung "Versicherungszeiten auch für Beiträge unterhalb dieser Mindestbeiträge zuzuerkennen" (Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 27. Jänner 1981 in der Rechtssache T. Vigier). Unter Bedachtnahme auf diesen Grundsatz sei daher bei einem Antrag auf Vorschreibung von "Differenzbeiträgen" nach den in Rede stehenden Bestimmungen des GSVG stets die jeweils in Betracht kommende "Mindestbeitragsgrundlage" und nicht eine unter Anrechnung der fiktiven Beitragsgrundlage aufgrund des ausländischen Entgelts gegebenenfalls darunterliegende Restbeitragsgrundlage heranzuziehen. Lediglich in jenen Fällen, in denen die aus dem ausländischen Entgelt gebildete Beitragsgrundlage über der nach den österreichischen Rechtsvorschriften in Betracht kommenden Höchstbeitragsgrundlage liegen würde, seien nach dem GSVG keine Beiträge zu entrichten. In diesen Fällen könnten für diese Zeiten dann aber auch keine leistungsrelevanten österreichischen Versicherungszeiten entstehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, aufgrund seiner selbständigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG pflichtversichert zu sein. Gemäß § 25 Abs. 1 GSVG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem ASRÄG 1997, BGBl. Nr. I 139, sind der Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte die für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte des Pflichtversicherten zugrunde zu legen. Gemäß § 25 Abs. 2 ist die Beitragsgrundlage aus diesen Einkünften in der dort bezeichneten Weise zu errechnen.
§ 25 Abs. 5 GSVG ordnet an, daß die Beitragsgrundlage gemäß § 25 Abs. 2 mindestens S 11.459,-- monatlich (bzw. ab 1996 und in den Folgejahren die dort angegebene Höhe) beträgt. Gemäß § 25 Abs. 6 darf die Beitragsgrundlage die Höchstbeitragsgrundlage nicht überschreiten.
§ 25a GSVG ordnet für den Beginn der Versicherung und die folgenden zwei Kalenderjahre für den Fall, daß eine Beitragsgrundlage gemäß § 25 GSVG nicht festgestellt werden kann, die Mindestbeitragsgrundlage gemäß § 25 Abs. 5 als "vorläufige monatliche Beitragsgrundlage" an, sofern sich aus § 26 Abs. 3 bis 5 und § 35a nicht anderes ergibt.
§ 35a GSVG idF der Novelle BGBl. Nr. 21/1994 lautet:
"(1) Übt ein nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Pensionsversicherung Pflichtversicherter auch eine Erwerbstätigkeit aus, die die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz begründet, und macht der Versicherte glaubhaft, daß die Summe aus den monatlichen Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz einschließlich der Sonderzahlungen und den Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz die Summe der monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen in einem Kalenderjahr (§ 127 bzw. § 127a Abs. 5) überschreiten wird, so ist die Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz für die Monate eines gleichzeitigen Bestandes der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und nach diesem Bundesgesetz vorläufig in einer Höhe festzusetzen, die voraussichtlich nicht zu einer solchen Überschreitung führt. Können die vorgenannten Voraussetzungen erst nach Ablauf des Beitragsjahres festgestellt werden, so ist eine vorläufige Festsetzung der Beitragsgrundlage solange zulässig, als die Summe der monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen für dieses Kalenderjahr noch nicht endgültig festgestellt werden kann.
(2) Ergibt sich in den Fällen des Abs. 1 nach Feststellung der endgültigen Beitragsgrundlage, daß noch Beiträge zur Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zu entrichten sind, so sind diese Beiträge mit dem Ablauf des zweiten Monates des Kalendervierteljahres fällig, in dem die Vorschreibung erfolgt."
Die verwiesenen Bestimmungen des § 127 und 127a GSVG regeln die Ermittlung der Bemessungsgrundlage aus den Beitragsgrundlagen bzw. die Berücksichtigung der Beitragsgrundlagen in der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Ausübung mehrerer versicherungspflichtiger Erwerbstätigkeiten (Beschäftigungen) und ordnen der Sache nach an, daß die unter Zusammenrechnung von Versicherungszeiten aus verschiedenen Versicherungszweigen ermittelte monatliche Beitragsgrundlage die jeweilige Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nicht übersteigen darf (§§ 127 Abs. 4, 127a Abs. 3 und 4 GSVG).
Art. 14c der VO (EWG) 1408/71 enthält Sonderregelungen für Personen, die im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten gleichzeitig eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis und eine selbständige Tätigkeit ausüben.
Gemäß Art. 14c lit. b der Verordnung (EWG) 1408/71 unterliegt eine Person, die im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten gleichzeitig eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis und eine selbständige Tätigkeit ausübt, in den in Anhang VII aufgeführten Fällen den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt, wobei diese Rechtsvorschriften nach Art. 14 Nummer 2 oder Nummer 3 bestimmt werden, falls sie eine solche Tätigkeit im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, und den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie eine selbständige Tätigkeit ausübt, wobei diese Rechtsvorschriften nach Art. 14a Nummer 2, 3 oder 4 bestimmt werden, falls sie eine solche Tätigkeit im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt.
Nach Anhang VII Nr. 9 der VO ist einer der der genannten Bestimmung unterliegenden Fälle jener der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in Österreich und einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat.
Gemäß Art. 14d Abs. 2 der genannten Verordnung wird eine Person, für die Art. 14c Buchstabe b gilt, für die Festlegung des Beitragssatzes zu Lasten der Selbständigen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie ihre selbständige Tätigkeit ausübt, so behandelt, als ob sie ihre Arbeitnehmertätigkeit im Gebiet dieses Staates ausübte.
Es ist im Verfahren unbestritten geblieben, daß der Beschwerdeführer unter Art. 14c lit. b der Verordnung fällt und daher in Anwendung des Art. 14d Abs. 2 der Verordnung seine Arbeitnehmertätigkeit in Liechtenstein bei Festlegung des Beitragssatzes zu Lasten der Selbständigen nach den Rechtsvorschriften Österreichs so behandelt werden muß, als ob er seine Arbeitnehmertätigkeit im Gebiete Österreichs ausübte.
Würde der Beschwerdeführer seine Tätigkeit als Arbeitnehmer in Österreich ausüben, so würde er - sachverhaltsbezogen - der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG unterliegen. Auf ihn wäre daher § 35a GSVG anzuwenden. Diese Bestimmung geht nach dem klaren Wortlaut des § 25a Abs. 1 GSVG der dort festgelegten Bestimmung der Beitragsgrundlage bei Beginn der Versicherung vor.
Es ist daher der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers zuzustimmen, daß die Bestimmungen über die Mindestbeitragsgrundlagen nach dem GSVG auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden sind, zumal Art. 14d Abs. 2 der Verordnung (EWG) 1408/71 die dort angeordnete Gleichbehandlung unter keinerlei Vorbehalt stellt. Dem kann auch nicht - anders als im angefochtenen Bescheid - entgegengehalten werden, daß nach österreichischen Rechtsvorschriften Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nur erworben werden können, "wenn ein jeweils vorgesehener Mindestbeitrag" entrichtet wurde, zumal sich aus § 35a GSVG das Gegenteil ergibt und überdies aus dem innerstaatlichen Recht keine Einschränkung des Gemeinschaftsrechtes abgeleitet werden kann (zur unmittelbaren Wirkung sekundären Gemeinschaftsrechts vgl. Art. 189 EGV, zum Anwendungsvorrang vgl. die bei Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union4, 96 ff referierte Rechtsprechung des EuGH). Ob und welche Konsequenzen der Erwerb solcher Versicherungszeiten im Leistungsverfahren hat, wird im übrigen nach den am Stichtag für die Leistung in Kraft stehenden Vorschriften zu beurteilen sein, nicht aber in diesem Verfahren, in dem es lediglich um das Ausmaß der Beitragspflicht des Beschwerdeführers in der gesetzlichen Pensionsversicherung geht
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994; das Kostenmehrbegehren auf Ersatz der Beschwerdegebühr von S 2.500,-- mußte im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit (§ 46 GSVG) abgewiesen werden.
Wien, am 8. September 1998
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998080055.X00Im RIS seit
11.07.2001