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E6JNorm
BAO §21 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch die Althuber Spornberger & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Julius-Raab-Platz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. Mai 2018, Zl. RV/7102710/2015, betreffend Gesellschaftsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesfinanzgericht gegenüber der revisionswerbenden Partei Gesellschaftsteuer mit einem näher genannten Betrag fest und sprach aus, dass dagegen eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Es traf die Sachverhaltsannahmen, R habe mit Errichtungserklärungen vom 21. März 2012 zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nämlich die A-GmbH und die revisionswerbende Partei, gegründet und die jeweils zur Hälfte einbezahlte Stammeinlage als Alleingesellschafter übernommen. Der Gesellschaftsvertrag der revisionswerbenden Partei sehe in Punkt 5. vor, dass der Alleingesellschafter berechtigt sei, in Anrechnung auf das Stammkapital, und/oder in Form der Kapitalrücklage in die Gesellschaft Sacheinlagen, insbesondere in Form der Einbringung von Immobilien, Immobilenanteilen und grundbuchsgleichen Rechten vorzunehmen. R habe auf Grund seines Alters und um seiner Nachfolgerin größte Flexibilität zu bieten, die in seinem Privatvermögen befindlichen Liegenschaften und Liegenschaftsanteile in eine GmbH einbringen wollen, wobei er letztlich Alleingesellschafter der A-GmbH sein solle, die sämtliche Geschäftsanteile der revisionswerbenden Partei halte (Doppelstöckigkeit). Die Immobilien sollten in die revisionswerbende Partei eingebracht werden und die daraus erhofften Ausschüttungen sollten die A-GmbH mit Liquidität für weitere zukünftige Investitionen ausstatten. Damit hätte eine strikte Trennung zwischen betrieblicher und privater Sphäre sowie eine Haftungsbegrenzung erreicht werden sollen. Aufgrund der am 28. März 2012 erfolgten Beschlussfassung im Nationalrat über die Einführung der Immobilienertragsteuer mit 1. April 2012 und der dadurch für R unvorsehbaren Belastung des Altvermögens habe R am 30. März 2012 seine Anteile an der revisionswerbenden Partei der A-GmbH abgetreten und unmittelbar anschließend seine Immobilien als Sacheinlage in die revisionswerbende Partei in Form einer Kapitalrücklage eingebracht.
3 Rechtlich sah das Bundesfinanzgericht darin Zuschüsse, die geeignet seien, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, sowie freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft darstellten, und damit den Gesellschaftsteuertatbestand des § 2 Z 4 lit. a KVG als erfüllt an. R habe den Auftrag an den Notar zur Vorbereitung des Abtretungs- sowie des Sacheinlagevertrages und den Willensentschluss noch zu einem Zeitpunkt gefasst, als er noch Gesellschafter der revisionswerbenden Partei gewesen sei. Alleine die formelle Gestaltung der Verträge hebe den kausalen Zusammenhang der Sacheinlage mit der Gesellschafterstellung von R nicht auf. Es liege kein klassischer Großmutterzuschuss vor, weil die Abtretung der Geschäftsanteile sowie die Einbringung der Liegenschaften zeitgleich wirksam geworden seien und damit nicht nur ein zeitlicher und kausaler Zusammenhang mit der - ehemaligen -
Gesellschafterstellung von R bestehe, sondern die Leistung auf Grund der Holdingfunktion der A-GmbH auch im Interesse der nunmehrigen unmittelbaren Gesellschafterin liege. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise stelle die Sacheinlage eine dem Gesellschafter der revisionswerbenden Partei zuzurechnende Leistung im Sinne des § 2 Z 4 KVG dar.
4 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision erachtet sich die revisionswerbende Partei in ihrem "Recht darauf verletzt, dass eine Sacheinlage nicht als Leistung iSd § 2 Z 4 lit. a KVG qualifiziert wird, wenn der Leistende nicht Gesellschafter iSd § 5 Abs. 2 KVG ist."
5 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, die vom Bundesfinanzgericht zitierte Rechtsprechung sei nicht einschlägig. Das angefochtene Erkenntnis weiche vom Erkenntnis VwGH 30.3.2000, 99/16/0135, ab, weil es eine Verpflichtung im Zeitpunkt der noch aufrechten Gesellschafterstellung von R im konkreten Fall nicht gebe. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob die Steuerfreiheit eines Großmutterzuschusses davon abhänge, ob der nicht direkt beteiligte Leistende irgendwann einmal in der Vergangenheit an der empfangenden Kapitalgesellschaft unmittelbar beteiligt war. Schließlich unterliege das Bundesfinanzgericht einem fehlerhaften Verständnis vom Inhalt des Urteils EuGH 12.1.2006, Senior Engineering Investments, C-494/03.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Gemäß § 41 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit nicht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt (§ 42 Abs. Z 2 und 3), das angefochtene Erkenntnis oder den angefochtenen Beschluss aufgrund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts im Rahmen der geltend gemachten Revisionspunkte (§ 28 Abs. 1 Z 4) oder der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen.
10 Die vorliegende Revision behauptet keine Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb zufolge § 41 VwGG die Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses - und damit auch die Beurteilung der Zulässigkeit der dagegen erhobenen Revision - vor dem Hintergrund des vom Gericht angenommenen Sachverhaltes zu erfolgen hat.
11 Gemäß § 2 Z 4 lit. a KVG unterliegen der Gesellschaftsteuer Zuschüsse, wenn sie als freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
12 Nach § 5 Abs. 2 KVG gelten als Gesellschafter jene Personen, denen die in § 5 Abs. 1 leg. cit. genannten Gesellschaftsrechte zukommen. Nach § 5 Abs. 1 KVG gelten als Gesellschaftsrechte u.a. Aktien und sonstige Anteile, ausgenommen die Anteile der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft oder einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft. 13 Gemäß § 38 Abs. 3e KVG, eingefügt durch Art. 7 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 13, tritt Teil I (Gesellschaftsteuer) mit Ablauf des 31. Dezember 2015 außer Kraft. Diese Vorschriften sind letztmalig auf Rechtsvorgänge anzuwenden, bei denen die Steuerschuld vor dem 1. Jänner 2016 entstand. 14 Nach der Rechtsprechung des EuGH und der dieser folgenden ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft des Zuschusses abstellenden Betrachtungsweise zu beurteilen, wem die Zahlung von - gegebenenfalls der Gesellschaftsteuer unterliegenden - Zuschüssen tatsächlich zuzurechnen ist (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra 2016/16/0108, mwN).
15 Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Sinn des § 21 Abs. 1 BAO ist auch im Bereich des Verkehrsteuerrechtes immer dann anzustellen, wenn sich der Abgabenbehörde ein Sachverhalt darbietet, bei dem eine rein formal-rechtliche Beurteilung zu Ergebnissen führen würde, die dem Sinn und Zweck des betreffenden Abgabengesetzes klar zuwider laufen würden. Im Rahmen dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist u.a. auf einen unmittelbaren zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang zwischen der Leistung des Zuschusses und der Erlangung einer Gesellschafterstellung oder der Umstrukturierung eines Konzerns abzustellen (vgl. VwGH 23.12.2016, Ra 2016/16/0105, sowie VwGH 19.12.2002, 2001/16/0448).
16 Nach dem Urteil EuGH 12.1.2006, Senior Engineering Investments, C-494/03, bewirkt eine Kapitalzuführung von der Großmuttergesellschaft an die Enkelgesellschaft eine Erhöhung des Gesellschaftsvermögens der Enkelgesellschaft und sie ist geeignet, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen (Rn. 37 und 38). Der fragliche Beitrag wurde zwar vom Gesellschafter des Gesellschafters geleistet, jedoch ist hinsichtlich der Herkunft einer Kapitalzuführung nicht von einem förmlichen Ansatz auszugehen, sondern nach der tatsächlichen Zurechnung zu fragen. Wenn der Beitrag von der Großmuttergesellschaft an die Enkelgesellschaft gezahlt worden war, um den Wert der Gesellschaftsanteile an diesem zu erhöhen, und diese Erhöhung vor allem im Interesse des einzigen Gesellschafters der Enkelgesellschaft lag, ist der genannte Beitrag diesem zuzurechnen. Es handelt sich daher um eine "Leistung eines Gesellschafters" im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Rn. 39). Folglich ist der in Rede stehende Beitrag nach der genannten Richtlinie bei der Enkelgesellschaft gesellschaftsteuerpflichtig (Rn. 40).
17 Der vom Bundesfinanzgericht erkannte Zweck der hier erfolgten Vorgangsweise, dass die Enkelgesellschaft mit Immobilien ausgestattet wird, um mit den daraus erwirtschafteten Gewinnen die Muttergesellschaft mit Liquidität für weitere zukünftige Investitionen zu versorgen, rechtfertigt die daraus abgeleitete Schlussfolgerung eines zeitlichen und kausalen Zusammenhanges der Sacheinlage mit der Abtretungsvereinbarung sowie der daraus in wirtschaftlicher Betrachtungsweise gefolgerten Zurechnung des Zuschusses empfängerseitig an die revisionswerbende Partei und leistungsseitig an deren Gesellschafterin. Von daher kommt es auf die in der Zulassungsbegründung der Revision vermisste Rechtsprechung zur Rechtsfrage, ob die Steuerfreiheit eines Großmutterzuschusses davon abhänge, ob der nicht direkt beteiligte Leistende irgendwann einmal in der Vergangenheit an der empfangenden Kapitalgesellschaft unmittelbar beteiligt war, nicht mehr an.
18 Der revisionswerbenden Partei ist einzuräumen, dass dem Erkenntnis VwGH 30.3.2000, 99/16/0135, eine noch im Zeitraum der (früheren) Gesellschafterstellung eingegangene Verpflichtung zu Grunde lag, doch stellte das Bundesfinanzgericht aufgrund dargestellter weiterer Argumente auf den Willensentschluss von R ab, als er noch Gesellschafter der revisionswerbenden Partei war. Dem zitierten Erkenntnis ist indes nicht zu entnehmen, dass es nur auf eine Verpflichtung des ehemaligen Gesellschafters gegenüber Dritten ankomme und sein Willensentschluss irrelevant wäre, sodass schon deshalb eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aufgezeigt wurde.
19 Soweit die Zulassungsbegründung der Revision als Abweichung des Bundesfinanzgerichts vom Urteil EuGH 12.1.2006, Senior Engineering Investments, C-494/03, auf das Fehlen eines überwiegenden oder vorrangigen Interesses der A-GmbH hinweist, lässt sie die ausdrücklichen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu Grund und Zweck der gegenständlichen Gesellschaftskonstruktion außer Acht, wonach die Erträge der von R bei der revisionswerbenden Partei eingebrachten Immobilien der A-GmbH Liquidität für weitere zukünftige Investitionen verschaffen soll. Wenn das Bundesfinanzgericht daraus folgert, die Kapitalausstattung der revisionswerbenden Partei durch R sei im Interesse der A-GmbH erfolgt, was eine Zurechnung der Leistung zur unmittelbaren Gesellschafterin gebiete, ist diese Beurteilung im Einzelfall nicht zu beanstanden.
20 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
21 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 12. November 2019
Gerichtsentscheidung
EuGH 61999CJ0339 Energie Steiermark Holding VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018160122.L00Im RIS seit
30.01.2020Zuletzt aktualisiert am
30.01.2020