TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/9 W201 1422714-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2019
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Entscheidungsdatum

09.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W201 1422714-2/44E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch CARITAS, gegen den Bescheid des Bundesasylamt Oberösterreich vom XXXX , Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.04.2016 und 19.04.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

l. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 19.07.2011 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, in der er zunächst angab, er wisse nur, dass er 27 oder 28 Jahre alt sei. Er stamme aus XXXX , sei verheiratet und Angehöriger der Volksgruppe der Pashtunen sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam (vgl. hierzu die Angaben zu seinen persönlichen Daten). Sein Heimatland habe er von XXXX aus vor ca. dreieinhalb Monaten (sohin Anfang April 2011) verlassen und sei schlepperunterstützt über den Iran und weitere, ihm nicht bekannte Länder bzw. Orte mit verschiedenen Fahrzeugen nach Österreich gebracht worden.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Vater nach dem Tod seiner Mutter eine andere Frau geheiratet habe. Vor ca. neun Jahren (sohin im Jahr 2002) habe diese Stiefmutter seine Schwester XXXX mit einem alten Mann verheiraten wollen. Da der Beschwerdeführer dies nicht gewollt habe, sei er mit seiner Ehegattin, seinen beiden Schwestern und seinem Bruder nach XXXX und in der Folge nach XXXX geflohen. Dann sei er von den Brüdern seiner Stiefmutter verfolgt worden. Da sein Leben in Gefahr gewesen sei, habe ihn sein Onkel mütterlicherseits aus Afghanistan weggeschickt. Seine Schwester sei nunmehr in XXXX mit jemand anderem verheiratet. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe der Beschwerdeführer Angst vor seinen Stiefonkeln. Staatliche Sanktionen habe er nicht zu befürchten.

1.3. Am 20.07.2011 wurde der Beschwerdeführer einer Ersteinvernahme (= Einvernahme im Zulassungsverfahren) unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Pashtu durch das Bundesasylamt unterzogen, in welcher er zunächst angab, dass es ihm gesundheitlich gut gehe und er sich weder in ärztlicher Behandlung befinde noch Medikamente nehme. Er spreche nur Pashtu und verstehe den Dolmetscher einwandfrei.

Zu seinen Familienangehörigen brachte der Beschwerdeführer vor, dass er verheiratet und Vater von zwei Söhnen sei. Seine Ehegattin lebe derzeit mit den Söhnen in Pakistan. Sein Vater sei vor ca. drei Jahren verstorben. Die Mutter des Beschwerdeführers sei vor ca. zwölf oder 13 Jahren verstorben, woraufhin sich sein Vater eine zweite Frau genommen habe. Der Beschwerdeführer habe zwei Schwestern und einen Bruder. Sein Bruder und die jüngere Schwester würden in XXXX bei einem Onkel mütterlicherseits leben. Seine ältere Schwester sei seit ca. zwei Jahren in XXXX verheiratet. Der Onkel mütterlicherseits sei der einzige Bruder seiner verstorbenen Mutter und habe drei verheiratete Töchter, die ebenfalls in XXXX leben würden. Sein Vater habe nur einen Bruder gehabt, der "zurzeit der Russen" getötet worden sei.

Der Beschwerdeführer sei in XXXX geboren und aufgewachsen. Er habe zuletzt in XXXX als Stoffhändler gearbeitet und dort ein eigenes Geschäft gehabt. Schulbildung habe er keine erlangt. Fünf bis sechs Jahre lang habe er in XXXX gelebt, dann habe er sich und seine Familie in Sicherheit bringen müssen.

Der Beschwerdeführer sei in Afghanistan nicht vorbestraft und niemals inhaftiert gewesen. Er habe auch keine Probleme mit den Behörden gehabt. Was seine Stiefmutter vorgehabt habe, nämlich die Schwester zwangsverheiraten, sei gesetzwidrig. Hätte die Stiefmutter das getan, hätte sie Probleme mit der Regierung und den Taliban bekommen. Der Beschwerdeführer sei niemals politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei gewesen. Sonstige Probleme aufgrund eines Naheverhältnisses zu einer Organisation oder zu einem Verein habe er ebenfalls nie gehabt. Er habe weiters weder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch wegen seines Religionsbekenntnisses Probleme gehabt. Niemals habe er an bewaffneten Auseinandersetzungen teilgenommen. Er habe nur Probleme mit den Brüdern seiner Stiefmutter gehabt.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass vor neun Jahren, als seine Stiefmutter seine Schwester XXXX mit einem wesentlich älteren Mann verheiraten habe wollen, er das erste Mal an Ausreise gedacht habe, weil sie der Stieffamilie gegenüber ohnmächtig gewesen seien. Drei Brüder seiner Stiefmutter seien mächtig; die anderen der fünf oder sechs Brüder seien ihm namentlich unbekannt. Er kenne nur einen der Brüder namentlich. Seine Schwester habe diese Heirat nicht gewollt und daher habe sie der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester mit nach XXXX genommen, wo er mit seiner Familie gelebt habe. Vor zwei Jahren habe diese Schwester dann jemand anderen geheiratet. Der Vater des Beschwerdeführers sei ein schwacher Mann und habe sich der Meinung der Stiefmutter angeschlossen. Die Brüder der Stiefmutter seien einflussreich und hätten auch Beziehungen zu den Taliban. Daher würde der Beschwerdeführer auch überall in Afghanistan gefunden werden.

1.4. Nach Zulassung zum inhaltlichen Verfahren wurde der Beschwerdeführer am 02.11.2011 vom Bundesasylamt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Pashtu einvernommen, wobei er im Wesentlichen seine bisherigen Angaben wiederholte. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer vor, dass er seine Tazkira nicht vorlegen könne, da seine Stiefmutter neuerlich geheiratet habe. Sein Onkel habe einen Freund ersucht, im Haus des [verstorbenen] Vaters Nachschau zu halten und habe ihm dieser gesagt, dass das Haus verkauft worden sei, da sich die Stiefmutter neu vermählt habe.

Betreffend seine bisherigen Angaben wolle er korrigieren, dass er kein eigenes Stoffgeschäft gehabt habe, sondern als Angestellter gearbeitet habe. Er habe bis unmittelbar vor seiner Ausreise Stoffe von XXXX nach XXXX und zurück transportiert. Einen Tag vor seiner Ausreise aus Afghanistan habe er zuletzt Stoffe transportiert. Da habe er auch gleich seine Familie nach Pakistan gebracht.

Nach Wiederholung der Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Familienangehörigen brachte er im Wesentlichen vor, dass er aufgrund der Probleme seiner Schwester vor neun Jahren XXXX verlassen habe, Seine Schwester XXXX habe einen Mann geheiratet, den der Beschwerdeführer für sie ausgesucht habe und nicht jenen, den die Stiefmutter gewählt habe. Dieser Mann sei wesentlich älter gewesen und seine Schwester sei mit der Ehe nicht einverstanden gewesen. Seit ca. drei Monaten würden seine Ehegattin, seine beiden Söhne und seine jüngere Schwester bei XXXX und deren nunmehrigen Ehemann in XXXX leben. Es gebe auch noch eine ca. neunjährige Stiefschwester [gemeint: Halbschwester]; weitere [gemeinsame] Kinder seiner Stiefmutter [und seines Vaters] seien ihm nicht bekannt. Weiters habe seine Stiefmutter sechs Brüder, von denen der Beschwerdeführer nur einen namentlich kenne, nämlich XXXX . Verfolgt werde er jedoch von allen sechs. XXXX lebe in XXXX . Der Beschwerdeführer habe gehört, dass sich XXXX bei den Taliban engagiere.

Der Beschwerdeführer habe die letzten fünf Jahre bis zu seiner Ausreise an seiner Heimatadresse in XXXX gelebt. Davor habe er zwei Jahre in XXXX [wohl gemeint: XXXX ] gelebt. Die letzte Nacht vor seiner Ausreise habe er in XXXX an seiner Wohnadresse verbracht. Der Onkel des Beschwerdeführers habe die schlepperunterstützte Ausreise organisiert; diese habe ca. US $ 8.500,00 ausgemacht, wobei der Beschwerdeführer US $ 3.500,00 seinem Onkel gegeben habe.

Dezidiert zum Fluchtgrund befragt wiederholte der Beschwerdeführer seine bisherigen Angaben und konkretisierte diese dahingehend, dass seine ehemalige Stiefmutter seine Schwester im Jahr 2002 habe verheiraten wollen. In Nomadenkreisen sei dies bekannt geworden und als die Stiefmutter mit dem Vater des Beschwerdeführers bei einer Trauerfeier gewesen sei, habe der Beschwerdeführer seine Ehegattin, seine beiden Schwestern und seinen Bruder nach XXXX gebracht, wo er von einem Bekannten aus XXXX finanziell unterstützt worden sei. Zwei Jahre lang habe der Beschwerdeführer mit seiner Familie in XXXX gelebt, bis er in einen anderen Bezirk der Provinz XXXX gezogen sei und dort den nunmehrigen Ehegatten seiner Schwester kennengelernt habe. Im Zuge der Gespräche über die Vermählung habe ein Bekannter dem Beschwerdeführer erzählt, dass die Brüder der Stiefmutter auf den Koran geschworen hätten, sie alle auszulöschen. Nach der Heirat seiner Schwester sei der Beschwerdeführer mit der restlichen Familie nach XXXX gezogen, damit sie in XXXX nicht erkannt würden. In XXXX hätten sie dann die nächsten fünf Jahre gelebt. In Afghanistan sei es so, dass wenn ein Mädchen jemandem versprochen sei, es eine Schande sei, wenn es jemand anderen heirate. In XXXX habe der Beschwerdeführer zwei oder drei Tage vor der Ausreise von einem Verkäufer gehört, dass drei oder vier Männer nach ihm gefragt hätten. Dies hätten nur die Brüder der Stiefmutter sein können, da ihn sonst niemand suche. Selbst habe er die Brüder nicht gesehen; er stütze sich hier auf die Angaben des Verkäufers. Sonst sei nie nach ihm gefragt worden. Auch sei die Familie des Mannes, dem seine Schwester versprochen worden sei, hinter ihm her. Wie diese Personen heißen würden, wisse er nicht. Es seien Verwandte oder Bekannte der Brüder seiner Stiefmutter.

In Österreich habe er keine Familie, keine Verwandten und lebe auch mit niemandem zusammen. Er sei nicht berufstätig und lebe von der Grundversorgung. Er mache einen Deutschkurs.

Zum Ländervorhalt gab der Beschwerdeführer an, dass er auf eine Frist zur Stellungnahme verzichte und gleich angeben wolle, dass er die Lage in Afghanistan kenne. Man höre jeden Tag, dass die Lage dort schlecht sei. Erst vor kurzem seien wieder 50 Menschen bei einem Bombenanschlag getötet worden. Auch der Bruder von Karzai sei getötet worden. Es herrsche Krieg und das Leben des Beschwerdeführers wäre dort in Gefahr.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom

XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt l.). Unter Spruchpunkt Il. dieses Bescheides wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen und wurde der Beschwerdeführer unter Spruchpunkt III. aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG nach Afghanistan ausgewiesen.

In seiner Begründung stellte das Bundesasylamt zunächst fest, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Afghanistan sei, der Volksgruppe der Pashtunen sowie dem moslemisch-sunnitischen Glauben angehöre und aus der Stadt XXXX komme. Bis zum vorletzten Tag seiner Ausreise habe er an seiner Wohnadresse in XXXX gelebt. Er sei gesund und von Beruf Stoffhändler gewesen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer von den Brüdern seiner Stiefmutter verfolgt werde, weil seine Schwester einen anderen Mann geheiratet habe als die Stiefmutter vorgesehen habe. Festgestellt werde, dass er in seinem Heimatland nicht politisch aktiv und kein Mitglied einer Partei gewesen sei sowie weder wegen seiner Volksgruppe noch wegen seiner Religion noch mit den Behörden Probleme gehabt habe. Ferner habe auch nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Er habe Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten sowie einen sozialen Background in XXXX . Er sei in XXXX geboren und aufgewachsen. Die letzten fünf Jahre vor der Ausreise habe er sich in XXXX aufgehalten und dort als Stoffhändler gearbeitet. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten könne. Der Beschwerdeführer habe keine Verwandten in Österreich und würden keine Umstände existieren, welche einer Ausweisung des Beschwerdeführers aus Österreich nach Afghanistan entgegenstünden.

Das Bundesasylamt traf auf den Seiten 21 bis 59 des angefochtenen Bescheides Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan.

Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der behaupteten Herkunftsregion, Volkszugehörigkeit und Staatsangehörigkeit Glauben geschenkt werde, da er über die erforderlichen Sprach- und Lokalkenntnisse verfüge. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments stehe seine Identität nicht fest. Dass er bis zur Ausreise in seinem Haus gelebt habe, ergebe sich aus seinen Angaben; ebenso dass er über familiären Hintergrund in XXXX verfüge. Betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates führte das Bundesasylamt mit näherer Begründung aus, dass den Schilderungen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen sei, dass die von ihm genannten Personen tatsächlich an seinem Tod interessiert seien, da diese nicht sieben Jahre gewartet hätten, um nach ihm zu suchen. Den vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründen habe kein Glauben geschenkt werden können, da diese widersprüchlich, unkonkret, vage und nicht nachvollziehbar seien. Seine selbstständige Darstellung der fluchtauslösenden Ereignisse habe sich in wenigen Sätzen erschöpft. Trotz Nachfragens seien lediglich Rahmenumstände verblieben, nämlich, dass Personen nach ihm suchen würden, die ihm - bis auf einen - namentlich völlig unbekannt seien. Worauf sich die Macht der Verfolger begründe, habe er auch nicht angeben können. Es handle sich beim Beschwerdeführer um das Mitglied einer sehr wohlhabenden afghanischen Großfamilie, das in XXXX Familie habe. Im Falle seiner Rückkehr würde der Beschwerdeführer bei seiner Familie in XXXX [wohl gemeint: XXXX ] leben können. Auch habe er Beziehungen nach XXXX , wo er jahrelang gearbeitet habe, Eine etwaige Rückkehrgefährdung sei nicht erkennbar; ebenso nicht, dass dem Beschwerdeführer eine existenzielle Notlage drohen würde. Wäre die Sicherheitslage dermaßen schlecht, dass er nicht in XXXX leben könnte, wäre seine Familie nicht dorthin zurückgekehrt. Einen höheren Grad an individueller Betroffenheit, die den Beschwerdeführer mehr als die Restbevölkerung exponieren würde, habe er nicht schlüssig darlegen können. Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan basierten auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesasylamtes. Die Feststellungen zu seinem Privat- und Familienleben hätten sich aus seinen Angaben ergeben.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesasylamt zu Spruchpunkt l. des angefochtenen Bescheides, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden könne. Bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur seien hinzunehmen, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe habe, vor allgemeinen Unglücksfolgen, die etwa in Folge eines Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstiger Unruhen entstünden, zu bewahren.

Zu Spruchpunkt Il. wurde ausgeführt, dass im Fall des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte dahingehend vorlägen, dass er bei einer Rückkehr in eine existenzielle Notlage geraten würde. Festzuhalten sei, dass er zusammen mit seiner Familie leben könnte und die finanzielle Situation seiner Familie sehr gut sei. Beim Beschwerdeführer würden sohin keine individuellen Umstände vorliegen, die dafür sprechen würden, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstelle. Auch erreiche die Sicherheitslage in Afghanistan nicht ein solch hohes Niveau der Gewalt, dass eine Rückbringung eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde. Letztlich wurde mit näherer Begründung unter Spruchpunkt III. ausgeführt, dass sich die Behörde außerstande sehe, die Bestimmungen über das Privat- und Familienleben zu Gunsten des Beschwerdeführers anzuwenden und sehe seine Ausweisung als dringend geboten an.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes vom 09.11.2011 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 21.11.2011 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens, insbesondere wegen erheblicher Verletzung des Rechts auf Parteiengehör und auf ein faires Verfahren, sowie wegen unrichtiger und fehlender Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung. Unter wörtlicher Zitierung der aktuellen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.03.2011 wurde vorgebracht, dass sich daraus ergebe, dass der Beschwerdeführer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe befürchte. Weiters ergebe sich daraus, dass Blutfehden langjährig über Generationen hinweg bestünden, womit die Argumentation der Behörde, es sei nicht glaubwürdig, dass eine Verfolgungsgefahr nach sieben Jahren immer noch bestehe, vollkommen ins Leere gehe. Zur Abweisung des Antrags auf subsidiären Schutz wurde vorgebracht, dass ein absolutes Verneinen der katastrophalen Sicherheitslage in Afghanistan auf Willkür und Verkennen der Situation seitens des Bundesasylamtes schließen lasse. Wiederum unter wörtlicher Zitierung der Reisewarnung auf der Homepage des österreichischen Außenministeriums sowie der bereits erwähnten UNHCR-Richtlinien wurde ausgeführt, dass sich schon aus dem Amtswissen ergebe, dass die derzeitige allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan die reale Gefahr einer Bedrohung im Sinne von § 8 Abs. 1 AsylG rechtfertige und sich das Bundesasylamt nur unzureichend mit seinen eigenen Länderberichten auseinandergesetzt habe. Unter weiterer Zitierung von Länderberichten sowie von Erkenntnissen des Asylgerichtshofes betreffend die Sicherheitslage in Afghanistan führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er Gefahr liefe, in seiner Heimat einer grausamen und unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein, wobei es ihm nicht möglich und zumutbar wäre, sich in einem anderen Teil Afghanistans aufzuhalten. Das Verneinen einer Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK beruhe sohin seitens des Bundesasylamtes auf einem Unterlassen der Würdigung der realen Lage in Afghanistan. Aus den Feststellungen zur Situation in Afghanistan gehe hervor, dass die Sicherheits- und Versorgungslage im ganzen Land prekär sei.

4. Mit Verfahrensanordnung des (damals zuständigen) Asylgerichtshofes vom 06.12.2012 wurde dem Beschwerdeführer der Bericht des Afghanistan NGO Safety Office (= ANSO) zur aktuellen Situation in Afghanistan im 3. Quartal 2012 übermittelt und darauf verwiesen, dass aus diesem Bericht ersichtlich sei, dass die Sicherheitslage in der Provinz Logar grundsätzlich als stabil anzusehen sei und es im 3. Quartal 2012 zu keinem Anstieg sicherheitsrelevanter Vorfälle im Vergleich zum 3. Quartal 2011 gekommen sei. Weiters wurde dem Beschwerdeführer eine 14tägige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

5. Mit Stellungnahme vom 17.12.2012 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er die Ansicht vertrete, dass sich weder die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan noch die Sicherheitslage in der Provinz XXXX in einem hinreichenden Ausmaß verbessert habe. Die im Bericht von ANSO konstatierten Verbesserungen der Sicherheitslage seien viel zu geringfügig und nicht dauerhaft, um damit eine negative Entscheidung über die Gewährung des subsidiären Schutzes zu rechtfertigen. Weiters sei es keinesfalls angebracht, die Sicherheitslage in der Provinz XXXX als stabil zu bezeichnen. Ebenfalls solle die negative Zukunftsprognose seines Heimatstaates - verursacht durch den geplanten Abzug der NATO-Truppen - vom Asylgerichtshof mitberücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund drohe ihm im Fall der Abschiebung nach Afghanistan die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK und der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention. Als Zivilperson sei er in seinem Heimatstaat einer ernsthaften Bedrohung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt und würde im Fall einer Rückkehr in eine völlig ausweglose Situation geraten. In der Folge zitierte der Beschwerdeführer aus einem Bericht der Asylkoordination vom 09.12.2012, aus einer ACCORD-Anfragebeantwortung vom 17.09.2012 sowie aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 03.09.2012 wörtlich und führte ergänzend aus, dass er seit drei Monaten keinen Kontakt mehr zu seiner Ehegattin und seinen Kindern habe und nicht wisse, wo sich diese derzeit aufhalten würden. Er habe auch keine Ahnung, wo sich seine Schwester, sein Bruder und seine Halbschwester befänden. Weiters wolle er betonen, dass er in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung aufgrund der vorhandenen Blutfehde ausgesetzt sei. Seine Verfolgung sei unter den Konventionsgrund "Zugehörigkeit zur bestimmten sozialen Gruppe" zu subsumieren. Er werde sowohl von seinem Onkel als auch von dem Mann, mit dem seine Schwester hätte zwangsverheiratet werden sollen, verfolgt. Diese Männer seien Taliban und würden über ein "Taliban Netzwerk" in ganz Afghanistan verfügen. Sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit wären überall in Afghanistan in Gefahr und bestehe für ihn keine innerstaatliche Fluchtalternative. Auch solle die Ausweisung des Beschwerdeführers auf Dauer für unzulässig erklärt werden.

Der Stellungnahme waren folgende Unterlagen beigelegt:

Bericht der International Crisis Group vom 08.10.2012 "Afghanistan:

The long, hard road to the 2014 transition"

Teilnahmebestätigungen vom 03.10.2011 und vom 14.12.2011 "Deutschkurs fürAsylwerberlnnen - Stufe 1";

Teilnahmebestätigung vom 18.06.2012 "Deutschkurs für Asylwerberlnnen - Stufe 2", Teilnahmebestätigung vom 24.09.2012 "Deutschkurs für Asylwerberlnnen - Stufe 3" sowie Teilnahmebestätigung "Basisbildung Lehrgänge" des BFI Oberösterreich vom 17.12.2012.

6. Am 21.03.2013 legte der Beschwerdeführer dem Asylgerichtshof eine Teilnahmebescheinigung am Basisbildungslehrgang vom BFI Oberösterreich vom 22.02.2013 samt Kompetenznachweis vor.

7. Mit Erkenntnis vom XXXX , Zl. XXXX , hat der (damals zuständige) Asylgerichtshof die Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Nach Wiederholung des Verfahrensganges und der Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt wurde ausgeführt, dass zum Vorbringen in der Stellungnahme vom 17.12.2012, der Beschwerdeführer wisse nicht, wo sich seine Verwandten aufhalten würden, zu sagen sei, dass aus dem fehlenden Kontakt zu den Angehörigen über einen Zeitraum von lediglich drei Monaten nicht geschlossen werden könne, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan kein familiäres Netzwerk zur Verfügung stehe. Die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 17.12.2012 zur Lage in seinem Herkunftsstaat würden lediglich allgemein gehaltene Kritik an der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan beinhalten und würden sich nur auf in letzter Zeit vorgefallene spezielle Ereignisse beziehen, die in keinem konkreten Zusammenhang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers - nämlich die Furcht vor Verfolgung durch die Brüder seiner Stiefmutter - gebracht werden könnten.

Im Wesentlichen begründete der Asylgerichtshof seine Entscheidung in rechtlicher Hinsicht dahingehend, dass der Beschwerdeführer keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende, an asylrelevante Merkmale im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anknüpfende Verfolgung in Afghanistan glaubhaft habe machen können. Weiters seien auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben. Die aktuelle Situation in Afghanistan sei unverändert weder sicher noch stabil, doch variiere die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt. Die Sicherheitslage im Raum Kabul habe sich spürbar verbessert, wobei diese Verbesserung weniger auf eine Verminderung der Bedrohung zurückgehe, sondern vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Es sei daher anzunehmen, dass er sich ein ausreichendes Auskommen sichern könne und daher nicht in eine hoffnungslose Lage gerate. Außerdem verfüge er über Berufserfahrung. Ebenso verfüge er über enge familiäre Anknüpfungspunkte. Seine Ehegattin, zwei Söhne, sein Bruder, zwei Schwestern und ein Schwager seien in der Provinz XXXX aufhältig und könne davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr jedenfalls eine wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteil werde. Auch wenn in Afghanistan die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei, könne im Fall des Beschwerdeführers davon ausgegangen werden, dass es ihm möglich und zumutbar sei, von der Hauptstadt Kabul in die Provinz XXXX zu gelangen, wo er nach wie vor über ein soziales bzw. familiäres Netz verfüge. Unabhängig von seinem Bestreben, in einem anderen Land womöglich aus finanziellen Gründen Fuß zu fassen, bestehe nach wie vor eine starke familiäre, kulturelle und sprachliche Bindung zum Heimatstaat, sodass der Beschwerdeführer jederzeit in der Lage sei, in Afghanistan wieder Fuß zu fassen. Daher sei eine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben durch die Ausweisung nicht zu erkennen.

8. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom XXXX , das oben angeführte Erkenntnis des Asylgerichtshofes wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander aufgehoben.

Begründend wurde im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, dass dem Asylgerichtshof ein willkürliches Verhalten vorzuwerfen sei. Der Asylgerichtshof habe im Rahmen der Prüfung des subsidiären Schutzes in der angefochtenen Entscheidung Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul getroffen, habe dann jedoch weiters ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer zumutbar sei, in die Provinz XXXX zurückzukehren, wo seine Ehegattin, zwei Söhne, sein Bruder, zwei Schwestern und ein Schwager aufhältig seien. Zur Provinz XXXX habe der Asylgerichtshof hingegen keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern sich auf den dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung vom 06.12.2012 übermittelten Bericht gestützt. Entgegen der Annahme des Asylgerichtshofes könne aus diesem Bericht nicht in der erforderlichen Klarheit abgeleitet werden, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in die Provinz XXXX zumutbar sei. Zwar sei die Aussage zutreffend, dass es in XXXX im 3. Quartal 2012 zu keinem Anstieg sicherheitsrelevanter Vorfälle im Vergleich zum 3. Quartal 2011 gekommen sei und die Sicherheitslage insofern als "stabil" bezeichnet werden könne, allerdings enthalte diese Information noch keine Aussage darüber, wie gefährlich das Leben in XXXX nun tatsächlich sei. Weiters habe auch der Beschwerdeführer Länderberichte vorgelegt, aus denen z.B. hervorgehe, dass XXXX zu den am stärksten kontrollierten Gebieten der Taliban zähle. Diese Berichte halte der Asylgerichtshof für nicht maßgeblich, weil sie in keinem konkreten Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers stünden. Da der vom Asylgerichtshof herangezogene Bericht zur aktuellen Situation im 3. Quartal 2012 in Afghanistan ein zu unklares Bild über die Provinz XXXX zeichne, wäre es Aufgabe des Asylgerichtshofes gewesen, weitere Quellen - etwa auch solche, die Aufschluss über die Versorgungslage in XXXX zulassen würden - zu berücksichtigen. Weiters mangle es an einer ausreichenden Begründung, weshalb der Asylgerichtshof davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte in der Provinz XXXX verfüge. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme vom 17.12.2012 darauf hingewiesen, dass der Kontakt zu seinen Verwandten abgebrochen sei und er nicht wisse, wo sich diese nunmehr aufhalten würden. Wenn der Asylgerichtshof ausführe, dass aus dem fehlenden Kontakt zu den Angehörigen über einen Zeitraum von lediglich drei Monaten nicht geschlossen werden könne, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan kein familiäres Netzwerk zur Verfügung stehe, stelle dies allerdings keine Begründung für die Annahme des Asylgerichtshofes dar, dass der Beschwerdeführer über familiären Anschluss in XXXX verfüge. Um diese Annahme zu unterstützen, hätte der Asylgerichtshof individuelle Ermittlungen durchführen müssen.

9. Am 11.04.2016 führte das BVwG eine mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer gab an, er gehe im soweit gut, er habe psychische Probleme und ein Herzleiden und sei in medizinischer Behandlung. Er sei verheiratet und in XXXX geboren. Er sei Paschtune und sunnitischer Moslem. Er habe in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder religiösen Überzeugung keine Probleme.

Im weiteren Verlauf stellte der beigezogene länderkundige Sachverständige Fragen an den Beschwerdeführer betreffend seine Herkunftsregion.

Der Beschwerdeführer mache Freiwilligenarbeit und habe Deutschkurse absolviert. Er habe keine Angehörigen in Ö, würde aber gerne hier leben.

Als Fluchtgrund gab er an, er sei wegen der Probleme betreffend seine Schwester geflüchtet. Die Stiefeltern hätten diese mit einem älteren Mann verlobt. Darum sei der Beschwerdeführer mit seiner Schwester geflüchtet. Die Schwester lebe nun in XXXX , dort habe sie einen jüngeren Mann geheiratet. Es könnte jetzt eine Feindschaft zwischen den Familien entstehen. Dem Beschwerdeführer wurde vorgehalten, dass er in den bisherigen Einvernahmen nicht erwähnt hatte, dass es sich bei dem älteren Mann um den Bruder der Stiefmutter gehandelt habe. Der Beschwerdeführer gab an, er sei dazu nicht näher befragt worden.

Der Beschwerdeführer sei auch in XXXX bedroht worden. Es hätten nach ihm gefragt, als er nicht im Geschäft gewesen sei. Er hätte Angst bekommen und sei geflüchtet. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass es keine Todesdrohungen gegeben habe.

Im Falle einer Rückkehr müsse der Beschwerdeführer in eine andere Provinz gehen, da er wegen der Heirat seiner Schwester in eine Feindschaft geraten könnte. Auch der Ehemann der Schwester wisse nicht, dass diese schon einem anderen Mann versprochen worden sei. Der Beschwerdeführer habe das dem Schwager nicht erzählt.

In Österreich wolle der Beschwerdeführer arbeiten. Er sei überzeugt, dass er in Österreich auf eigenen Beinen stehen könne. Er wünsche sich auch, dass seine Kinder auch hier sein könnten.

Der BFV führte aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Verhaltens (Heirat der Schwester) gegen den afghanischen Sittenkodex verstoßen habe und ein derartiger Verstoß eine Sippenhaftung und Blutrache auslösen könne.

Abschließend erging seitens des BVwG der Auftrag an den SV, Nachforschungen hinsichtlich der Angaben des BF und seiner Familie in der Heimatregion des BF anzustellen.

10. Das Sachverständigengutachten vom 26.06.2016 lautet auszugsweise:

"Ich habe im Distrikt XXXX durch meine Mitarbeiter, die selbst von dort stammen, betreffend XXXX -Stamm in XXXX nachgeforscht. Auch zusätzliche Informationen über die Angaben des BF gesammelt, die die afghanische traditionelle Gegebenheiten betreffen. Außerdem habe ich zur Sicherheits- und Versorgungslage sowie zur medizinischen Versorgungsituation in der Provinz XXXX , besonders in XXXX , Literaturrecherche angestellt. Ausgehend von diesen Informationen möchte ich folgendes Gutachten betreffend die Fragen der Frau

Richterin erstatten:

Ad Frage 1:

Betreffend die Identität des BF und seine Herkunft:

Tatsächlich haben in dem Dorf XXXX , welches der BF sein Heimatdorf genannt hat, eine Gruppe der paschtunischen Nomadenstammes, XXXX , die in den 40/50 Jahren in XXXX durch die Regierung angesiedelt waren, gewohnt. Es gibt auch ein zweites Dorf mit der Bezeichnung XXXX , wo auch die Paschtunen und Usbeken wohnen. Das Dorf XXXX bzw. XXXX , wo die Familie des BF gewohnt hat, liegt tatsächlich in der Nähe des XXXX . XXXX liegt auch im Distrikt XXXX in einem Gebiet, das XXXX genannt wird. In diesem Gebiet wohnen vorwiegend Turkmenen, dann Usbeken und dann Paschtunen. Dort wohnen keine Hazaras. Das Dorf, XXXX ist auch als XXXX bekannt und ist benachbart mit dem Dorf XXXX bzw. XXXX . Dieses Gebiet ist derzeit zwischen der lokalen Polizei = Dorfschützen und den Taliban geteilt und es gibt hier immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen.

Gelegentlich wird auch von den Amerikanern oder der afghanischen Luftwaffe dieses Gebiet bombardiert, weil die Taliban hier besonders aktiv sind.

Der Vater des BF war ein bekannter Weißbärtiger des XXXX in XXXX und hatte Grundstücke in XXXX . Nach dem Putsch des kommunistischen Regimes und anschließendem Beginn des Sowjet-Afghanistan-Krieg sind tausende Familien aus den Regionen, wo die Familie des BF gewohnt hat, nach Pakistan abgewandert. Alle Mitglieder des XXXX Stammes XXXX sind gemeinsam mit der Familie des BF aus dieser Region nach Pakistan bzw. Osten Afghanistans geflüchtet. Ein Großteil der XXXX , einschließlich der Familie des BF, ist seit dieser Zeit, seit ca. 35 Jahren, nicht mehr in ihre Heimatregion nach XXXX zurückgekehrt.

Es ist in XXXX bekannt, dass der Vater des BF in XXXX immer noch Grundstücke besitzt, die im Besitz von Taliban und den ehemaligen Mujaheddin Kommandanten sich befinden. Die Familie des BF ist seit mehr 30 Jahren nicht nach XXXX zurückgekehrt. Aber nach Erzählung von Wortführer aus dem Dorf XXXX , wie dem Kommandant Nurullah, befindet sich die Familie des BF weiterhin in XXXX und sie ist seit ihrer Flucht vor mehr als 30 Jahren nicht mehr nach XXXX zurückgekehrt. Daher sind die Angaben des BF, dass er bis zu seinem

19. oder 20. Lebensalter mit seiner Familie in XXXX gelebt hätte, nicht authentisch und entsprechen nicht den Tatsachen in XXXX überein, soweit dies die Familie des BF betrifft.

Ad Frage 2:

Der Vater des BF, XXXX , war ein einflussreicher Stammesangehöriger des XXXX -Stammes in XXXX . Er war ein reicher Mann und besaß Grundstücke, Nutztiere, und war auch ein Geschäftsmann. Damals, vor mehr 30 Jahren, war er mächtig.

Daher konnte seine Frau ihn nicht derart beherrschen, dass sie gegen seinen Willen ihre Stieftochter mit ihrem Bruder verheiratet. Da der Vater des BF damals in XXXX ein bekannter Mann war, wussten auch viele Leute in XXXX über das Lebensverhältnis und Möglichkeiten des Vaters des BF. Der Vater des BF war in der Öffentlichkeit bekannt und tätig. Eine solche Person, als einer der Stammeschefs der XXXX in XXXX , war mächtig und er konnte nicht von seiner Frau derart unterdrückt und bestimmt werden, dass er die Bestimmung über seine Familie verloren hätte. In XXXX ist nicht bekannt, dass zur Zeit der Flucht der Familie des BF vor mehr als 30 Jahren, sein Vater eine schwache und von seiner Frau beherrschte Person gewesen wäre.

Ad Frage 3:

Der BF gibt vor dem BAA an, dass er XXXX aufgrund der Probleme seiner Schwester vor neun Jahren verlassen hätte. Sie habe nicht ihren Stiefonkel, den Bruder ihrer Stiefmutter, geheiratet, sondern jemanden, den ihr Bruder, also der BF, für sie ausgesucht hätte.

Diese Angaben des BF treffen insofern nicht zu, wenn er dabeibleibt, dass dieses Vorkommen in XXXX bzw. in XXXX vorgefallen wäre. Die Familie des BF ist vor mehr als 30 Jahren aus XXXX weggegangen, bzw. geflüchtet und den Wortführer der Gegend sich nicht erinnern können, dass eine der Frauen von XXXX seine Tochter mit seinem Schwager verheiraten wollte und aus diesem Vorhaben ein Konflikt innerhalb der Familie von XXXX entstanden wäre. Wenn eine Person, wie XXXX , eine bekannte Person innerhalb und außerhalb seines Stammes in XXXX war, wäre ein solcher Vorfall nicht geheim geblieben und seine Nachbarn davon erfahren. In XXXX und in den Nachbardörfern ist ein solcher Vorfall innerhalb der Familie von XXXX damals nicht bekannt geworden.

Ad Frage 4:

In den paschtunischen Stammesgesellschaften kommt es vor, dass das Nichteinhalten eines Heiratsversprechens zu Blutfehden führen kann. Wenn eine Familie, in der Stammesgesellschaft der Paschtunen, einer anderen Familie verspricht, ihre Tochter mit dem Sohn dieser Familie zu verheiraten, kann zu schwerwiegenden Problemen innerhalb der beiden Familien führen, wenn die Familie des Mädchens ihr Versprechen nicht einhält und ihre Tochter mit einer anderen Person verheiratet. Wenn eine Familie ihre Tochter dem Sohn einer Familie in der paschtunischen Stammesgesellschaft verspricht, ist dieses Versprechen oft einem traditionellen Heiratsvertrag gleich zu setzen. Eine Abweichung von diesem Vertrag ist Ehrverletzung für die Familie des Jungen.

Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass die Familie des Mädchens von der Familie des Jungen in Rechenschaft gezogen wird. Dieser Konflikt führt dazu, dass auch die Familie, dessen Sohn nunmehr das Mädchen hat, ein Teil dieses Konfliktes wird. Dieser Konflikt kann auch friedlich gelöst werden, z.B. wenn die Familie des Mädchens ein anderes Mädchen dem Jungen der gekränkten Familie zur Verfügung stellt. Aber es kann auch zu schweren bewaffneten Auseinandersetzungen führen, in dem die gekränkte Familie die Familie des Mädchens und die Familie des Mannes bzw. ihn selbst, der nun mehr mit dem Mädchen verheiratet ist, angreift. Bei diesen Angriffen sind die Familie des Mädchens und die Familie des Mannes, der mit dem Mädchen verheiratet ist, Zielscheibe der Familie, die sich in ihrer Ehre gekränkt fühlt.

Ad Frage 5:

Die vorgebrachten Fluchtgeschichten des BF, wenn der Ort des Geschehens XXXX sein soll, entsprechen nicht der afghanischen bzw. der Realität XXXX überein. Die Familie des BF ist vor mehr als 30 Jahren aus XXXX ausgereist und nicht mehr nach XXXX zurückgekehrt.

Ad Frage 6:

Die Heimatregion des BF im Distrikt XXXX ist ein umkämpftes Gebiet.

Die Taliban beherrschen die von Paschtunen bewohnten Regionen dieses Distriktes. Die meisten Distrikte der Provinz XXXX werden direkt und indirekt von den Taliban kontrolliert. Taliban sind in der Lage, zu jeder Zeit die verschiedenen Distrikte der Provinz XXXX anzugreifen und sie unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Regierung kontrolliert nur das Distrikts-Zentrum von XXXX . Die Einwohner des Distrikts-Zentrums sind alle geflüchtet und die Stadt ist eine Art Militärlager und steht unter Dauerbeschuss der Taliban. Daher kann die Heimatregion des BF ohne Lebensgefahr nicht erreicht werden und der BF kann dort für sich und für seine Familie keine Lebensgrundlage aufbauen, da in der Heimatregion des BF Krieg herrscht.

Aufgrund dieser schwierigen Lage in XXXX , kann auch nicht von adäquater medizinischer Betreuung von psychisch kranken Menschen ausgegangen werden. Die medizinische Versorgung in XXXX beschränkt sich auf Medikamente, die die einzelnen Händler in die Region bringen. Es gab einige Gesundheitszentren in XXXX , in denen Patienten ambulant behandelt werden konnten, auch wenn sie nicht adäquate versorgt werden konnte. Aber diese medizinischen Versorgungsstellen sind bedingt durch Krieg und Herrschaft der Taliban derzeit geschlossen. Diese Gesundheitszentren in XXXX und auch in anderen Teilen von XXXX sind nicht imstande gewesen und auch nicht sind, besonders psychisch kranke Menschen medizinisch gut zu versorgen und sie auch psychotherapeutisch zu behandelt."

11. Der Beschwerdeführer gab zum Gutachten eine Stellungnahme ab. Wenn die Familie vor 35 Jahren XXXX Richtung XXXX verlassen habe, so wäre der Beschwerdeführer nicht in Afghanistan geboren. Dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgewachsen sei, wurde im gesamten Verfahren nicht in Abrede gestellt. Betreffend die Ehrverletzung könnten dem Beschwerdeführer in diesem exzeptionellen Fall das Fehlen unwesentlicher Details nicht vorgeworfen werden.

12. Am 19.04.2018 fand eine weitere mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt.

Die Familie (Frau und Kind) des Beschwerdeführers lebe in der Provinz XXXX . Sie würden bei einer Familie leben, die sie unterstütze, mit dieser Familie seien sie aber nicht verwandt. Die finanzielle Unterstützung für die Lebenskosten seiner Familie komme vom Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer habe ein- bis viermal im Monat Kontakt mit seiner Familie.

Der BFV stellte dem Sachverständigen Fragen zu den Erhebungen vor Ort.

Der Beschwerdeführer gab an, aus Angst möchte er nicht, dass der SV weiter über ihn und seinen Fluchtgrund recherchiere. Er habe auch nicht gewollt, dass über seinen Fluchtgrund Erhebungen durchgeführt würden, er habe das missverstanden. Die ganze Sache mit der Heirat seiner Schwester sei nie an die Öffentlichkeit geraten.

13. Am 03.05.2018 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung eine Stellungnahme. Es sei nicht erwähnt worden, zu welcher Zeit und auf welche Art und Weise und in welcher Form die Ermittlungen des SV vor Ort durchgeführt wurden. Auch sei hervorgekommen, dass der SV die Erhebungen nicht selbst, sondern von beauftragten Mitarbeitern durchführen ließ. Auch die Identität und die Zahl der Auskunftspersonen bliebe ungeklärt.

Weiters werde auf die Situation von psychisch kranken Menschen hingewiesen. In weiterer Folge wurde auf die Sicherheitslage in XXXX und XXXX eingegangen.

Es werde beantragt, dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren. Dem Beschwerdeführer würde daher zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigen zukommen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht gegeben, da auch Kabul nicht mehr sicher und stabil sei. In eventu werde beantragt, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuzuerkennen. Es werde das Gutachten von Friederike Stahlmann und eine Stellungnahme zum Gutachten Mahringer übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, nach eigenen Angaben Paschtune, Sunnit, verheiratet und Vater eines Kindes. Er reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 19.07.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist in der Provinz XXXX geboren. Zumindest 6 Jahre hat der Beschwerdeführer in XXXX gewohnt. Der Beschwerdeführer spricht Paschtu. Er hat keine Schule besucht, kann jedoch Dari und Farsi lesen.

Er hat in seinem Heimatort als Hirte und Landwirt gearbeitet, später in einem Stoffgeschäft und auch als Fahrer.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Angehörigen. Der Vater und die Mutter des Beschwerdeführers sind verstorben. Eine Schwester, ein Bruder, seine Ehefrau und sein Kind leben in XXXX , Provinz XXXX . Zu ihnen hat der Beschwerdeführer zweimal im Monat Kontakt. Seine andere Schwester ist in XXXX verheiratet.

Der Beschwerdeführer hat afghanische Freunde in Österreich, besucht Deutschkurse und engagiert sich manchmal freiwillig in der Gemeinde. Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit 2011 in Österreich auf. Im Bundesgebiet verfügt er über keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich nicht verurteilt. Ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des § 27 SMG endete am 24.04.2018 durch vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung unter Setzung einer Probezeit für 1 Jahr.

Der Beschwerdeführer leidet an einer Depression und gab an, Herzprobleme zu haben.

Der übergab dem BVwG eine Medikamentenverordnung einer psychiatrischen Ambulanz mit folgender Medikation: Venlafaxin 75 mg für 4 Tage, danach Venlafaxin 15 mg, Mirtabene 45 mg, Quetiabin 100 mg und Pantoloc 20 mg.

Der Beschwerdeführer möchte nicht, dass in seinem Herkunftsland weitere Erhebungen und Nachforschungen zu seiner Person, seiner Familie und seinem Fluchtgrund geführt werden.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in Herat oder Mazar-e-Sharif zur Verfügung.

Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (zuletzt aktualisiert mit 26.03.2019):

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und USVertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte USUnterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen USVertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen", welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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