TE OGH 2019/12/16 1Ob164/19b

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Veröffentlicht am 16.12.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin S*****, vertreten durch Dr. Karl Claus und Mag. Dieter Berthold, Rechtsanwälte in Mistelbach, gegen den Antragsgegner Mag. F*****, vertreten durch die Goldsteiner Rechtsanwalt GmbH, Wiener Neustadt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 27. Juni 2019, GZ 20 R 62/19m-119, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 15. Februar 2019, GZ 11 Fam 35/15m-113, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die im Juni 2002 geschlossene Ehe der Parteien wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Erstgerichts vom 10. 8. 2015 rechtskräftig geschieden. Die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgte am 31. 3. 2015. Der Ehe entstammt ein im Jahr 2002 geborener Sohn und eine 2007 geborene Tochter. Die Eltern üben die gemeinsame Obsorge aus, wobei das jüngere Kind seinen hauptsächlichen Aufenthalt bei der Mutter und das ältere beim Vater hat. Beide Ehegatten haben zu gleichen Teilen an der Führung des gemeinsamen Haushalts und der Pflege und Erziehung der Kinder mitgewirkt. Der Aufteilungsschlüssel von 1 : 1 ist in dritter Instanz nicht strittig.

Das aufzuteilende Vermögen setzt sich aus einem – während der Ehe erworbenen und im (gleichteiligen) Miteigentum der Parteien stehenden – ehelichen Wohnhaus, aus (darin befindlichen) Fahrnissen, zwei PKW und einem Anhänger sowie aus Guthaben auf verschiedenen Konten, Sparbüchern und Wertpapierdepots zusammen.

Die Frau begehrt – soweit in dritter Instanz noch relevant – die Übertragung des Hälfteanteils des Mannes an der Liegenschaft mit dem ehelichen Wohnhaus (samt darin befindlichem Hausrat) gegen Leistung einer vom Gericht festzusetzenden Ausgleichszahlung. Sie begründet dies damit, dass sie mit ihrem in die Ehe eingebrachten (neben Ersparnissen vor allem der Erlös aus dem Verkauf einer eingebrachten Eigentumswohnung) und von Verwandten geschenkten Vermögen deutlich mehr zur Finanzierung des Hauses beigetragen habe, als der Mann. Soweit sich dieser dafür, dass er (dennoch) Hälfteeigentümer der Liegenschaft geworden sei, zu laufenden Ratenzahlungen an die Frau verpflichtet habe, sei er dieser Verpflichtung nur teilweise nachgekommen, weshalb er daraus keine Ansprüche auf die eheliche Liegenschaft ableiten könne. Die Frau sei auch mehr als der Mann auf das eheliche Haus angewiesen, weil sie ihren Lebensmittelpunkt und Freundeskreis in der Gemeinde habe, in der das Grundstück liege und aus der sie auch ursprünglich stamme. Auch die bei der Frau wohnende Tochter hänge sehr am Haus. Sollte dieses dem Mann überlassen werden, sei jedenfalls das von der Frau in die Ehe eingebrachte sowie das ihr während der Ehe geschenkte Vermögen wertverfolgend zu berücksichtigen und ihr wertmäßig vorab zuzuweisen.

Der Mann begehrt seinerseits die Übertragung des Hälfteanteils der Frau am ehelichen Wohnhaus gegen Leistung einer vom Gericht zu bestimmenden Ausgleichszahlung an ihn. Er habe substantielle Beträge (neben einem aus eingebrachtem Vermögen stammenden Kapitalbetrag auch laufende Raten an die Frau) zu dessen Finanzierung beigetragen. Im Unterschied zur Frau, die mittlerweile in das Einfamilienhaus ihres Lebensgefährten gezogen sei, sei er auf das eheliche Haus angewiesen. Eine Übertragung seines Hälfteanteils an die Frau entspreche nicht dem Wohl der Kinder und insgesamt nicht der Billigkeit. Jedenfalls sei – falls die Liegenschaft mit der Ehewohnung der Frau zugewiesen werden sollte – das vom Mann in die Ehe eingebrachte und von Dritten geschenkte Vermögen bei ihm wertverfolgend zu berücksichtigen.

Das Erstgericht wies die Liegenschaft mit dem ehelichen Wohnhaus (sowie dem darin befindlichen Hausrat), deren Wert es mit 231.000 EUR feststellte, dem Mann zu, weil er (ebenso wie der Sohn) darauf zur dringenden Befriedigung seines Wohnbedürfnisses angewiesen sei. Demgegenüber sei die Frau nicht auf die Ehewohnung angewiesen, weil sie mit ihrem nunmehrigen Partner in dessen neu erbautem Haus wohne und die Ehewohnung zuletzt nicht einmal mehr in der Zeit genutzt habe, in der sie aufgrund einer mit dem Mann getroffenen Vereinbarung (die Partei vereinbarten, dass jeder das Haus für jeweils ein halbes Jahr bewohnen darf) dazu berechtigt gewesen wäre. Durch die Zuweisung des Hauses an den Mann bliebe dieses sowohl der bei der Mutter lebenden Tochter (im Zuge ihrer Besuche beim Vater) erhalten, als auch dem beim Vater lebenden Sohn, der den Kontakt zur Mutter ablehne. Obwohl die Antragstellerin mehr als der Antragsgegner in die Ehe eingebracht und zur Finanzierung des ehelichen Wohnhauses beigetragen habe, entspreche es daher der Billigkeit, dieses dem Mann zuzuweisen.

Im Übrigen wies das Erstgericht jeder Partei einen PKW, der Frau außerdem den Anhänger, ein Bild sowie Sparvermögen in Höhe von rund 113.000 EUR zu. Dem Mann wies es eheliche Ersparnisse von rund 1.600 EUR zu und verpflichtete ihn zu einer Ausgleichszahlung von 114.600 EUR.

Das Erstgericht ging bei der Berechnung der Ausgleichszahlung von einem Wert des aufzuteilenden Vermögens von 392.965,18 EUR aus (eheliches Gebrauchsvermögen im Wert von 247.850 EUR; eheliche Ersparnisse im Wert von 114.615,18 EUR; weiters rechnete das Erstgericht eigenmächtig – kurz vor Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft – erfolgte Vermögensentnahmen der Frau in Höhe von 30.500 EUR in diesen Betrag ein). Es wies der Frau vorab wertmäßig einen Betrag von 189.995 EUR (123.000 EUR aus dem Erlös durch den Verkauf ihrer in die Ehe eingebrachten Wohnung abzüglich während der Ehe erfolgter Kreditrückzahlungen; weiteres eingebrachtes Vermögen in Höhe von rund 36.995 EUR sowie von Dritten geschenktes Vermögen von 30.000 EUR) und dem Mann einen Betrag von 54.869 EUR (eingebrachtes Vermögen in Höhe von rund 21.999 EUR; geschenktes Vermögen in Höhe von 7.500 EUR; außerdem nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft – aufgrund der im Zusammenhang mit dem Erwerb der ehelichen Liegenschaft getroffenen Vereinbarung – an die Frau geleistete [Raten-]Zahlungen von 25.370 EUR) wertmäßig zu. Nach „Vorwegzuweisung“ dieser Beträge an die Parteien ergebe sich ein der Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 unterliegendes Restvermögen von 148.100 EUR, wovon jeder Partei 74.050 EUR zustünden. Da das dem Mann zugewiesene Vermögen (das Haus mit einem Wert von 231.000 EUR; Hausrat im Wert von 3.000 EUR; ein PKW mit einem Wert von 7.900 EUR sowie Sparvermögen in Höhe von rund 1.616 EUR) einen Wert von 243.516 EUR und das der Frau zugewiesene Vermögen (ein PKW mit einem Wert von 3.250 EUR; der Anhänger mit einem Wert von 300 EUR; ein Bild mit einem Wert von 2.400 EUR sowie Sparvermögen von rund 112.998 EUR) einen Wert von 118.948 EUR aufweise, ergebe sich eine Ausgleichszahlung des Mannes von rund 114.600 EUR.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung insoweit ab, als es die vom Mann zu leistende Ausgleichszahlung mit 121.000 EUR festlegte, weil es davon ausging, dass er nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft (aufgrund der im Zusammenhang mit dem Erwerb des ehelichen Hauses geschlossenen [Raten-]Vereinbarung) nur 12.980 EUR (und nicht – wie vom Erstgericht angenommen – 25.370 EUR) an die Frau bezahlt hatte.

Im Übrigen bestätigte das Rekursgericht die erstinstanzliche Entscheidung und ging in rechtlicher Hinsicht – ebenso wie das Erstgericht – davon aus, dass die Überlassung der Liegenschaft mit dem als Ehewohnung genutzten Haus an den Mann der Billigkeit entspreche. Zwar habe die Frau zunächst einen größeren finanziellen Beitrag zur Anschaffung der Liegenschaft geleistet. Da die übrigen Beiträge der Parteien gleichwertig gewesen seien, diese (zumindest teilweise) nur eine „Vorfinanzierung“ durch die Frau angestrebt hätten (der Mann habe der Frau laufend monatliche Ratenzahlungen für das Haus geleistet), der Mann auf das Haus eher angewiesen sei als die mittlerweile im Haus ihres Lebensgefährten wohnende Frau und die Zuweisung des Hauses an den Mann auch im Interesse der beiden Kinder liege, weil die bei der Frau wohnende Tochter das Haus im Rahmen ihrer Besuche beim Vater nützen könne, wohingegen der beim Vater wohnende Sohn den Kontakt zur Mutter verweigere, entspreche die Entscheidung des Erstgerichts insgesamt der Billigkeit. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Mann die Ausgleichszahlung nicht leisten könne, bestünden nicht. Auch hinsichtlich der wertverfolgenden Berücksichtigung des in die Ehe eingebrachten und den Parteien von Dritten geschenkten Vermögens erachtete das Rekursgericht die erstinstanzliche Entscheidung als fehlerfrei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Entscheidung von den Umständen des Einzelfalls sowie von Billigkeitserwägungen abhänge.

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Frau ist zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Vorauszuschicken ist, dass der Revisionsrekurs die angezogenen Rechtsmittelgründe nicht getrennt darstellt, weshalb allfällige Unklarheiten zu Lasten der Rechtsmittelwerberin gehen (RS0041761). Der Revisionsrekurs ist außerdem unübersichtlich und teilweise schwer verständlich und entspricht nicht der Anordnung des § 65 Abs 3 Z 4 AußStrG, wonach ohne Weitläufigkeiten darzulegen ist, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint.

2. Die behaupteten Mängel des Verfahrens zweiter Instanz wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG). Vom Rekursgericht nicht als solche erkannte Verfahrensmängel erster Instanz können in dritter Instanz nicht mehr aufgegriffen werden (RS0042963). Dies gilt umso mehr für erstinstanzliche Verfahrensmängel, die im Rekurs gar nicht gerügt wurden (RS0074223 [T7]; RS0043111 [T18]).

3. Der Revisionsrekurs beschränkt sich in weiten Teilen auf eine wörtliche Wiedergabe der Rekursausführungen, die ganz offensichtlich in das vorliegende Rechtsmittel „einkopiert“ wurden; dies teilweise unter Ergänzung der Formulierung „das Erstgericht und das Rekursgericht“ anstelle des Wortes „Erstgericht“, teilweise wurde nicht einmal dies geändert. Den Anforderungen an ein gesetzmäßig ausgeführtes Rechtsmittel entspricht dies nicht, weil damit keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Rekursgerichts stattfindet (vgl RS0043603 [T15]; 1 Ob 102/18h; vgl auch RS0043603 [T13], wonach ein bloß inhaltsleerer

Verweis auf das in zweiter Instanz erhobene Rechtsmittel die erforderliche Auseinandersetzung mit der Begründung des Gerichts zweiter Instanz vermissen lässt). Die wortwörtlich in den Revisionsrekurs übernommenen Rekursausführungen richten sich auch großteils gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung, die vom Obersten Gerichtshof, der auch im Außerstreitverfahren keine Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden kann (vgl RS0006737).

4. Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin herrscht auch im außerstreitigen Revisionsrekursverfahren grundsätzlich ein Neuerungsverbot (RS0119918). Soweit das Wohnbedürfnis des Mannes im Revisionsrekurs mit dem Argument in Abrede gestellt wird, dieser habe nunmehr eine Lebensgefährtin, mit der er zusammen wohne, wird dagegen ebenso verstoßen, wie mit der Behauptung, der (beim Vater wohnende) Sohn schließe nicht aus, in Zukunft bei der Mutter wohnen zu wollen.

5.1. Die Parteien gehen ebenso wie die Vorinstanzen davon aus, dass die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angeschaffte Liegenschaft samt dem als

Ehewohnung genutzten Haus der Aufteilung unterliegt. Jede Partei begehrt jedoch die Übertragung des dem anderen Ehegatten gehörenden Hälfteanteils an dieser Liegenschaft an sie.

5.2. Im Allgemeinen entspricht es der Billigkeit, wenn die Ehewohnung bei grundsätzlich gleich gewichteten ehelichen Beiträgen demjenigen überlassen wird, der darauf mehr angewiesen ist (RS0057733). Dabei sind auch die jedem Ehegatten zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses sonst zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu berücksichtigen (RS0057952). Es ist auch zu berücksichtigen, welcher Ehegatte in der Lage wäre, eine bei Zuweisung der Liegenschaft mit der Ehewohnung zu leistende Ausgleichszahlung aufzubringen (vgl RS0057610).

5.3. Die Vorinstanzen gingen – in dritter Instanz unbekämpft – von grundsätzlich gleichwertigen Beiträgen der Ehegatten im Sinn des § 83 EheG aus. Die Frau wohnt zwar mittlerweile (gemeinsam mit der Tochter) im Haus ihres Lebensgefährten, daraus kann aber nicht zwingend geschlossen werden, dass sie (in Zukunft) weniger auf das eheliche Haus angewiesen sein wird, als der Mann (sowie der bei ihm wohnende Sohn), dem eine „Ferienwohnung“ als alternative Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht (ob diese dem ehelichen Haus [annähernd] gleichwertig ist, steht jedoch nicht fest). Hinzu kommt, dass eine Überlassung des Hauses an die Frau der bei ihr wohnenden jüngeren Tochter länger zugute kommen würde, als dem beim Mann wohnenden älteren Sohn. Das Kriterium des „Angewiesenseins auf die Ehewohnung“ spricht daher – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – nicht (klar) für eine „Zuweisung“ der Liegenschaft mit dem ehelichen Haus an den Mann.

5.4. Anhaltspunkte dafür, dass der Mann nicht in der Lage wäre, eine bei Überlassung der Liegenschaft mit der Ehewohnung an ihn zu leistende Ausgleichszahlung aufzubringen, bestehen (trotz gegenteiliger Behauptungen im Revisionsrekurs) ebensowenig, wie dafür, dass sich die Frau eine Ausgleichszahlung nicht leisten könnte, zumal keine Partei behauptet hat, dass die andere zur Finanzierung einer Ausgleichszahlung keinen Kredit bekommen würde. Auch dieses Kriterium vermag daher eine Überlassung der Liegenschaft an den einen oder anderen Ehegatten nicht zu rechtfertigen.

5.5. Dem im Revisionsrekurs ins Treffen geführten „Bewahrungsgrundsatz“ kommt hier keine besondere Bedeutung zu, wäre doch auch die von der Frau begehrte Überlassung des ehelichen Hauses an sie mit einer Übertragung von Miteigentumsanteilen verbunden. Zudem tritt dieser „Grundsatz“ hinter dem leitenden Grundgedanken des Aufteilungsrechts, wonach die – häufig eine ständige Quelle für Auseinandersetzungen bildenden – vermögensrechtlichen Bindungen der früheren Ehegatten nach Möglichkeit vollkommen aufgehoben werden sollen, zurück (RS0057552). Bei – wie hier bestehendem – Miteigentum der Ehegatten an der als Ehewohnung dienenden Liegenschaft ist daher in der Regel der Miteigentumsanteil des einen Ehegatten dem anderen zu übertragen (RS0057552 [T5]).

5.6. Bei der Zuweisung der Liegenschaft mit der Ehewohnung an einen Ehegatten ist im Rahmen der Billigkeitserwägungen auch zu berücksichtigen, ob diese überwiegend aus vorehelichen Mitteln einer Partei finanziert wurde (1 Ob 147/18a). Nach den Feststellungen wurde der Ankauf der Liegenschaft mit dem ehelichen Wohnhaus (deren Kaufpreis nicht feststeht) zwar „großteils“ mit eingebrachtem Vermögen der Frau finanziert, allerdings steht nicht fest, welcher Teil des Erlöses der von der Frau in die Ehe eingebrachten Eigentumswohnung tatsächlich für den Erwerb der ehelichen Liegenschaft aufgewendet wurde, wurde damit doch auch ein (der Höhe nach nicht festgestellter) Teil des offenen Kredits (für die eingebrachte Wohnung) getilgt. Es steht auch nicht fest, ob die Frau sonst eingebrachtes (Spar-)Vermögen für den Hauskauf verwendete oder mit von Verwandten geschenktem Vermögen „Arbeiten im Haus“ finanzierte (dass Sparvermögen dafür aufgewendet wurde, ergibt sich aus dem Sachverhalt) sowie inwieweit der Mann mit von ihm eingebrachtem Vermögen zur Finanzierung des Kaufpreises des ehelichen Hauses oder zu „Arbeiten an diesem“ beitrug. Der Vereinbarung, wonach der Mann, da auch er Hälfteeigentümer der ehelichen Liegenschaft wurde, einen bestimmten Betrag in monatlichen Raten an die Frau überweisen soll (der Mann kam dieser Verpflichtung zumindest teilweise nach), kommt für die Frage, wem die Ehewohnung zu überlassen ist, keine entscheidende Bedeutung zu, wurden die Zahlungen des Mannes an die Frau doch ganz offensichtlich zumindest teilweise für die gemeinsame Lebensführung – die neben dem laufenden Einkommen beider Ehegatten auch aus (nicht näher abgegrenzten) „Ersparnissen“ beider Ehegatten finanziert wurde – verbraucht und unterliegt der nicht verbrauchte (der Höhe nach nicht festgestellte) Teil als eheliche Ersparnis ohnehin der Aufteilung.

5.7. Zusammengefasst ergibt sich, dass eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgrund der – vor allem zur Frage der Finanzierung der Ehewohnung aus vorehelichen Mitteln – unzureichenden Sachverhaltsgrundlage, die eine abschließende Abwägung der für oder gegen eine Überlassung der ehelichen Liegenschaft an den einen oder anderen Ehepartner sprechenden Umstände derzeit noch nicht zulässt, erforderlich ist.

6.1. Sind voreheliche Beiträge der Streitteile in dem die Aufteilungsmasse bildenden (Einfamilien-)Haus wertbildend aufgegangen, so müssen sie wertverfolgend berücksichtigt werden (RS0057490). Sie sind rechnerisch vor der Aufteilung des Vermögens abzuziehen und dem betreffenden Ehegatten zuzuweisen (vgl RS0057478 [T4]). Es kommt nicht auf den seinerzeitigen Wert des so Eingebrachten an, sondern darauf, inwieweit die betreffende Leistung wertmäßig noch im betreffenden Vermögensgegenstand „fortwirkt“ (RS0057478 [T5]; RS0057490 [T5]). Zu diesem Zweck ist der Wert des geschenkten oder eingebrachten Vermögens zum Verkehrswert der Liegenschaft im Zeitpunkt des Erwerbs ins Verhältnis zu setzen und daraus die wertmäßige Einbringungsquote (in einer Bruchzahl oder einem Prozentsatz) zu ermitteln (1 Ob 64/18w).

6.2. Die Revisionsrekurswerberin zeigt in diesem Zusammenhang zutreffend auf, dass die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen (auch) nicht ausreichen, um die wertmäßigen Einbringungsquoten der Ehegatten zu berechnen, weil – wie bereits ausgeführt – weder feststeht, um welchen Kaufpreis die Liegenschaft mit der Ehewohnung ursprünglich angeschafft wurde, noch in welcher genauen Höhe dafür (sowie für Arbeiten am Haus) von der Frau oder vom Mann eingebrachtes oder ihnen während der Ehe von Verwandten geschenktes Vermögen aufgewendet wurde und inwieweit solche Beiträge im Grundstück und/oder dem darauf befindlichen Haus zum Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung (RS0057478 [T8]) noch wertmäßig vorhanden sind. Da sohin auch zur Berechnung der Einbringungsquoten der Parteien noch ergänzende Feststellungen zu treffen sind, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen auch aus diesem Grund aufzuheben.

7. Über die Verfahrenskosten ist nach § 78 Abs 1 AußStrG erst in einem die Sache erledigenden Beschluss zu entscheiden.

Textnummer

E127111

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00164.19B.1216.000

Im RIS seit

24.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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