TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/6 W260 2190229-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.09.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W260 2190229-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2018, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.11.2018 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX alias XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX alias XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX alias XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer"), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 18.12.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der Erstbefragung am selben Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi an, dass er afghanischer Staatsangehöriger wäre, der Volksgruppe der Hazara angehören würde und schiitischer Moslem wäre. Seine Muttersprache wäre Dari. Die Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern des Beschwerdeführers würden in Pakistan leben. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater für die afghanische Regierung gearbeitet hätte. Als die neue Regierung an die Macht gekommen sei, hätten sie seinen Vater töten wollen. Die Familie wäre daher nach Pakistan geflüchtet. Dort hätten sie sich illegal aufgehalten und keine Arbeit bekommen. Der Beschwerdeführer hätte auch Angst gehabt, wieder nach Afghanistan zurückkehren zu müssen, daher wäre er nach Europa gereist.

3. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 27.08.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und in Anwesenheit seines Rechtsberaters niederschriftlich einvernommen.

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.09.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz sei gemäß Art. 13 (1)/ 22.7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Kroatien zuständig (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 FPG 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge sei gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 seine Abschiebung nach Kroatien zulässig (Spruchpunkt II.).

5. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung fristgerecht Beschwerde. Am 16.02.2017 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein.

6. Mit hg. Erkenntnis vom 21.04.2017 wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

7. Der Beschwerdeführer wurde am 23.11.2017 vor der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie in Anwesenheit einer Vertrauensperson niederschriftlich einvernommen. Er legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.

Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, dass er an Depressionen leide und Medikamente nehmen würde. Er wäre ledig, schiitischer Moslem, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und in der Provinz Kabul in Afghanistan geboren. Seit dem Alter von zwei Jahren hätte er mit seiner Familie in Pakistan gelebt und wäre von dort aus nach Österreich gekommen. Er hätte in Pakistan sechs Jahre lang die Schule besucht und dann eine Ausbildung zum Automechaniker gemacht sowie als Verkäufer gearbeitet.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er hätte in Pakistan keinen Aufenthaltsstatus gehabt, deshalb wäre er nach Österreich gekommen. In Pakistan wäre sein Leben nicht geschützt worden. Im Alter von 15 Jahren wäre er in Pakistan vergewaltigt worden. In Afghanistan wäre sein Vater "zur Zeit der Kommunisten" Berater beim Sicherheitsdienst gewesen. Nach der Machtübernahme durch fanatische Moslems wäre sein Vater zum Tode verurteilt worden und würde dies nach islamischem Recht auch für seine Kinder gelten. Nach Afghanistan würde er daher nicht zurückkehren können. In Österreich wäre er zudem schon gut integriert. Er wäre jetzt auch Christ. Seit ungefähr 18 Monaten würde er sich mit dem Christentum beschäftigen. Er würde sonntags in die Kirche gehen und "den Glauben im Herzen" tragen. Der Beschwerdeführer würde die evangelische Kirche besuchen.

8. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16.02.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle der Rückkehr führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung mit maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe habe, in Afghanistan glaubhaft zu machen.

9. Der Beschwerdeführer erhob gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang und monierte, seine Fluchtgründe würden in der Verfolgung aus religiösen Gründen bzw. wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bestehen. Der Beschwerdeführer hätte den Großteil seines Lebens in Pakistan verbracht. Er befürchte Verfolgung wegen seiner verwestlichten Lebenseinstellung und wegen seiner Ablehnung des Islam, weil er in Österreich zum Christentum konvertiert wäre. Es wäre nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass es sich bei der Hinwendung des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben um kein ernsthaftes Interesse handle. Er hätte seinen regelmäßigen Kirchenbesuch, sein Engagement in der Kirchengemeinde und sein Wissen über die Grundsätze des christlichen Glaubens nachgewiesen. Der Beschwerdeführer legte eine Bestätigung des Pfarrers der Evangelischen XXXX vom 01.03.2018 vor, wonach der Beschwerdeführer getauft werden möchte, den Taufunterricht und den Evangelischen Gottesdienst besuchen möchte.

10. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 23.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

11. Mit Schreiben vom 20.11.2018 legte der Beschwerdeführer namens seiner bevollmächtigen Vertretung eine pfarramtliche Bestätigung der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX vom 05.11.2018 sowie ein Schreiben über die Aufnahme in den Taufkurs vom 15.03.2018 vor.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.11.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines bevollmächtigten Rechtsberaters, einer Vertrauensperson und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Pfarrer XXXX wurde als Zeuge befragt. Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Beweismitteln vor.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 23.11.2018; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018; Auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan von 06/2018, Seiten 21-25; Auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan von 06/2018, Seiten 98-109; Schreiben UNHCR an BVwG vom 05.10.2018; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018, AFGHANISTAN, Lage in Herat und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017, AFGHANISTAN, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan.

Den Parteien des Verfahrens wurde die Möglichkeit gegeben, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen und innerhalb einer Frist von einer Woche eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

13. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung mit Schreiben vom 04.12.2018 eine schriftliche Stellungnahme zu dem vom Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eingebrachten Länderberichtsmaterial.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

14. Mit Schreiben vom 17.06.2019 übermittelte der Beschwerdeführer namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung seinen Taufschein der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX vom 02.06.2019 in Kopie.

15. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2019 wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs aktuelles Länderberichtsmaterial übermittelt und zwar das Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 29.06.2018 samt letzter Kurzinformation vom 04.06.2019.

Weiters wurde der Beschwerdeführer in diesem Schreiben aufgefordert etwaige aktuelle Integrationsunterlagen, sowie etwaige Krankenunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln. Den Verfahrensparteien wurde eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen eingeräumt.

16. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Vertretung mit Schreiben vom 06.08.2019 eine Stellungnahme und führte aus, die Verfolgung, die er im Falle einer Abschiebung ausgesetzt wäre, wäre aus den Länderberichten deutlich ersichtlich, ebenso wie er in der Verhandlung die Hintergründe seiner Bekehrung und seines Glaubens ausführlich und lebensnah dargestellt hätte. Er würde aus religiösen Gründen verfolgt werden, da der Glaubensabfall in der auf der Sharia basierenden afghanischen Gesetzgebung ein schweres Verbrechen darstellen würde. Er wäre aber auch aufgrund seiner westlichen Lebensausrichtung, die der konservativ-islamischen Gesellschaftsordnung in Afghanistan widerspreche, verfolgt. Dem Schreiben wurde nochmals der Taufschein des Beschwerdeführers vom 02.06.2019 in Kopie beigelegt.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des eingebrachten Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im gesamten Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt und der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX alias XXXX und er wurde am XXXX in Afghanistan geboren. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist gesund und ledig. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer zog im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie nach Pakistan, wo er aufwuchs, die Schule besuchte und eine Lehre zum Automechaniker absolvierte. Bis zu seiner Ausreise ins Bundesgebiet lebte der Beschwerdeführer in Pakistan.

Die Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben in Pakistan.

Der Beschwerdeführer ist als schiitischer Moslem aufgewachsen und er bekannte sich auch noch bei seiner Ersteinvernahme vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.12.2015 zu dieser Glaubensrichtung.

In seiner Einvernahme bei der belangten Behörde am 23.11.2017 bekannte sich der Beschwerdeführer erstmals zum christlichen Glauben. Auch in der Beschwerdeverhandlung erklärte er seine Hinwendung zum Christentum.

Festgestellt wird, dass sich der Beschwerdeführer nach seiner Einreise in Österreich dem Christentum zuwandte und als evangelischer Christ praktiziert.

Der Beschwerdeführer kam in Österreich erstmalig über einen Mann namens XXXX , der dem Beschwerdeführer in der Flüchtlingsunterkunft Deutschunterricht erteilt hat, mit dem Christentum in Kontakt. Daraufhin begann er sich für diese Religion zu interessieren. XXXX nahm den Beschwerdeführer zu Veranstaltungen in eine evangelische Kirche in XXXX mit und der Beschwerdeführer baute Kontakte zur dortigen Pfarrgemeinde auf. Nach seinem Umzug fand er in XXXX eine Kirchengemeinde, die er nach wie vor besucht. Der Beschwerdeführer nahm und nimmt an den Messen teil und besucht Veranstaltungen wie das Pfarrkaffee. Die ruhige Atmosphäre und die netten Menschen in der evangelischen Gemeinde beindruckten den Beschwerdeführer und er kam Anfang 2018 zu der Überzeugung, Christ sein zu wollen. Der Beschwerdeführer besuchte ab 15.03.2018 einen wöchentlichen Taufvorbereitungskurs, setzte sich mit der Bibel auseinander und eignete sich erstes Wissen und Verstehen des christlichen Glaubens an.

Am 02.06.2019 wurde der Beschwerdeführer in der XXXX in XXXX evangelisch A.B. getauft.

Der Beschwerdeführer hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben hingewandt. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seinen christlichen Glauben in seinem Herkunftsstaat Afghanistan verleugnen würde

Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Zuwendung zum Christentum physische und/oder psychische Gewalt droht. Dem Beschwerdeführer steht als vom Islam Abgefallener keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 04.06.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017, AFGHANISTAN, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan, enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.2.1. Rechtsschutz/Justizwesen:

Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof (Stera Mahkama, Anm.), den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind. Die wichtigste religiöse Institution des Landes ist der Ulema-Rat, eine nationale Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. den Präsidenten in islamrechtlichen Angelegenheiten berät und Einfluss auf die Rechtsformulierung und die Auslegung des existierenden Rechts hat.

Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.:

Scharia] als auch auf dem nationalen Recht; letzteres wurzelt in den deutschen und ägyptischen Systemen. Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt. Ein Beispiel dieser Komplexität ist das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist. Die Organe der afghanischen Rechtsprechung sind durch die Verfassung dazu ermächtigt, sowohl das formelle als auch das islamische Recht anzuwenden.

Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich. Dem Gesetz nach gilt für alle Bürger/innen die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, beim Prozess anwesend zu sein und Rechtsmittel einzulegen; jedoch werden diese Rechte nicht immer respektiert. Bürger/innen sind bzgl. ihrer Verfassungsrechte oft im Unklaren und es ist selten, dass Staatsanwälte die Beschuldigten über die gegen sie erhobenen Anklagen genau informieren. Die Beschuldigten sind dazu berechtigt, sich von einem Pflichtverteidiger vertreten und beraten zu lassen; jedoch wird dieses Recht aufgrund eines Mangels an Strafverteidigern uneinheitlich umgesetzt. In Afghanistan existieren keine Strafverteidiger nach dem westlichen Modell; traditionell dienten diese nur als Mittelsmänner zwischen der anklagenden Behörde, dem Angeklagten und dem Gericht. Seit 2008 ändert sich diese Tendenz und es existieren Strafverteidiger, die innerhalb des Justizministeriums und auch außerhalb tätig sind.

Gemäß einem Bericht der New York Times über die Entwicklung des afghanischen Justizwesens wurden im Land zahlreiche Fortbildungskurse für Rechtsgelehrte durch verschiedene westliche Institutionen durchgeführt. Die Fortbildenden wurden in einigen Fällen mit bedeutenden Aspekten der afghanischen Kultur (z. B. Respekt vor älteren Menschen), welche manchmal mit der westlichen Orientierung der Fortbildenden kollidierten, konfrontiert. Auch haben Strafverteidiger und Richter verschiedene Ausbildungshintergründe: Während Strafverteidiger rechts- und politikwissenschaftliche Fakultäten besuchen, studiert der Großteil der Richter Theologie und islamisches Recht.

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem das Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, die Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte.

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht). Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz im Fall eines Konflikts zwischen dem traditionellen islamischen Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen.

Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten. Bei Angelegenheiten, wo keine klar definierte Rechtssetzung angewendet werden kann, setzen Richter und lokale Schuras das Gewohnheitsrecht (welches auch nicht einheitlich ist, Anm.) durch.

Die Unabhängigkeit des Justizwesens ist gesetzlich festgelegt; jedoch wird die afghanische Judikative durch Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquate Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert. Rechtsstaatliche (Verfahrens-)Prinzipien werden nicht konsequent angewandt. Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Fähigkeit die hohe Anzahl an neuen und novellierten Gesetzen einzugliedern und durchzuführen. Der Zugang zu Gesetzestexten wird zwar besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt aber für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben, erhöht sich weiterhin. Im Jahr 2017 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit auf 1.000 geschätzt, davon waren rund 260 Richterinnen. Hauptsächlich in unsicheren Gebieten herrscht ein verbreiteter Mangel an Richtern und Richterinnen.

Korruption stellt weiterhin ein Problem innerhalb des Gerichtswesens dar; Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen, um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken. Wegen der Langsamkeit, der Korruption, der Ineffizienz und der politischen Prägung des afghanischen Justizwesens hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in die Judikative. Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das "Anti-Corruption Justice Center" (ACJC), um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren. Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit.

1.2.2. Religionsfreiheit:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan.

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi- Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung.

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert.

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert; so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion. Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze.

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht- muslimischen Glauben deklariert. Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen.

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen.

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben.

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt.

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet.

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung. Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen.

1.2.3. Christen und Konversionen zum Christentum:

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden. Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft und wird von der katholischen Mission betrieben. Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde. Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht. Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen. Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben.

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen; ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv. Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt. Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv.

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen. Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften. Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben.

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden.

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus. Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie. Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar.

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie. Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam.

1.2.4. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018:

"b) Konversion vom Islam

Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie, also als Glaubensabfall betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tode bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, sie fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten "ungeheuerlichen Straftaten", die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen. Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist. Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grundes und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren. Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten, müssen Berichten zufolge um ihre persönliche Sicherheit fürchten. Bekehrungsversuche, um Personen zum Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion zu bewegen, sind Berichten zufolge laut der Hanafi Rechtslehre ebenfalls rechtswidrig und es stehen darauf dieselben Strafen wie für Apostasie. Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können, so wird berichtet, selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. In der Regel haben Beschuldigte laut Berichten indes keinen Zugang zu einem Verteidiger oder zu anderen Verfahrensgarantien."

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Fluchtgründen:

2.1.1. Die Feststellungen zum Namen, Geburtsdatum und zum Geburtsort, zur Staatsangehörigkeit und zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Herkunft sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt der vorgelegten Schriftstücke sowie den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht. Im Übrigen ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers Zweifel aufkommen ließ.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.1.2. Die Feststellungen hinsichtlich der Hinwendung zum Christentum, konkret zur evangelischen Kirche, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers insbesondere in der Beschwerdeverhandlung, auf die Aussagen des glaubwürdigen Zeugen Pfarrer XXXX , in der Beschwerdeverhandlung, und die vorgelegten Beweismittel, nämlich den Taufschein der Pfarre XXXX vom 02.06.2019, dem Schreiben der Pfarre XXXX vom 15.03.2018, wonach der Beschwerdeführer in den Taufkurs aufgenommen wurde, dem Schreiben der Pfarre XXXX vom 05.11.2018, sowie der Bestätigung der Pfarre an der Evangelischen XXXX vom 01.03.2018. An der Echtheit der vorgelegten Dokumente bestehen keine Zweifel.

Aus der Bestätigung des Pfarrers XXXX der Evangelischen XXXX vom 01.03.2018 geht hervor, dass der Beschwerdeführer mit ihm am 27.02.2018 Kontakt aufgenommen hat und seinen Wunsch geäußert hat, evangelische Gottesdienste sowie den Taufunterricht zu besuchen und sich taufen zu lassen. Der Beschwerdeführer wurde hinsichtlich des Taufkurses an Pfarrer XXXX , den Pfarrer der Evangelischen XXXX , verwiesen. Das vorgelegte Schreiben deckt sich inhaltlich und zeitlich mit den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung, wonach er Anfang 2018 erstmals öffentlich ausgesprochen hat, Christ sein zu wollen (vgl. S 20 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 28.11.2018).

Dem Schreiben von Pfarrer XXXX vom 05.11.2018 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit Juni 2018 regelmäßig an einem einjährigen Taufkurs in der XXXX teilnimmt, sich aktiv am kirchlichen Leben der Pfarrgemeinde beteiligt, regelmäßig den Gottesdienst besucht und beim Kirchenkaffee Kontakt mit alteingesessenen Gemeindemitgliedern hat.

Aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung lässt sich ableiten, dass er sich während seines Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung, faktisch und für Dritte wahrnehmbar zum christlichen Glauben hingewandt hat und die Konversion nicht bloß zum Schein erfolgen soll, und dass der Beschwerdeführer ein fortgesetztes Interesse und einen Willen zur Ausübung des christlichen Glaubens hat:

Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung ein gutes inhaltliches Wissen vom christlichen Glauben darlegen, das eine vorhergehende Auseinandersetzung mit diesem voraussetzt. Er konnte diverse Fragen zum christlichen Glauben und auch zu den Unterschieden zwischen katholischer und evangelischer Kirche z.B. zu den Teilen der Bibel, zu den zehn Geboten, zu christlichen Feiertagen und zu Martin Luther einwandfrei beantworten (vgl. S 22 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 28.11.2018). Der Beschwerdeführer hat sich auch nicht auf die Wiedergabe von leicht verfügbarem Faktenwissen beschränkt, sondern sich glaubhaft darauf berufen, dass der christliche Glaube für sein Leben eine tragende Bedeutung hat und dass er danach leben möchte. Das selbstständige Handeln des Beschwerdeführers, sowohl hinsichtlich seiner Suche nach Anschluss in einer christlichen Gemeinde, die Besuche der Gottesdienste und kirchlichen Veranstaltungen, wie auch das Studium der Bibel sprechen dafür, dass der Beschwerdeführer sich aus innerer Überzeugung zum christlichen Glauben hingewandt hat, was auch die Aussagen des Zeugen in der Beschwerdeverhandlung belegen. Pfarrer XXXX schildert ausführlich, dass sich der Beschwerdeführer an ihn gewandt hat, um getauft zu werden. In einem Gespräch wurden die Beweggründe und der Ablauf der Taufvorbereitung erörtert und der Beschwerdeführer hat dem Pfarrer glaubhaft dargelegt, dass er insbesondere von der Freundlichkeit, die ihm in der evangelischen Gemeinde widerfahren ist, beeindruckt war. Pfarrer XXXX machte mit seiner Zeugenaussage deutlich, dass das gelebte Christentum der Menschen und weniger inhaltliche Gründe den Beschwerdeführer zum evangelischen Glauben geführt haben. Das inhaltliche Wissen hat sich der Beschwerdeführer dann im Laufe des Taufkurses angeeignet (vgl. S 26 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 28.11.2018). Diese Aussagen überzeugen das erkennende Gericht umso mehr davon, dass der Übertritt zum Christentum kein überstürzter und lediglich zu Zwecken der Asylgewährung gesetzter Schritt des Beschwerdeführers war, sondern dass er langsam in die Rolle eines evangelischen Christen hineingewachsen ist und er durch die gelebten Grundsätze des Christentums wie Liebe, Güte und Barmherzigkeit seiner Mitmenschen zum evangelischen Glauben hingeführt wurde.

Die vorgelegte Taufbestätigung vom 02.06.2019 rundet das Bild ab, wonach der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung und persönlichem Wunsch den evangelischen Glauben angenommen hat, hat auch der Zeuge Pfarrer XXXX in der mündlichen Verhandlung klargestellt, mit dem Beschwerdeführer vor Zulassung der Taufe im Mai 2019 ein weiteres Gespräch führen zu wollen.

In einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers im Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan aus Gründen der Konversion vom Islam zum Christentum insgesamt glaubhaft.

Es ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage sein würden, dem Beschwerdeführer vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

2.1.3. Eine weitere beweiswürdigende Auseinandersetzung wegen einer behaupteten asylrelevanten Verfolgung wegen "westlicher Lebenseinstellung" konnten unterbleiben.

2.2. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben, dies trifft insbesondere auch auf die zitierten UNHCR-Richtlinien zur Konversion zu.

Die Parteien des Verfahrens haben alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme vom erkennenden Gericht übermittelt bekommen und haben von diesem Recht auch teilweise Gebrauch gemacht. Die vom Beschwerdeführer in seinen Stellungnahmen zitierten Länderinformationen finden Großteils Deckung in dem von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erstellten Länderinformationen zu Afghanistan. Insoweit es hier Abweichungen zu den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen gibt, wird dem entgegengehalten, dass diese Länderinformationen der Staatendokumentation auf dem aktuellen Stand sind, und alle, für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Aspekte berücksichtigen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Mit dem glaubhaften Vorbringen, vom Islam zum christlichen Glauben konvertiert zu sein und im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Konversion aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der Beschwerdeführer eine Verfolgung im Sine der GFK und einen einen (subjektiven) Nachfluchtgrund geltend (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, Zl. 96/20/0923).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Aus den zur Person des Beschwerdeführers unter Punkt II.1.1. festgestellten Sachverhaltes und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit innerer christlicher Überzeugung, welche er nicht verleugnen würde, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite - ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum den afghanischen Behörden oder anderen Personen in seinem engeren sozialen Umfeld verborgen bleiben würde, kann im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

3.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. Erkenntnis vom 24. September 2014, Zl. Ra 2014/19/0084, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 17. September 2008, Zl. 2008/23/0675, und vom 14. November 2007, Zl. 2004/20/0485, sowie auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2013, U 2272/2012).

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entscheidend, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (vgl. Erkenntnis vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0210, mwN). Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. Erkenntnis vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0117, mwN).

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum nur zum Schein erfolgt wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Im gegenständlichen Fall liegt daher das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in der religiösen Überzeugung des Beschwerdeführers vor.

3.4. Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt.

Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung, eines vom Islam zum Christentum konvertierten Mannes verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle festzuhalten, dass bei diesem Ergebnis eine Auseinandersetzung mit den weiteren Beschwerdebehauptungen entfallen konnte.

3.5. Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des Beschwerdeführers stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

3.6. Wurde ein Antrag auf internationalen Schutz mit oder nach dem 15.11.2015 gestellt, so wird gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") iVm mit § 75 Abs. 24 leg. cit. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter erteilt.

Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Der Beschwerdeführer stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 18.12.2015, wodurch insbesondere diese Bestimmung auf ihn bereits Anwendung findet.

3.7. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, befristete
Aufenthaltsberechtigung, gesamtes Staatsgebiet, Konversion,
Nachfluchtgründe, Religion, Schutzunwilligkeit, wohlbegründete
Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W260.2190229.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten