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E000 EU- Recht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des M M in W, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 7. Dezember 2016, VGW- 151/071/2387/2016-9, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht den Bescheid der belangten Behörde vom 14. Jänner 2016, mit dem der Zweckänderungsantrag des - seit April 2009 durchgehend rechtmäßig in Österreich aufhältigen, über eine wiederholt verlängerte (zuletzt bis zum 11. Dezember 2015 gültige) Aufenthaltsbewilligung für Studierende verfügenden - Revisionswerbers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom
8. (eingelangt am 29.) April 2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nach § 41a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen worden war.
Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, der seit März 2011 rechtmäßig selbständig erwerbstätige (bisher nie unselbständig tätige und eine unselbständige Tätigkeit auch nicht beabsichtigende) Revisionswerber berufe sich lediglich auf die Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls (im Folgenden: ZP) zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Die belangte Behörde habe sich zwar mit den Rechtswirkungen der Stillhalteklausel nicht auseinandergesetzt, was die Beschwerde aber nicht zum Erfolg führe. Dem Revisionswerber wäre nämlich, selbst wenn ihm bei Anwendung der Klausel allenfalls ein Aufenthaltstitel gebührte, nur ein Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung" zu erteilen (gewesen), zumal ihm dieser sowohl die weitere selbständige Erwerbstätigkeit als auch die Niederlassung ermögliche. Der beantragte Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" würde dem Revisionswerber indes den freien Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnen und hätte daher überschießende Wirkung, solle doch die Stillhalteklausel die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr gewährleisten, nicht jedoch - wie hier - einem selbständig erwerbstätigen türkischen Staatsangehörigen den freien Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen.
2.2. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in der einerseits geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung abgewichen (Hinweis auf VwGH 24.3.2015, Ro 2014/09/0057), indem es Art. 41 ZP die Wirkung einer materiellrechtlichen Vorschrift unterstelle, obwohl von einer verfahrensrechtlichen Vorschrift auszugehen und zu prüfen sei, welche neuen Beschränkungen in der seit dem 1. Jänner 1995 bestehenden günstigsten Rechtslage eingetreten und daher auf den Revisionswerber nicht anzuwenden seien. Andererseits fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob in einem Fall wie hier nur eine "Niederlassungsbewilligung" zur weiteren Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit oder nach den auf Grund des Art. 41 ZP anzuwendenden günstigeren Bestimmungen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zu erteilen sei.
4.1. Der Revisionswerber begehrt die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" im Sinn des § 41a NAG. Er zeigt jedoch in keiner Weise auf, dass er die dafür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen erfülle.
4.2. Soweit sich der Revisionswerber auf die Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 ZP beruft, legt er - in der für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ausschließlich maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung - ebenso nicht dar, inwieweit sich daraus der geltend gemachte Anspruch ergeben solle.
Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof - zu einem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ganz ähnlich gelagerten Fall (vgl. VwGH 4.10.2018, Ra 2018/22/0038) - bereits Folgendes ausgeführt:
"Die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 ZP kann einem türkischen Staatsangehörigen kein Niederlassungsrecht und kein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht verleihen, das sich unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht ergäbe (vgl. EuGH 20.9.2007, Tum und Dari, C-16/05, Rn. 52; 21.10.2003, Abatay/Sahin, C-317/01 und C-369/01, Rn. 62). ... Selbst wenn neue innerstaatliche Beschränkungen des Niederlassungsrechts in Bezug auf Art. 41 ZP eingeführt wurden, kann aus dieser Bestimmung keinesfalls ein Recht auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgeleitet werden, der einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt einräumt. Auch das Vorbringen zu Art. 41 ZP führt daher nicht dazu, dass dem Revisionswerber der beantragte Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen gewesen wäre."
Dem steht (auch) die vom Revisionswerber angeführte Rechtsprechung - die im Übrigen eine ganz anders gelagerte, mit dem hier gegenständlichen Sachverhalt nicht vergleichbare Konstellation betraf - nicht entgegen.
4.3. Davon ausgehend ist jedoch ein - vom Revisionswerber behauptetes - Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bzw. das Fehlen einer solchen Rechtsprechung nicht zu sehen.
5. In der Revision wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Wien, am 10. Dezember 2019
Gerichtsentscheidung
EuGH 62001CJ0317 Abatay VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017220012.L00Im RIS seit
03.02.2020Zuletzt aktualisiert am
03.02.2020