TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/27 I422 2169954-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.2019
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Entscheidungsdatum

27.09.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 2169954-1/16E

I422 2169960-1/11E

I422 2169947-1/11E

I422 2169959-1/11E

Schriftliche Ausfertigung des am 28.08.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, der XXXX, geb. XXXX, des mj. XXXX, geb. XXXX, und der mj. XXXX, geb. XXXX, StA. jeweils Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3 Stock, 1170 Wien, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, jeweils vom 09.08.2017, Zl. 1087116402-151345912/BMI-BFA_NOE_RD, Zl. 1087117704-151345980/BMI-BFA_NOE_RD, Zl. 1087118603-151346030/BMI-BFA_NOE_RD und Zl. 1122562010-160982997/BMI-BFA_NOE_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 06.09.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (XXXX), die Zweitbeschwerdeführerin (XXXX), der mj. Drittbeschwerdeführer (XXXX) und die mj. Viertbeschwerdeführerin (XXXX) reisten in das Bundesgebiet ein und stellten am 15.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründeten die Beschwerdeführer damit, dass im Irak Krieg herrsche und der Erstbeschwerdeführer mit dem Tod bedroht worden sei.

2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen des Erst- und der Zweitbeschwerdeführer durch die belangte Behörde vom 09.01.2017 und vom 04.08.2017 konkretisierte der Erstbeschwerdeführer sein Fluchtvorbringen im Wesentlichen dahingehend, dass er Redakteur und Regisseur eines Fernsehsenders gewesen sei. Aufgrund seiner Tätigkeit sei er bedroht und auch ein Mordanschlag gegen ihn verübt worden. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte ergänzend vor, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe. Sie habe aus Liebe zu ihrem Mann ihren Herkunftsstaat gemeinsam mit den beiden Kindern verlassen.

3. Mit Bescheid vom 09.08.2017, Zahl:

1087116402-151345912/BMI-BFA_NOE_RD wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführer hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Sie erkannte den Beschwerdeführern den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 09.08.2018 (Spruchpunkt III.).

4. Mit Schriftsatz vom 22.08.2017, eingelangt bei der belangten Behörde am 28.08.2017, erhoben die Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. der Bescheide fristgerecht Beschwerde. Der Erstbeschwerdeführer sei aufgrund seiner Aufdeckungsarbeit und als Tätigkeit als TV-Redakteur einer politischen Verfolgung im Irak ausgesetzt. Zudem sei der Erstbeschwerdeführer in seiner Abwesenheit zum Militärdienst einberufen worden und in seiner Abwesenheit zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden.

5. Am 06.09.2019 erfolgte beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung. In dieser brachte der Erstbeschwerdeführer ergänzend erstmalig vor, dass seine Mutter Ende des Jahres 2018, Anfang 2019 seinetwegen bedroht worden sei, sie deswegen den Irak verlassen habe und sie nunmehr in der Türkei leben würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die volljährigen Erst- und Zweitbeschwerdeführer und die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak, Angehörige der Volksgruppe der Araber, sprechen arabisch als Muttersprache und bekennen sich zur islamischen Religionsgemeinschaft. Die Identität der Beschwerdeführer steht fest.

Im Herkunftsstaat leben die drei Schwestern des Erstbeschwerdeführers und deren Familien. Der Bruder und die Mutter des Erstbeschwerdeführers leben in der Türkei. Weder der Bruder noch die Mutter haben den Irak aufgrund der Probleme des Erstbeschwerdeführers verlassen. Der Erstbeschwerdeführer steht mit seiner Familie nach wie vor in aufrechtem Kontakt. Die Familie der Zweitbeschwerdeführerin, bestehend aus ihrer Mutter, ihrem Vater sowie ihren sechs Schwestern und drei Brüdern leben ebenfalls im Irak.

Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten.

1.2 Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Irak aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, einer politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder verfolgt werden.

Die Verurteilung des Erstbeschwerdeführers durch ein Militärgericht zu einer Haftstrafe in der Dauer von drei Jahren weist keine Asylrelevanz im Sinne der GFK auf.

Des Weiteren wurde der Erstbeschwerdeführer im Irak nicht wegen seiner Tätigkeit als Regisseur und Sendungsverantwortlicher bedroht und war er auch keinem Anschlag gegen seine Person ausgesetzt.

Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein werden.

1.3 Zur Lage im Herkunftsland:

Zur Allgemeinen Lage im Irak:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit dem Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, zB den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Dabei stand vor allem die Kontrolle der Stadt Mosul, Hauptstadt der Provinz Ninewa, im Fokus. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah Al-Din in Zentral- und Südirak voraus.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, gemeinsam mit den schiitischen Milizen, den Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte die Einheiten des IS sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Anbar als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah Al-Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mosul sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mosul.

Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt Mosul für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von Mosul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie einer Enklave südlich von Kirkuk, doch gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS, auch in diesen Gebieten, besiegt sei. Seitdem befindet sich der IS in einem taktischen Wandel, indem er sich auf die ländlichen Regionen des Landes fokussiert und dort versucht die Kontrolle zurückzuerlangen. Zugleich verstärkt er seine Konfrontation mit Sicherheitskräften. Im September 2018 fanden IS-Angriffe vermehrt in Bagdad statt, wobei eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben festzustellen ist. Mit Stand Oktober 2018 waren irakische Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang, mit dem Ziel, eine Etablierung des IS zu verhindern und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Betreffend vormals von IS kontrollierte ländliche Gebiete, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu IS-Angriffen und zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts. Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. In vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird. Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch. Die Sicherheitslage hat sich im Laufe des ersten Halbjahres 2019 wiederum verändert. Auch wenn die terroristischen Aktivitäten sind im Irak deutlich zurückgegangen sind, stellt der IS nach wie vor eine Bedrohung dar. Nachdem der IS im März 2019 auch in Syrien das letzte von ihm kontrollierte Territorium verloren hat, sickernden zunehmend IS-Kämpfer aus Syrien im Irak ein, wodurch ein leichter Anstieg der Anschlagzahlen in der ersten Aprilhälfte des Jahres 2019 zu verzeichnen war, ehe sich die Vorfälle wieder auf das niedrige Niveau der Vormonate einpendelte.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte, sowie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen, als stabil anzusehen.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und seit 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen.

Die sicherheitsrelevante Situation im Großraum Bagdad ist durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Im Gegenteil, Bagdad ist eine weitgehend vergessene Front des IS und wurden Anfang des Jahres 2019 dort wochenweise überhaupt keine terroristischen Aktivitäten verzeichnet. Dies bedeutet aber nicht, dass der IS nicht auch in Bagdad Fuß zu fassen versucht. In der ersten Jahreshälfte 2019 verzeichnete das Gouvernement Bagdad im April zehn, im Mai ebenfalls zehn und im Juni 13 sicherheitsrelevante Vorfälle.

Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten ebenso wenig, wie Hinweise auf eine Säuberung von durch ethnische oder religiöse Gruppierungen bewohnten Gebieten.

Beim Unabhängigkeitsreferendum bezüglich der Frage der Loslösung Irakisch Kurdistans (KRI) vom irakischen Staat stimmten am 25.09.2017 92,7 Prozent der Stimmberechtigten für einen eigenen Staat (Wahlbeteiligung: 72 Prozent) (ORF 27.9.2017). Irakische Regierungskräfte haben als Reaktion auf das Kurdenreferendum beinahe alle Gebiete eingenommen, die zu den sogenannten "umstrittenen Gebieten" zählen, einschließlich Kirkuk und die dort befindlichen Ölquellen. Die zentral-irakische Armee hat nunmehr die zwischen Kurden und Zentralregierung umstrittenen Gebiete größtenteils wieder unter die Kontrolle Bagdads gebracht (AA 12.2.2018).

Im Zentralirak stehen Städten und größere städtische Agglomerationen unter staatlicher Kontrolle, während in ländlichen Gebieten - obwohl nicht mehr unter Kontrolle des IS - mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zu rechnen ist. Der Zentralirak ist nach wie vor ein Stützpunkt für den IS. In den Provinzen Ninewa und Salah al-Din muss weiterhin mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften gerechnet werden. Diese Gefährdungslage gilt ebenfalls für die Provinz Anbar und die Provinz Ta'mim (Kirkuk), sowie auch für die Provinz Diyala. Hinzu kommen aktuelle Spannungen zwischen irakischen Streitkräften und kurdischen Peshmerga (AA 1.11.2018). Der Zentralirak ist derzeit der wichtigste Stützpunkt für den IS. Die Gewalt dort nahm im Sommer 2018 zu, ist aber inzwischen wieder gesunken. in der Provinz Salah al-Din kam es im Juni 2018 zu durchschnittlich 1,4 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Tag, im Oktober jedoch nur noch zu 0,5. Die Provinz Kirkuk verzeichnete im Oktober 2018 einen Anstieg an sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit durchschnittlich 1,5 Vorfällen pro Tag, die höchste Zahl seit Juni 2018. Die Anzahl der Vorfälle selbst ist jedoch nicht so maßgeblich wie die Art der Vorfälle und die Schauplätze an denen sie ausgeübt werden. Der IS ist in allen ländlichen Gebieten der Provinz Diyala, in Süd-Kirkuk, Nord- und Zentral-Salah-al-Din tätig. Es gibt regelmäßige Angriffe auf Städte; Zivilisten und Beamte werden entführt; Steuern werden erhoben und Vergeltungsmaßnahmen gegen diejenigen ausgeübt, die sich weigern zu zahlen; es kommt auch regelmäßige zu Schießereien. Es gibt immer mehr Berichte über IS-Mitglieder, die sich tagsüber im Freien bewegen und das Ausmaß ihrer Kontrolle zeigen. Die Regierung hat in vielen dieser Gegenden wenig Präsenz und die anhaltenden Sicherheitseinsätze sind ineffektiv, da die Kämpfer ausweichen, wenn die Einsätze im Gang sind, und zurückkehren, wenn sie wieder beendet sind. Der IS verfügt derzeit über eine nach außen hin expandierende Kontrolle in diesen Gebieten. Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Dennoch blieb die Sicherheitslage im November 2018 relativ stabil. Berücksichtigt man die jüngsten Berichte nahm die Gewalt in der letzten Novemberwoche 2018 deutlich ab. Auch im Zentralirak nahm die Zahl der Vorfälle signifikant ab.

Zu Berufsgruppen und Menschen die einer bestimmten Beschäftigung nachgehen:

Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats weisen ein erhöhtes Gefährdungspotential auf. Ebenso werden Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten.

Künstler, Dichter, Schriftsteller und Musiker werden gezielt vom IS ins Visier genommen, aber auch von anderen bewaffneten radikalen bzw. streng-religiösen Gruppen angegriffen.

Folgen einer Desertation von der irakischen Armee:

Gemäß Art. 33 Abs. 1 des irakischen Militärstrafgesetzes wird jeder, der ohne juristische Begründung seiner Einheit oder seinem Einsatzort fernbleibt, oder in Friedenzeiten seinen Urlaub um mehr als 15 Tage überschreitet, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft.

2015 erließ der damalige irakische Premierminister Haidar AL ABADI eine Amnestie für desertierte oder nicht anwesende Soldaten und Mitglieder des Sicherheitsdienstes. Diese Amnestie war an die Bedingung geknüpft, dass sich diese Soldaten innerhalb eines Monats wieder bei ihrer Einheit melden.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Sachverhalt:

Der umseits unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes. Am 06.09.2019 fand beim Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der Beschwerdeführer und ihrer Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung statt. Ergänzend wurde auch eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Irak mit dem Thema "Desertion von der irakischen Armee" [a-9672] berücksichtigt und deren Inhalt im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert. Des Weiteren wurden Auskünfte aus dem Strafregister und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) eingeholt.

2.2 Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Feststellung zur Volljährigkeit der Erst- und Zweitbeschwerdeführer und zur Minderjährigkeit Dritt- und Viertbeschwerdeführer, deren Staatsangehörigkeit, deren Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit und deren Muttersprache resultiert aus den glaubhaften Angaben der Erst- und Zweitbeschwerdeführer vor der belangten Behörde und der diesbezüglich gleichbleibenden Angaben im Rahmen ihrer mündlichen Verhandlung vom 06.09.2019. Die Identität der Beschwerdeführer steht aufgrund der Vorlage eines Personalausweises des Erstbeschwerdeführers und einer Kopie der Reisepässe der Zweit- und Drittbeschwerdeführer fest. Die Identität der in Österreich nachgeborenen Viertbeschwerdeführerin wird als glaubhaft erachtet und liegt ihre Geburtsurkunde im Akt auf.

Die Feststellungen zur Familiensituation der Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsstaat gründet auf den glaubhaften Angaben der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer vor der belangten Behörde. Zuletzt gab der Erstbeschwerdeführer in seiner mündlichen Verhandlung an, dass seine Mutter mittlerweile in die Türkei gesiedelt sei. Dass der Bruder des Erstbeschwerdeführer seinetwegen den Irak verlassen hätte, wurde vom Erstbeschwerdeführer nicht behauptet und ergaben sich diesbezüglich auch keinerlei Anhaltspunkte aus dem Verwaltungsakt. Zuletzt führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Mutter mittlerweile Irak leben würde. Seinem Vorbringen - wonach sie seinetwegen den Irak verlassen habe - wird wie nachstehend unter Punkt 2.3. näher dargestellt, kein Glauben geschenkt.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik.

2.3 Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Dass die Verurteilung des Erstbeschwerdeführers durch ein irakisches Militärgericht zu einer Haftstrafe in der Dauer von drei Jahren keine Asylrelevanz begründet, resultiert auf folgenden Überlegungen:

Die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes rechtfertigt für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling. Der VwGH geht von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv angeführten Gründe erfolgt, in denen der Asylwerber damit rechnen müsste, dass er hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (VwGH 11.10.2000, 2000/01/0326).

Es kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine "bloße" Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (Hinweis E vom 27. April 2011, 2008/23/0124, mwN). Gemäß Art. 3 MRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat unmenschliche oder erniedrigende Haftbedingungen wiederholt unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 MRK gewürdigt (VwGH 23.01.2019, Ra 2019/19/0009).

Insgesamt war der Erstbeschwerdeführer von 2003 bis Juli 2013 im Militärbereich tätigt. War dies eingangs von 2003 bis 2007 ausschließlich für eine US-amerikanische Militär-Einrichtung, entwickelte sich daraus im Jahr 2007 eine Zusammenarbeit mit dem irakischen Militär. Nach dem Rückzug der amerikanischen Streitkräfte im Jahr 2011 wurde die Abteilung des Erstbeschwerdeführers vom irakischen Verteidigungsministerium übernommen. Wie der Erstbeschwerdeführer im Rahmen seiner mündlichen Verhandlung vom 06.09.2019 bestätigte, verblieb er 2011 beim irakischen Militär, erhielt den Rang eines Korporals ("Arif") verliehen und arbeitete er als solcher noch bis zu seinem Austritt im Juli 2013 im Verwaltungsbereich des Verteidigungsministeriums. Dem Erstbeschwerdeführer war somit (spätestens) ab dem Jahr 2011 klar, dass er als Soldat beim für das Verteidigungsministerium angestellt war und ihn auch die daraus resultierenden Rechte und Pflichten treffen. Seine Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht decken sich mit seinem Vorbringen vor der belangten Behörde. So bejaht er die Frage, ob er einen Militärdienst absolviert habe und führt auf weiteres Nachfragen aus, dass dies von 2003 bis 2013 gewesen sei und er in dieser Zeit in der Verwaltung [des Militärs] gearbeitet sei. Somit steht fest, dass der Erstbeschwerdeführer - ungeachtet seiner Verwaltungs- bzw. "zivilen" Tätigkeit - als Soldat beim irakischen Ministerium angestellt war.

Erörtert wurde im Rahmen der Verhandlung auch seine Weigerung am Dienst an der Waffe. Dass es sich bei der irakischen Armee um eine Freiwilligenarmee handelt und ihm die Beendigung seiner Tätigkeit offen gestanden wäre, bestätigte der Erstbeschwerdeführer im Rahmen seiner mündlichen Verhandlung. In dieser führte er ergänzend aus, dass es ihm - wie jedem anderen Militärangehörigen auch - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist jederzeit möglich gewesen wäre, seine Tätigkeit beim Militär legal zu beenden.

Seine Verurteilung durch ein irakisches Militärgericht lässt ebenfalls keine Anzeichen erkennen, dass der Beschwerdeführer explizit wegen seiner Überzeugung [keinen Dienst an der Waffe abzuleisten] bestraft wurde oder im Rahmen seiner Verurteilung ein strengerer Maßstab angesetzt worden sei. Ebenso ergibt sich aus den Bestimmungen des irakischen Militärstrafgesetzes - insbesondere des Art. 33, laut dem ein Deserteur mit einer Freiheitsstrafe "von bis zu drei Jahren" bestraft werden kann - im Allgemeinen kein Ansatz für eine Unverhältnismäßigkeit der Bestrafung eines Deserteurs.

Sein Einwand, dass er als "Zivilperson" für das irakische Militär tätig gewesen wäre und er somit eine ungerechtfertigte oder benachteiligende Bestrafung erhalten habe, geht somit ins Leere. In Anbetracht der vorangegangenen Ausführungen begründet die Bestrafung des Erstbeschwerdeführers keine Asylrelevanz im Sinne der GFK.

Zur Feststellung, dass der Erstbeschwerdeführer wegen seiner Tätigkeit als Regisseur und Sendungsverantwortlicher im Irak weder bedroht wurde, noch einem Anschlag gegen seine Person ausgesetzt war, resultiert sich auf der mangelnden Glaubhaftigkeit seines diesbezüglichen Vorbringens und begründet sich auf folgenden Überlegungen:

Eingangs ist zur Glaubhaftigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm vorgebrachte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

In Gesamtbetrachtung der Angaben des Erstbeschwerdeführers im Administrativverfahren, seinem Vorbringen in der Beschwerde und den Ausführungen mündlichen Verhandlung wurden die Angaben des Erstbeschwerdeführers diesen Anforderungen nicht gerecht und erachtet der erkennende Richter das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft.

Zunächst ist es hinsichtlich seiner Bedrohung nicht nachvollziehbar, dass der Erstbeschwerdeführer die von ihm geschilderte Bedrohung mittels Drohbrief und Patrone als lapidaren Streich von Jugendlichen oder das Werk eines Neiders abtut. Es musste ihm aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Programmverantwortlicher und Regisseur sowie seiner früheren Tätigkeit als Redakteur und Journalist bewusst sein, welche Gefahren und Konsequenzen seine Arbeit mit sich bringt. Insbesondere auch deshalb, weil - wie der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung selbst angibt - er als Verantwortlicher für die Sendung ALHIKAYA TAQ BI TAQ ebensolche brisanten Themen wie Korruption, Entführungen, Gewalttaten, etc. aufzeigte und zur Sprache brachte. Wäre er nun tatsächlich in Form eines Drohbriefes und einer Patrone "gewarnt" und zur Beendigung seiner Tätigkeit beim Sender aufgefordert worden, hätte er aufgrund seiner kritischen Berichterstattungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Ernst dieser Situation verstanden.

Auch vermochten seine Schilderungen des gegen ihn gerichteten Attentates den erkennenden Richter nicht von der Glaubhaftigkeit seines diesbezüglichen Vorbringens überzeugen. Dies vor allem deshalb, weil sie zum Teil nicht mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang zu bringen sind. Wie die belangte Behörde bereits zu Recht aufzeigte, ist es nicht nachvollziehbar, dass der Erstbeschwerdeführer in dem Bruchteil der Sekunden - während er vor das Haus tritt und das Feuer auf ihn eröffnet wird - wahrnimmt, dass ein Gewehrlauf aus dem Wagenfenster ragt, es sich hierbei um eine Kalaschnikow handelt, währenddessen die Fensterscheibe der hinteren Wagentüre hinuntergelassen wird und er ebenfalls erkennt, dass am Rücksitz vermummte Personen sitzen und einer davon ebenfalls eine Kalaschnikow trägt.

Auch das vom Erstbeschwerdeführer in Vorlage gebrachte Video des Privatsenders AL NAHAR vermochte die Glaubhaftigkeit der Angaben des Erstbeschwerdeführers nicht bekräftigen. Zunächst deshalb, weil die Produzenten und die tatsächliche Herkunft des Videos als solches nicht verifiziert werden können. Des Weiteren besteht ein Naheverhältnis zwischen dem Erstbeschwerdeführer und dem Privatsender, da der Erstbeschwerdeführer vor seiner Ausreise dort als Programmchef tätig war und kann dadurch die volle Unbefangenheit nicht ausgeschlossen werden. Gegen die Glaubhaftigkeit des Videos spricht des Weiteren auch der Umstand, dass über den Fall des Erstbeschwerdeführers vom Sender erst sehr spät berichtet wird. So erfolgte das Attentat auf den Erstbeschwerdeführer Mitte August 2015 und die darauffolgende Ausreise im September 2015, das Video wurde jedoch erst rund vierzehn Monate später (!) am 31.12.2016 auf den Youtube Kanal des Senders veröffentlicht. In diesem Zusammenhang verkennt der erkennende Richter auch nicht, dass das Video rund eine Woche vor seiner ersten Einvernahme durch die belangte Behörde vom 09.01.2017 hochgeladen wurde.

Auch seinem erstmaligen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, wonach seine Mutter seinetwegen den Irak habe verlassen müssen, da sie Ende 2018/Anfang 2019 von einer Gruppierung bewaffneter Personen heimgesucht worden sei, vermochte der erkennende Richter keinen Glauben schenken. Das diesbezügliche Vorbringen des Erstbeschwerdeführers, dass die Gruppierung zu seiner Mutter gesagt hätte, dass der Erstbeschwerdeführer von dort wo er sich gerade befinde in den Irak zurückkehren solle, andernfalls sie das Haus [Anm. gemeint wahrscheinlich der Mutter] anzünden würden, weist keine Logik auf. Gegen die Logik spricht zunächst der lange Zeitraum zwischen August 2015 und der nunmehrigen Drohung Ende 2018/Anfang 2019. Es entbehrt jeglicher Logik, dass die Gruppierung rund drei Jahre verstreichen lässt, ehe sie sich wieder eine Drohung ausspricht. Ebenso kann das Motiv dieser Drohung nicht nachvollzogen werden. Der Erstbeschwerdeführer wurde ursprünglich damit bedroht seine Tätigkeit einzustellen. Dadurch dass er ausgereist ist, wurde dem Zweck dieser Drohung im weiteren Sinne entsprochen bzw. hat er während der letzten drei Jahre im Irak offensichtlich keine weiteren Handlungen mehr gesetzt. Es ist daher nicht plausibel, wenn er nunmehr drei Jahre später zu einer Rückkehr in den Irak aufgefordert wird. Vielmehr wertet der erkennende Richter diese Ausführungen als gesteigertes Vorbringen und als Versuch seinem Fluchtvorbringen mehr Gewichtung zu verleihen.

Ein weiteres Indiz der mangelnden Glaubhaftigkeit seines Vorbringens stellen die Widersprüche in seinen Ausführungen bezüglich der Ausreise und hinsichtlich der Erlangung des Reisepasses für seine Frau und sein Kind dar:

So führt der Erstbeschwerdeführer im Zuge seiner Einvernahme vor der belangten Behörde aus, dass er mit einem Wagen des Privatsenders zum Flughaften gebracht worden sei. Man könne aufgrund der strengen Sicherheitsbestimmungen am Flughafen nur mit einer Genehmigung in den Abflugbereich des Flughafens einfahren. Der Generaldirektor des Privatsender bei dem der Erstbeschwerdeführer tätig gewesen sei, verfüge über eine derartige Genehmigung. So habe ihn der Fahrer des Generaldirektors vor den Flughafen gebracht, wo die Zweitbeschwerdeführerin [Anm. und auch der Drittbeschwerdeführer] in das Auto zugestiegen seien und fuhren sie anschließend auf das Flughafengelände. Diesen Angaben widersprach der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, wenn er vermeint, dass er sich mit der Zweitbeschwerdeführerin vor dem Flughaften getroffen habe und - nachdem Privatautos nicht in das Flughafengelände einfahren dürften - sie gemeinsam mit einem Taxi in das Flughafengelände weitergefahren seien.

Ebenso ergab sich hinsichtlich der Erlangung der Reisepässe für die Zweit- und Drittbeschwerdeführer ein Widerspruch bzw. erwiesen sich diesbezüglichen Schilderungen des Erstbeschwerdeführers als nicht plausibel. Dies vor allem deshalb, weil die Schilderung der Erlangung der Reisepässe nicht im Einklang mit den Voraussetzungen für den Passerwerb stehen, da der Irak seit geraumer Zeit nur mehr biometrische Reisepässe ausstellt. Der allgemein gehaltene Einwand des Erstbeschwerdeführers, wonach die irakischen Behörden korrupt seien und man mit Geld alles kaufen können, vermochte den erkennenden Richter nicht überzeugen. Dies vor allem deshalb, weil für die Ausstellung des Reisepasses neben genormten Fotos, auch die Abgabe einer Unterschrift und ein Daumenabdruck des Passwerbers erforderlich sind. Ein derartiges Hindernis bei der Passbeschaffung bzw. eine Lösung für diese Erfordernisse - zB dass mit der Zweitbeschwerdeführerin allenfalls ein Termin für die Abgabe der Fotos, der Unterschrift und des Daumenabdruckes vereinbart worden wäre - wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Erstbeschwerdeführer bekannt gewesen bzw. er darüber informiert worden. Eine derartige aktive Mitwirkung der Zweitbeschwerdeführerin am Passerwerb wurde vom Erstbeschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung mit keinem Wort behauptet, sondern argumentierte der Beschwerdeführer auf den Vorhalt eben jener Erfordernisse lediglich lapidar mit der Korruption der irakischen Behörden. Demgegenüber führte die Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung danach befragt aus, dass ein Freund ihres Mannes den Reisepass ausstellen ließ. Es sei ein Termin mit ihr vereinbart worden, wo sie bei einem staatlichen Amt für den Reisepass ihren Fingerabdruck abgegeben habe und sie somit aktiv an der Passausstellung beteiligt gewesen sei.

In der einer Gesamtbetrachtung der vorangegangenen Ausführungen war dem Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers in Hinblick auf die gegen ihn gerichtete Bedrohung und dem gegen seine Person gerichteten Attentat die Glaubhaftigkeit zu versagen.

Dass die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer kein eigenen Fluchtvorbringen haben und sich auf jenes des Erstbeschwerdeführers stützten, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführer vor der belangten.

2.4 Zur Lage im Herkunftsland:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Irak samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der dort angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die aktuellen Länderberichte wurden den Beschwerdeführern auch vorab der mündlichen Verhandlung übermittelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde mit ihnen der Inhalt der Länderberichte und zusätzlich der Inhalt der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation mit dem Titel "Folgen einer Desertion von der irakischen Armee" [a-9672], welche sich mit den Bestimmungen des irakischen Militärstrafgesetztes und den Folgen einer Desertion von der irakischen Armee auseinandergesetzt, erörtert und ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Zusätzlich legte die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme im Umfang von rund einer dreiviertel Seite über die Situation von Journalisten im Irak vor. Darin wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen der Länderberichte verwiesen, wonach Journalisten und Soldaten neben Richtern, Rechtsanwälten und Intellektuellen zu den am meist gefährdetsten Personengruppen im Irak gehören würden. Zusätzlich wurde in dieser Stellungnahme ebenfalls darauf hingewiesen, dass der Irak laut den Angaben von Reportern ohne Grenzen für Journalisten eines der gefährlichsten Länder der Welt sei und auch die als stabil bezeichnete Region Kurdistans zahlreiche Fälle von Gewalt, Inhaftierungen und Todesdrohungen gegen Medienschaffende verzeichne.

Somit treten die Beschwerdeführer weder in ihrer Beschwerde, noch in der mündlichen Verhandlung dem Inhalt und den Kernaussagen der Länderberichte sowie deren Quellen substantiiert entgegen, sodass an der Richtigkeit und am Zutreffen der Länderfeststellungen keine Zweifel bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl:

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. ausführlich dargelegt, vermochte das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer, wonach der Erstbeschwerdeführer vom irakischen Militärgericht zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt wurde keine Asylrelevanz begründen. Dem weiteren Fluchtvorbringen, dass der Erstbeschwerdeführer im Irak wegen seiner Tätigkeit als Regisseur und Sendungsverantwortlicher bedroht wurde und ein Anschlag gegen seine Person verübt wurde, war die Glaubhaftigkeit zu versagen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylantragstellung, asylrechtlich relevante Verfolgung,
Asylverfahren, begründete Furcht vor Verfolgung, Bürgerkrieg,
bürgerkriegsähnliche Situation, erhebliche Intensität,
Familienverfahren, Fluchtgründe, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit,
maßgebliche Wahrscheinlichkeit, mündliche Verhandlung, mündliche
Verkündung, Nachvollziehbarkeit, schriftliche Ausfertigung,
Unzumutbarkeit, Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung,
wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I422.2169954.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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