Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
GewO 1994 §366 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des F K in A, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. November 1996, Zl. VwSen-220344/29/Kon/Fb, wegen Übertretung der Gewerbeordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 28. Oktober 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe, "wie anläßlich einer Kontrolle durch Beamte der Bezirkshauptmannschaft Eferding (Gewerbereferat) im Standort S, Gde A, am 10. Oktober 1991 festgestellt worden ist, das Anmeldungsgewerbe "Erzeugung von kohlensäurefreien Fruchtsäften aller Art" ausgeübt, ohne im Besitz einer Gewerbeberechtigung von der Bezirkshauptmannschaft Eferding als örtlich zuständige Gewerbebehörde zu sein". Er habe dadurch § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 iVm § 5 Abs. 1 leg. cit. verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden) "gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 iVm § 16 VStG" verhängt wurde.
Einer seitens des Beschwerdeführers dagegen erhobenen Berufung gab der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Bescheid vom 12. Oktober 1993 keine Folge und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch der verhängten Strafe.
Dieser Bescheid wurde aufgrund erhobener Beschwerde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1995, Zl. 93/04/0251, infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die darin enthaltene Sachverhaltsdarstellung und die dargelegte Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.
Mit ihrem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid vom 19. November 1996 wurde der Berufung des Beschwerdeführers erneut gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der seine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei gegebener Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes rügt der Beschwerdeführer zunächst, daß der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses keine Konkretisierung des Tatzeitpunktes enthalte. Darin sei zwar davon die Rede, daß am 10. Oktober 1991 eine gewerbebehördliche Überprüfung stattgefunden habe, keinesfalls aber, auf welchen Zeitpunkt sich die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung beziehe.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung in seiner Gegenwart unterlassen habe. Er habe auf Anfrage der belangten Behörde ausdrücklich erklärt, daß er auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht verzichte. In der mündlichen Berufungsverhandlung hätten die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Widersprüche im Sachverständigengutachten aufgeklärt werden können. Er habe in seiner schriftlichen Stellungnahme zu dem ihm übermittelten Gutachten ausdrücklich vorgebracht, die vom Sachverständigen für den Ertrag aus den schwarzen Johannisbeeren pro Strauch und Kilogramm angesetzten Werte seien unrichtig und diese Behauptung auch durch objektive Unterlagen belegt. Hinzu komme, daß der Sachverständige seinen Ausführungen die Verhältnisse im Jahre 1996 zugrundegelegt habe, die dem Beschwerdeführer angelastete Verwaltungsübertretung hingegen das Jahr 1991 betreffe. Aus dem vorliegenden Gutachten könnten daher keine Rückschlüsse auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines landwirtschaftlichen Nebengewerbes gezogen werden.
Die belangte Behörde habe überdies zu den entscheidungswesentlichen Fragen keine Feststellungen getroffen. Für den relevanten Zeitpunkt im Jahr 1991 habe die belangte Behörde überhaupt keine Beweisaufnahmen durchgeführt und es lägen dazu auch keine Sachverhaltsfeststellungen vor. In rechtlicher Hinsicht vertritt der Beschwerdeführer noch den Standpunkt, daß die Kriterien für das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Nebengewerbes im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 erfüllt seien, im vorliegenden Fall die belangte Behörde nicht auf die Verjährungsbestimmung des § 51 Abs. 7 VStG Bedacht genommen habe und überdies die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist eine hinreichend konkretisierte Tat im Sinne des § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO gar nicht angelastet habe. Selbst bei Vorliegen sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale des ihm vorgeworfenen Strafdelikts sei davon auszugehen, daß ihn an der Übertretung der Gewerbeordnung kein Verschulden träfe.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der angefochtene Bescheid entspreche den Erfordernissen des § 44a Z. 1 VStG in Ansehung der Tatzeit nicht, weil dieser nicht die Bezeichnung des Tatzeitpunktes (Tatzeitraumes) der dem Beschwerdeführer angelasteten Tathandlung enthalte, ist ihm aus folgenden Gründen nicht zu folgen:
Nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu ahnden ist, wer ein Anmeldungsgewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
Grundsätzlich zutreffend gibt die Beschwerde § 44a Z. 1 VStG wieder, wonach der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat - mit allen rechtserheblichen Merkmalen - zu enthalten hat. Das heißt, daß die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muß, daß kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zitierten Rechtsvorschrift ist dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (allenfalls in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44 Z. 1 VStG genügt oder nicht, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen läßt. Das an Tatort- und Tatzeitbeschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, Slg. Nr. 11.894). Im vorliegenden Fall wird die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat durch den Spruch des bekämpften Straferkenntnisses - auch nach Ort und Zeit - hinreichend konkretisiert.
Indem die belangte Behörde (in Verbindung mit dem Straferkenntnis der Erstbehörde) auf den Zeitpunkt der Feststellung der dem Beschwerdeführer angelasteten Tathandlung (den 10. Oktober 1991) Bezug nahm, brachte sie damit zum Ausdruck, daß sie dem Beschuldigten jedenfalls einen Tatzeitraum im Ausmaß dieses genannten Tages (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0096) zur Last lege. In diesem Zusammenhang weist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf hin, daß bei einem hier vorliegenden fortgesetzten Delikt allenfalls später bekannt gewordene Einzeltathandlungen bis zur Erlassung des erstbehördlichen Straferkenntnisses vom Tatvorwurf miterfaßt wären (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf5, S. 977 E. 16, zitierte hg. Judikatur).
Mit seiner Verfahrensrüge ist der Beschwerdeführer hingegen im Recht:
Im Vorerkenntnis vom 23. Oktober 1995 wurde - u.a. - für das fortgesetzte Verfahren folgende Rechtsansicht vorgegeben:
"Die Tätigkeiten, deren Zuordnung zum Typus nach § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1973 in Frage steht, sind an dem in dieser Gesetzesstelle diesbezüglich ausdrücklich vorgesehenen Tatbestandselement "soweit die Tätigkeit der Verarbeitung und Bearbeitung gegenüber der Tätigkeit der Erzeugung des Naturproduktes wirtschaftlich untergeordnet bleibt" zu messen. Hiezu bedarf es einer vergleichenden Gegenüberstellung zwischen der jeweils ausgeübten Tätigkeit der Erzeugung des Naturproduktes und der Tätigkeit der Verarbeitung und Bearbeitung. Bei einem solchen Vergleich ist in jedem Einzelfall auf alle wirtschaftlichen Elemente der betreffenden Tätigkeiten, insbesonders auf das Ausmaß der Wertschöpfung, auf die Höhe des Ertrages und der Kosten und auf den Aufwand an Arbeitskräften und Arbeitszeit, Bedacht zu nehmen. Dieser Vergleich ist nur auf "das Naturprodukt" abzustellen, das in der einen Wirtschaftsphase den Gegenstand der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugungstätigkeit und in der anderen Wirtschaftsphase den Gegenstand der Verarbeitung bzw. Bearbeitung bildet. Nach § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1973 dürfen daher nur untergeordnet und somit "nicht hauptsächlich" fremde, d.h. auch zugekaufte, Naturprodukte verarbeitet werden, wobei sich das zulässige Verhältnis zwischen "eigenem Naturprodukt" und "mitverarbeiteten Erzeugnissen" aus einem darauf bezughabenden Wertvergleich im Sinne des letzten Satzteiles des § 2 Abs. 4 Z. 1 ergibt. ....
Erst nach ergänzter Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der zum Begriff des Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1973 oben dargestellten rechtlichen Erwägungen wird abschließend beurteilt werden können, ob der Beschwerdeführer unzulässigerweise das Gewerbe der "Erzeugung von kohlesäurefreien Fruchtsäften aller Art" am 10. Oktober 1991 auch bezüglich der Johannesbeersaftproduktion ausgeübt hat, ....."
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtet (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 28. Juni 1998, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.
Der angefochtene Bescheid enthält keine ausreichend nachvollziehbaren Sachverhaltsfeststellungen, die eine Beurteilung der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Lichte der im hg. Vorerkenntnis oben wiedergegebenen Rechtsanschauung zum § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1973 für den strafrelevanten Zeitraum zuließen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält lediglich den Verweis auf die Ausführungen des von der belangten Behörde eingeholten, im Akt erliegenden Sachverständigengutachtens, der aber die für die rechtliche Subsumtion erforderlichen, einer Überprüfung zugänglichen, von der Behörde selbständig vorzunehmenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid selbst nicht zu ersetzen vermag. Darüberhinaus bringt der Beschwerdeführer mit Recht vor, daß der Sachverständige für sein Gutachten betriebliche Daten und solche Ertragswerte herangezogen hat, die sich ausschließlich auf die Verhältnisse im Jahr 1996 beziehen, dies ohne darzulegen, ob diese Verhältnisse im Jahr 1996 den maßgeblichen im Tatzeitpunkt entsprechen. Dies wäre umso mehr erforderlich gewesen, als der Beschwerdeführer die Schlußfolgerungen des Sachverständigen im Verfahren audrücklich bestritten hat. Der dazu in der Gegenschrift enthaltene Hinweis, daß die vom Beschwerdeführer seinerzeit bewirtschafteten Johannisbeersträucher (noch) im Jahr 1991 wegen Milbenbefalls gerodet worden seien, ändert nichts daran, daß eine Bestrafung des Beschwerdeführers für ein von ihm Jahre 1991 (allenfalls) begangenes Delikt nicht auf Ermittlungsergebnisse gestützt werden kann, die sich auf betriebliche Daten und Marktverhältnisse im Jahr 1996 beziehen. Es bedarf vielmehr einer Auseinandersetzung damit, ob und inwieweit die vom Sachverständigen auf der Grundlage von 1996 erhobenen Werte mit denen im Tatzeitpunkt vergleichbar sind. In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, daß die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage entgegen §§ 51i und 51e Abs. 3 VStG von der ausdrücklich beantragten mündlichen Verhandlung Abstand nahm.
Der Bescheid war daher, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte, schon aufgrund der aufgezeigten Verfahrensverletzungen, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG (neuerlich) zur Gänze (siehe dazu die Ausführungen im erwähnten hg. Vorerkenntnis) aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit fortgesetztes DeliktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997040031.X00Im RIS seit
20.11.2000