TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/9 98/04/0076

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Veröffentlicht am 09.09.1998
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §28 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des ER in A, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. März 1998, Zl. 317.974/1-III/4/98, betreffend Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der darin enthaltenen Abweisung des Ansuchens des Beschwerdeführers vom 29. Juli 1994 in der Fassung des Schriftsatzes vom 8. Juli 1996 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. März 1998 wurde

1. der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. Juni 1997 wegen Unzuständigkeit behoben und

2. dem Beschwerdeführer die Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Fotografengewerbe zum Zwecke der Ausübung dieses Gewerbes eingeschränkt auf den Betrieb eines Mini-Labs zur Herstellung von Farb- und Schwarzweiß-Bildern sowie zur Filmentwicklung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 GewO 1994 erteilt, im darüber hinausgehenden Umfang jedoch dessen Ansuchen abgewiesen.

Zur Begründung des Spruchpunktes 2. führte der Bundesminister nach Darstellung der Rechtslage und der vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Unterlagen aus, nachdem die Landesinnung der Fotografen die vorgelegten Arbeiten als "im Niveau eines engagierten Amateurs" liegend beurteilt und die Durchführung einer Arbeitsprobe für den Bereich Portrait-, Hochzeits- und Industriefotografie vorgeschlagen gehabt habe, habe der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. April 1996 zusätzlich um Erteilung einer Nachsicht vom Befähigungsnachweis, beschränkt auf die Teiltätigkeit des Betriebes eines Mini-Labs zur Herstellung von Farb- und Schwarzweiß-Bildern und zur Filmentwicklung ersucht. Die Landesinnung der Fotografen für Niederösterreich habe in ihrer Stellungnahme vom 27. August 1996 ausgeführt, daß aus einer näher bezeichneten Bestätigung zu entnehmen sei, der Antragsteller habe sich im Rahmen eines Seminars auch Kenntnisse im Bereich der Fotoausarbeitung angeeignet. Als Gesellschafter einer Fotogesellschaft betreibe er ein Minilabor. Auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit könne lediglich eine hinreichende tatsächliche Befähigung "zum Betrieb einer Amateurausarbeitung bis Negativformat 24 x 36 mm" angenommen werden. Auf Grund der den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen zu entnehmenden Anhaltspunkte betreffend seine bisherige Tätigkeit könne in dem vom Spruchpunkt 2. umfaßten Umfang von einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung ausgegangen werden. Für die Erteilung einer den gesamten Umfang des Fotografengewerbes (insbesondere Portrait- und Hochzeitsfotos) umfassenden Nachsicht lägen hingegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, zumal die Landesinnung der Fotografen für Niederösterreich zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Fotoarbeiten in ihrer fachgutächtlichen Beurteilung beispielsweise vorgebracht hat, daß er nicht jene technischen Lösungen, die im Rahmen der Fotografenausbildung vermittelt würden, zur Veränderung negativer optischer Effekte angewendet habe. Aus den vorliegenden Arbeiten müsse daher auf das Fehlen einer fotografischen Grundausbildung geschlossen werden. Eine volle Befähigung könne jedenfalls nicht angenommen werden. Auf Grund des weitgehend eingeschränkten Umfanges der erteilten Nachsicht könne davon ausgegangen werden, daß dem Beschwerdeführer die nur im gesamten Umfang des gegenständlichen Gewerbes mögliche Ablegung der Meisterprüfung zum Zwecke der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes im zuerkannten Umfang nicht zuzumuten sei. Eine über diesen Umfang hinausgehende Nachsicht habe schon mangels Vorliegens eines diesbezüglichen Nachsichtsgrundes nicht erteilt werden können, ohne daß ein näheres Eingehen auf die Frage, in welchem darüber hinausgehenden Umfang des Fotografengewerbes der Beschwerdeführer gegebenenfalls über eine hinreichende tatsächliche Befähigung verfüge, erforderlich gewesen sei.

Gegen den abweisenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Erteilung der beantragten Nachsicht verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes wendet er sich im wesentlichen gegen die Beurteilung seiner vorgelegten Arbeiten durch die Landesinnung der Fotografen für Niederösterreich. Er bringt ferner vor, daß die Entscheidung der belangten Behörde gegen Art. 7 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 16. Juni 1975 Nr. 75/368/EWG verstoße. Schließlich habe die belangte Behörde keinerlei Begründung dafür geboten, warum sie einen örtlichen Bedarf im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. b GewO 1994 verneint habe.

Die Beschwerde erweist sich schon auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:

Gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 ist, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn

1. nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen oder

2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist,

oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann die Nachsicht gemäß Abs. 1 auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist.

Der Beschwerdeführer hat im vorliegenden Fall sowohl einen Antrag auf Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 für das gesamte Fotografengewerbe, wie auch - eventualiter - für eine näher bezeichnete Teiltätigkeit dieses Gewerbes gestellt. Er hat ferner - eventualiter - umfangmäßig abgestuft Anträge auf Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a und b GewO 1994 gestellt.

Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist die Frage, ob der Nachsichtswerber die für die Erteilung einer derartigen Nachsicht nach dieser Gesetzesstelle geforderte volle Befähigung besitzt, nach seinem Bildungsgang und seiner bisherigen Tätigkeit zu beurteilen. Um in einer dem Verwaltungsgerichtshof nachprüfbaren Weise beurteilen zu können, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Gewährung der Nachsicht nach dieser Gesetzesstelle gegeben sind, hätte es daher konkreter Feststellungen über den vom Beschwerdeführer durchlaufenen (einschlägigen) Bildungsgang und seiner bisherigen (einschlägigen) Tätigkeit bedurft. Aus diesen Grundlagen wären sodann Feststellungen über jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu treffen gewesen, die der Beschwerdeführer durch diesen Bildungsgang und diese Tätigkeit auf dem in Rede stehenden Fachgebiet erworben hat. In diesem Zusammenhang kann nach § 346 Abs. 3 leg. cit., wenn es zur Ermittlung des Sachverhaltes zweckentsprechend ist, die zuständige Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft unter Anschluß der vorgelegten Belege aufgefordert werden, innerhalb einer Frist von vier Wochen ein Gutachten abzugeben. Das so gewonnene Ergebnis ist sodann den aus den für das in Rede stehende Gewerbe geltenden Vorschriften zu entnehmenden, für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen gegenüberzustellen.

Diesen Anforderungen kam die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid insofern nicht nach, als sie jegliche Feststellungen über den Bildungsgang und die bisherige Tätigkeit des Beschwerdeführers unterließ und sich in ihrer Entscheidung allein auf ein Gutachten der Landesinnung der Fotografen für Niederösterreich stützte, in dem lediglich vier vom Beschwerdeführer vorgelegte Arbeitsproben beurteilt werden, und daraus - ohne dies allerdings ausdrücklich zu sagen - offensichtlich der Schluß gezogen wird, der Beschwerdeführer verfüge nicht über die nach § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 geforderte volle Befähigung.

Mit der Frage, ob der Beschwerdeführer über die nach § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 erforderliche hinreichende tatsächliche Befähigung verfügt, setzte sich die belangte Behörde - grundsätzlich zutreffend- deshalb nicht auseinander, weil sie davon ausging, es sei keiner der Nachsichtsgründe des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a oder b gegeben. Die Begründung des angefochtenen Bescheides läßt allerdings jegliche Sachverhaltsfeststellungen, auf die sich diese rechtliche Beurteilung der belangten Behörde stützen könnte, vermissen, sodaß auch in diesem Punkt dem Verwaltungsgerichtshof die ihm obliegende nachprüfende Kontrolle des a 1998ngefochtenen Bescheides nicht möglich ist.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, weshalb sich eine weitere Erörterung des Beschwerdevorbringens erübrigt. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 9. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040076.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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