TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/8 96/08/0196

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Veröffentlicht am 08.09.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AlVG 1977 §56 Abs1 idF 1994/314;
AlVG 1977 §58 idF 1994/314;
AMSBegleitG 1994 Art6;
AMSG 1994 §24;
AMSG 1994 §58 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Dr. G in W, vertreten durch Dr. Robert Lirsch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 27, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 24. Mai 1996, Zl. 1.130.919/2-9/96, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte mit dem am 19. September 1995 ausgegebenen Antragsformular beim Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste die Gewährung von Notstandshilfe. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1995 wies das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste diesen Antrag mangels Arbeitslosigkeit ab.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung vom 24. Oktober 1995.

Am 11. Mai 1996 stellte er den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG an den Bundesminister für Arbeit und Soziales.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 24. Mai 1996 wurde dieser Antrag mangels Zuständigkeit zurückgewiesen. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen ausgeführt, daß im behördlichen Verfahren Weisungen vom Vorstand des Arbeitsmarktservice an die Landesgeschäftsführer ergehen. Diese unterlägen der Aufsicht des Vorstandes. Sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Verhältnis zu den Landesgeschäftsstellen sei daher nur das Arbeitsmarktservice Österreich in seiner behördlichen Funktion.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Nach Auffassung der Beschwerde ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales gemäß § 58 Abs. 1 AMSG Weisungsbehörde des Arbeitsmarktservice. Daraus ergebe sich, daß nicht das Arbeitsmarktservice Österreich, sondern der Bundesminister sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im gegenständlichen Verfahren sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der (gemäß Art. II Abs. 2 Z. 41 EGVG 1991 i.d.F. des Art. 17 des AMS-BegleitG auf die Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und die regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice anwendbaren) Bestimmung des § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG über ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen.

"Sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa den zu Verfahren nach dem AlVG ergangenen Beschluß vom 17. Dezember 1991, Zlen. 91/08/0162, 0171) in jedem Fall die Berufungsbehörde, darüber hinaus aber auch jede sonstige Behörde, die - bei Ausschluß eines ordentlichen Rechtsmittels - durch Ausübung des Weisungs- oder Aufsichtsrechtes den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können. Ob eine Behörde "Oberbehörde" ist, richtet sich nur nach der Rechtslage, die in bezug auf das konkret gestellte und unerledigt gebliebene Sachbegehren gegeben ist. Eine Beschränkung des Instanzenzuges hindert nicht den Übergang der Zuständigkeit im Devolutionsweg. Sie hindert nur die Anfechtung von Bescheiden im Rechtsmittelverfahren.

Die belangte Behörde stützt sich darauf, daß ihre Weisungen an die Landesgeschäftsführer gemäß § 58 Abs. 2 AMSG über den Vorstand (der Bundesorganisation des Arbeitsmarktservice) ergehen.

Dies vermag nicht zu überzeugen:

Das AMSG bestimmt im § 24 die Organe sowohl der regionalen Geschäftsstelle als auch der Landesgeschäftsstelle, die einzuschreiten haben, soweit dem Arbeitsmarktservice behördliche Aufgaben zukommen. Daraus ergibt sich, daß das AMSG einerseits selbst keine behördlichen Aufgaben betreffend Angelegenheiten nach dem AlVG vorsieht und andererseits nur Organe der regionalen Geschäftsstelle und der Landegeschäftsstelle nennt, die im Falle der Betrauung mit behördlichen Aufgaben einzuschreiten haben. Organe der Bundesorganisation werden hier nicht erwähnt.

Gemäß den §§ 56 Abs. 1 und 58 AlVG i.d.F. Art. 6 des AMS-BegleitG haben betreffend Notstandshilfe die regionale Geschäftsstelle als erste und die Landesgeschäftsstelle als zweite und letzte Instanz einzuschreiten. Eine Betrauung der Bundesorganisation des Arbeitsmarktservice mit behördlichen Aufgaben nach dem AlVG ist auch hier nicht vorgesehen.

Der von der belangten Behörde hervorgehobene Umstand, daß die Weisung des Bundesministers an die Landesgeschäftsstelle über die Bundesorganisation zu ergehen hat, sagt noch nichts darüber aus, ob die Bundesorganisation sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 AVG ist. Nach den obigen Ausführungen hängt dies auch davon ab, ob der Bundesorganisation ein Weisungs- oder Aufsichtsrecht in den behördlichen Angelegenheiten gegenüber der Landesgeschäftsstelle zukommt. Dies ist nicht der Fall. § 58 Abs. 1 AMSG räumt ein solches Weisungsrecht in behördlichen Aufgaben nur dem Bundesminister für Arbeit und Soziales ein. Nur dieser ist daher im Sinne der ständigen Rechtsprechung sachlich in Betracht kommende Oberbehörde.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 8. September 1998

Schlagworte

Anrufung der obersten Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996080196.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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