TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/29 W161 2222722-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.08.2019
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Entscheidungsdatum

29.08.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61

Spruch

W161 2222722-1/3E

W161 2222724-1/2E

W161 2222721-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN über die Beschwerden

1.) des XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2019, Zl. 1232215706-190550096,

2.) der XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2019, Zl. 1232216006-190550100,

3.) des mj. XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX alias XXXX alias

XXXX alias XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2019, Zl. 1232215608-190550088,

alle StA. Armenien, alle vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 i.d.g.F. und § 61 FPG

i. d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar und ihr volljähriger Sohn, alle armenische Staatsangehörige, stellten am 30.05.2019 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer.

1.2. Laut VIS-Abfrage verfügten die Beschwerdeführer bei der Einreise über ein gültiges slowakisches Schengen-Visum der Kategorie C, gültig von 19.05.2019 bis 11.06.2019.

2.1. Der Erstbeschwerdeführer (in Folge: 1.BF) gab in seiner Erstbefragung vom 30.05.2019 an, er habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Er habe in Österreich bzw. in einem anderen EU-Staat keine Familienangehörigen. Eine Tochter sei in Russland verheiratet und habe drei Kinder. Er habe noch einen Bruder und eine Schwester, beide wohnten in Armenien. Er habe seit dem Jahr 2000 in Russland gewohnt. Ca. Ende November 2018 habe er den Entschluss zur Ausreise gefasst und sei mit dem Bus nach Armenien gereist, wo er sich ca. ein bis zwei Monate aufgehalten habe. In der Folge sei er über Georgien und Russland in das Gebiet der europäischen UNION gelangt, wohin wisse er nicht. Er habe ein bestimmtes Reiseziel (Zielland) erreichen wollen, nämlich Österreich. Hier würden sie sich sicher fühlen. Als Fluchtgrund gab der 1.BF an, er habe Russland verlassen, weil sein Sohn eine Beziehung mit einer Freundin gehabt hätte. Deren Eltern seien aus religiösen Gründen gegen diese Beziehung gewesen und hätten sie daher mit dem Tod bedroht.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, EAST-West am 05.08.2019 gab der 1.BF an, er fühle sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen. Er sei Staatsangehöriger von Armenien, seine Muttersprache sei Russisch, er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Seine Angaben über die Reiseroute würden der Wahrheit entsprechen. Er möchte noch ergänzen, dass er schon gewusst habe, dass sie ein Visum gehabt hätten, aber er habe nicht gewusst von welchem Land. Er habe auch nicht gewusst, dass sie eventuell durch die Slowakei gefahren seien. Der Schlepper habe sie nach XXXX gebracht und sei schnell weggefahren. Über Befragen, warum er illegal mit Hilfe eines Schleppers gereist sein sollte, wenn er legal reisen konnte, gab der 1.BF an, als sein jüngerer Sohn Probleme bekommen hätte, hätten sie gewollt, dass niemand erfahre, wo sie hinfahren. Er habe sich an einen Mittelsmann gewandt, der für sie die Ausreise organisiert habe. Sie möchten nicht in die Slowakei zurück, die Slowakei grenze an die Ukraine, er befürchte, dass die Verfolger wissen können, dass sie in der Slowakei seien. Seine Verwandten in Armenien hätten ihn zu Hause gesucht, ihnen sei gesagt worden, dass sie mit einem slowakischen Visum ausgereist wären. So habe er nichts gegen die Slowakei.

2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin (in Folge: 2.BF) gab in ihrer Erstbefragung am 30.05.2019 an, sie habe in Österreich oder einem anderen EU-Staat keine Familienangehörigen. Sie habe noch einen Sohn und eine Tochter, beide würden in Russland wohnen. Sie habe 18 Jahre in Russland gelebt, danach habe sie sich ein bis zwei Monate in Armenien aufgehalten und sei über Georgien und die Ukraine in das Gebiet der Europäischen Union gelangt. Österreich sei ihr Zielland gewesen, sie wollen sich einfach verstecken. Als Fluchtgrund gab die

2. BF an, ihr Sohn habe eine Freundin kennen gelernt. Die Familie der Freundin sei gegen diese Beziehung gewesen, sie wären von den Brüdern dieses Mädchens niedergeschlagen und schwer verletzt sowie mit dem Tod bedroht worden.

Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, EAST-West am 05.08.2019, gab die 2.BF an, sie fühle sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen. Ihre Muttersprache sei Jezidisch, aber sie hätte 20 Jahre in Russland gewohnt. Sie habe drei Kinder, das Erste sei nicht von ihrem Mann. Sie bleibe dabei, der Schlepper habe ihnen kein Wort von der Slowakei oder von der slowakischen Botschaft gesagt, sie hätten ihm gesagt, er solle sie einfach nach Europa bringen. Befragt, welche Gründe einer Überstellung in die Slowakei entgegenstünden, gab die 2.BF an, sie seien zu Hause verfolgt und auch zusammengeschlagen worden. Über ihre Verwandten hätten sie erfahren, dass ihre Verfolger wissen, dass sie mit einem slowakischen Visum ausgereist seien. Sie hätten Angst, in die Slowakei zu fahren. Diese Verfolger seien sehr einflussreiche Menschen. Sie hätten auch Verbindungen zu den staatlichen Behörden. Sie hätten bei der Flucht kein Land ausgesucht, aber die Slowakei liege näher an Russland und der Ukraine, sie befürchten, dass die Verfolger sie in der Slowakei finden können.

2.3. Der Drittbeschwerdeführer (in Folge 3.BF) gab in der Erstbefragung am 30.05.2019 an, er habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Er sei nur mit seinen Eltern nach Österreich gereist, in Russland habe er noch einen Bruder und eine Schwester. Zu diesen habe er seit ca. 8 Jahren keinen Kontakt mehr. Er sei vor ca. 20 Tagen in die EU gereist, wo genau könne er nicht sagen. Der Start der Reise sei in Kiew gewesen, wo sie über die Grenze gefahren seien, könne er nicht sagen. Er habe kein bestimmtes Reiseziel gehabt, er habe einfach nur von seinem Dorf ausreisen wollen. Ursprünglich habe er Russland gar nicht verlassen wollen. Er habe ca. 18 Jahre in Russland gelebt, habe sich dann ca. zwei Wochen in Armenien aufgehalten und sei dann über Georgen und die Ukraine in die Europäische Union gelangt. Als Fluchtgrund gab der 3. BF an, er habe eine Freundin gehabt, deren Eltern seien aus religiösen Gründen gegen diese Beziehung gewesen und hätten mit aller Kraft versucht, sie auseinander zu bringen. Sie hätten ihn und seine Familie mit dem Tod bedroht.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, EAST-West, am 05.08.2019, gab der 3.BF an, es gehe ihm physisch nicht so gut, er habe Schmerzen an der rechten Seite seiner Hüfte, er sei aber in der Lage, die Fragen zu beantworten. Er habe die Schmerzen seit gestern, am Vortag sei aber kein Arzt da gewesen, er werde nach der Einvernahme einen Arzt aufsuchen. Er sei Staatsangehöriger von Armenien und nicht verheiratet. Er habe in Armenien nicht viel Zeit verbracht, vielleicht fünf Jahre, danach seien sie nach Russland umgezogen, wo er die meiste Zeit gelebt habe. Er habe erst in Österreich erfahren, dass viele Flüchtlinge ohne Visum hierherkommen. Sie seien unter großem Stress gestanden und hätten so schnell wie möglich wegwollen. Ihre Pässe seien die ganze Zeit beim Schlepper gewesen. Befragt nach Gründen, die einer Ausweisung in die Slowakei entgegenstünden, gab der 3.BF an, über ihre Verwandten hätten sie erfahren, dass die Verfolger wissen, dass sie mit einem slowakischen Visum ausgereist seien. Es könne durchaus sei, dass sie schon jetzt nach ihnen in der Slowakei suchen. Unter den Jeziden sei es auch hier in Österreich zu einem Vorfall gekommen, dass ein Mann seine Ehefrau erstochen habe. Sie seien halt so ein Volk, er befürchte, dass die Polizei nicht rechtzeitig komme, um sie zu beschützen, wenn sie in der Slowakei aufgespürt werden. Er habe gegen die Slowakei als Land nichts. Die Slowakei sei eigentlich ein schönes Land, er würde gerne hinfahren, aber aus den erwähnten Gründen habe er Angst, dorthin zu fahren.

3. Am 03.06.2019 wurden seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge kurz: "BFA") bezüglich der Beschwerdeführer gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EV) Nr. 604/2013 (in Folge kurz: "Dublin-III-VO") Wiederaufnahmeersuchen an die Slowakei gestellt.

Mit Schreiben vom 01.08.2019 stimmte die slowakische Dublin-Behörde der Rückübernahme der Beschwerdeführer gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO zu.

4. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 07.08.2019 wurden I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Slowakei gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 Dublin-III-VO zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 FPG gegen die Beschwerdeführer eine Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass demzufolge deren Abschiebung in die Slowakei zulässig sei.

Diese Bescheide legen in ihrer Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen:

"Allgemeines zum Asylverfahren der Slowakei

In der Slowakei gibt es ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (USDOS 13.4.2016; MINV o.D.; EK o. D.; für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

-

EK - Europäische Kommission (European Migration Network) (o.D.):

Country Fact Sheet Slovakia 2015, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/24a_slovakia_country_factsheet_2015.pdf, Zugriff 3.3.2017

-

MINV - Slowakisches Amt für Migration o.D.): Zámerom migracnej politiky Slovenskej republiky je zabezpecit, http://www.minv.sk/?zamer-migracnej-politiky-slovenskej-republiky, Zugriff 3.3.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Slovakia, http://www.ecoi.net/local_link/322581/462058_de.html, Zugriff 3.3.2017

1. Dublin-Rückkehrer

Der Zugang zum Asylverfahren nach Dublin Rücküberstellung ist vom Stand des Verfahrens in der Slowakei abhängig. Wenn ein Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von der Slowakei im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, wird das Verfahren automatisch wieder aufgenommen. Bei Rückkehrern, die unter Art. 18(1)(d) und 18(2) fallen und welche die Slowakei verlassen haben, bevor sie über eine negative erstinstanzliche Entscheidung informiert werden konnten und die Rechtsmittelfrist verstrichen ist, ist diese Entscheidung endgültig. Der Rückkehrer kann aber einen neuen Antrag stellen, der als Folgeantrag betrachtet wird (EASO 12.2015).

Die Slowakei macht bei der Bereitstellung von Versorgungsleistungen keinen Unterschied zwischen verschiedenen Verfahrensarten. Alle Antragsteller erhalten dieselbe Versorgung (EASO 2.2016).

Quellen:

-

EASO - European Asylum Support Office (12.2015): Quality Matrix

Report: Dublin procedure, per E-Mail

-

EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix

Report: Reception conditions, per E-Mail

2. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

Mitte 2015 wurde festgelegt, dass unbegleitete Minderjährige während ihres gesamten Verfahrens in Kinderschutzeinrichtungen untergebracht werden sollen (USDOS 13.4.2016; vgl. EK o.D.).

Weitere gesetzliche Änderungen betrafen u.a. die Einführung einer finanziellen Beihilfe um die Unabhängigkeit von UMA in Betreuungseinrichtungen zu steigern. Wenn ein UMA sich unerlaubt aus dem Heim entfernt und nicht binnen 7 Tagen zurückkehrt, wird dessen Asylverfahren ausgesetzt. Für Asylwerber mit speziellen Bedürfnissen wurden Vorkehrungen getroffen, wie etwa die Möglichkeit das Asylinterview zu verschieben. Dazu wurde die Dokumentation verbessert und ein Register geschaffen, dem alle Akteure wichtige Informationen, wie eben Vulnerabilität und damit verbundene spezielle Bedürfnisse, entnehmen und entsprechend berücksichtigen können - etwa bei der Unterbringung und Betreuung. 2015 gab es in der Slowakei 26 Fälle unbegleiteter Minderjähriger, von denen 5 einen Asylantrag stellten (EK o.D.).

Quellen:

-

EK - Europäische Kommission (European Migration Network) (o.D.):

Country Fact Sheet Slovakia 2015, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/24a_slovakia_country_factsheet_2015.pdf, Zugriff 3.3.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Slovakia, http://www.ecoi.net/local_link/322581/462058_de.html, Zugriff 3.3.2017

3. Non-Refoulement

Die slowakischen Gesetze sehen vor, dass das Wohlergehen einzelner Antragsteller bei Außerlandesbringungen in Nicht-EU-Länder nicht gefährdet sein darf. Einige Beobachter kritisieren, die verantwortliche Grenz- und Fremdenpolizei verfüge nicht über die notwendigen Informationen, dies zu beurteilen. Die Slowakei kennt subsidiären Schutz für Antragsteller, die sich nicht für internationalen Schutz qualifizieren, deren Außerlandesbringung aber aufgrund administrativer Probleme oder Sicherheitsbedenken nicht möglich ist (USDOS 13.4.2016).

Darüber hinaus gibt es in der Slowakei noch die Möglichkeit eines humanitären Schutzes (EK 12.2015).

Quellen:

-

EK - Europäische Kommission (European Migration Network) (12.2015): EMN Focussed Study 2015. Integration of beneficiaries of international/humanitarian protection into the labour market. policies and good practices. Contribution of the Slovak Republic, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/24a_slovak_integration_of_beneficiaries_of_international_protection_en.pdf, Zugriff 3.3.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Slovakia, http://www.ecoi.net/local_link/322581/462058_de.html, Zugriff 3.3.2017

4. Versorgung

Zur Erstaufnahme verfügt die Slowakei über 550 Unterbringungsplätze im Zentrum Humenne, in dem sich jeder Antragsteller einer 20-tägigen medizinischen Quarantänephase unterziehen muss. Das Zentrum darf währenddessen nicht verlassen werden. Danach erfolgt eine Verlegung in eines der beiden offenen Unterbringungszentren Opatovská Nová Ves oder Rohovce. Diese haben eine Kapazität von je 140 Plätzen (in Summe 280 Plätze); Opatovská Nová Ves ist für vulnerable Gruppen reserviert (EASO 2.2016).

In den Unterbringungszentren erhalten die Antragsteller außerdem Verpflegung, Hygieneartikel, Krankenversorgung und psychosoziale Betreuung sowie ein Taschengeld (EK 2016). Da die Antragsteller alle notwendigen Sachleistungen im Rahmen der Unterbringung kostenlos erhalten, beträgt das Taschengeld EUR 0,40 pro Tag für einen Erwachsenen und EUR 0,27 pro Tag für ein Kind (EASO 2.2016).

Seit Juli 2015 haben Asylwerber bereits nach neun Monaten ohne Arbeitserlaubnis Zugang zum Arbeitsmarkt (zuvor 12 Monate) (EK o. D.).

Quellen:

-

EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix

Report: Reception conditions, per E-Mail

-

EK - Europäische Kommission (European Migration Network) (o.D.):

Country Fact Sheet Slovakia 2015, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/24a_slovakia_country_factsheet_2015.pdf, Zugriff 3.3.2017

-

EK - Europäische Kommission (European Migration Network) (2016):

EMN Study 2016. Resettlement and Humanitarian Admission Programmes in Europe - What Works?,

https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/networks/european_migration_network/reports/docs/emn-studies/emn-studies-24a_slovak_republic_resettlement_study_en.pdf, Zugriff 3.3.2017

5. Schutzberechtigte

International Schutzberechtigte besitzen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in der Slowakei (EK 12.2015). Subsidiär Schutzberechtigte müssen ihren Schutzstatus nach einem Jahr erneuern lassen, danach alle zwei Jahre (USDOS 13.4.2016). Erst nach 5 Jahren kommen sie für einen dauerhaften Aufenthalt infrage. Neben internationalem Schutz und subsidiärem Schutz gibt es in der Slowakei noch die Möglichkeit eines humanitären Schutzes. Wer diese Schutzform genießt, hat ein Recht auf dieselben Integrationsmaßnahmen wie andere Inhaber eines Schutzstatus, außer der Familienzusammenführung (EK 12.2015).

2015 wurde ein Integrationsprogramm für subsidiär Schutzberechtigte und anerkannte Flüchtlinge gestartet - zunächst als Interimsprojekt bis 2017. Im Fokus des Programms stehen Unterbringung, Arbeit und Bildung (EK o.D.).

In der Slowakei gab es 2015 330 Asylanträge, von denen acht Asylstatus und 41 subsidiären Schutz erhielten. Im selben Jahr gab es in der Slowakei 120 Asylberechtigte (internationaler Schutz und Subschutz), die aktiv bei der Integration unterstützt wurden, hauptsächlich durch Vertragspartner des slowakischen Innenministeriums (NGOs), jedoch ohne systemischen Ansatz. Besonderer Wert wurde dabei auf Unterbringung, Sprachkurse für Slowakisch, Arbeitssuche und psychosoziale sowie rechtliche Beratung gelegt. Es gibt auch Zugang zu Jobtrainings. Gerade die Integration in den Arbeitsmarkt wird als einer der wichtigsten Faktoren der Integration betrachtet. Daher gelten alle Inhaber eines Schutzstatus in der Slowakei als "benachteiligte Arbeitnehmer" und brauchen damit keine Arbeitserlaubnis - sie dürfen sofort mit Erhalt ihres Schutzstatus arbeiten. Dennoch haben sie Probleme Arbeit zu finden und ihre Beschäftigungsrate ist weiter sehr niedrig, was vor allem auf die Sprachbarriere zurückgeführt wird.

Es gibt Berichte über subsidiär Schutzberechtigte mit beschränktem Zugang zu medizinischer Versorgung. Das Innenministerium gibt die Krankenversicherungsdokumente direkt an die Subschutzberechtigten aus, was manchmal zu Verwirrung bei den Gesundheitsdienstleistern führt, die nicht wissen, welche Behandlung durch diese Dokumente abgedeckt ist (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

EK - Europäische Kommission (European Migration Network) (o.D.):

Country Fact Sheet Slovakia 2015, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/24a_slovakia_country_factsheet_2015.pdf, Zugriff 3.3.2017

-

EK - Europäische Kommission (European Migration Network) (12.2015): EMN Focussed Study 2015. Integration of beneficiaries of international/humanitarian protection into the labour market. Policies and good practices. Contribution of the Slovak Republic, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/24a_slovak_integration_of_beneficiaries_of_international_protection_en.pdf, Zugriff 3.3.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Slovakia, http://www.ecoi.net/local_link/322581/462058_de.html, Zugriff 3.3.2017"

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen worden wären, werde angeführt, dass diese - soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums beziehe - aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die Identität der Beschwerdeführer stehe aufgrund ihres Visums und des bei der slowakischen Botschaft in Kiew vorgelegten Reisepasses fest. Dass die Beschwerdeführer an schweren lebensbedrohenden Krankheiten leiden würden, sei weder behauptet worden noch aus der Aktenlage ersichtlich.

Der Besitz eines vom 19.05.2019 bis 11.06.2019 gültigen slowakischen Schengen-Visums, ergebe sich aus einer am 31.05.2019 getätigten Visa-Abfrage. Die Slowakei habe sich mit Schreiben vom 01.08.2019 gemäß Artikel 12 Absatz 2 der Dublin-Verordnung für Zuständig erklärt. Den Beschwerdeführern werde nicht geglaubt, dass sie von Georgien aus schlepperunterstützt weitergereist wären, da aufgrund der Fingerabdrücke zweifelsfrei feststehe, dass das auf dem Abgleichsbericht zur Visa-Abfrage erkennbare Lichtbild jeweils die Beschwerdeführer zeige und letztendlich das slowakische Schengen-Visum aufgrund der vom österreichischen Attace übermittelten Reisepasskopien und des Schriftverkehrs mit der slowakischen Botschaft in Kiew bestätigt werde. Es gebe somit keinen plausiblen Grund, dass die Beschwerdeführer dann hätten illegal reisen müssen.

Sollten die Behauptungen, dass den Beschwerdeführern durch ihre Verfolger auch in der Slowakei Gefahr drohe, der Wahrheit entsprechen, so wäre die Slowakei im Falle einer Bedrohung als Mitgliedstaat der EU selbstverständlich in der Lage und willens, die Beschwerdeführer vor allfälligen Übergriffen Privater zu schützen. Es stehe diesen offen, sich an die dortigen Sicherheitsbehörden zu wenden. Im Falle von Übergriffen könne von einer ausreichenden Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Sicherheitskräfte in der Slowakei ausgegangen werden bzw. bestehe kein Hinweis für eine Duldung von Übergriffen oder für eine mangelnde Bereitschaft bzw. Fähigkeit der Sicherheitskräfte, Schutz zu gewähren.

Den Angaben der Beschwerdeführer habe nicht entnommen werden können, dass diese tatsächlich konkret Gefahr liefen, in der Slowakei Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. Sie seien daher bei einer Überstellung in die Slowakei keiner dem Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt.

Im Übrigen habe sich kein Hinweis ergeben, dass durch eine Außerlandesbringung der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise in deren im Sinne des Art. 8 EMRK gewährleistetes Recht auf Achtung des Familien- und des Privatlebens eingegriffen werden würde.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 07.08.2019 wurde den Beschwerdeführern gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG mitgeteilt, dass ihnen für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt werde.

6. Gegen die Bescheide des Bundesamtes richtet sich die vorliegende im Namen aller Beschwerdeführer fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, im konkreten Fall wäre eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob den Beschwerdeführern "in Italien" eine Verletzung ihrer durch Artikel 3 gewährleisteten Rechte drohe, erforderlich gewesen. Eine solche sei von der belangten Behörde nicht durchgeführt worden. Die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen zur Situation in der Slowakei seien unvollständig, unzureichend, einseitig und nicht mehr aktuell. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass eine Abschiebung der Beschwerdeführer in die Slowakei eine Verletzung der durch Artikel 3 EMRK und Artikel 4 GRC gewährleisteten Rechte darstellen würde und somit zwingend das Selbsteintrittsrecht auszuüben sei. Auch leide die 2.BF unter einer Gonarthrosis dext. posttramatica cum Limitatio motilitatis. Laut Bericht des XXXX Klinikums vom 05.08.2019 sei sie aufgrund der Einschränkung durch diese Erkrankung als durchaus gesundheitlich vulnerabel zu bezeichnen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Armenien, lebten aber etwa die letzten 18 Jahre in Russland. Von dort reisten sie über Armenien, Georgien, die Ukraine über eine unbekannte Reiseroute nach Österreich, wo sie am 30.05.2019 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz einbrachten. Die Beschwerdeführer waren bei ihrer Einreise jeweils in Besitz eines slowakischen Schengen-Visums der Kategorie C, gültig von 19.05.2019 bis 11.06.2019. Am 03.06.2019 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein auf Artikel 12 Absatz 2 oder 3 Dublin-III-Verordnung gestütztes Aufnahmeersuchen an die Slowakei. Mit Schreiben vom 01.08.2019 stimmte die slowakische Dublin-Behörde dem Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.

Besondere, in der Person der beschwerdeführenden Parteien gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in der Slowakei sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung in die Slowakei Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Die Beschwerdeführer leiden an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie verfügen in Österreich weder über private noch familiäre Anknüpfungspunkte.

Die 2.BF suchte am 05.08.2019 das XXXX Klinikum auf. Im Erstbericht wird festgestellt wie folgt:

"Anamnese:

Die Pat. kommt mit Überweisung vom Asyl-Erstaufnahmezentrum. Anamnestisch Autoanfahrunfall vor 18 Jahren mit Fraktur des re. Oberschenkels u. li. Unterschenkels. Der Oberschenkel wurde damals mit intramedullärem Nagel operiert, Nagelentfernung ca. 1 Jahr postoperativ, danach deutliche Bewegungseinschränkung im Kniegelenks. Mittels physiotherapeutischen Maßnahmen konnte die Beweglichkeit im Kniegelenk bis ca. 50° erreicht werden, sodass in den letzten 12 Jahren die gleiche Bewegungseinschränkung mit Schmerzen bei der Kniebelastung bestehen.

Diagnose:

Gonarthrosis dext. Posttraumatica cum Limitatio motilitatis

Befund:

Klinisch zeigt sich das Kniegelenk äußerlich unauffällig, keine wesentliche Druckdolenz im Gelenksbereich, das Gelenk ist seitenbandstabil. Bewegung bei S 0-5-50°. Periphere D+M+S in Ordnung. Negative Meniskuszeichen. Die Pat. klagt auch über leichtgradige Hüftschmerzen, im Hüftgelenk ist die Beweglichkeit ohne wesentliche Einschränkungen. Rotationsschmerz insbesondere bei Innenrotation. Kein Trochanter-Klopfschmerz, kein Leistendruckschmerz."

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften und wurden von den beschwerdeführenden Parteien nicht bestritten.

Aufgrund der vorliegenden Treffen in der VIS-Datenbank steht fest, dass die Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich am 30.05.2019 jeweils über ein gültiges Schengen-Visum Typ C verfügten. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführer in Besitz eines kürzlich abgelaufenen Visums für die Slowakei sind, ergibt sich auch aus ihren eigenen Angaben sowie aus dem Antwortschreiben der slowakischen Behörden.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführer seitens der Slowakei ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der slowakischen Dublinbehörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil der Verwaltungsakte.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren (siehe Punkt 3.3.3.).

Hinsichtlich des 1. und des 3.BF wurden keine Krankheiten behauptet und auch keine Befunde vorgelegt.

Die 2.BF gab in ihren Einvernahmen ebenfalls keine Erkrankung an, legte allerdings mit der Beschwerde eine ärztliche Bestätigung des XXXX Klinikums vor. Demnach hat sie dort am 05.08.2019 die Ambulanz aufgesucht wegen Beschwerden aufgrund eines Autounfalls vor 18 Jahren (!). In der Folge wurde dort eine Arthrose im Knie mit Bewegungseinschränkung eines Gelenkes festgestellt.

Es handelt sich hier um keineswegs um eine lebensbedrohliche Erkrankung und war auch kein Spitalsaufenthalt notwendig.

Eine die Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in der Slowakei wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen in Punkt 3.3.2.).

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Aus den in den angefochtenen Bescheiden dargestellten Länderinformationen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass das slowakische Asylverfahren grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in der Slowakei den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidungen zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welchen den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, haben die Beschwerdeführer sohin nicht dargetan.

Die Feststellungen hinsichtlich privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der Beschwerdeführer in Österreich basieren auf den Auskünften aus dem zentralen Melderegister, aus dem Betreuungsinformationssystem, aus dem Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister und auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführer.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2018 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z.1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z.1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.

2: das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) lauten:

Art. 3 Abs. 1:

"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird."

Art. 7 Abs. 1 und 2:

"(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt."

Art. 12:

"(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) ...

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Abs. 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde."

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit der Slowakei ergibt. Dies folgt aus den Regelungen des Art. 12 Dublin III-Verordnung.

Im Übrigen sprach der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich, aus, Art. 19 Abs. 2 Dublin II-Verordnung ist dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Nach dieser Rechtsprechung regeln also die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-Verordnung die subjektiven Rechte der Mitgliedstaaten untereinander, begründen aber kein subjektives Recht eines Asylwerbers auf Durchführung seines Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat der Union. Im Übrigen sieht in ähnlicher Weise auch die österreichische Rechtsordnung kein subjektives Recht eines Asylwerbers auf Durchführung seines Asylverfahrens in einem bestimmten Bundesland vor, sondern es obliegt vielmehr die Auswahl der jeweils zuständigen Regionaldirektion des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl entsprechend den sachlichen Notwendigkeiten allein dieser Behörde.

3.3. Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre:

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11, Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn. 36, 37).

Somit ist unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und - soweit damit noch notwendig und vereinbar - aus menschenrechtlichen Erwägungen, ob der Beschwerdeführer im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und seiner Außerlandesbringung nach Ungarn gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG - unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation - in seinen Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würden, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist, wie ihn EGMR und VfGH auslegen.

Im Einzelnen war unter diesen Prämissen wie folgt zu erwägen:

3.3.1. Mögliche Verletzung des Art. 7 GRC bzw. 8 EMRK:

Im gegenständlichen Fall haben die Beschwerdeführer laut eigenen Angaben keine Angehörigen in Österreich, weshalb durch die Überstellung in die Slowakei bereits definitionsgemäß kein Eingriff in das Recht auf Familienleben vorliegt. Ebenso wenig sind - schon aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer - schützenswerte Aspekte des Privatlebens hervorgekommen, wie beispielsweise eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer (vgl. VfGH 26.02.2007, Z. 1802,1803/06-11). Derartige Umstände sind von den Beschwerdeführern auch zu keinem Zeitpunkt behauptet worden.

3.3.2. Kritik am slowakischen Asylwesen/der Situation in der Slowakei:

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren).

Solche qualifizierten Defizite (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind auf Basis der Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht erkennbar.

Die Ausführungen in der Beschwerde sind letztlich nicht geeignet, die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zu entkräften. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für in die Slowakei überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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