TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/14 W116 2185956-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.11.2019
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Entscheidungsdatum

14.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W116 2185956-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2018, Zl. 1166528401-171021569, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsbürgerin, Araberin und Sunnitin, stellte nach illegaler Einreise am 04.09.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie ihr Heimatland wegen dem Krieg verlassen habe und weil sie dort als Frau nicht mehr in Sicherheit leben habe können. Außerdem sei ein Teil ihres Hauses durch einen Bombenanschlag zerstört worden. Bei einer allfälligen Rückkehr fürchte sie, im Krieg umzukommen. Das Vorliegen konkreter Hinweise auf eine ihr drohende unmenschliche Behandlung, Strafe oder die Todesstrafe bzw. irgendwelche Sanktionen verneinte sie.

1.2. Am 13.12.2017 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie auf Nachfrage an, dass sie weder verfolgt noch bedroht worden sei. Sie habe Ende XXXX ihren nunmehrigen Ehegatten im Internet kennen gelernt und am XXXX traditionell geheiratet. Sie hätten in Syrien nicht zusammengelebt und seien in Österreich das erste Mal zusammengekommen. Auf Nachfrage teilte sie mit, dass ihre jeweiligen Eltern stellvertretend für sie beide die Ehe geschlossen hätten. Dies sei in Syrien durchaus üblich. Die Frage, ob sie jemals konkreten persönlichen Verfolgungshandlungen durch private Dritte und/oder heimatliche Behörden, staatliche Stellen aufgrund ihrer politischen Gesinnung, religiösen Glaubenszugehörigkeit, sozialen Stellung, Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt gewesen sei, verneinte sie. Zu ihren Fluchtgründen befragt, stellte sie klar, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe. Sie würde sich auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes beziehen. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen teilte sie mit, dass sie Angst habe, zumal es in Syrien keine Sicherheit und keinen Schutz geben würde. Befragt, bestätigte sie, dass sie keine weiteren Fluchtgründe habe.

2. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:

2.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2018, am 23.01.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.01.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität der Beschwerdeführerin fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin über ihre Eltern eine stellvertretende Eheschließung in Syrien durchgeführt habe, die in Österreich keine rechtliche Gültigkeit hätte, zumal sie bis zu ihrer eigenen Ausreise keine gemeinschaftliche Ehe im Heimatland iSd. Art. 8 EMRK geführt habe. Ihr Mann habe sich während der Eheschließung in Österreich aufgehalten, sie selbst sei in Syrien gewesen, weshalb ihre Ehe als ungültig angesehen werde. Die von ihr behaupteten Fluchtgründe (Angst vor dem allgemeinen Kriegszustand) würden zwar als wahr angesehen werden, sie habe jedoch eine individuelle Verfolgung bzw. asylrelevante Fluchtgründe iSd. GFK verneint.

2.2. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 18.01.2018 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

2.3. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 09.02.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin am XXXX einen Asylberechtigten geheiratet und ihre Heimat wegen dem Bürgerkrieg verlassen habe und weil sie dort als Frau nicht mehr in Sicherheit habe leben können. Außerdem befürchte sie, wegen ihrer Zugehörigkeit zur Familie ihres Ehegatten in Syrien verfolgt zu werden. Auch würde ihr bei einer Rückkehr allein wegen ihrer Asylantragstellung im Bundesgebiet eine regimekritische Gesinnung unterstellt werden und deshalb Verfolgung drohen. Die Behörde habe ihr Fluchtvorbringen nicht mit der gebotenen Tiefe ermittelt, zumal sie die Beschwerdeführerin trotz dahingehender Hinweise während der Erstbefragung nicht näher zu ihrer Situation als Frau in Syrien befragt habe. Schon aus den Berichten der Behörde sei ersichtlich, dass die Bedrohungslage für die Beschwerdeführerin als Frau und sunnitische Muslimin äußerst prekär sei. Dies würde sich auch aus den auszugsweise angeführten Länderberichten der Behörde ergeben. Ergänzend wird auch auf die vom UNHCR verfassten Risikoprofile in Syrien hingewiesen. Auf die Beschwerdeführerin würden zumindest drei der angeführten Risikoprofile zutreffen. Bezüglich der aktuellen Situation von Frauen in Syrien werden Ausschnitte eines Erkenntnisses des BVwG zitiert (BVwG vom 30.04.2015, W108 2007046-1). Die Behörde habe es auch unterlassen, zu ermitteln, ob die Beschwerdeführerin als Ehegattin eines Asylberechtigten eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten habe. Das Bundesamt wäre angehalten gewesen, den Ehegatten zeugenschaftlich einzuvernehmen oder zumindest dessen Asylakt einzusehen. Ihre Ehe sei nämlich offiziell registriert, in Syrien gültig und damit dem Regime bekannt. Davon hätte die Behörde ausgehen und dahingehend näher ermitteln müssen. Immerhin habe sie sich ausdrücklich auf die Fluchtgründe ihres Ehegatten bezogen. Schließlich wird hinsichtlich der unterstellten oppositionellen Gesinnung aufgrund der Herkunft erneut ein Erkenntnis des BVwG angeführt (vgl. BVwG vom 21.03.2017, W221 2141673-1). Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass die Behörde vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen und den angeführten aktuellen Erkenntnisquellen zum Schluss kommt, dass im gegenständlichen Fall keine individuelle Verfolgung vorliegt.

3. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Die gegenständliche Beschwerde und die Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 13.02.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 04.09.2017, der Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Syrien und Angehörige der Volksgruppe der Araber. Sie bekennt sich zum sunnitischen Islam. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.

Die Beschwerdeführerin hat Syrien im XXXX legal mit dem Flugzeug nach Saudi-Arabien verlassen und ist am 11.08.2017 legal mit dem Flugzeug über Griechenland nach Wien geflogen, wo sie schließlich am 04.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Die Beschwerdeführerin stammt aus der Stadt XXXX , Bezirk XXXX , Provinz XXXX und hat dort gelebt. Sie verließ zum oben angegebenen Zeitpunkt aufgrund der Bürgerkriegssituation Syrien. Sie gab im Wesentlichen an, dass sie wegen dem Krieg in der Heimat ausgereist sei und weil sie dort als Frau nicht mehr in Sicherheit leben habe können bzw. ein Teil ihres Hauses sei durch einen Bombenanschlag zerstört worden. Außerdem habe sie zu ihrem im Bundesgebiet lebenden Ehegatten reisen wollen. Sie habe keine eigenen Fluchtgründe und würde sich daher auf dessen Gründe beziehen.

Die Beschwerdeführerin ist zwar nach syrischen Recht verheiratet, sie hat ihren Ehegatten jedoch mit Hilfe ihrer jeweiligen Eltern als Stellvertreter geheiratet und erst nach der Einreise im Bundesgebiet kennen gelernt. Ein Familienverfahren nach §°34 AsylG 2005 war im konkreten Fall daher nicht zu führen.

Sie hat jedoch glaubwürdig vorgebracht und mit entsprechenden Unterlagen belegt, dass ihre Ehe in der Heimat offiziell registriert wurde, in Syrien damit gültig und dem Regime somit bekannt ist. Da ihrem Ehegatten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.08.2015, W214 2005112-1/13E, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt und die Entscheidung auf dessen wiederholte Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen in seiner Heimat sowie auf seine Verweigerung des Wehrdienstes bei der syrischen Armee gestützt wurde, womit mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass er dadurch als Regimegegner angesehen wird und in den Focus der syrischen Behörden geraten ist, kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass auch die Beschwerdeführerin als Angehörige seiner Familie bei einer möglichen Rückkehr in die Heimat in das Blickfeld der syrischen Behörden geraten und dass ihr damit asylrelevante Verfolgung drohen würde (vgl. BVwG vom 28.08.2015, W214 2005112-1/13E: "Der Beschwerdeführer hat von seinem 19. Lebensjahr an in Griechenland gelebt und in Syrien den Wehrdienst noch nicht absolviert. Nach seiner Rückkehr nach Syrien im Jahr XXXX hat der Beschwerdeführer immer wieder die Aufforderungsschreiben bekommen, sich zum Wehrdienst zu melden, kam diesen aber nicht nach. Der Beschwerdeführer hat im Jahr XXXX in Syrien an drei Demonstrationen teilgenommen. Um Druck auf den Beschwerdeführer zu erzeugen, sich zum Wehrdienst zu melden, wurde sein Vater für eine Woche festgenommen. Es ist daher anzunehmen, dass der Beschwerdeführer bereits in das Blickfeld der syrischen Sicherheitskräfte geraten ist. ...").

Die Beschwerdeführerin lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigte. Sie ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Politische Lage

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 13.3.2019). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten (FH 1.2018).

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Baath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016).

Es gibt weiterhin Landesteile, in denen die syrische Regierung effektiv keine Kontrolle ausübt. Diese werden entweder durch Teile der Opposition, kurdische Einheiten, ausländische Staaten oder auch durch terroristische Gruppierungen kontrolliert (AA 13.11.2018; vgl. MPG 2018).

Am 13.4.2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden (Reuters 13.4.2016; vgl. France24 17.4.2017). Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als "Farce". Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen (France24 17.4.2016).

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position. Seit der Machtergreifung Assads haben weder Vater noch Sohn politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche eine politische Alternative zu schaffen wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt (USCIRF 26.4.2017). 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten (USDOS 13.3.2019), wodurch dieser für weitere 7 Jahre im Amt bestätigt wurde (WKO 11.2018). Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten. Sie wurde von der EU und den USA als undemokratisch kritisiert, die syrische Opposition sprach von einer "Farce" (Haaretz 4.6.2014).

Mitte September 2018 wurden in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten zum ersten Mal seit 2011 wieder Kommunalwahlen abgehalten (IFK 10.2018; vgl. WKO 11.2018). Der Sieg von Assads Baath Partei galt als wenig überraschend. Geflohene und IDPs waren von der Wahl ausgeschlossen (WKO 11.2018).

Mit russischer und iranischer Unterstützung hat die syrische Regierung mittlerweile wieder große Landesteile von bewaffneten oppositionellen Gruppierungen zurückerobert. Trotz der großen Gebietsgewinne durch das Regime besteht die Fragmentierung des Landes in Gebiete, in denen die territoriale Kontrolle von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt wird, weiter fort (AA 13.11.2018).

Die Provinz Idlib im Norden Syriens an der Grenze zur Türkei wird derzeit noch von diversen Rebellengruppierungen kontrolliert (MPG 2018). Im Norden bzw. Nordosten Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen (SWP 7.2018). Die Partei der Demokratischen Union (PYD) ist die politisch und militärisch stärkste Kraft der syrischen Kurden. Sie gilt als syrischer Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) (KAS 4.12.2018b). 2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der PKK, deren Mitglieder die PYD gründeten, gekommen sein. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine "zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrin, Ain al-Arab (Kobane) und die Jazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (BFA 8.2017). Im März 2016 wurde in dem Gebiet, das zuvor unter dem Namen "Rojava" bekannt war, die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte (SWP 7.2018; vgl. KAS 4.12.2018b). Afrin im Nordwesten Syriens ist territorial nicht mit den beiden anderen Kantonen Jazira und Kobane verbunden und steht seit März 2018 unter türkischer Besatzung (KAS 4.12.2018b; vgl. MPG 2018).

Die syrischen Kurden unter Führung der PYD beanspruchen in den Selbstverwaltungskantonen ein Gesellschaftsprojekt aufzubauen, das nicht von islamistischen, sondern von basisdemokratischen Ideen, von Geschlechtergerechtigkeit, Ökologie und Inklusion von Minderheiten geleitet ist. Während Befürworter das syrisch-kurdische Gesellschaftsprojekt als Chance für eine künftige demokratische Struktur Syriens sehen, betrachten Kritiker es als realitätsfremd und autoritär. Das Ziel der PYD ist nicht die Gründung eines kurdischen Staates in Syrien, sondern die Autonomie der kurdischen Kantone als Bestandteil eines neuen, demokratischen und dezentralen Syrien (KAS 4.12.2018a). Die PYD hat sich in den kurdisch kontrollierten Gebieten als die mächtigste politische Partei im sogenannten Kurdischen Nationalrat etabliert, ähnlich der hegemonialen Rolle der Baath-Partei in der Nationalen Front (BS 2018). Ihr militärischer Arm, die YPG sind zudem die dominierende Kraft innerhalb des von den USA unterstützten Militärbündnisses Syrian Democratic Forces (SDF). Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Flüchtlingswelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Diese schwierige Situation führt auch dazu, dass die Kurden wieder vermehrt das Gespräch mit der syrischen Zentralregierung suchen (KAS 4.12.2018b).

Die syrische Regierung erkennt die kurdische Enklave oder Wahlen, die in diesem Gebiet durchgeführt werden, nicht an (USDOS 13.3.2019). Die zwischen der Kurdischen Selbstverwaltung (dominiert von der PYD) und Vertretern der syrischen Regierung im Sommer 2018 und Anfang 2019 geführten Gespräche brachten auf Grund unvereinbarer Positionen betreffend die Einräumung einer (verfassungsgemäß festzuschreibenden) Autonomie, insbesondere für die kurdisch kontrollierten Gebiete sowie hinsichtlich der Eingliederung/Kontrolle der SDF, keine Ergebnisse (ÖB 7.2019).

Quellen:

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AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-svrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.bti-roject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI 2018 Syria.pdf, Zugriff 12.12.2018

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BFA - Eva Savelsberg: Der Aufstieg der kurdischen PYD im syrischen Bürgerkrieg (2011 bis 2017) in BFA Staatendokumentation (8.2017):

Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak,

https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf.

Zugriff 13.12.2018

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DSO - Der Spiegel Online (10.8.2016): Die Fakten zum Krieg in Syrien,

https://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1. Zugriff 9.4.2019

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FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Syria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/syria. Zugriff 10.12.2018

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France24 (17.4.2016): Assad's Party wins majority in Syrian election,

https://www.france24.com/en/20160417-syria-bashar-assad-baath-party-wins-majority-parliamentan/-vote, Zugriff 10.12.2018

-

Haaretz (4.6.2014): Landslide Win for Assad in Syria's Presidential Elections,

http://www.haaretz.eom/middle-east-news/1.597052, Zugriff 10.12.2018

-

IFK - Institut für Friedenssieherung und Konfliktmanagement (10.2018): Faetsheet Syrien No.70, 14. August 2018-2.10.2018, http://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen/fact_sheet_syr_70_deu.pdf. Zugriff 1.3.2019

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KAS - Konrad Adenauer Stiftung [Nils Wörmer] (4.12.2018a): Assads afghanische Söldner,

https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/assads-afghanische-soldner, Zugriff 15.1.2019

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KAS - Konrad Adenauer Stiftung [Gülistan Gürbey] (4.12.2018b):

Zwischen den Fronten - Die Kurden in Syrien, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/zwischen-den-fronten-1, Zugriff 15.1.2019

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MPG - Max-Planck-Gesellschaft (2018): Familienrecht im Nahen Osten

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Zum gegenwärtigen Stand der Rechtsordnung und des Familienrechts in Syrien [Stand Herbst 2018],

https://www.familienrecht-in-nahost.de/11318/Syrien-Rechtslage. Zugriff 17.1.2019

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ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019):

Asylländerbericht Syrien 2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI ÖB+Bericht 2019 07.pdf, Zugriff 19.8.2019

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Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume,

http://https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5. Zugriff 10.12.2018

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SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 31.1.2019

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2018): Die Kurden im Irak und in Syrien nach dem Ende der Territorialherrschaft des "Islamischen Staates",

https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S11_srt.pdf. Zugriff 9.1.2018

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USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): United States Commission on International Religious Freedom 2017 Annual Report; 2017 Country Reports: USCIRF Recommended Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/1399549/5250_1494489917_syria-2017.pdf, Zugriff 10.12.2018

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USDOS - United States Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html. Zugriff 12.12.2018

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USDOS - United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html. Zugriff 19.3.2019

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WKO - Wirtschaftskammer Österreich - Außenwirtschaftscenter Amman (11.2018): Außenwirtschaft: Update Syrien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/syrien-wirtschaftsbericht.pdf. Zugriff 1.3.2019

Sicherheitslage

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention des Iran in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018a). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016).

Am Beginn des Jahres 2019 sind noch drei größere Gebiete außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung: die Provinz Idlib und angrenzende Gebiete im Westen der Provinz Aleppo und Norden der Provinz Hama; die Gebiete im Norden und Osten Syriens, die unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) stehen; außerdem die Konfliktschutzzone (de- confliction zone) bei Tanf in Homs bzw. in der Nähe des Rukban Flüchtlingslagers (UNHRC 31.1.2019).

Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen, allen voran die Provinzen Idlib, Teile Aleppos, Raqqas und Deir ez-Zours (AA 13.11.2018).

Laut UNMAS (United Nations Mine Action Service) sind 43% der besiedelten Gebiete Syriens mit Mienen und Fundmunition kontaminiert (AA 13.11.2018). Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen mit derartigen Hinterlassenschaften des bewaffneten Konfliktes zum Beispiel im Osten der Stadt Aleppo, Ost-Ghouta und im Osten Hamas (DIS/DRC 2.2019).

Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghus die letzte Bastion des IS von den oppositionellen "Syrian Democratic Forces" erobert. Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten (DZO 24.3.2019). Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv (FAZ 10.3.2019). Gegenwärtig sollen im Untergrund mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten (FAZ 22.3.2019). Auch IS-Führer Abu Bakr al-Bagdadi bleibt weiterhin verschwunden (FAZ 23.3.2019).

US-Präsident Donald Trump kündigte im Dezember 2018 an, alle 2.000 US-Soldaten aus Syrien abziehen zu wollen. Er erklärte jedoch später noch Soldaten vor Ort belassen zu wollen. Für die von den Amerikanern unterstützen Kurden ist ein Abzug der amerikanischen Truppen ein herber Schlag (Qantara 28.2.2019).

Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen, für die einzelnen Monate des Jahres 2018 finden sich deren Daten in der unten befindlichen Grafik. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von Massakern, bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind (SNHR 1.1.2019)

Quellen:

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AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11 -2018. pdf. Zugriff 10.12.2018

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DIS/DRC - Danish Immigration Service / Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria,

https://nvidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Svrien_FFM_rapport_2019_Final_3101 2019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC. Zugriff 27.2.2019

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DZO - Die Zeit Online (24.3.2019): Kurden warnen vor Wiederaufstieg des IS,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/syrien-islamischer-staat-terrormiliz-kalifat-wiederaufstieg, Zugriff 25.3.2019

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (10.3.2019): Die letzte Schlacht gegen den "Islamischen Staat" hat begonnen, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kurden-beginnen-angriff-aufletzte-is-bastion-in-syrien-16082097.html. Zugriff 12.3.2019

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (22.3.2019): Sieg über Terrormiliz : Warum der IS weiter gefährlich bleibt, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/warum-der-is-weiter-gefaehrlichbleibt-16103411.html. Zugriff 25.3.2019

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (23.3.2019): IS-Führer Al-Bagdadi bleibt verschwunden, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/irak-islamischer-staat-abu-bakr-al-bagdadi. Zugriff 25.3.2019

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ISW - Institute for the Study of War (25.7.2019): Syria Situation Report: July 10 - 23, 2019,

http://www.understandingwar.org/backgrounder/syria-situation-report-0. Zugriff 4.9.2019

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KAS - Konrad Adenauer Stiftung [Nils Wörmer] (4.12.2018a): Assads afghanische Söldner,

https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/assads-afghanische-soldner, Zugriff 15.1.2019

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Liveuamap - Live Universal Awareness Map (4.9.2019): Map of Syrian Civil War, https://syria.liveuamap.com/en/time/04.09.2019, Zugriff 4.9.2019

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Qantara (28.2.2019): Das Ende des "Islamischen Staates" - Neues Kapitel im Syrien-Konflikt,

https://de.qantara.de/inhalt/das-ende-des-islamischen-staats-neues-kapitel-im-syrien-konflikt, Zugriff 12.3.2019

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Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume,

http://https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5. Zugriff 10.12.2018

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SNHR - Syrian Network for Human Rights (1.1.2019): Documenting the Death of 6,964 Civilians in Syria in 2018, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Documenting the Death of 6964 Civilia ns_in_Syria_in_2018_en.pdf. Zugriff 13.3.2019

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SNHR - Syrian Network for Human Rights (1.9.2019): 267 Civilians, Including One Media Worker and Five Medical and Civil Defense Personnel, Documented Killed in Syria in August 2019, http://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/267_civilians_were_killed_in_Syria_in_August_2019_en.pdf, Zugriff 4.9.2019

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UNHRC - United Nations Human Rights Council (31.1.2019): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/40/70],

https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A_HRC_40_70.pdf. Zugriff 11.3.2019

Versöhnungsabkommen

Die sogenannten Versöhnungsabkommen sind Vereinbarungen, die ein Gebiet, das zuvor unter der Kontrolle einer oppositionellen Gruppierung stand, offiziell wieder unter die Kontrolle des Regimes bringen (BFA 8.2017). Der Abschluss der sogenannten "Reconciliation Agreements" folgt in der Regel einem Muster, das mit realer Versöhnung wenig gemeinsam hat (ÖB 7.2019). Die Regierung bietet, meist nach schwerem Beschuss oder Belagerung, ein Versöhnungsabkommen an, das an verschiedene Bedingungen geknüpft ist. Diese Bedingungen unterscheiden sich von Abkommen zu Abkommen (BFA 8.2017). Zivilisten bzw. Kämpfer können in den Gebieten bleiben oder jene, die sich nicht den Bedingungen der Vereinbarung unterwerfen wollen, können mit ihren Familien nach Idlib oder in andere von der Opposition kontrollierte Gebiete evakuiert werden (FIS 14.12.2018). Die übrigen Personen können 6 Monate lang eine Amnestie nutzen und können sich in dieser Zeit stellen, um den Militärdienst abzuleisten (AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Die Wehrpflicht war bisher meist ein zentraler Bestandteil der Versöhnungsabkommen (AA 13.11.2018). Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt werden, sondern stattdessen bei der örtlichen Polizei eingesetzt werden, oder dass sich Personen verpflichten müssen, der Regierung z.B. für Spionage zur Verfügung zu stehen (BFA 8.2017).

Im Rahmen von Versöhnungsvereinbarungen gemachte Garantien der Regierung, gegenüber Individuen oder Gemeinschaften, werden jedoch nicht eingehalten (EIP 6.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Glaubhafte Berichte von Organisationen aus zuletzt zurückeroberten Gebieten wie Dara'a im südlichen Syrien und Ost-Ghouta nahe Damaskus sprechen von Verhaftungen sowie Zwangsrekrutierungen ehemaliger Oppositionskämpfer binnen kurzer Zeit (AA 13.11.2018; vgl. ÖB 7.2019). Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zurückhaltend über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

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AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file upload/5618 1507116516 ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf. Zugriff 13.12.2018

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EIP - European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.fln.dk/-/media/FLN/Materiale/Baggrundsmateriale/2019/06/19/07/03/Svri1040.pdf. Zugriff 4.7.2019

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FIS - Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria:

Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Factfinding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf. Zugriff 1.2.2019

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ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019):

Asylländerbericht Syrien 2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf. Zugriff 19.8.2019

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USDOS - United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html. Zugriff 19.3.2019

Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien

Seit Mai 2018 hat sich die allgemeine Sicherheitslage in den von der Regierung kontrollierten Gebieten Syriens, darunter finden sich auch die wichtigsten Städte wie Lattakia, Homs, Hama, Tartous und Damaskus, deutlich verbessert. Im Allgemeinen kam es im Vergleich mit den Zahlen vor Juli 2018 zu einem signifikanten Rückgang der militärischen Auseinandersetzungen und der sicherheitsrelevanten Vorfälle in von der Regierung kontrollierten Gebieten. Die Situation bleibt in einigen Gegenden jedoch angespannt, wie im Osten der Provinz Lattakia, im Westen der Provinz Aleppo und im Norden der Provinz Hama. In Bezug auf die Art der sicherheitsrelevanten Vorfälle gibt es Berichte von Beschuss, bewaffneten Zusammenstößen, Entführungen sowie Explosionen von Kampfmittelresten (DIS/DRC 2.2019).

Die Küstenregion wurde im Großen und Ganzen vom militärischen Konflikt verschont. Der Norden sieht sich gleichwohl mit einem gelegentlichen "Spillover" von Idlib aus konfrontiert. So gibt es aktuell im ländlichen Lattakia Auseinandersetzungen zwischen syrischer Armee und Rebellen. In den größeren Städten und deren Einzugsgebieten wie Damaskus und Homs stellt sich die Sicherheitslage als relativ stabil dar, auch wenn es immer wieder zu gezielten Anschlägen zumeist auf regierungsnahe Personen kommt (ÖB 7.2019).

Die Regierung besitzt nicht die nötigen Kapazitäten, um alle von ihr gehaltenen Gebiete auch tatsächlich zu kontrollieren. Daher greift die Regierung auf unterschiedliche Milizen zurück, um manche Gegenden und Checkpoints in Aleppo, Lattakia, Tartous, Hama, Homs und Deir ez-Zour zu kontrollieren. Es gibt auch Berichte, wonach es in einigen Gebieten zu Zusammenstößen sowohl zwischen den unterschiedlichen Pro-Regierungs-Milizen als auch zwischen diesen und Regierungstruppen gekommen ist (DIS/DRC 2.2019).

In den ersten Monaten des Jahres 2018 erlebte Ost-Ghouta, nahe der Hauptstadt Damaskus, die heftigste Angriffswelle der Regierung seit Beginn des Bürgerkrieges (Presse 1.4.2018). Mitte April 2018 wurde die Militäroffensive der syrischen Armee auf die Rebellenenklave von Seiten der russischen Behörden und der syrischen Streitkräfte für beendet erklärt (DS 15.4.2018; vgl. SD 12.4.2018). Ende Mai 2018 zogen sich die letzten Rebellen aus dem Großraum Damaskus zurück, wodurch die Hauptstadt und ihre Umgebung erstmals wieder in ihrer Gesamtheit unter der Kontrolle der Regierung standen (DSO 21.5.2018; vgl. ISW 1.6.2018). Seitdem hat sich die Sicherheitslage in Damaskus und Damaskus-Umland (Rif Dimashq) deutlich verbessert (DIS/DRC 2.2019). Im Januar kam es zu zwei Bombenanschlägen in Damaskus Stadt. Einem in der Nähe eines Büros des Militärischen Nachrichtendienstes im Süden mit mehreren Todesopfern, und einem mittels einer Autobombe in der Nähe der russischen Botschaft mit Verletzten (DIS/DRC 2.2019; vgl. TN 20.1.2019). Einer internationalen humanitären Organisation zufolge ist es weniger wahrscheinlich, dass Angriffe dieser Art in Damaskus (im Gegensatz zu anderen großen Städten) passieren, weil die Hauptstadt durch Sicherheitskräfte schwer bewacht ist (DIS/DRC 2.2019).

Seit 2012 führte Israel dutzende Luftschläge auf syrischem Staatsgebiet durch, hauptsächlich auf Orte oder Konvois in der Nähe der libanesischen Grenze, die mit Waffenlieferungen an die Hizbollah in Verbindung stehen (CRS 2.1.2019), bzw. generell auf iranische Ziele und Ziele mit dem Iran verbündeter Milizen (AJ 5.2.2019). Es soll etwa ein bis zweimal im Mo

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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