TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/9 97/04/0085

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.1998
beobachten
merken

Index

50/01 Gewerbeordnung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §12;
ASchG 1994 §126 Abs2 Z2;
ASchG 1994 §69 Abs2;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der L. GmbH in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. März 1997, Zl. 318.869/1-III/A/2a/97, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. März 1997 wurde der Beschwerdeführerin die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage (Lagerhalle mit zweigeschossigem Bürogebäude) auf einem näher beschriebenen Standort unter Vorschreibung mehrerer Auflagen, u.a. der folgenden erteilt:

"10. Aufgrund der unbeheizten Lagerhalle sind die Führerstände der Flurförderfahrzeuge (Stapler) zu umhausen und beheizbar auszustatten. Die bereits in der Betriebsanlage vorhandenen Stapler mit unbeheizten Führerständen dürfen weiter benützt werden. Bei Benutzung unbeheizter Führerstände und für sonstige Tätigkeiten in der Lagerhalle ist den Arbeitnehmern eine entsprechende Kälteschutzkleidung zur Verfügung zu stellen."

Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges - die abschließende Stellungnahme des im Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingerichteten Zentral-Arbeitsinspektorates wiedergegeben, derzufolge die gegenständliche Halle gemäß § 22 Abs. 1 ASchG i.V.m.

§ 1 Z. 2 AAV einen Arbeitsraum darstelle, da ständige Arbeitsplätze darin eingerichtet würden. In Arbeitsräumen müsse gemäß § 12 Abs. 2 AAV die Raumtemperatur mindestens 12 Grad C betragen, sofern Arbeiten mit starker körperlicher Beanspruchung durchgeführt würden. Bei Arbeiten mit normaler körperlicher Beanspruchung sei eine Raumtemperatur von mindestens 18 Grad C erforderlich. § 12 Abs. 3 AAV könne nicht angewendet werden, weil aufgrund der Stellungnahme der Beschwerdeführerin angenommen werden müsse, daß die Art der Arbeit (im gegenständlichen Fall z.B. die Art des Lagergutes) eine Raumtemperatur von mehr als 12 Grad C zulasse. Es sei davon auszugehen, daß das Fahren von Staplern eine Arbeit mit normaler körperlicher Beanspruchung darstelle. Da es aufgrund der Größe der Halle und der Art des Betriebes technisch nicht sinnvoll (wenngleich machbar) erscheine, die gesamte Halle zu beheizen, könne ein wichtiger Grund für eine Ausnahme im Sinne des § 126 Abs. 2 ASchG angenommen werden.

Einer Ausnahme von § 12 Abs. 2 AAV könne daher zugestimmt werden, wenn durch eine andere Maßnahme der gleiche Schutz erreicht werden könne. Das Zurverfügungstellen einer Kälteschutzbekleidung durch den Arbeitgeber sei gemäß § 69 Abs. 2 ASchG erst dann vorgesehen, wenn die Gefahren nicht durch kollektive technische Schutzmaßnahmen vermieden werden könnten. Diese Bestimmung stelle darauf ab, Arbeitnehmer den Belastungen, die beim Tragen persönlicher Schutzausrüstungen immer aufträten, nur dann auszusetzen, wenn dies aus technischen Gründen erforderlich sei. Um im gegenständlichen Fall eine Kälteschutzbekleidung als Ersatzmaßnahme zuzulassen, müßte daher nachgewiesen sein, daß die technische Maßnahme (beheizte Staplerkabine) nicht durchführbar sei. Eine Rücksprache mit dem Lieferanten der Stapler habe ergeben, daß eine Umrüstung der bestellten Stapler zwar möglich, aber praktisch nicht sinnvoll sei, weil die elektrische Ausrüstung der Stapler für den zusätzlichen Einbau einer Heizung nicht ausgelegt sei. Die Laufzeit der Stapler zwischen zwei Ladevorgängen wäre stark herabgesetzt. Es scheine daher nicht vertretbar, die bereits vorhandenen Stapler umzurüsten. Beim Ankauf neuer Stapler bestehe jedoch kein Hindernis, beheizte Stapler zu verwenden. Nach Darstellung der Rechtslage führte die Berufungsbehörde in der Folge im wesentlichen aus, die AAV sehe eine Raumtemperatur von 12 Grad C als absolute Untergrenze an, wobei im vorliegenden Fall von Arbeiten mit normaler körperlicher Beanspruchung auszugehen sei, wofür eine Raumtemperatur von mindestens 18 Grad C erforderlich sei. In § 69 Abs. 2 ASchG sei festgelegt, daß das Zurverfügungstellen einer persönlichen Schutzausrüstung (z.B. Kälteschutzkleidung) gegenüber kollektiven technischen Schutzmaßnahmen (wie im vorliegenden Fall die Einrichtung beheizter Staplerkabinen) nur subsidiär sei. Im vorliegenden Fall sei daher das Zentral-Arbeitsinspektorat der Beschwerdeführerin insofern entgegengekommen, als die derzeit vorhandenen Stapler in der Betriebsanlage - bei Zurverfügungstellung einer Kälteschutzkleidung - weiterverwendet werden dürften. Vom Erfordernis beheizter Staplerkabinen könne jedoch aufgrund der dargestellten Rechtslage für die Zukunft nicht Abstand genommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht "gemäß § 69 Abs. 2 ASchG den Arbeitnehmern persönliche Schutzausrüstungen auf unsere Kosten zur Verfügung zu stellen, wenn Gefahren nicht durch kollektive technische Schutzmaßnahmen oder durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen vermieden oder ausreichend begrenzt werden können, verletzt". Sie bringt hiezu im wesentlichen vor, § 69 Abs. 2 ASchG bestimme, daß eine persönliche Schutzausrüstung von den Arbeitgebern auf ihre Kosten zur Verfügung zu stellen sei, wenn Gefahren nicht durch kollektive technische Schutzmaßnahmen oder durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen vermieden oder ausreichend begrenzt werden können. Da die Lagerhalle aufgrund ihrer Höhe in der kalten Jahreszeit nicht beheizt werden könne, sei als kollektive Schutzmaßnahme die Schaffung eines Raumes vorgeschlagen worden, in der sich die Arbeitnehmer in den Arbeitspausen aufwärmen könnten. Weitere kollektive Schutzmaßnahmen seien nicht möglich. Insbesondere stelle die vorgeschriebene Umhausung und beheizbare Ausstattung der Führerstände der Stapler keine kollektive technische Schutzmaßnahme dar, weil dadurch nur einzelne Arbeitnehmer, die Staplerfahrer, und auch diese nicht während ihrer gesamten Tätigkeit vor Kälte geschützt würden. Das übrige Personal müsse mit Kälteschutzkleidung das Auslangen finden. Die Tätigkeit der Staplerfahrer sei mit häufigem Ein- und Aussteigen verbunden, auch mit teilweise längeren Tätigkeiten außerhalb der Staplerfahrzeuge. In der Praxis kämen Tätigkeit in der Dauer von mehr als 20 Minuten außerhalb des Führerstandes der Hubstapler mehrmals am Tag vor. So sei es teilweise notwendig, das Ladegut manuell auf die Staplergabel zu heben, andere Staplerfahrer einzuweisen, den Lenkern der Frachtfahrzeuge Anweisungen zu geben und auf den Ladeflächen der Frachtfahrzeuge manuelle Arbeiten zu verrichten. Im Falle der Umhausung und Beheizung der Führerstände wären die Staplerfahrer daher einem häufigen Temperaturwechsel ausgesetzt, der in weiterer Folge "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Erkrankungen der Arbeitnehmer in der kalten Jahreszeit führen würde". Um einer Erkrankung infolge des Temperaturwechsels entgegenzuwirken, könnten die Arbeitnehmer einerseits die Kälteschutzausrüstung auch in den beheizten Führerständen tragen; sie würden in diesem Fall die Heizung allerdings ausschalten, sodaß die vorgeschriebene Auflage sinnlos würde. Die Arbeitnehmer könnten andererseits die Tätigkeit im Stapler in normaler Arbeitskleidung verrichten und beim Verlassen der Kabine die Kälteschutzausrüstung anziehen. Dies würde zwar dazu führen, daß die Heizung nicht ausgeschaltet werden müsse, jedoch wäre ein Großteil der Arbeitszeit durch ständiges Umziehen ausgefüllt. Außerdem müßten die Arbeitnehmer die persönliche Kälteschutzausrüstung ständig mit sich führen, was unzumutbar sei. Im übrigen sei die Umhausung der Sicherheit der anderen Arbeitnehmer ebenso wie der Durchführung des Arbeitsprozesses keineswegs förderlich, weil damit eine Sichtbehinderung verbunden sei und die Arbeit durch das Benützen der Türe beim Ein- und Aussteigen erheblich erschwert werde. In der wärmeren Jahreszeit stelle die Umhausung überdies ein Problem dar, weil dann eine ausreichende Belüftung des Führerhauses von Vorteil sei. Es könnten daher die Gefahren nicht durch kollektive technische Schutzmaßnahmen oder durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen vermieden oder ausreichend begrenzt werden, weshalb die persönliche Schutzausrüstung von der Beschwerdeführerin allen Arbeitnehmern ohne weitere Auflage zur Verfügung zu stellen sei. Indem die belangte Behörde nicht überprüft habe, ob die Staplerfahrer während ihrer Arbeitszeit die Stapler mehrmals zu verlassen hätten, dies aber für die Beurteilung entscheidend sei, ob eine Umhausung und heizbare Ausstattung der Führerstände der Stapler sinnvoll wäre, sei der maßgebliche Sachverhalt überdies unrichtig bzw. unvollständig festgestellt worden.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß die in Rede stehende Halle als Arbeitsraum im Sinne des § 22 Abs. 1 ASchG bzw. des § 1 Z. 1 AAV anzusehen ist, die in Ansehung der Raumtemperatur den Bestimmungen des § 12 Abs. 1 und 2 AAV zu entsprechen hat. Sie vertritt vielmehr die Auffassung, daß als Maßnahme zur Erreichung eines im Sinne des § 126 Abs. 2 Z. 2 ASchG gleichen Schutzes der Gesundheit von Arbeitnehmern, wie ihm raumklimatische Verhältnisse gemäß § 12 AAV gewährleisten, ausschließlich das Zurverfügungstellen einer Kälteschutzkleidung an die Arbeitnehmer, nicht aber die Umhausung und Beheizbarkeit der Führerstände der Stapler vorgesehen werden dürfe, weil letztere Maßnahme weder eine kollektive technische noch eine sinnvolle Schutzmaßnahme darstelle.

Diese Auffassung ist unzutreffend.

Was zunächst die Bestimmung des § 69 Abs. 2 ASchG anlangt, so bringt diese wohl den Vorrang der kollektiven Schutzmaßnahmen gegenüber den persönlichen Schutzausrüstungen zum Ausdruck (vgl. dazu RV 1590 BlgNR, 18. GP, 104, insbesondere die hier verwiesene Richtlinie). Erst wenn die in Betracht kommenden Gefahren nicht durch kollektive technische Schutzmaßnahmen oder durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen vermieden oder hinreichend begrenzt werden können, sind persönliche Schutzausrüstungen einzusetzen.

Selbst wenn aber die Umhausung und Beheizung der Führerstände der Stapler - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht als kollektive technische Schutzmaßnahmen anzusehen wären, so folgte daraus noch nicht, daß es unzulässig wäre, diese Maßnahmen zur Erreichung eines im Sinne des § 126 Abs. 2 Z. 2 ASchG gleichen Schutzes einzusetzen. Ein Verbot des Einsatzes bestimmter technischer Maßnahmen zugunsten des Einsatzes persönlicher Schutzausrüstungen ist dem § 69 Abs. 2 ASchG nämlich nicht zu entnehmen.

Die Beschwerdeführerin vermag aber auch mit ihrem Hinweis auf die - ihrer Auffassung nach - mangelnde Eignung der ihr vorgeschriebenen Maßnahme eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Sie hat es nämlich im Verwaltungsverfahren unterlassen, durch konkrete, fundierte Behauptungen die Eignung der vorgeschriebenen Maßnahme zur Erreichung des damit angestrebten Zweckes in Zweifel zu ziehen. Vielmehr hat sie zunächst lediglich darauf verwiesen, sie werde mit dem Herstellerwerk bezüglich beheizbarer Kabinen Kontakt herzustellen versuchen, um schließlich in ihrer Berufung vorzubringen, es sei "aufgrund unserer Ladetätigkeit - laufendes auf- und absteigen - nicht sehr sinnvoll, die Hubfahrzeuge derart aufzurüsten"; die umgebaute Kabine würde einem "Käfig" bzw. "Gefängnis" gleichen, sodaß eine Umrüstung abzulehnen sei.

Nach ständiger hg. Judikatur ist allerdings die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen, die es, obwohl ihr dazu Gelegenheit geboten wurde, unterlassen hat, an der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes dadurch genügend mitzuwirken, daß substantiierte Einwendungen und nicht bloße Behauptungen erhoben werden (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6 (1995) RZ 274).

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997040085.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten