TE Vwgh Beschluss 2019/12/13 Ra 2018/16/0039

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Veröffentlicht am 13.12.2019
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Index

10/07 Verfassungsgerichtshof
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §34 Abs1
VwGG §46 Abs1
VwGH-EVV 2015 §1 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über 1. den Antrag des DI M N in K, vertreten durch Mag. Daniel Vonbank, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Reichsstraße 9, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 11. Oktober 2017, Zl. RV/130004/2017, betreffend Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1, 13 FinStrG und Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, sowie 2. die Revision gegen das genannte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 11. Oktober 2017, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 In der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2017 hat das Bundesfinanzgericht den (steuerlich vertretenen) Revisionswerber der Finanzvergehen der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1, 13 FinStrG sowie einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe iHv 11.000 EUR sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Tagen verhängt. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig. 2 Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts vom 11. Oktober 2017 wurde dem Revisionswerber am 27. November 2017 zugestellt.

3 Am 8. Jänner 2018, somit am letzten Tag der sechswöchigen Revisionsfrist, sandte der Revisionswerber ein E-Mail an eine E-Mailadresse des Verwaltungsgerichtshofes ("office@vwgh.gv.at") und verwies darin auf den im Anhang befindlichen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe.

4 Mit einem am 16. Jänner 2018 zur Post gegebenen Schriftsatz erhob der Revisionswerber durch seinen anwaltlichen Vertreter die gegenständliche Revision und führte zur Rechtzeitigkeit aus, aufgrund des Verfahrenshilfeantrags des Revisionswerbers vom 8. Jänner 2018, über den der Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden habe, sei die Revisionsfrist gewahrt.

5 Mit Verfügung vom 9. März 2018 (zugestellt am 15. März 2018) forderte der Verwaltungsgerichtshof den Revisionswerber auf, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen, dass die Revision vom 16. Jänner 2018 verspätet erscheine. Es liege kein rechtswirksamer Verfahrenshilfeantrag des Revisionswerbers vor, da nach § 1 Abs. 1 der VwGH-elektronischer-Verkehr-Verordnung - VwGH-EVV, BGBl. II Nr. 360/2014, E-Mail keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen darstelle. 6 Mit Schriftsatz vom 30. März 2018 beantragte der Revisionswerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Revisionswerber habe die Frist zur Einbringung des Verfahrenshilfeantrags wegen eines unvorhergesehenen Ereignisses versäumt, da er einem Rechtsirrtum hinsichtlich der zulässigen Einbringung per E-Mail unterlegen sei. Der Rechtsnachteil liege darin, dass der Verfahrenshilfeantrag nicht rechtswirksam sei und daher die Frist zur Einbringung der Revision nicht gehemmt worden sei. Die Unkenntnis der Unzulässigkeit der Einbringung per E-Mail sei jedoch nur als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren (Hinweis auf VwGH 12.9.2012, 2012/08/0153). Der Revisionswerber habe die verwendete E-Mailadresse "office@vwgh.gv.at" nicht über die Website des Verwaltungsgerichtshofes, auf der darauf hingewiesen werde, dass Anträge nicht rechtswirksam per E-Mail eingebracht werden könnten, sondern über die Website "www.herold.at" in Erfahrung gebracht, welche einen solchen Hinweis nicht enthalte. Darüber hinaus habe ihn auch das Bundesfinanzgericht, bei dem er bereits am 7. Jänner 2018 den Verfahrenshilfeantrag eingebracht habe, nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass E-Mail-Eingaben unzulässig seien.

7 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

8 Die Rechtsmittelbelehrung im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 11. Oktober 2017 lautet auszugsweise wie folgt:

"(...) Zur Erhebung einer außerordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (Postfach 50, 1016 Wien) einzubringen; (...). Das Antragsformular für postalische oder persönliche Einbringung ist im Servicecenter des Verwaltungsgerichtshofes (Judenplatz 11, 1010 Wien) oder elektronisch auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes (www.vwgh.gv.at; im Bereich Verfahren / Verfahrenshilfe) erhältlich, auf welche auch zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen verwiesen wird."

9 Dieser Rechtsmittelbelehrung sind klare Anweisungen hinsichtlich der Beantragung der Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof zu entnehmen. Wäre der Revisionswerber diesen Anweisungen gefolgt, hätte er, wie in der Revision selbst zugestanden wird, auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes davon Kenntnis erlangt, dass Anträge auf Verfahrenshilfe nicht rechtswirksam per E-Mail eingebracht werden können. 10 Weiters ergibt sich aus den vorliegenden Verfahrensakten, dass der Revisionswerber am 8. Jänner 2018 per E-Mail einen (an das Bundesfinanzgericht gerichteten) Verfahrenshilfeantrag beim Finanzamt Feldkirch eingebracht hat. Noch am selben Tag wurde das E-Mail des Revisionswerbers vom Finanzamt Feldkirch an das Bundesfinanzgericht weitergeleitet und der Revisionswerber erhielt vom Bundesfinanzgericht noch am 8. Jänner 2018 eine Antwort per E-Mail. Darin wurde der Revisionswerber "darauf aufmerksam gemacht, dass unter 'Rechtsmittelbelehrung und Hinweise' in dem Erkenntnis vom 11. Oktober 2017, RV/1300004/2017 angeführt ist, dass zur Erhebung einer außerordentlichen Revision (die ordentliche Revision wurde, als nicht zulässig erklärt) der Antrag auf Verfahrenshilfe (...) unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (Postfach 50, 1016 Wien) einzubringen ist (siehe genaue Ausführungen auf Seite 24 des Erkenntnisses. Ihr Antrag kann somit vom BFG weder bearbeitet bzw. weitergeleitet werden." 11 Wenn sich der Revisionswerber entgegen der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Erkenntnisses, auf die er auch im Antwortschreiben des Bundesfinanzgerichts ausdrücklich nochmals hingewiesen wurde, nicht auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes über die elektronische Einbringung informiert, sondern eine auf einer Website eines fremden Dritten genannte E-Mail-Adresse des Verwaltungsgerichtshofes verwendet, um diesem einen Verfahrenshilfeantrag zu übermitteln, kann - auch vor dem Hintergrund, dass der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2017, in der das Erkenntnis verkündet wurde, steuerlich vertreten war - nicht von einem minderen Grad des Versehens des Revisionswerbers ausgegangen werden. Vielmehr liegt eine gravierende Außerachtlassung der im Verkehr mit Behörden und Gerichten für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderlichen, dem Revisionswerber auch zumutbaren Sorgfalt vor (vgl. VwGH 16.3.2011, 2011/08/0033). Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich von jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 2012, 2012/08/0153, zugrunde lag, entnahm der damalige Beschwerdeführer die E-Mail-Adresse doch einem Bereich der Website des Verwaltungsgerichtshofes, in dem nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine Einbringung per E-Mail nicht rechtswirksam ist. 12 Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG abzuweisen. 13 Da der am 8. Jänner 2018 dem Verwaltungsgerichtshof per E-Mail übermittelte Verfahrenshilfeantrag nach § 1 Abs. 1 der VwGHelektronischer-Verkehr-Verordnung - VwGH-EVV, BGBl. II Nr. 360/2014, keine rechtswirksame Eingabe darstellt (vgl. etwa VwGH 2.11.2016, Ra 2016/03/0103, VwSlg 19.477/A, mwN) und somit die Revisionsfrist nicht hemmen konnte, erweist sich die am 16. Jänner 2018 zur Post gegebene Revision als verspätet. 14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 10. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018160039.L01

Im RIS seit

13.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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