TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/9 W119 2125283-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2019
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Entscheidungsdatum

09.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W119 2125283-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Nikolaus RAST, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.3.2016, Zahl: IFA 830887608 + VZ 1678255, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.6.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dazu gab sie anlässlich ihrer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.6.2013 zunächst an, ledig zu sein und aus der Stadt XXXX in der Provinz XXXX zu stammen, wo sie von 1974 bis 1979 die Grundschule besucht habe. Zuletzt sei sie als Verkäuferin tätig gewesen.

Zu ihrem Fluchtgrund brachte sie vor, dass sie mit ihrem Freund zusammengelebt hätte und von diesem wiederholt geschlagen worden sei, insbesondere, wenn er Alkohol getrunken habe. Aufgrund der für sie unerträglich gewordenen Situation sei sie geflüchtet.

Am 25.6.2015 wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen. Dabei brachte sie zunächst vor, gesund und buddhistischen Glaubens zu sein sowie der Volksgruppe der Han anzugehören. Seit ca. 2012 wäre sie von ihrem Ehemann geschieden und zwar beim Standesamt der Stadt XXXX . Drei oder vier Jahre lang habe sie die Grundschule besucht, aber keinen Beruf erlernt. Ihre Eltern seien vor circa sieben oder acht Jahren verstorben, es gebe weder Geschwister noch sonstige Verwandte in China. Vor ihrer Ausreise habe sie als Verkäuferin gearbeitet. Ihr Einkommen habe gereicht, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.

Von ihrer Geburt bis ungefähr zum 20.6.2013 habe sie in einem in ihrem Eigentum befindlichen Einfamilienhaus gelebt, welches sie von ihren Eltern erhalten habe. Zuletzt habe sie alleine dort gelebt, vor dem Tod ihrer Eltern seien auch diese dort ansässig gewesen. Nachgefragt erklärte sie ausdrücklich, dass sonst nie jemand anderer dort gewohnt habe.

In Österreich gebe es weder Familienangehörige noch sonstige Freunde oder Bekannte. Sie habe Reinigungsarbeiten bei einem chinesischen Staatsangehörigen durchgeführt. Derzeit sei sie als Sexarbeiterin in einem Bordell beschäftigt. China habe sie ca. am 18.6.2013 verlassen. Den Schlepper hätten ihr ihre Nachbarn empfohlen.

Zu ihrem Fluchtgrund erklärte sie, dass es zwischen ihr und ihrem Ehemann ständig Auseinandersetzungen gegeben und er sie dabei immer wieder geschlagen habe. Nochmals aufgefordert, sämtliche Details anzuführen, brachte sie vor, nach der Heirat schwanger geworden zu sein und eine Fehlgeburt erlitten zu haben. Danach habe ihr Eheleben nicht mehr funktioniert und sie hätten ständig gestritten. Geheiratet hätten sie im Jahre 1993 in XXXX und zwar nur traditionell. Nachgefragt, wie sie sich dann beim Standesamt habe scheiden lassen können, erwiderte sie, eine Heiratsurkunde gehabt zu haben, die nicht vom Standesamt, sondern von der Gemeindebehörde ausgestellt worden sei. Die Ehe wäre dort registriert worden. Weiters nachgefragt, warum sie bei der Erstbefragung gesagt habe, ledig gewesen zu sein, meinte sie, damals vielleicht nervös gewesen zu sein und es deshalb falsch angegeben zu haben. Sie hätte bei ihrer Erstbefragung auch nie von ihrem Freund, sondern immer von ihrem Ehemann gesprochen. Auf Nachfrage, wann dieser begonnen habe, sie zu schlagen, erwiderte sie, dies nicht mehr zu wissen. Nach der Fehlgeburt im Dezember 1993 hätten sie sich nicht mehr so gut verstanden. Sie sei circa eine Woche im Volkskrankenhaus in ihrer Heimatstadt behandelt worden. Man habe sie operiert, weil sich das Kind außerhalb der Gebärmutter befunden habe, wobei ihr Bauchraum geöffnet worden sei. Man habe ihr auch die Eierstöcke entfernt. Nachgefragt, ob sie jemals von ihrem Ehemann verletzt worden wäre, erklärte sie, dass dies am linken Oberschenkel mit dem Messer erfolgt sei. Diese Wunde sei bei einem Arzt genäht worden. Da es sich um eine familiäre Angelegenheit gehandelt habe, habe sie ihren Mann nicht angezeigt. Es wäre zwar möglich gewesen, sie habe aber nicht daran gedacht. Mit ihrem früheren Ehemann habe sie an der zuvor genannten Adresse gemeinsam mit ihren Eltern gelebt. Auf Vorhalt ihrer vorangegangenen Ausführung, dass außer ihr und ihren Eltern nie jemand anderer dort gewohnt hätte, erklärte sie: "Doch mein Mann". Er sei dort nicht durchgehend wohnhaft gewesen, von 1992 bis 2009. Es wäre ihr zwar möglich gewesen, in einer anderen Region in China zu leben, sie habe jedoch soweit wie möglich weggewollt. Bei einer Rückkehr nach China würde ihr Ehemann sie finden.

Mit dem gegenständlichen, im Spruch angeführten, Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Volksrepublik China abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 57 und 55 Asylgesetz nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Volksrepublik China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde festgelegt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Dagegen wurde in vollem Umfang Beschwerde erhoben, in der im Wesentlichen wiederholt wurde, dass die Beschwerdeführerin, nachdem sie eine Fehlgeburt erlitten habe, von ihrem gewalttätigen Ehegatten über einen längeren Zeitraum schwer misshandelt worden sei.

Am 18.3.2019 und am 3. 5. 2019 hielt das Bundesverwaltungsgericht im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Chinesisch sowie in Anwesenheit der Beschwerdeführerin, ihrer rechtlichen Vertretung, sowie von zwei Vertretern der belangten Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung ab. Dabei erklärte die Beschwerdeführerin zunächst, keine chronischen Krankheiten zu haben und legte zwei Rezepte - eines für ein Lebermedikament und eines zur Senkung des Cholesterinspiegels - sowie eine Bestätigungskarte des AKH Wien für einen Aufenthalt vom 16.9.2018 vor. Dazu gab sie an, an ihrem Ohr operiert worden und fünf Tage im AKH gewesen zu sein. Aktuell sei sie in medizinischer Behandlung und befinde sich in der Phase der Besserung ihres Gesundheitszustandes. Irgendetwas sei in ihrem Ohr verkalkt gewesen und sie habe schlecht gehört. Die Operation habe der Verbesserung des Hörvermögens gedient. Es habe sich um die linke Seite gehandelt, an der rechten Seite solle sie ebenfalls operiert werden. Befundberichte habe sie keine. Seitens der erkennenden Richterin wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, binnen 14 Tagen solche vorzulegen. In psychologischer Behandlung habe sie sich nicht befunden, sie habe einmal Kopfschmerzen gehabt, sodass eine MRT-Untersuchung durchgeführt worden sei. In China sei sie wegen ihrer Hepatitis-Erkrankung in Behandlung gewesen, die Krankheit habe sie schon im Alter von 17 Jahren bekommen. Weiters gab sie an, ledig zu sein. Nachgefragt, warum sie beim Bundesamt von ihrem Ehemann gesprochen habe, wiederholte sie, sie wäre nicht verheiratet, es handle sich um ihren Lebensgefährten. Weiters nachgefragt, wie sie sich trotz allem von ihm habe scheiden lassen können, erwiderte sie, sie hätten nicht geheiratet und sich deshalb auch nicht scheiden lassen können. Dass sie beim Bundesamt ausgesagt habe, nach der Heirat schwanger geworden zu sein, revidierte sie dahingehend, dass sie zusammengelebt hätten. Dass sie beim Bundesamt weiters erklärt habe, traditionell verheiratet gewesen zu sein, bestritt sie. Sie könne sich nicht daran erinnern, wann sie ihren Lebensgefährten kennengelernt habe. Er sei arbeitslos gewesen. Zusammengelebt hätten sie in der Stadt XXXX in der Provinz XXXX bei ihren Eltern. Kurz nach dem Kennenlernen sei er zu ihr übersiedelt. Wann dies gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Ebenso habe sie vergessen, wann ihre Eltern gestorben seien. In China habe sie keinen Beruf erlernt, sondern als Verkäuferin bzw. Kassiererin in einem Supermarkt gearbeitet. In der Heimat gebe es keine Angehörigen mehr. Die Flucht habe sie sich teilweise von ihren eigenen Ersparnissen finanziert und sich teilweise Geld von Freunden ausgeborgt. Ihre vor dem Bundesamt getätigten Angaben vorgehalten, wonach ihr ihre Eltern Geld hinterlassen hätten und sie damit ihre Ausreise finanziert habe, erklärte sie, es handle sich um das Geld von ihrem Zuhause. China habe sie deshalb verlassen, weil ihr Lebensgefährte sehr viel getrunken und sie geschlagen habe. Einmal habe er sie mit einem Messer am Bein verletzt. Wann dies gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Die Polizei habe sie deswegen nicht aufgesucht, weil man in China nicht wegen jeder Kleinigkeit dort hingehen solle. Nachgefragt, ob ihr Lebenspartner immer bei ihr gewohnt habe, erklärte sie, er habe manchmal auch bei sich zu Hause gelebt, in der Nähe ihres Hauses. Bis wann er bei ihr gewohnt habe, wisse sie nicht mehr. Sie hätten oft gestritten und nachdem sie China verlassen habe, hätte er sie noch gesucht. Sie wisse das, weil sie dies manchmal von ihren Landsleuten erfahren habe. Nachgefragt, von welchen Landsleuten, erwiderte sie: "Ich hatte wahrscheinlich einen Freund hier, aber es ist nicht sicher." Im Falle einer Rückkehr nach China wäre sie nicht krankenversichert, sie müsse jetzt Medikamente einnehmen, die sie sich nicht leisten könne. Zu ihrem ursprünglichen Job könne sie nicht zurückkehren, weil sie zu alt zum Arbeiten sei. In Österreich habe sie vor ihrer Operation einen Monat lang einen Deutschkurs besucht. Sie habe hier eine Freundin, die ihre Partnerin sei. Sie führe zu ihr die gleiche Beziehung wie zu ihrem Partner in China. Dazu legte sie einen Meldezettel vor. Kennengelernt habe sie ihre Partnerin vor zwei oder drei Jahren beim Einkaufen am Naschmarkt. Sie selbst arbeite in Österreich als Babysitterin und in einem Massagesalon.

Am 3.5.2019 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt und seitens des Beschwerdeführervertreters wurden zunächst folgende Bescheinigungsmittel vorgelegt: Journal Ambulanzbesuch, aus dem hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin an Hepatitis B leide und eine Dauertherapie mit Viread notwendig sei; Blutbefundberichte; ein Befundbericht über Otosklerose beidseitig, an der die Beschwerdeführerin leidet; Laborbefund.

Die Beschwerdeführerin bestätigte nochmals, bereits als Kind an Hepatitis erkrankt und deswegen in China in Behandlung gewesen zu sein.

In weiterer Folge wurde die von der Beschwerdeführerin genannte Lebensgefährtin als Zeugin einvernommen. Diese gab zunächst an, seit 2003 in Österreich zu wohnen. Sie sei wegen einer Eheschließung gekommen, vorletztes Jahr habe sie sich getrennt und dann sei ihr Ehemann verstorben. Nach der Trennung habe ihre Mutter die Wohnung gekauft, in der sie jetzt lebe. Die Beschwerdeführerin sei eine sehr gute Freundin und sie wohne bei ihr. Sie sei eine seelische Partnerin, wie ein Lebenspartner. Die Frage, ob es sich um eine gleichgeschlechtliche Beziehung handle, wolle sie nicht beantworten. Kennengelernt hätten sie sich vor ca. drei Jahren an der Kasse eines Supermarkts im Naschmarkt. Zu ihrer Erwerbstätigkeit befragt, gab die Zeugin an, als TCM Masseurin zu arbeiten. Geld gebe sie der Beschwerdeführerin nicht und unterstütze sie auch nicht finanziell. Sie würden die Kleidung untereinander tauschen, jeder kaufe etwas ein. Seit wann genau die Beschwerdeführerin bei ihr wohne, wisse die Zeugin nicht mehr, seit letztem oder vorletztem Jahr. Sie könne sich nichts merken. Die beiden würden gemeinsam in einem Bett schlafen, es handle sich um ihre Geschlechtspartnerin. Die Zeugin kaufe Kleidung, die sich die Beschwerdeführerin anziehen könne und auch Nahrungsmittel. Sie gebe ihr kein Geld, aber sie könne sich alles nehmen, was sie benötige, weil sie dieselbe Kleidergröße hätten.

Die Beschwerdeführerin verzichtete auf ergänzende Angaben zur Zeugenbefragung und erklärte weiters auf Nachfrage, den Ausweis für ihre Arbeit im Massagesalon und die Unterlagen der gesundheitlichen Untersuchungen nicht bei sich zu haben. Der Beschwerdeführervertreter wurde um ein Nachreichen binnen 14 Tagen ersucht.

Im Rahmen der Verhandlung wurden diesem die in das Verfahren eingeführten Länderfeststellungen übergeben und ihm eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt. Eine solche Stellungnahme ist bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han-Chinesen an und ist buddhistischen Glaubens. Sie stammt aus der Stadt XXXX in der Provinz XXXX , reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 25.6.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In der VR China lebte die Beschwerdeführerin von Geburt an bis zur Ausreise in ihrem eigenen Einfamilienhaus, das sie von den Eltern erhalten hatte. Von 1974 bis 1979 besuchte sie die Grundschule. Ihren Unterhalt bestritt sie als Verkäuferin und Kassiererin.

Die Beschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, in der Heimat ernsthaft von einer Verfolgung durch Privatpersonen, konkret ihrem früheren Ehemann bzw ihrem Lebensgefährten, bedroht zu sein.

Weitere Fluchtgründe verneinte die Beschwerdeführerin während des ganzen Verfahrens ausdrücklich nicht geltend machen. Es liegen auch keinerlei Hinweise dafür vor, dass die Beschwerdeführerin Gefahr liefe, in der VR China einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr in die VR China in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Die Beschwerdeführerin leidet seit ihrem siebzehnten Lebensjahr an Hepatitis B, weswegen sie auch in der VR China bereits in Behandlung gestanden ist. Es liegen jedoch weder Anhaltspunkte für eine Lebensbedrohung noch eine sonstige schwere Beeinträchtigung vor. Dies gilt ebenso für die bei ihr beidseitig bestehenden Oktosklerose. Wegen dieser am linken Ohr bestehenden Hörminderung befand sich die Beschwerdeführerin für einige Tage stationär im Krankenhaus. Für eine auf der rechte Seite ihres Ohres in Aussicht gestellte Operation verfügt die Beschwerdeführerin über keinen Operationstermin. Ebenso besteht bei der Beschwerdeführerin ein erhöhter Cholesterinspiegel, wogegen sie auch medikamentös eingestellt wurde.

Die Beschwerdeführerin verfügt über äußerst gering ausgeprägte Deutschkenntnisse, besuchte im Bundesgebiet nach eigenen Angaben einen Monat lang einen Deutschkurs, konnte jedoch dazu keinerlei Unterlagen vorlegen. Sie geht auch keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

Die Beschwerdeführerin hat nach eigenen Angaben in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörigen. Sie lebt seit September 2017 einer chinesischen Staatsangehörigen in einem gemeinsamen Haushalt. Den Angaben der Beschwerdeführerin zufolge sowie der von dem Bundesverwaltungsgericht als Zeugin einvernommen Mitbewohnerin handelt es sich um eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft. Es besteht keine finanzielle gegenseitige Abhängigkeit, wobei getrennte Einkäufe geführt werden, lediglich in Bezug auf die Bekleidung bestehen keine solchen Einschränkungen.

Feststellungen zur Situation in der Volksrepublik China:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 05.02.2018: Festnahme des regierungskritischen Anwaltes Yu Wensheng, betrifft Abschnitt 10. Allgemeine Menschenrechtslage.

Yu Wensheng, ein regierungskritischer Anwalt, wurde nach Angaben seiner Frau am Morgen des 19.1.2018 festgenommen, als er mit seinem Sohn zur Schule ging (The Guardian 19.1.2018).

Wenige Stunden vor seiner Verhaftung forderte Yu Wensheng von Präsident Xi Jinping in einem offenen Brief Verfassungsreformen (DW 19.1.2018).

International bekannt wurde der prominente Kritiker, als er 2017 gemeinsam mit fünf anderen Anwälten versuchte, die Regierung seines Landes wegen des gesundheitsschädlichen Smogs zu verklagen (DZ 29.1.2018). Als Anwalt hat Yu mehrere andere Menschenrechtsanwälte und Demonstranten aus Hongkong vertreten, die dort für mehr Demokratie auf die Straße gegangen sind und festgenommen worden waren (DW 1.2.2018).

Im Oktober vergangenen Jahres wurde Yu Wensheng vorübergehend inhaftiert, weil er in einem offenen Brief Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping wegen dessen Stärkung des Totalitarismus als für das Amt nicht geeignet bezeichnet hatte (NZZ 1.2.2018).

Der Verbleib von Yu Wensheng war zunächst unklar (DP 19.1.2018); nach Angaben von Amnesty International übernahm die Polizei von Xuzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu den Fall. Der Anwalt werde derzeit unter "Hausarrest an einem ausgesuchten Ort festgehalten, ohne dass dieser Ort bekannt wäre, so Amnesty International (DZ 29.1.2018).

Gemäß Amnesty International sei der chinesische Menschenrechtsanwalt der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt worden (DP 19.1.2018). Der Vorwurf der Subversion ist eine schwerwiegende Anklage, die eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren bedeuten kann. Im vergangenen Dezember war etwa der regierungskritische Blogger Wu Gan deswegen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden (DZ 29.1.2018).

Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeitern von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitgliedern. Mehr als 300 wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit Juli 2015 inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt, 16 warten noch auf ihren Prozess (DP 19.1.2018). Mindestens eine Person aus der angeführten Gruppe sei verschwunden (BBC 16.1.2018).

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Quellen:

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BBC News (16.1.2018): China rights lawyer Yu Wensheng loses licence, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-42702731, Zugriff 22.1.2018

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DP - Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5356682/Haft-fuer-Anwalt_China-setzt-Verfolgungswelle-gegen-Kritiker-fort, Zugriff 19.1.2018

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DW - Deutsche Welle (1.2.2018): China weist deutsche Kritik an Festnahme von Menschenrechtsanwalt zurück, http://www.dw.com/de/china-weist-deutsche-kritik-an-festnahme-von-menschenrechtsanwalt-zur%C3%BCck/a-42403119, Zugriff 2.2.2018

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DW - Deutsche Welle (19.1.2018): Chinesischer Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen,

http://www.dw.com/de/chinesischer-b%C3%BCrgerrechtsanwalt-yu-wensheng-festgenommen/a-42214185, Zugriff 22.1.2018

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DZ - Die Zeit (29.1.2018):China beschuldigt Menschenrechtsanwalt der Subversion,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/yu-wensheng-buergerrechtsanwalt-peking-anklage-haftstrafe, 30.1.2018

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NZZ - Neue Züricher Zeitung (1.2.2018): Ein kämpferischer Geist in den Fängen der chinesischen Behörden, https://www.nzz.ch/international/ein-kaempferischer-geist-in-den-faengen-der-chinesischen-behoerden-ld.1352463, Zugriff 1.2.2018

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The Guardian (19.1.2018): Outspoken Chinese human rights lawyer Yu Wensheng held by police

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/19/outspoken-chinese-human-rights-lawyer-yu-wensheng-arrested , Zugriff 22.1.2018

Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017).

China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017).

An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).

Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017

-

AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China,

http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html, Zugriff 2.8.2017

-

CIA - Central Intelligence Agency (26.7.2017): The World Factbook

-

China,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 2.8.2017

-

FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 2.8.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 28.8.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 2.8.2017

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 31.8.2017

Tibet

China regiert Tibet über die Administration der "Autonomen Region Tibet" (TAR) und 12 autonome Präfekturen bzw. Landkreise in den angrenzenden Provinzen Sichuan, Qinghai, Gansu und Yunnan (FH 1.2017b).

Spannungen in tibetischen Gebieten dauerten zwischen ethnischen und religiösen Gruppierungen - insbesondere zwischen Han-Chinesen und Tibetern - ebenso weiter an, wie Auseinandersetzungen zwischen Tibetern und Hui-Muslimen (USDOS 15.8.2017). Die Regierung geht gegen vermeintlich separatistische Kräfte in Tibet mit besonderer Härte vor (AA 15.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

-

FH - Freedom House (1.2017b): Freedom in the World 2017 - Tibet, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/tibet, Zugriff 4.8.2017

-

USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - China, http://www.ecoi.net/local_link/345283/489076_de.html, Zugriff 28.8.2017

Xinjiang

Widerstand gegen die Zentralregierung und die lokale Regierungspolitik wurde 2016 in friedlichen Protesten, aber auch durch Einsatz von Sprengsätzen und andere gewalttätigen Angriffe ausgedrückt. Die chinesische Regierung behauptet, in der Region terroristischen Kräften gegenüber zu stehen und führt Counterterror-Operationen durch (HRW 12.1.2017). Im Namen der Terrorismusbekämpfung kam es zu Belästigungen durch Beamte, zu willkürlichen Festnahmen und zu beschleunigten Gerichtsverfahren gegenüber Personengruppen, welche friedlich ihrem Recht auf Meinungsäußerung nachkamen (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Details über Proteste, Gewalt und Terrorismus sind jedoch aufgrund der wenigen unabhängigen Informationsquellen rar. Dies gilt auch für Informationen über die Terrorismusbekämpfung (HRW 12.1.2017).

In der Autonomen Region Xinjiang (XUAR) verfolgt die chinesische Zentralregierung einen zweigleisigen Ansatz: zum einen verstärkte Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung der Gefährdungs-Triade (religiöser) Extremismus, (ethnischer) Separatismus und (internationaler) Terrorismus, zum anderen Wirtschaftsförderung und Erhöhung des Lebensstandards der Menschen mit dem Ziel der Gewährleistung sozialer Stabilität bzw. Eindämmung von Unruhepotential (AA 15.12.2016). 2013 erfolgte eine Eskalation der Gewalt, bei der ca. 200 Menschen ums Leben kamen. Die Gewaltspirale wird dabei zunehmend auch in andere Regionen Chinas getragen. 2013/2014 kam es zu drei, offenbar von Uiguren verübten Anschlägen, die sich gegen Unbeteiligte richteten (AA 15.10.2014). Die Gewalt in Xinjiang hat sich auch 2015 auf beunruhigend hohem Niveau fortgesetzt. Der letzte (bekannt gewordene) blutige Anschlag großen Ausmaßes ereignete sich im September 2015, als im Bezirk Aksu über 50 Han-chinesische Minenarbeiter nachts in ihrem Schlafsaal ermordet wurden. Darauf antworteten die chinesischen Sicherheitskräfte einige Wochen später mit der Erschießung von 18 uigurischen Tatverdächtigen, darunter auch Frauen und Kinder. Diese harte Reaktion der Sicherheitsbehörden ist Teil der im Mai 2014 gestarteten "strike hard" Kampagne in Xinjiang, über die Schnellverfahren und Massenurteile institutionalisiert wurden. 2015 hat sich nach chinesischen Angaben die Zahl der Verurteilungen wegen Terrorismus und Separatismus auf über 1.400 verdoppelt. Der allergrößte Teil dieser Urteile steht aller Voraussicht nach in Zusammenhang mit Xinjiang, wo im August 2016 das erste provinzeigene Antiterrorgesetz verabschiedet wurde. Seit Beginn des Jahres scheint diese Härte Wirkung zu zeigen. Die Regierung stuft die Lage mittlerweile als "relativ stabil" ein, woraufhin Berichten zufolge auch einige Bewegungsbeschränkungen gelockert worden sein sollen (AA 15.12.2016).

Ethnische Diskriminierung, religiöse Repressionen und Erhöhung der kulturellen Unterdrückung durch die Regierung im Namen des "Kampfes gegen Separatismus, religiösen Extremismus und Terrorismus" führen weiterhin zu steigenden Spannungen in Xinjiang (HRW 12.1.2017).

China macht seit Jahren im Exil lebende uigurische Separatisten für eine Reihe von Angriffen in Xinjiang verantwortlich (Aljazeera 1.3.2017).

Quellen:

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Aljazeera (1.3.2017): ISIL video threatens China with 'rivers of bloodshed',

http://www.aljazeera.com/news/2017/03/isil-video-threatens-china-rivers-bloodshed-170301103927503.html, Zugriff 14.9.2017

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AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/china, Zugriff 7.8.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 24.8.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 7.8.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP) auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA 4.2017a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.12.2016). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2016). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen diejenigen, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 1.2017a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, dh. der Partei, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2016).

Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2016).

Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahmen seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2016).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.12.2016).

Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des ZK im November 2013 offiziell am 28.12.2013 abgeschafft. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden (AA 15.12.2016).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt den "Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft sitzenden Personen innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befindet, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Der Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von Rechtsexperten wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Die Staatsorgane griffen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2016; vgl. AA 15.12.2016, AI 22.2.2017).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "black jails" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 15.12.2016).

Das 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert v.a. die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und der Verteidigung im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.12.2016). Der Schutz jugendlicher Straftäter wurde erhöht (ÖB 11.2014).

2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 1.2015a).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.12.2016). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger hielt das ganze Jahr über an (AI 22.2.2017). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 15.12.2016).

Auch 2016 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen fort (FH 1.2017a). Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Mangelhafte nationale Gesetze und systemische Probleme im Strafrechtssystem hatten weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren zur Folge (AI 22.2.2017).

Seit der offiziellen Abschaffung der administrativen "Umerziehung durch Arbeit" im Jänner 2014 werden Mensch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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