TE Bvwg Beschluss 2019/10/16 W240 2224269-1

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Veröffentlicht am 16.10.2019
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Entscheidungsdatum

16.10.2019

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz 2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W240 2224269-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2019, Zl. 1240746001-190784178, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG

stattgegeben und es wird der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 01.08.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 04.07.2019 in Polen einen Asylantrag gestellt hatte.

Im Zuge der Erstbefragung am 01.08.2019 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er sei verheiratet, seine Ehefrau heiße XXXX und sie sei am XXXX geboren. Er sei über Russland, Weißrussland nach Polen gelangt, wo er im Juli 2019 aufhältig gewesen sei, bevor er nach Österreich gelangt sei. In Polen habe er einen Asylantrag gestellt, er wolle dorthin jedoch nicht zurück, weil er in Polen nicht sicher sei und seine Ehefrau in Österreich lebe. Er wolle auch deshalb hier leben zusammen mit seiner Frau. Er sei aus Russland ausgereist, weil er dort zehn Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen sei. Er sei nach seiner Freilassung erneut mehrmals von der Polizei vorgeladen worden, daher habe er seinen Herkunftsstaat verlassen. Er habe sich an verschiedenen Orten versteckt und gelegentlich mit seiner Frau telefoniert, diese habe ihm erklärt, er solle nach Österreich kommen.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Antragstellung folgende Dokumente vor:

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Bestätigung über die Haftdauer im Original, ausgestellt von Justizministerium der Russischen Föderation, vom XXXX , wonach der Beschwerdeführer ab XXXX inhaftiert gewesen sei

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polnischer Asylausweis im Original

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Abnahmebestätigung betreffend den Originalreisepass

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medizinische Begutachtung im Original, ausgestellt von einem russischen Krankenhaus, ausgestellt 2018, stationäre Behandlung; Diagnose: Prellung von Weichgeweben; großflächige Hämatome im Bereich des Rückens und oberen Teils des Brustkorbes; Prellungen und Blutergüsse im Bereich Kopf, Hals, Schulter und Beine; starke Gehirnerschütterung; Hausabschürfungen und Prellungen im Bereich der rechten Hüfte; nervlich und physisch sehr stark abgemagert

-

behördliche Vorladung als Zeuge im Kopie; ausgestellt von einer russischen Polizeistation für einen Termin im Juli 2018

Das BFA richtete am 02.08.2019 ein Wiederaufnahmegesuch gem. Art. 18 Abs. 1 lit. b

Dublin III-VO an Polen; dies unter Bekanntgabe der vom Beschwerdeführer angegebenen Reiseroute und des vorliegenden Eurodac-Treffers.

Mit Schreiben vom 07.08.2019 teilten die polnischen Behörden den österreichischen Behörden mit, dass dem österreichischen Wiederaufnahmegesuch nicht entsprochen werden könne, weil der Sachverhalt für Polen nicht eindeutig erscheine aufgrund der in Österreich lebenden Ehefrau des Beschwerdeführers. Die polnischen Behörden fragten im vorzitierten Schreiben, ob die österreichischen Behörden den Sachverhalt hinreichend erhoben hätten, da durch die Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen die Trennung einer Familie erfolgten könnte und möglicherweise Art 8 EMRK verletz werden könnte.

Am 08.08.2019 wurde betreffen den Beschwerdeführer ein Gesamtbefund übermittelt und durch eine österreichische Ärztestation mitgeteilt, dass beim Beschwerdeführe Hepatitis A und Hepatitis C diagnostiziert worden sei.

Mit Schreiben vom 08.08.2019 teilten die österreichischen Behörden den polnischen Behörden mit, dass laut Einschätzung der österreichischen Behörden Polen für das gegenständliche Verfahren zuständig sei. Insbesondere wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer bei Angabe des Namens seiner angeblich in Österreich aufhältigen Ehefrau einen anderen Namen genannt habe (Anmerkung BVwG: eigentlich eine andere Schreibweise, statt XXXX nannte er XXXX ) und die behauptete Ehefrau, welche in Österreich über einen subsidiären Schutzstatus verfügt, den Beschwerdeführer bei deren Einvernahme nicht genannt habe und angegeben habe, verwitwet zu sein und sei der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines Nachweises über eine bestehende Ehe.

Mit Schreiben vom 13.08.2019 stimmte die polnischen Dublin-Behörde der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers nach Art 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zu.

Betreffend den Beschwerdeführer wurden zahlreiche Unterlagen in ausländischer Sprache vorgelegt.

Am 16.08.2019 wurde der Beschwerdeführer vom BFA einvernommen. Er führte insbesondere aus, dass bei ihm Hepatitis festgestellt worden sei. Außerdem habe er starke Schmerzen im Brustbereich und Magenprobleme. Es werde ihm übel, wenn er etwas esse, außerdem leide er unter Müdigkeit und Schlafstörungen. Er leide auch an Kopfschmerzen und hohem Blutdruck. Die meisten gesundheitlichen Beschwerden würden von seinem Gefängnisaufenthalt stammen, er sei seit fast elf Jahren inhaftiert gewesen, es sei dort wie in der Hölle gewesen und man habe ihn dort auch zusammengeschlagen. Er plane einen weiteren Arzttermin wegen seiner Hepatitiserkrankung.

Befragt, ob er über Dokumente verfüge, die seine Identität bestätigen, gab er an, dass alle Dokumente, die er bei sich hatte, bereits bei Antragstellung abgenommen worden seien und sein Reisepass sei ihm in Polen abgenommen worden.

Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA legte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen vor:

-

Heiratsurkunde in Kopie, ausgestellt im XXXX von einem russischen Standesamt, über die Heirat des Beschwerdeführers mit XXXX

-

Meldezettel und Leichtbildseite eines Fremdenpasses betreffend die in Österreich lebende Frau

Befragt, ob er sich um ein Visum für einen EU-Staat bemüht habe, gab er an, dass seine Anträge abgelehnt worden seien.

Er gab an, dass sich seine Ehefrau seit 2005 in Österreich befinde, er habe sie im Jahr XXXX geheiratet. Sie lebe mit ihren Kindern in Österreich. Sie sei vor der Heirat mit dem Beschwerdeführer bereits verheiratet gewesen und ihr erster Mann sei verstorben. Er selbst habe mit seiner ersten Ehefrau Kinder, diese seien bei seiner geschiedenen Frau, die Scheidung sei ca. im Jahr XXXX erfolgt.

Er habe während seines Aufenthalts im Gefängnis Kenntnis über den Aufenthalt seiner jetzigen Frau über soziale Netzwerke erlangt und sie habe keine Kenntnis darüber gehabt, dass er noch am Leben sei.

Befragt, wie der Kontakt zur Ehefrau in den letzten Jahren ausgesehen habe, gab er an, dass er mit ihr telefoniert habe und Nachrichten über Whatsapp geschrieben habe. Es sei in russischen Gefängnissen eigentlich verboten, ein Telefon zu besitzen, es seien jedoch Handys versteckt gewesen.

Befragt, weshalb seine Ehefrau in Österreich sei, gab der Beschwerdeführer an, sie hätte niemanden gehabt, als deren erster Mann verstorben sei. Er selbst habe auch flüchten müssen und sie hätte nicht gewusst, was sie machen sollte. Sie hätte sich und ihre Kinder retten wollen. Er habe über den Kontakt mit ihr über die sozialen Medien erfahren, dass sie gedacht hätte, der Beschwerdeführer sei auch verstorben.

Befragt, ob seine Ehefrau einverstanden sei, dass er sich in Österreich aufhalte, bejahte dies der Beschwerdeführer und gab an, dass sie auf ihn warte. Er habe, nachdem er 2016 aus dem Gefängnis entlassen worden sei, die Verpflichtung gehabt, sich regelmäßig bei den russischen Behörden zu melden. Als ihm erklärt worden sei, dass er eine Hohe Geldsumme an die Behörden bezahlen müsste, habe er sich versteckt vor den Behörden.

Befragt, warum er in der Einvernahme seine Frau in deren Asylverfahren nicht genannt werde, gab er an, dass sie sicherlich Angst gehabt hätte, dass sie zurückgeschickt werde.

Der Beschwerdeführer wolle nicht nach Polen geschickt werden, weil er dort nicht sicher sei. Er habe immer nur nach Österreich zu seiner Frau gewollt. Er habe mit seiner Ehefrau zwei bis drei Monate im Jahr XXXX im gemeinsamen Haushalt gelebt.

Nach Zustimmung des Beschwerdeführers wurden Auskünfte aus dem Krankenakt des Beschwerdeführers an das BFA übermittelt. Den übermittelten Unterlagen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer mehrmals in diversen Arztstationen vorstellig geworden ist und dort auch untersucht worden ist. Zusammenfassend ist dort angeführt, dass er über Probleme mit den Nieren und über Schmerzen im Rücken und in den Beinen klagte. Weiters klagte der Beschwerdeführe über Appetitlosigkeit. Hinsichtlich der bei ihm diagnostizierten Hepatitis-Erkrankung erfolgte eine Befundbesprechung und ein mögliches Procedere hinsichtlich der Lebererkrankung wurde skizziert. Betreffend der vom Beschwerdeführer genannten Erkrankungen bzw. gesundheitlichen Beschwerden wurden ihm Medikamente verschrieben und es wurden Termine bei einem Facharzt für Urologie (betreffend Condylome) und zur Sonografie des Oberbauchs vereinbart. Ebenso wurde dem Beschwerdeführer ein Medikament gegen Fußpilz verschrieben und ein Zahnarztbesuch empfohlen. Im Röntgenbefund vom 27.08.2019 ("Sonografie Oberbauch") wurde als Ergebnis festgehalten Mittelgradige Hepatomegalie wie bei Steatose (= mittelgradige Vergrößerung wie bei einer Fettleber); Sonographisch keine Zirrhosezeichen und keine entzündliche vergrößerten portalen LK".

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO Polen für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge deren Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Im Bescheid wurde insbesondere festgestellt, dass der Beschwerdeführer an keinen Erkrankungen leide, die einer Überstellung nach Polen im Wege stehen würden. Das Bestehen eines schützenswerten Privat- oder Familienlebens zwischen dem Beschwerdeführer und Frau XXXX könne nicht festgestellt werden und wurde diesbezüglich insbesondere auf die Aussagen der in Österreich lebenden Frau in deren abgeschlossenem Asylverfahren verwiesen. Ebenso könne nicht festgestellt werden, dass zwischen dem Beschwerdeführer und Frau XXXX ein besonders enges Verhältnis oder eine Abhängigkeit bestehe. Besonders enge weitere familiäre oder andere enge private Anknüpfungspunkte bzw. Abhängigkeiten zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten vom BFA nicht festgestellt werden können. Nach Aufzählung der beim Beschwerdeführer diagnostizierten und geschilderten gesundheitlichen Beschwerden wurde darauf verwiesen, dass es sich um keine akut lebensbedrohlichen Erkrankungen handle und die medizinische Versorgung in Polen für Dublin-Rückkehrer im aufrechten Asylverfahren gewährleistet sei. Der Beschwerdeführer habe erklärt, dass seine Ehefrau, die er im XXXX geheiratet habe, seit 2005 mit deren Kindern in Österreich sei und er sie seither nicht mehr gesehen habe. Die vom Beschwerdeführer namentlich genannte Ehefrau habe jedoch in deren Verfahren den Beschwerdeführer nicht genannt. Auch wenn zwischen dem Beschwerdeführer und seiner angeblich in Österreich lebenden Ehefrau tatsächlich eine erfolgte Eheschließung festzustellen sei, könne jedoch kein schützenswertes Familienleben erkannt werden, weil der Beschwerdeführer ab Herbst 2003 keinerlei Kontakt mehr zur Ehefrau gehabt habe. Sie sei aus der Russischen Föderation geflüchtet und der Beschwerdeführer habe erst mehr als zehn Jahre später einen Kontakt vom Gefängnis aus herstellen können. Das Bestehen eines schützenswerten Privat- oder Familienlebens zwischen dem Beschwerdeführer und seiner in Österreich lebenden Ehefrau könne ebensowenig wie ein besonders enges Verhältnis oder eine Abhängigkeit zwischen den beiden festgestellt werden.

3. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurden insbesondere moniert, dass der Beschwerdeführer im Jahr XXXX die nunmehr in Österreich als subsidiär Schutzberechtigte lebende Frau geheiratet habe. Weil der der Beschwerdeführer in Russland verfolgt worden sei und sich habe verstecken müssen, sei ein Kontakt mit seiner Ehefrau in Österreich nicht möglich gewesen. Seine nunmehrige Ehefrau habe nicht gewusst, wo sich der Beschwerdeführer aufhalte und habe keinen Kontakt zu ihm herstellen können, weshalb sie 2005 mit ihren Kindern nach Österreich geflohen sei. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2006 unschuldig verhaftet worden und sei für zehn Jahre inhaftiert worden. Nach einigen Jahren sei es seiner Frau gelungen, ihn über neue soziale Medien zu finden. Seitdem sei er wieder regelmäßig in Kontakt mit seiner Frau gestanden. Als der Beschwerdeführer entlassen worden sei, sei ihm erneut eine Strafe erteilt worden, die er nicht bezahlen hätte können. Er habe keine Arbeit gefunden und habe mit weiteren Verfolgungshandlungen zu kämpfen gehabt. Er habe vergeblich für mehrere Länder versucht ein Visum zu erhalten um zu seiner Frau reisen zu können. Da ihm wiederum eine Haftstrafe und weitere Verfolgung drohen würden, habe er kein Visum erhalten. Um zu seiner Frau reisen zu können, sei er über Polen in die EU eingereist und von da aus weiter nach Österreich um gegenständlichen Antrag zu stellen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers lebe in Österreich und sei ihr und ihren Kindern der Status der subsidiär Schutzberechtigten erteilt worden. Der Beschwerdeführer leide an Hepatitis A und C, habe starke Schmerzen im Brustbereich, Leberprobleme, Magenprobleme und Schlafstörungen. Im Rahmen des Konsultationsverfahrens habe Polen zunächst mit Schreiben vom 07.08.2019 die Zustimmung verweigert, weil eine Verletzung des Art 8 EMRK im Falle einer Zustimmung des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen werden könne. Daraufhin hätten die österreichischen Behörden mit einem Remonstrationsschreiben an die polnischen Behörden am 08.08.2019 insbesondere ausgeführt, dass die in Österreich lebende Frau des Beschwerdeführers angebe, sie sei verwitwet und dass keine Unterlagen über die Heirat vorgelegt worden seien. Die polnischen Behörden hätten daraufhin der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers zugestimmt. Dem BFA sei im konkreten Fall die Durchführung eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens vorzuwerfen. Wie der Beschwerdeführer in der Einvernahme am 16.08.2019 vorgebracht habe, sei er an Hepatitis A und C erkrankt, habe starke Schmerzen im Brustbereich, Magenprobleme und Schlafstörungen. Seinen allgemein schlechten gesundheitlichen Zustand führe er auch auf die Zeit in Haft zurück. Der Beschwerdeführer und seine Frau seien aufeinander angewiesen. Sie könne ihn in Bezug auf seine gesundheitlichen Themen unterstützen und er könne sie psychisch unterstützten. Da im gegenständlichen Fall keine derartigen individuellen Garantien seitens der polnischen Behörden für die Unterbringung und Versorgung des Beschwerdeführers vorliegen und dem Beschwerdeführer in Polen Obdachlosigkeit, menschenunwürdige Bedingungen und unzureichende medizinische Versorgung drohen würden, sei das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet. Hinzu kommen die in weiterer Folge in der Beschwerde aufgezeigten Mängel im polnischen Asylsystem, insbesondere für tschetschenische Asylwerber. Obwohl der Beschwerdeführer angegeben habe, verheiratet zu sein und überdies eine Kopie seiner Heiratsurkunde vorgelegt habe, habe das BFA keine weiteren Ermittlungen in Bezug auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angestellt. Das BFA habe nur den Beschwerdeführer und nicht auch die Ehefrau befragt. Hätte das BFA auch die Ehefrau befragt, hätte das BFA festgestellt, dass die Ehefrau damals keinen Kontakt zum Beschwerdeführer gehabt habe, als sie nach Österreich gekommen sei, da er flüchten hätte müssen. Sie hätten sich jedoch über die sozialen Netzwerke wiedergefunden und würden das Familienleben weiterführen wollen. Verwiesen wurde darauf, dass die Heiratsurkunde im Original von der Ehefrau des Beschwerdeführers mittels Einschreiben an die ausgewiesene Vertretung des Beschwerdeführers übermittelt worden sei. Der Brief sei jedoch nicht angekommen und werde als Beweis der Postbeleg sowie eine Kopie der Nachschau für Briefsendungen übermittelt Die Ehefrau forsche nach, wo das Poststück verblieben sei und sobald die Heiratsurkunde auftauche, werde sie weitergeleitet werden. Die Ehefrau habe eine schriftliche Bestätigung verfasst und der Beschwerde beigelegt. Die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen zur Situation in Polen seien überdies unvollständig, einseitig und teilweise nicht mehr aktuell. Die vom BFA durchgeführte Beweiswürdigung entspreche nicht den Erfordernissen einer schlüssigen Beweiswürdigung iSd ständigen Judikatur des VwGH. Aufgrund der unzureichenden Ermittlungen über die tatsächliche Situation und die allgemeine Situation in Polen seien sowohl die Beweiswürdigung als auch die daraus folgende rechtliche Beurteilung im gegenständlichen Fall unrichtig. Es sei dem Beschwerdeführer und seiner Frau unmöglich gewesen physisch zusammenzuleben, dennoch hätten sie ein Familienleben weitergeführt und seien seit mehreren Jahren wieder regelmäßig in Kontakt. Der Beschwerdeführer habe auch mehrere Versuche unternommen, um zu seiner Frau zu kommen. Das BFA werfe dem Beschwerdeführer vor, dass er seine in Österreich lebende Frau nicht getroffen habe, dies sei jedoch nicht korrekt, da sich das Ehepaar in Österreich bereits getroffen habe und in Österreich gemeinsam leben wolle. Das BFA habe es verabsäumt, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt amtswegig zu ermitteln und habe das BFA gegen seine Pflicht zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und der ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens verstoßen. In der gegenständlichen Beschwerde sei auch dargelegt worden, dass aufgrund der systemischen Mängel im polnischen Aufnahmesystem im Fall einer Überstellung nach Polen eine Verletzung der durch Art 3 EMRK und Art 4 GRC gewährleisteten Rechte wahrscheinlich sei. Eine mögliche Überstellung nach Polen verletze den Beschwerdeführer in seinen Rechten nach Art. 8 EMRK, da sich seine Ehefrau in Österreich aufhalte. Auch der Erwägungsgrund 14 der Dublin III-VO betone, dass die Achtung des Familienlebens eine vorrangige Erwägung der Mitgliedstaaten sein soll. Dementsprechend halte Erwägungsgrund 17 fest, dass die Mitgliedstaaten insbesondere aus humanitären Gründen oder in Härtefällen von den Zuständigkeitskriterien abweichen können sollten, um Familienangehörige zusammenzuführen und deren Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn sie für eine solche Prüfung nach den in der Dublin III-VO festgelegten verbindlichen Zuständigkeitskriterien nicht zuständig sind.

Zum Beweis des bestehenden Ehelebens wurde in der Beschwerde der Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme der Ehefrau beantragt. Zusammen mit der Beschwerde wurde ein unterschriebenes Schreiben übermittelt, wonach die behauptete Ehefrau des Beschwerdeführers darum ersuche, dass sie mit dem Beschwerdeführer, dessen Ehefrau sie sei, wiedervereinigt werde. Weiters wurden Unterlagen über die behauptete Übermittlung des in der Beschwerde genannten Poststückes übermittelt (Postbeleg sowie eine Kopie der Nachschau für Briefsendungen).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 01.08.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Im Zuge der Erstbefragung am 01.08.2019 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er sei verheiratet, seine Ehefrau heiße XXXX und sie sei am XXXX geboren Er sei über Russland, Weißrussland nach Polen gelangt, wo er im Juli 2019 aufhältig gewesen sei, bevor er nach Österreich gelangt sei. In Polen habe er einen Asylantrag gestellt, er wolle dorthin jedoch nicht zurück, weil er in Polen nicht sicher sei und seine Ehefrau in Österreich lebe und er wolle auch deshalb hier leben zusammen mit seiner Frau. Er sei aus Russland ausgereist, weil er dort zehn Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen sei. Er sei nach seiner Freilassung erneut mehrmals von der Polizei vorgeladen worden, daher habe er seinen Herkunftsstaat verlassen.

Mit Schreiben vom 07.08.2019 teilten die polnischen Behörden den österreichischen Behörden mit, dass dem österreichischen Wiederaufnahmegesuch nicht entsprochen werden könne, weil der Sachverhalt für Polen nicht eindeutig erscheine aufgrund der in Österreich lebenden Ehefrau des Beschwerdeführers. Die polnischen Behörden fragten im vorzitierten Schreiben, ob die österreichischen Behörden hinreichend den Sachverhalt erhoben hätten, da durch die Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen die Trennung einer Familie erfolgten könnte und möglicherweise Art 8 EMRK verletz werden könnte.

Mit Schreiben vom 08.08.2019 teilten die österreichischen Behörden den polnischen Behörden mit, dass laut Einschätzung der österreichischen Behörden Polen für das gegenständliche Verfahren zuständig sei. Insbesondere wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer bei Angabe des Namens seiner angeblich in Österreich aufhältigen Ehefrau einen anderen Namen genannt habe (Anmerkung BVwG: eigentlich eine andere Schreibweise, statt XXXX nannte er XXXX ) und die behauptete Ehefrau, welche in Österreich über einen subsidiären Schutzstatus verfügt, den Beschwerdeführer bei deren Einvernahme nicht genannt habe und angegeben habe, verwitwet zu sein. Mit Schreiben vom 13.08.2019 stimmte die polnischen Dublin-Behörde daraufhin der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers nach Art 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zu.

Es wurde betreffend den Beschwerdeführer vorgebracht, dass dieser im Jahr XXXX die nunmehr in Österreich als subsidiär Schutzberechtigte lebende Ehefrau geheiratet habe. Weil der Beschwerdeführer in Russland verfolgt worden sei und sich habe verstecken müssen, sei ein Kontakt mit seiner Ehefrau in Österreich nicht möglich gewesen. Seine nunmehrige Ehefrau habe nicht gewusst, wo sich der Beschwerdeführer aufhalte und habe keinen Kontakt zu ihm herstellen können, weshalb sie 2005 mit ihren Kindern nach Österreich geflohen sei. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2006 unschuldig verhaftet worden und sei für zehn Jahre inhaftiert worden. Nach einigen Jahren sei es seiner Frau gelungen, ihn über neue soziale Medien zu finden. Seitdem sei er wieder regelmäßig in Kontakt mit seiner Frau gestanden. Als der Beschwerdeführer entlassen worden sei, sei ihm erneut eine Strafe erteilt worden, die er nicht bezahlen hätte können. Er habe keine Arbeit gefunden und habe mit weiteren Verfolgungshandlungen zu kämpfen gehabt. Es sei dem Beschwerdeführer und seiner Frau unmöglich gewesen physisch zusammenzuleben, dennoch hätten sie ein Familienleben weitergeführt und seien seit mehreren Jahren wieder regelmäßig in Kontakt. Der Beschwerdeführer habe auch mehrere Versuche unternommen, um zu seiner Frau zu kommen. Das BFA werfe dem Beschwerdeführer vor, dass er seine in Österreich lebende Frau nicht getroffen habe, dies sei jedoch nicht korrekt, da sich das Ehepaar in Österreich bereits getroffen habe und in Österreich gemeinsam leben wolle.

Im Akt liegen insbesondere eine Heiratsurkunde in Kopie, ausgestellt im XXXX von einem russischen Standesamt, über die Heirat des Beschwerdeführers mit XXXX eine Bestätigung über die Haftdauer im Original, ausgestellt von Justizministerium der Russischen Föderation, vom XXXX , wonach der Beschwerdeführer ab XXXX inhaftiert gewesen sei, eine behördliche Vorladung als Zeuge im Kopie; ausgestellt von einer russischen Polizeistation für einen Termin im Juli 2018 und ein unterschriebenes Schreiben übermittelt, wonach die behauptete in Österreich lebende Ehefrau des Beschwerdeführers darum ersuche, dass sie mit dem Beschwerdeführer, dessen Ehefrau sie sei, wiedervereinigt werde.

Den ärztlichen Unterlagen im Akt ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer mehrmals in diversen Arztstationen vorstellig geworden ist und dort auch untersucht worden ist. Zusammenfassend ist dort angeführt, dass er über Probleme mit den Nieren und über Schmerzen im Rücken und in den Beinen klagte. Weiters klagte der Beschwerdeführe über Appetitlosigkeit. Hinsichtlich der bei ihm diagnostizierten Hepatitis-Erkrankung erfolgte eine Befundbesprechung und ein mögliches Procedere hinsichtlich der Lebererkrankung wurde skizziert. Betreffend der vom Beschwerdeführer genannten Erkrankungen bzw. gesundheitlichen Beschwerden wurden ihm Medikamente verschrieben und es wurden Termine bei einem Facharzt für Urologie (betreffend Condylome) und zur Sonografie des Oberbauchs vereinbart. Ebenso wurde dem Beschwerdeführer ein Medikament gegen Fußpilz verschrieben und ein Zahnarztbesuch empfohlen. Im Röntgenbefund vom 27.08.2019 ("Sonografie Oberbauch") wurde als Ergebnis festgehalten "Mittelgradige Hepatomegalie wie bei Steatose (= mittelgradige Vergrößerung wie bei einer Fettleber); Sonographisch keine Zirrhosezeichen und keine entzündliche vergrößerten portalen LK".

Die belangte Behörde hat keine abschließende Beurteilung zum Familienleben und Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers mit dem Ziel vorgenommen, eine Grundlage für ihre Entscheidung zu schaffen.

Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen, weshalb zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide durch die belangte Behörde keine Entscheidungsreife vorlag.

Hinsichtlich des Verfahrensganges und festzustellenden Sachverhalt wird auch auf die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Der für die gegenständliche Zurückverweisung des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.

Insbesondere liegen keine ausreichenden Ermittlungen und in der Folge keine abschließende Beurteilung betreffend den Gesundheitszustand des an zahlreichen gesundheitlichen Beschwerden leidenden Beschwerdeführer und die familiären Beziehungen des Beschwerdeführers zu seiner in Österreich lebenden angeblichen Ehefrau vor. Die Beweiserhebung des BFA stellt keine geeignete Ermittlungstätigkeit dar, um ausschließen zu können, dass beim Beschwerdeführer aufgrund der ihm gegenüber ausgesprochenen Außerlandesbringung ein unzulässiger Eingriff in sein von Art. 3 EMRK geschütztes Recht und in ihr von Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben droht. Diesbezüglich sind im gegenständlichen Fall auch die Erwägungsgründe 14 und 17 der Dublin III-Verordnung zu berücksichtigen.

Aus der Aktenlage ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die erstinstanzliche Behörde eine abschließende Beurteilung des Gesundheitszustandes und insbesondere des Familienlebens des Beschwerdeführers nicht für erforderlich gehalten hat und aus welchen Gründen ohne eine solche Beurteilung der gegenständliche nunmehr angefochtene Bescheide erlassen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit welchem der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzugehen als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt worden ist, dass Italien für die Prüfung ihrer Anträge zuständig ist und dass gegen sie eine Außerlandesanordnung angeordnet und festgestellt worden ist, dass ihre Abschiebung nach Italien zulässig ist.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zu-ständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) [...]

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten:

§ 21 Abs. 3 BFA-VG: "Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 3 BFA-VG (vgl. jüngst Ra2016/19/0208-8 vom 5. Oktober 2016 mwN) hat eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschlusses zu ergehen.

Im vorliegenden Fall ist Dublin III-VO anzuwenden:

"Art. 3 - Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsange-höriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

[...]

Art. 7 - Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antrag-steller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so-fern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Auf-ahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 statt-gegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 9

Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind

Hat der Antragsteller einen Familienangehörigen - ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat -, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 16 Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Artikel 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird.

In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Das BFA hatte im nunmehr angefochtenen Bescheid die Zuständigkeit Polens im gegenständlichen Fall festgestellt und sich dabei insbesondere auf die Zustimmung gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO der polnischen Behörden gestützt.

Gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass zum Entscheidungszeitpunkt eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen nicht zulässig ist, da in casu die gegenständliche Entscheidung des Bundesamtes auf Basis eines insgesamt qualifiziert mangelhaften Verfahrens ergangen ist, weshalb eine Behebung und Zurückverweisung nach

§ 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG zu erfolgen hatte. Dies aus folgenden Erwägungen:

Bereits im Konstultationsverfahren zwischen Österreich und Polen hatten die polnischen Behörden mit Schreiben vom 07.08.2019 den österreichischen Behörden mitgeteilt, dass dem österreichischen Wiederaufnahmegesuch nicht entsprochen werden könne, weil der Sachverhalt für Polen nicht eindeutig erscheine aufgrund der in Österreich lebenden Ehefrau des Beschwerdeführers. Die polnischen Behörden fragten im vorzitierten Schreiben, ob die österreichischen Behörden den Sachverhalt hinreichend erhoben hätten, da durch die Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen die Trennung einer Familie erfolgten könnte und möglicherweise Art 8 EMRK verletzt werden könnte. Daraufhin hatten die österreichischen Behörden mit Schreiben vom 08.08.2019 den polnischen Behörden mitgeteilt, dass laut Einschätzung der österreichischen Behörden Polen für das gegenständliche Verfahren zuständig sei. Insbesondere wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer bei Angabe des Namens seiner angeblich in Österreich aufhältigen Ehefrau einen anderen Namen genannt habe, wobei es sich hier offensichtlich nur um eine andere Schreibweise handelt, nämlich gab der Beschwerdeführer statt XXXX den Nachnamen XXXX an. Weiters wurden die polnischen Behörden darüber informiert, dass die behauptete Ehefrau, welche in Österreich über einen subsidiären Schutzstatus verfügt, den Beschwerdeführer bei deren Einvernahme nicht genannt habe und angegeben habe, verwitwet zu sein und sei der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines Nachweises über eine bestehende Ehe. Dazu ist darauf zu verweisen, dass die betreffend die behauptete Eheschließung in der Russischen Föderation eine Kopie der Heiratsurkunde übermittelt wurde.

Hinsichtlich der Ausführungen zur angeblichen Ehefrau verwies das BFA im nunmehr angefochtenen Bescheid insbesondere darauf, der Beschwerdeführer habe erklärt, dass seine Ehefrau, die er im XXXX geheiratet habe, seit 2005 mit deren Kindern in Österreich sei und er sie seither nicht mehr gesehen habe. Die vom Beschwerdeführer namentlich genannte Ehefrau habe jedoch in deren Verfahren den Beschwerdeführer nicht genannt. Auch wenn zwischen dem Beschwerdeführer und seiner angeblich in Österreich lebenden Ehefrau tatsächlich eine erfolgte Eheschließung festzustellen sei, könne jedoch für das BFA kein schützenswertes Familienleben erkannt werden, weil der Beschwerdeführer ab Herbst 2003 keinerlei Kontakt mehr zur Ehefrau gehabt habe. Sie sei aus der Russischen Föderation geflüchtet und der Beschwerdeführer habe erst mehr als zehn Jahre später einen Kontakt vom Gefängnis aus herstellen können. Das Bestehen eines schützenswerten Privat- oder Familienlebens zwischen dem Beschwerdeführer und seiner in Österreich lebenden Ehefrau könne daher vom BFA in weiterer Folge ebensowenig wie ein besonders enges Verhältnis oder eine Abhängigkeit zwischen den beiden festgestellt werden.

In der Beschwerde wurde insbesondere ausdrücklich die zeugenschaftliche Einvernahme der Ehefrau beantragt und ein von der Ehefrau unterzeichnetes Schreiben übermittelt, wonach die behauptete Ehefrau des Beschwerdeführers darum ersuche, dass sie mit dem Beschwerdeführer, dessen Ehefrau sie sei, wiedervereinigt werde. Es wurde weiters dargelegt, dass der Beschwerdeführer im Jahr XXXX die nunmehr in Österreich als subsidiär Schutzberechtigte lebende Frau geheiratet habe. Weil der Beschwerdeführer in Russland verfolgt worden sei und sich habe verstecken müssen, sei ein Kontakt mit seiner Ehefrau in Österreich nicht möglich gewesen. Seine nunmehrige Ehefrau habe nicht gewusst, wo sich der Beschwerdeführer aufhalte und habe keinen Kontakt zu ihm herstellen können, weshalb sie im Jahr 2005 mit ihren Kindern nach Österreich geflohen sei. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2006 unschuldig verhaftet worden und sei für zehn Jahre inhaftiert worden. Nach einigen Jahren sei es seiner Frau gelungen, ihn über neue soziale Medien zu finden. Seitdem sei er sehr wohl wieder regelmäßig in Kontakt mit seiner Frau gestanden. Als der Beschwerdeführer entlassen worden sei, sei ihm erneut eine Strafe erteilt worden, die er nicht bezahlen hätte können. Er habe keine Arbeit gefunden und habe mit weiteren Verfolgungshandlungen zu kämpfen gehabt. Er habe vergeblich für mehrere Länder versucht ein Visum zu erhalten um zu seiner Frau reisen zu können. Da ihm wiederum eine Haftstrafe und weitere Verfolgung drohen würden, habe er kein Visum erhalten. Um zu seiner Frau reisen zu können, sei er über Polen in die EU eingereist und von da aus weiter nach Österreich um gegenständlichen Antrag zu stellen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers lebe in Österreich und sei ihr und ihren Kindern der Status der subsidiär Schutzberechtigten erteilt worden. Der Beschwerdeführer weise einen allgemein schlechten gesundheitlichen Zustand auf aufgrund seiner Inhaftierung und der in dieser Zeit erlittenen Misshandlungen. In der Beschwerde wurde behauptet, dass der Beschwerdeführer und seine Frau aufeinander angewiesen seien. Sie könne ihn in Bezug auf seine gesundheitlichen Themen unterstützen und er könne sie psychisch unterstützten. Eine mögliche Überstellung nach Polen verletze den Beschwerdeführer in seinen Rechten nach

Art. 8 EMRK, da sich seine Ehefrau in Österreich aufhalte. Auch der Erwägungsgrund 14 der Dublin III-VO betone, dass die Achtung des Familienlebens eine vorrangige Erwägung der Mitgliedstaaten sein soll. Dementsprechend halte Erwägungsgrund 17 fest, dass die Mitgliedstaaten insbesondere aus humanitären Gründen oder in Härtefällen von den Zuständigkeitskriterien abweichen können sollten, um Familienangehörige zusammenzuführen und deren Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn sie für eine solche Prüfung nach den in der Dublin III-VO festgelegten verbindlichen Zuständigkeitskriterien nicht zuständig sind.

Vom BFA sind im gegenständlichen Fall die Unterlagen über die Eheschließung sowie die Unterlagen über die rund zehnjährige Inhaftierung und die Vorladungen aus dem Herkunftsstaat nicht hinreichend gewürdigt worden und war die zeugenschaftliche Einvernahme der Ehefrau, insbesondere über die Eheschließung, über das behauptete Familienleben bzw. die Beziehung mit dem Beschwerdeführer nicht erfolgt, sondern einzig auf Einvernahmen der Ehefrau in ihrem Asylverfahren in den Jahren 2005 bis 2006 verwiesen worden.

Die Ausführungen im nunmehr angefochtenen Bescheid vermögen in Summe eine konkrete Auseinandersetzung der belangten Behörde mit den Auswirkungen der Ausweisung auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht zu ersetzen. Im Besonderen hat es die belangte Behörde unterlassen, klare Feststellungen über die familiären und privaten Verhältnisse des Beschwerdeführers, insbesondere in Bezug zur angeblich in Österreich lebenden Ehefrau, nachvollziehbar und unter Verweis auf entsprechende Beweismittel zu treffen.

Die von der belangten Behörde angeführte Argumentation stellt jedenfalls - wie bereits oben näher ausgeführt - keine maßgeblichen Schritte zur Ermittlung des relevanten Sachverhalts dar.

Im fortgesetzten Verfahren bedarf es aktueller Feststellungen zum Gesundheitszustand des an zahlreichen gesundheitlichen Beschwerden leidenden Beschwerdeführers, um etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen als möglichen Grund einer Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsposition des Beschwerdeführers im Falle ihrer Außerlandesbringung nach Polen ausschließen zu können. Schließlich werden aktuelle Länderberichte zu Polen, insbesondere zur gesundheitlichen Versorgung dem Beschwerdeführer zur Kenntnis zu bringen und der Entscheidung zu Grunde zu legen sein.

Weiters erweist sich die von der belangten Behörde vorgenommene Interessensabwägung in Bezug auf die Zulässigkeit eines Eingriffs in das von Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben wie bereits dargelegt als unzureichend.

Das Bundesamt wird daher im fortgesetzten Verfahren im Sinne des Art. 8 EMRK eine eingehende Prüfung des in Österreich vorhandenen Privat- und Familienlebens vorzunehmen haben.

Das BFA wird im fortgesetzten Verfahren zunächst die tatsächlichen familiären Verhältnisse unter Zugrundelegung hinreichender Beweismittel festzustellen haben und wie beantragt auch die in Österreich aufhältige Ehefrau konkret zur Beziehung mit dem Beschwerdeführer sowie gegebenenfalls den Beschwerdeführer erneut zu befragen haben.

Im vorliegenden Fall kann zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der mangelnden Sachverhaltserhebungen durch die erstinstanzliche Behörde nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, ob beim Beschwerdeführer aufgrund der ihm gegenüber ausgesprochenen Außerlandesbringung ein unzulässiger Eingriff in ihr von Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben droht und um eine Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsposition des Beschwerdeführers im Falle seiner Außerlandesbringung nach Polen ausschließen zu können.

An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass der Erwägungsgrund 14 der Dublin III-Verordnung betont, dass die Achtung des Familienlebens eine vorrangige Erwägung der Mitgliedstaaten sein soll. Dementsprechend hält Erwägungsgrund 17 leg. cit. auch fest, dass die Mitgliedstaaten insbesondere aus humanitären Gründen oder in Härtefällen von den Zuständigkeitskriterien abweichen können sollen, um Familienangehörige, Verwandte oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung, zusammenzuführen und deren Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn sie für eine solche Prüfung nach den in der Dublin III-VO festgelegten verbindlichen Zuständigkeitskriterien nicht zuständig sind (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0192ua). Das gilt grundsätzlich auch für das Familienleben unter Erwachsenen.

Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt trotz bestehender Möglichkeiten nicht ausreichend ermittelt, weshalb gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG zwingend vorzugehend war.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht können nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, gesundheitliche
Beeinträchtigung, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W240.2224269.1.00
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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