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L10005 Sonstiges Gemeinderecht SalzburgNorm
B-VG Art118 Abs4 idF 2012/I/051Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des RT in M, vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts-GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 17. September 2019, Zl. 405-1/425/1/5-2019, betreffend eine Angelegenheit nach dem Salzburger Gesetz über die Weidezäune (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Marktgemeinde St. Michael im Lungau; mitbeteiligte Partei: MS in S), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Vizebürgermeisters der Marktgemeinde St. Michael im Lungau vom 1. Februar 2019 wurde - unter anderem - dem Revisionswerber gemäß § 5 des Salzburger Landesgesetzes vom 28. Jänner 1970 über die Weidezäune, LGBl. Nr. 43/1970 (Gesetz über die Weidezäune), der Auftrag erteilt, die Zaunanlage im Grenzbereich der "Oberen P.-Alm" des Revisionswerbers zur "B.-Alm" der mitbeteiligten Partei ortsüblich und dreidrahtig zu errichten und zu erhalten.
2 Gegen diesen Bescheid berief der Revisionswerber. 3 Mit Bescheid vom 31. Mai 2019 wies die Gemeindevertretung der Marktgemeinde St. Michael im Lungau (belangte Behörde) die Berufung des Revisionswerbers ab.
4 Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Beschwerde als unbegründet ab. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung geltend gemacht. Dazu bringt der Revisionswerber vor, nach § 80 Salzburger Gemeindeordnung 1994 (GdO 1994) sei in jenen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde, die in die Gesetzgebungskompetenz des Landes fielen, eine Berufung nicht zulässig (Hinweis auf VwGH 13.10.2015, Ro 2015/01/0012). Durch diese Bestimmung sei der Instanzenzug innerhalb der Gemeinde ausgeschlossen worden. Das Gesetz über die Weidezäune sei ein Landesgesetz, woraus folge, dass gemäß § 80 GdO 1994 kein zweistufiger Instanzenzug bestehe. Aus diesem Grund sei nach § 19 GdO 1994 die Gemeindevertretung Behörde erster Instanz, zumal im genannten Gesetz nicht explizit eine zuständige Behörde respektive der Bürgermeister genannt werde.
10 Damit zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG auf:
11 Nach § 5 des Gesetzes über die Weidezäune obliegt die Entscheidung über die Verpflichtung zur Errichtung und Erhaltung von Einfriedungen der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich. Sie hat den Verpflichteten die erforderlichen Aufträge zu erteilen. 12 Zunächst ist der Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass nach dem von ihm ins Treffen geführten § 19 Abs. 1 GdO 1994 die Gemeindevertretung in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs, die nicht ausdrücklich durch Gesetz dem Bürgermeister oder der Gemeindevorstehung zugewiesen sind, nur "die erforderlichen Beschlüsse" fasst und "die Geschäftsführung in allen Zweigen der Gemeindeverwaltung" überwacht. Die Besorgung der behördlichen Aufgaben - wie etwa die Erlassung von Bescheiden - in erster Instanz im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde obliegt nach § 40 Abs. 1 Z 1 GdO 1994 aber dem Bürgermeister, soweit nicht gesetzlich anderes bestimmt ist. Das Gesetz über die Weidezäune sieht - wie der Revisionswerber selbst erkennt - keine besondere Behördenzuständigkeit vor, weshalb der Bürgermeister zur Entscheidung über die Verpflichtung zur Errichtung und Erhaltung von Einfriedungen im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde in erster Instanz berufen ist.
13 Im vorliegenden Fall wurde daher der Bescheid vom 1. Februar 2019 in Wahrnehmung dieser Zuständigkeit durch den Vizebürgermeister der Marktgemeinde St. Michael im Lungau - in Vertretung des Bürgermeisters als "erster Gemeinderat" gemäß §§ 34 Abs. 3, 35 Abs. 6 iVm § 39 Abs. 2 GdO 1994 - erlassen. 14 Art. 118 Abs. 4 zweiter Satz B-VG normiert in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs einen zweistufigen Instanzenzug. Diese Bestimmung bildet die einzige Ausnahme von dem mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vollzogenen Systemwechsel, mit dem administrative Instanzenzüge grundsätzlich abgeschafft wurden. Ein solcher Instanzenzug kann nach Art. 118 Abs. 4 B-VG vom zuständigen (Bundes- oder Landes-)Gesetzgeber ausgeschlossen werden (vgl. VwGH 13.10.2015, Ro 2015/01/0012, mwN). Von einem solchen Ausschluss hat der Salzburger Landesgesetzgeber grundsätzlich Gebrauch gemacht. Mit der am 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen neuen Fassung des § 80 GdO 1994, LGBl. Nr. 107/2013, hat dieser die Berufung in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden, die in die Gesetzgebungskompetenz des Landes fallen, für unzulässig erklärt.
15 Nach § 99 Abs. 3 GdO 1994 ist § 80 leg. cit. jedoch in seiner vor dem 1. Jänner 2015 geltenden Fassung - wonach Parteien eines Verwaltungsverfahrens gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde Berufung an die Gemeindevertretung erheben können (vgl. § 80 Abs. 1 Z 1 GdO 1994 (alt)) - weiterhin auf Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs, die in die Gesetzgebungskompetenz des Landes fallen, anzuwenden, wenn die Landesregierung durch Verordnung feststellt, dass eine Gemeindevertretung nach den Gemeindevertretungswahlen 2014 bis spätestens 30. Juni 2014 beschlossen hat, die Funktion als Berufungsbehörde weiter auszuüben. Ein solcher Beschluss war der Landesregierung bis längstens 15. Juli 2014 mitzuteilen. Die genannte Feststellungsverordnung der Landesregierung wurde mit 1. Jänner 2015 wirksam. Eine Gemeindevertretung konnte jedoch auch nach diesem Zeitpunkt einen gegenteiligen Beschluss fassen, der der Landesregierung unverzüglich mitzuteilen war; die Feststellungsverordnung wurde in diesem Fall erst mit 1. Jänner des auf ihre Kundmachung folgenden Jahres wirksam.
16 Die Salzburger Landesregierung hat die in § 99 Abs. 3 GdO 1994 vorgesehene Feststellungsverordnung (Gemeinde-Instanzenzug-Verordnung) vom 30. September 2014 am 10. Oktober 2014 kundgemacht. In § 1 Abs. 1 der Verordnung (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 11/2016) wird festgestellt, dass die Gemeindevertretungen der in § 2 Abs. 1 nicht genannten Gemeinden des Landes Salzburg bis 30. Juni 2014 ohne nachfolgenden gegenteiligen Beschluss jeweils beschlossen haben, die Funktion als Berufungsbehörde in jenen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde weiter auszuüben, die in die Gesetzgebungskompetenz des Landes fallen.
17 In § 2 Abs. 1 der Verordnung (in der für den Revisionsfall maßgebenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 108/2018) werden mehrere Gemeinden genannt; die Marktgemeinde St. Michael im Lungau findet sich nicht in dieser Aufzählung. In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Marktgemeinde, die in die Gesetzgebungskompetenz des Landes fallen, besteht daher nach wie vor ein zweistufiger innergemeindlicher Instanzenzug gemäß Art. 118 Abs. 4 zweiter Satz B-VG.
18 Die Gemeindevertretung der Marktgemeinde St. Michael im Lungau war daher zur Entscheidung über die Berufung des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Vizebürgermeisters vom 1. Februar 2019 zuständig.
19 Ist aber - wie im vorliegenden Fall - die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2017/07/0018, mwN).
20 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. Dezember 2019
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Organisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019070117.L00Im RIS seit
14.02.2020Zuletzt aktualisiert am
14.02.2020