Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in B, vertreten durch Dr. Gernot Kerschhackel, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Joseph-Ring 5, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 12. April 1996, Zl. IIf 7022/7100B, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23. Februar 1996 auf Gewährung von Notstandshilfe wegen Fristablauf abgelehnt. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer vom 5. Dezember 1990 bis 3. September 1991 Arbeitslosengeld bezogen habe. Vom 21. Oktober 1991 bis 10. November 1991 sei er als Tischler und vom 25. Juli 1995 bis 18. August 1995 als Hilfsarbeiter beschäftigt gewesen.
Der am 28. Juni 1994 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Notstandshilfe sei mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Oktober 1994 mangels Notlage abgewiesen worden, weil das Einkommen der Gattin des Beschwerdeführers Notlage ausgeschlossen habe.
Die Anträge des Beschwerdeführers auf Gewährung von Notstandshilfe vom 3. Oktober und 27. Dezember 1995 seien jeweils wegen des Ablaufes der Dreijahresfrist abgelehnt worden.
Am 23. Februar 1996 habe der Beschwerdeführer wiederum den Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe gestellt und den Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 1. Februar 1996 über die Scheidung im Einvernehmen beigelegt.
Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß der Anspruch auf Notstandshilfe spätestens am 3. September 1994 hätte geltend gemacht werden müssen. Fristverlängernde Zeiträume habe der Beschwerdeführer nicht nachweisen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer meint, der Zeitraum, in dem eine aufrechte Ehe bestehe und das Einkommen der Ehegattin den Notstandshilfebezug ausschließe, müsse naturnotwendig auch ein Ruhenszeitraum im Sinne der §§ 33 Abs. 4 und § 16 Abs. 1 AlVG sein. Dies werde schon dadurch klar, daß etwa die Verbüßung einer Freiheitsstrafe sowie eine anderweitige behördliche Anhaltung einen zeitlich unbegrenzten Ruhenstatbestand verwirkliche, jedoch der Umstand, daß seine Gattin ein Einkommen erziele, nicht. § 16 i.V.m. § 33 Abs. 4 AlVG lasse eindeutig den Schluß zu, daß eben die Frist dann unterbrochen sei, wenn der Arbeitslose aus anderen Einkommensquellen Bezüge erhalte. Es handle sich daher um eine offenkundige Gesetzeslücke, die im Wege der Analogie zu lösen sei. Wenn man dies nicht teile, so sei die Bestimmung des § 33 Abs. 4 AlVG verfassungswidrig, weil diese Norm dem Gleichheitsgebot des Art. 7 B-VG widerspreche.
Damit kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen.
Die belangte Behörde hat zutreffend entsprechend der Zeitraumbezogenheit der Ansprüche nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz § 33 Abs. 4 zweiter Satz AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 416/1992 angewendet. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht strittig, daß der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Umstand, nämlich ein Einkommen der Gattin, wodurch der Anspruch auf Notstandshilfe ausgeschlossen wird, nicht ausdrücklich als Verlängerungstatbestand im Sinne des § 33 Abs. 4 zweiter Satz AlVG genannt ist.
Der Auffassung des Beschwerdeführers ist folgendes zu erwidern:
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die grundsätzliche Zulässigkeit der Analogie auch im öffentlichen Recht wiederholt anerkannt. Voraussetzung hiefür ist freilich das Bestehen einer echten (d.h. planwidrigen) Rechtslücke. Sie ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interessen zu regeln bestimmt ist, muß eine auftretende Rechtslücke in diesem Rechtsbereich im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Die Schließung von vermeintlichen Rechtslücken per Analogie ist jedenfalls unzulässig in Fällen, in denen aus dem Gesetz zu erkennen ist, daß bestimmte Rechtswirkungen nur dem gesetzlich umschriebenen Tatbestand zukommen sollen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0254, mit weiteren Judikaturhinweisen). Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze scheidet eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 1 AlVG im vorliegenden Zusammenhang aus. Eine durch Analogie zu schließende Lücke käme nur dann in Betracht, wenn das Gesetz anders nicht vollziehbar wäre (dies scheidet hier aus) oder wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezöge, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zuträfen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müßten.
Wenn der Gesetzgeber - wie hier - die Rahmenfrist des § 33 Abs. 4 AlVG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, von grundsätzlich drei Jahren um Ruhenstatbestände im Sinne des § 16 Abs. 1 AlVG erstreckt, so macht er insoweit in völlig unbedenklicher Weise nur von seinem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum Gebrauch. Es ist nicht ersichtlich (und wird auch in der Beschwerde nicht ernsthaft näher ausgeführt), welche Wertungsgesichtspunkte dafür sprächen, die Dauer einer Ehe mit einer Ehegattin mit Arbeitseinkommen den in § 16 Abs. 1 AlVG genannten Tatbeständen im Sinne der vorstehenden Ausführungen gleichzuhalten. Zu dem in der Beschwerde angestellten Vergleich von Haftentlassenen mit Geschiedenen genügt es, auf die unterschiedliche soziale und wirtschaftliche Situation beider Personengruppen hinzuweisen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1998
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996080207.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
27.02.2009