Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 2 Z 3 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Mag. Dr. Markus Vetter, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Vereinigte Staaten von Amerika, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Februar 2019, GZ 8 Ra 53/18z-37, mit dem dem Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 15. März 2018, GZ 4 Cga 33/17a-34, Folge gegeben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (darin enthalten 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist österreichische Staatsbürgerin. Sie war ab 1974 Mitarbeiterin der Botschaft der Beklagten in Wien. Das Arbeitsverhältnis wurde mit einem am 17. 3. 2017 der Klägerin ausgehändigten Schreiben gekündigt.
Nach ihren Anfängen in der Administration als Telefonistin und im Sekretariat arbeitete die Klägerin zunächst in der dem US Departement of State zugeordneten Wirtschafts- und Handelsabteilung. Diese wurde in der Folge ausgegliedert und vom „Commercial Service“, der Außenhandelsorganisation des US Department of Commerce, übernommen. Das Commercial Service stellt eine kleine Einheit innerhalb der amerikanischen Botschaft in Österreich dar. Die Klägerin war für das Commercial Service tätig und mittelbar dem Abteilungsleiter für Handelsangelegenheiten unterstellt, teilweise berichtete sie ihm unmittelbar. Sie war Sachreferentin für die Industriezweige IT-Telekom, Tourismus und Luftfahrt und einige kleinere Abteilungen. Sie musste ihre Entscheidungen im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens mit Vorgesetzten abstimmen. Im Schriftverkehr mit österreichischen Unternehmen schien ihr Name auf, im Schriftverkehr mit der Beklagten wurden Schriftstücke vom Botschaftsrat oder dem Geschäftsträger gefertigt.
In einer Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin aus dem Jahr 2003 heißt es zu der Grundfunktion der Stelle unter anderem: „Amtiert als Handelsexpertin der Handelsabteilung in Österreich und Bereichsverantwortung für die Hauptbereiche der Informationstechnologie, welche Netzwerk-Hardware und -Leistungen, Internetdienstleistungen, Luftfahrt und Verteidigung sowie Reisen und Tourismus umfasst und entwickelt Strategien für Unternehmen, welche in den globalen Markt eintreten wollen. Unterstützt US-amerikanische Unternehmen dabei, nach Österreich zu exportieren, indem sie lokale Käufer, Vertreter/Händler ausfindig macht und auch dann, eine Markteintrittsstrategie zu entwickeln. Stellt Informationen betreffend Tarifregelungen, Lizenzanforderungen, Handelsbeschränkungen, Handelsvorschriften sowie einschlägige Gesetze und technische Informationen über spezifische Produkte, welche den Produktzugang nach Österreich erleichtern, zur Verfügung. Empfiehlt Vertretern von Unternehmen österreichische Regierungsbeamte und Geschäftsleute, die sie treffen sollen, nimmt mit ihnen am Treffen teil und setzt sich für sie als geeignet ein. (...) Pflegt ein weites Spektrum an Kontakten mit wichtigen Beamten im Zuge dieser Bereiche und in wichtigen Ministerien der österreichischen Regierung. Führt Recherchen durch und bereitet Faktenberichte sowie analytische Berichte zu diversen Fragestellungen, die Einfluss auf den US-amerikanischen Export und Handel in zugewiesenen Sektoren haben, vor. Untersucht Handelsbeschwerden in zugewiesenen Sektoren und versucht diese zu lösen. Führt umfassende Interessenvertretungskampagnen für große öffentliche Beschaffungsvorhaben in den zugewiesenen Industriesektoren durch. Organisiert Seminare, Workshops und Konferenzen für zugewiesene Industrien, dies einschließlich der Rekrutierung von US-amerikanischen Firmen, Hauptreferenten, Sponsoren und Multiplikatoren, um US-amerikanische Produkte und Dienstleistungen in Österreich zu promoten. Bereitet Vorträge und Szenarien für den Botschafter im Rahmen zugewiesener Projekte vor.“
Zu den Aufgaben der Klägerin gehörte es unter anderem zu versuchen, Marktbarrieren für US-Unternehmen in Österreich abzubauen. Eine ihrer Hauptagenden war zuletzt die Befassung mit der Aufhebung des Verbots des Direktvertriebs von amerikanischen Kosmetikprodukten in Österreich. Sie war amerikanischen Unternehmen behilflich, ihre Produkte auf den Markt zu bringen, einen Vertriebspartner oder sonstigen Handelspartner zu finden und Produkte zu promoten. Im Internet waren unter auf der Beklagten zuzurechnenden Seiten die Kontaktdaten der Klägerin und des zuständigen Botschaftsrats und die Zuständigkeiten für die einzelnen Industriebereiche sichtbar, weshalb die Klägerin auch direkt kontaktiert wurde. Sie führte auch laufend Gespräche mit zuständigen österreichischen Stellen. Bei zolltechnischen Fragen holte sie Informationen ein und leitete sie weiter. Soweit notwendig fragte sie auch beim Attaché in Brüssel nach und übermittelte diese Informationen.
Das Commercial Service veranstaltet mit österreichischen Partnern wie der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammer und österreichischen Banken Veranstaltungen wie Workshops oder Seminare in Österreich. Die Klägerin holte für solche Veranstaltungen Kostenvoranschläge ein, ermittelte das Budget und berechnete den Kostenbeitrag für die US-Unternehmen. Nach Freigabe durch Vorgesetzte beauftragte sie die österreichischen Unternehmen. Das Commercial Service veranstaltete Messen in den USA, mit dem Ziel österreichische Unternehmen zu rekrutieren, die daran teilnehmen und stellte die Logistik vor Ort in den USA zur Verfügung. Dazu mussten Termine vereinbart, Übersetzungen bereitgestellt und über österreichische Reisebüros Arrangements angeboten werden.
Als „Kontrollbeamtin für Besucher des Wirtschaftsministeriums für den Ministerialrat, den Ministerialdirektor und für den Botschafter und den Geschäftsträger bei in Österreich abgehaltenen Veranstaltungen“ bereitete sie auf Level eines Botschaftsrats das Programm vor, koordinierte Termine und begleitete Personen zu Terminen, wobei sie notwendige Übersetzungen tätigte, etwa im Zusammenhang mit bilateralen Gesprächen, um Handelsbarrieren abzubauen.
Im Verein „Visit USA Comitee“, der gegründet wurde, um den Tourismus in den USA zu fördern, vertrat die Klägerin den Botschaftsrat für Handel als Mitglied des Vorstands. Sie entwarf dabei Strategien und Marketingpläne für die Promotion des Tourismus in den USA.
Die Klägerin ficht mit der vorliegenden Klage ihre Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit l und Z 2 ArbVG an. Sie bringt vor, dass bei Streitigkeiten aus Dienstverträgen mit Arbeitnehmern von diplomatischen Missionen die Staatenimmunität nicht zum Tragen komme. Sie sei nicht zur Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten befugt gewesen. Zu ihren Aufgaben habe die Beratung von österreichischen Unternehmen/Investoren gehört, die eine Betriebsstätte/Niederlassung im beklagten Staat gründen wollten, sowie die Unterstützung von Unternehmen des beklagten Staats bei Markteintrittsbarrieren oder die Beratung und Unterstützung solcher Unternehmen bei diversen österreichischen Vertriebsmodellen und den damit verbundenen steuerlichen Themen. Die Kündigung sei sozialwidrig und aufgrund eines verpönten Motivs unwirksam.
Die Beklagte bestritt und erhob die Einrede der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit. Sie stützte sich dabei auf ihre staatliche Immunität. Die Klägerin sei als „Commercial Specialist“ im Bereich der Informationstechnologie für die Beklagte in Österreich eingestellt worden. Ihre Tätigkeit habe unter anderem die Förderung wirtschaftlicher Beziehungen zwischen der Beklagten und Österreich umfasst. Sie sei dafür verantwortlich gewesen, Kontakte mit Beamten und Mitarbeitern der österreichischen Regierung bzw der Ministerien zu pflegen. Ihr Tätigkeitsbereich habe die Entwicklung von Strategien betreffend den Markteintritt von Unternehmen der Beklagten und deren Unterstützung beim Markteintritt umfasst. Die Klägerin sei im Bereich der „Wirtschaftsdiplomatie“ tätig gewesen. Dieser Aufgabenbereich sei nicht der Privatwirtschaft zuzurechnen, sondern falle unter den Begriff „hoheitliche Tätigkeit“. Die Beklagte genieße daher nach Art 11 Abs 2 lit a des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2. 12. 2004 Immunität. Darüber hinaus könne sich nach Art 11 Abs 2 lit c des Übereinkommens ein Staat auch dann auf seine Immunität berufen, wenn die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses oder die Wiedereinstellung einer natürlichen Person Gegenstand des Verfahrens sei. Das sei hier der Fall, weil die Klage die „rückwirkende“ Wiederherstellung des Arbeitsverhältnisses anstrebe. Diese Bestimmungen seien als Völkergewohnheitsrecht unabhängig von der Ratifizierung des Übereinkommens wirksam.
Das Erstgericht verwarf nach abgesonderter Verhandlung die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der Immunität. Es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Klägerin in einem Bereich eingesetzt worden sei, in dem die Beklagte mit Hoheitsgewalt auftrete. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit sei mangels ausreichender Ratifikationen noch nicht in Kraft. Auch sei Gegenstand des Verfahrens nicht die Einstellung oder Verlängerung des Arbeitsverhältnisses oder die Wiedereinstellung einer natürlichen Person, sondern der Antrag, die ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären. In einem solchen Fall könne sich die Beklagte nur auf ihre Immunität berufen, wenn das Verfahren ihren Sicherheitsinteressen zuwiderlaufe, was nicht der Fall sei.
Dem Rekurs der Beklagten gegen diesen Beschluss gab das Rekursgericht Folge und wies die Klage zurück. Ausländische Staaten könnten sich vor inländischen Gerichten auf ihre Immunität so weit berufen, als es sich um Akte handle, die sie in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommen hätten. In Rechtsstreitigkeiten aus Privatrechtsverhältnissen seien sie dagegen der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen. Die Abgrenzung richte sich nach allgemeinem Völkerrecht. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit sei zwar mangels Erreichens der erforderlichen Anzahl an Ratifikationen noch nicht in Kraft getreten, werde jedoch als Kodifikation des bestehenden völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts angesehen. Für Arbeitsverträge enthalte Art 11 eine eigene Regelung, die unter anderem danach unterscheide, ob die Tätigkeit des Arbeitnehmers dem hoheitlichen oder privatwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen sei. Der Aufgabenbereich der Klägerin habe zusammengefasst in der Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und Österreich bestanden. Damit sei sie aber mit der Erfüllung einer der amtlichen Kernaufgaben einer diplomatischen Mission im Sinn des Art 3 Abs 1 lit e des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen befasst gewesen. Ihre Tätigkeit sei daher auch hoheitlich gewesen, weshalb die Beklagte sich zu Recht auf ihre staatliche Immunität berufen habe.
Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil die Entscheidung von den früheren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs abweiche und noch keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob das Übereinkommen der Vereinten Nationen als Völkergewohnheitsrecht zugrunde gelegt werden könne.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
1. Wenn in einem allgemeinen Sinne von Staatenimmunität die Rede ist, bezieht sich diese auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Ausgehend von dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten gilt im Grundsatz das Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen. Allerdings hat das Recht der allgemeinen Staatenimmunität, nicht zuletzt wegen des zunehmend kommerziellen grenzüberschreitenden Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Immunitätsschutz genießen lediglich hoheitliche Handlungen, acta iure imperii, während der Staat bei sonstigen Tätigkeiten, acta iure gestionis, prozessual einem privaten Wirtschaftsakteur gleichgestellt wird (Höfelmeier, Die Vollstreckungsimmunität der Staaten im Wandel des Völkerrechts 16). Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nicht-hoheitliches Handeln genießt. Bei privatwirtschaftlichem Handeln und für privatwirtschaftliches Vermögen wird Immunität nicht gewährt (vgl Reinisch [Hrsg], Handbuch des Völkerrechts5 [2013], VI Rz 1557). Staatenimmunität besteht aber auch heute noch weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staats darstellen. Akte eines Staats, die hoheitlichen Charakter haben, unterfallen somit nicht der nationalen Gerichtsbarkeit des Forumstaats.
2. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Judikatur wiederholt davon ausgegangen ist, dass ein ausländischer Staat, der bei Abschluss eines Vertrags über im Inland zu erbringende Arbeits- oder Werkleistungen als Privatrechtsträger handelt, im Inland aus diesem Vertragsverhältnis belangt werden kann und dabei nicht auf den Zweck der Arbeit, sondern auf die Erbringung der Arbeitsleistungen an sich abzustellen ist (9 ObA 170/89; 9 ObA 244/90; 1 Ob 100/98g).
Dabei verwies der Oberste Gerichtshof etwa in der Entscheidung 9 ObA 170/89 darauf, dass bei Anwendung der allgemein anerkannten Regel des Völkerrechts und des Art IX EGJN ausländische Staaten in Ausübung ihrer hoheitlichen Funktion der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen seien. Handle hingegen ein ausländischer Staat etwa bei Abschluss eines Arbeitsvertrags über im Inland zu leistende Arbeiten als Privatrechtsträger, könne er auch im Inland aus diesem Arbeitsverhältnis belangt werden.
Diese Entscheidung wurde von Seidl-Hohenveldern (ZfRV 1990, 302 ff) kritisiert. Oberster Grundsatz des Konsular- und Diplomatenrechts sei die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Mission „ne impediatur legatio“. Unter Hinweis auf die Regelungen und Rechtsprechung in anderen Staaten kommt er zu dem Schluss, dass entscheidend für die Gewährung der Immunität sei, ob der Beschäftigte mit der Wahrung hoheitlicher Funktionen betraut gewesen sei oder nicht. Übe der Beschäftigte hoheitliche Funktionen aus, dürfe sich der Gerichtsstaat nicht in Streitigkeiten aus diesem Verhältnis einmischen.
3. Die Beurteilung der Frage, inwieweit Staaten Immunität genießen, hat sich primär am bestehenden Völkerrecht zu orientieren, dabei, sofern keine vertraglichen Normen bestehen, am Völkergewohnheitsrecht.
Die Versuche, die Immunität im Völkervertragsrecht zu kodifizieren, haben dazu geführt, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 2. 12. 2004 das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit“ verabschiedet haben. Nach Art 30 des Übereinkommens tritt dieses am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der dreißigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft. Da dies bislang noch nicht erfolgt ist, entfaltet das Übereinkommen – sofern es nicht bestehendes Völkergewohnheitsrecht wiedergibt – keine Bindungswirkung. Richtig ist auch, dass die Beklagte das Übereinkommen nicht ratifiziert hat, Österreich dagegen schon.
4. Zu prüfen ist daher, inwieweit das Übereinkommen, soweit es für den vorliegenden Fall von Relevanz sein kann, Völkergewohnheitsrecht darstellt.
Art 11 des Übereinkommens lautet:
„Arbeitsverträge
(1) Sofern die betreffenden Staaten nichts anderes vereinbart haben, kann sich ein Staat vor einem sonst zuständigen Gericht eines anderen Staates nicht auf Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Verfahren berufen, das sich auf einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag bezieht, demzufolge die Arbeit ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet dieses anderen Staats geleistet wird bzw zu leisten ist.
(2) Abs 1 findet keine Anwendung, wenn
a) der Arbeitnehmer eingestellt worden ist, um bestimmte Aufgaben in Ausübung von Hoheitsgewalt zu erfüllen;
(...)
c) die Einstellung, die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses oder die Wiedereinstellung einer natürlichen Person Gegenstand des Verfahrens ist;
d) die Entlassung oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer natürlichen Person Gegenstand des Verfahrens ist und das Verfahren nach Feststellung des Staats- oder Regierungschefs oder des Außenministers des Staates, den Sicherheitsinteressen dieses Staats zuwiderliefe;
(...)“
Das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass Art 11 des Übereinkommens als Völkergewohnheitsrecht anzusehen ist. Die Klägerin wendet dagegen nur ein, dass das Übereinkommen nicht in Kraft getreten sei und die Beklagte sich nicht darauf berufen könne, dass ein Abkommen, das sie nicht selbst unterfertigt habe, aufgrund Völkergewohnheitsrechts Bindungswirkung entfalte. Diese Argumente können jedoch nicht überzeugen, da Völkergewohnheitsrecht gerade nicht aus dem Vorliegen einer vertraglichen Verpflichtung abgeleitet wird, sondern von einer allgemeinen rechtlichen Überzeugung und Handhabung ohne einer solchen Bindung ausgeht.
In den Materialien zur Genehmigung des Übereinkommens durch Österreich wird darauf hingewiesen, dass das Übereinkommen eine Kodifizierung des bestehenden Völkergewohnheitsrechts darstellt (RV 1161 BlgNR 22. GP 1). Unabhängig davon, inwieweit die Materialien zur Auslegung des Vertrags herangezogen werden können, zeigt dieser Hinweis, dass der österreichische Gesetzgeber die Bestimmungen des Übereinkommens auch ohne Vorliegen der für das Inkrafttreten erforderlichen Ratifikationen als bindend ansieht.
Die Rechtsauffassung, dass im Speziellen Art 11 des Übereinkommens Völkergewohnheitsrecht darstellt, wurde auch bereits wiederholt vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vertreten. In seinem Urteil vom 23. 3. 2010 (GK), 15869/02, Cudak/Litauen, in dem ein Verstoß gegen Art 6 EMRK zu beurteilen war, verwies der EGMR darauf, dass Maßnahmen eines Vertragsstaats, die eine allgemein anerkannte Regel des internationalen Rechts der Staatenimmunität widerspiegeln, nicht generell als eine unverhältnismäßige Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht gewertet werden könnten. Die Gewährung von Staatenimmunität im Zivilverfahren verfolge das legitime Ziel, die Höflichkeit und guten bilateralen Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern.
Im Zuge seiner Prüfung ging der Gerichtshof davon aus, dass das Übereinkommen der Vereinten Nationen, das in Art 11 die Staatenimmunität bezüglich arbeitsrechtlicher Verträge von Angestellten der Botschaften prinzipiell – mit einiger Ausnahmen – ausschließe, mangels ausreichender Ratifikationen zwar noch nicht in Kraft getreten sei. Zugleich stellte er jedoch die gewohnheitsrechtliche Geltung des Art 11 des Übereinkommens fest. Das Abkommen sei daher auch im Verhältnis zu einem Staat, der es noch nicht ratifiziert, ihm aber auch nicht widersprochen habe, anzuwenden.
Diese Rechtsprechung setzte der EGMR im Urteil vom 29. 6. 2011 (GK), 34869/05, Sabeh El Leil/Frankreich, fort. Er wiederholte, dass Art 11 des Übereinkommens als Völkergewohnheitsrecht auch auf die Staaten anwendbar sei, die das Übereinkommen nicht ratifiziert und ihm nicht widersprochen hätten. Er prüfte weiters das Vorliegen der Ausnahmetatbestände des Art 11, insbesondere, ob der Beschwerdeführer zur Erledigung bestimmter Aufgaben in Ausübung von Hoheitsgewalt angestellt gewesen sei.
5. Dem EGMR ist darin zu folgen, dass Art 11 des Übereinkommens, soweit es für den vorliegenden Fall von Relevanz ist, als Völkergewohnheitsrecht auch im Hinblick auf Art 6 EMRK zu berücksichtigen und zu prüfen ist. Dies betrifft aber nicht nur die grundsätzliche Zulässigkeit von Klagen aus Arbeitsverhältnissen, sondern verlangt auch, sofern sich der belangte Staat darauf beruft, die Prüfung der davon normierten Ausnahmen, im konkreten Fall die, dass der Arbeitnehmer eingestellt worden ist, um bestimmte Aufgaben in Ausübung von Hoheitsgewalt zu erfüllen.
Dem entspricht, dass auch der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung vom 19. 7. 2012, C-154/11, Ahmed Mahamdia/Algerien davon ausgegangen ist, dass in Anbetracht des Inhalts des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität die Anwendung der Verordnung Nr 144/2001 auf einen Rechtsstreit, in dem ein Arbeitnehmer eine Vergütung begehre und sich gegen die Kündigung seines mit einem Staat geschlossenen Arbeitsvertrags wehre, nicht entgegenstehe, wenn das angerufene Gericht feststelle, dass die von diesem Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnis fallen, oder wenn die Klage nicht mit den Sicherheitsinteressen des Staats kollidieren könne (Rn 56).
Zu Recht ist daher das Rekursgericht davon ausgegangen, dass sich ein Staat auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Verfahren vor einem anderen Staat berufen kann, wenn der Arbeitnehmer eingestellt wurde, um bestimmte Aufgaben in Ausübung der Hoheitsgewalt zu erfüllen (vgl Art 11 Abs 2 lit a des Übereinkommens).
6. Es ist daher bei Prüfung der Immunität auch maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht hoheitlich sind. Entscheidend ist der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit sowie ihr – bestehender oder nicht bestehender – funktionaler Zusammenhang mit dem diplomatischen oder konsularischen Aufgaben des betreffenden Staats. Der Empfangsstaat darf nach Art 38 Abs 2 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl/1966/66, durch Ausübung seiner Hoheitsgewalt die Mission bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht ungebührlich behindern.
Aufgabe einer diplomatischen Mission ist es nach Art 3 Abs 1 lit d und e des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat zu unterrichten, darüber an die Regierung des Entsendestaats zu berichten sowie unter anderem die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Empfangsstaat und Entsendestaat auszubauen. Zudem dürfen diplomatische Missionen auch konsularische Aufgaben wahrnehmen (vgl Art 3 Abs 2). Konsularische Aufgaben bestehen nach Art 5 lit b und c des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl 1969/318, unter anderem darin, die Entwicklung kommerzieller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat zu fördern, sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im kommerziellen und wirtschaftlichen Leben des Empfangsstaats zu unterrichten, an die Regierung des Entsendestaats darüber zu berichten und interessierten Personen Auskünfte zu erteilen.
Entsprechend dieser Regelungen ist daher die Förderung der Entwicklung kommerzieller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat als Kernbereich der konsularischen Tätigkeit anzusehen. Die in Art 3 Abs 1 lit e des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen enthaltene Aufgabe diplomatischer Missionen, die wirtschaftlichen Beziehungen und zwischen Entsende- und Empfangsstaat zu fördern und aufzubauen, ist eine informatorische, vermittelnde und allgemein gehaltene Tätigkeit der Handelsförderung, die es unter anderem umfasst, Firmenkontakte zu möglichen wirtschaftlichen Partnern im Gastland zu vermitteln (vgl Richtsteig, Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen2, Art 3, 20; Wagner/Raasch/Pröpstl/Oelfke, Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen, 92).
7. Die Tätigkeit der Klägerin diente im Wesentlichen der Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und Österreich, indem sie einerseits amerikanische Unternehmen darin beriet und unterstützte, ihre Produkte in Österreich zu vertreiben, andererseits österreichische Firmen für den amerikanischen Markt, etwa zu Messebesuchen rekrutierte. Zugleich war sie mit Besuchen des Wirtschaftsministeriums, Veranstaltungen der Beklagten in Zusammenarbeit mit wichtigen österreichischen Partnern sowie dem Bemühen um die Aufhebung von Marktrestriktionen befasst.
Diese Tätigkeit betrifft zwar nicht den Kernbereich staatlichen Handelns. Die Aufgaben der Klägerin stehen aber jedenfalls in einem engen funktionalen Zusammenhang mit der diplomatischen sowie konsularischen und damit hoheitlichen Tätigkeit der Beklagten.
8. Die Klägerin bestreitet im Revisionsrekurs auch nicht, dass ihre Tätigkeit wie vom Rekursgericht angenommen, unter § 3 Abs 1 lit e des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen zu subsumieren ist. Sie wendet sich nur dagegen, dass Art 3 zur Auslegung der „hoheitlichen Tätigkeit“ heranzuziehen ist, wobei sie nicht näher darlegt, weshalb die in dieser Bestimmung definierten Aufgaben einer diplomatischen Mission ihrer Ansicht nach keinen hoheitlichen Charakter haben sollen.
9. Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass Art 11 Abs 1 und Abs 2 lit a des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit Völkergewohnheitsrecht darstellt und bei Prüfung der Immunität des Staats bei Klagen von Arbeitnehmern zu beachten ist. Es kommt daher – in Abkehr von der bisherigen Judikatur – nicht mehr ausschließlich auf die Natur des Rechtsgeschäfts, die Erbringung von Arbeitsleistungen, sondern auch auf den Zweck der Arbeit, das Vorliegen einer hoheitlichen Tätigkeit an.
Zu Recht ist daher das Rekursgericht davon ausgegangen, dass sich die Beklagte, gestützt auf das in der Ausnahmebestimmung des Art 11 Abs 2 lit a des Übereinkommens der Vereinten Nationen kodifizierte Völkergewohnheitsrecht, auf ihre Immunität berufen kann.
Eine Prüfung dahingehend, ob das auf Unwirksamerklärung der Kündigung gerichtete Begehren der Klägerin auch unter das im Ausnahmetatbestand des Art 11 Abs 2 lit c des Übereinkommens kodifizierte Völkergewohnheitsrecht fällt, weil damit die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses angestrebt wird, muss daher hier nicht mehr erfolgen.
Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.
10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E127147European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00037.19K.1128.000Im RIS seit
29.01.2020Zuletzt aktualisiert am
09.08.2021