TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/20 W168 2153940-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2019
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Entscheidungsdatum

20.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2153940-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2017, Zl 1078079708/150867341, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.11.2018, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005,§ 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 15.07.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.

2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung des Beschwerdeführers führte dieser zu seinem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass er seit seinem zweiten Lebensjahr im Iran gelebt habe, jedoch nie die iranische Staatsbürgerschaft erhalten habe. Vor drei Monaten wäre ihm von den iranischen Behörden mitgeteilt worden, dass er in Syrien in den Krieg ziehen müsse, um die iranische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Da er diesen Vorschlag jedoch abgelehnt habe sei ihm angedroht worden ihn zu töten oder zu deportieren.

3. Am 19.01.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend aus, dass er im Rahmen der Erstbefragung die Wahrheit angeben habe und keinen Reisepass vorlegen könne.

Die Fragen, ob er im Herkunftsstaat je Probleme mit den heimatlichen Behörden gehabt habe, inhaftiert oder politisch verfolgt worden sei, wurden vom BF verneint. Der BF sei in Afghanistan auch niemals aufgrund seiner Rasse oder Religion verfolgt worden, sei schiitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er stamme aus der Provinz Wardak und sei im Alter von zwei Jahren mit seinen Eltern in den Iran gegangen, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt habe. Sein Vater habe den Lebensunterhalt als Tischler erwirtschaftet und seine Mutter sei Hausfrau gewesen. Der BF selbst habe seinen Vater bei seiner Arbeitstätigkeit unterstützt und sei noch zur Schule gegangen. Sowohl sein Vater als auch sein Onkel seien von Kuchi Nomaden getötet worden. Im Iran seien die Ehefrau und die Kinder des BF aufhältig, mit denen er via WhatsApp in Kontakt stehe.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass er sich im Iran illegal aufgehalten habe, da sein Aufenthaltstitel nicht mehr gültig gewesen sei und sich die Illegalität des Aufenthaltes zudem aufgrund der Rückkehr seines Vaters auf die gesamte Familie erstreckt habe. Der BF sei von den iranischen Behörden festgenommen und ihm sei der Vorschlag unterbreitet worden, dass er einen Aufenthaltstitel erhalte, wenn er freiwillig in den syrischen Krieg ziehe. Da der BF nicht in den Krieg ziehen und eine Abschiebung nach Afghanistan verhindern habe wollen, sei er aus dem Iran ausgereist. Weitere Fluchtgründe habe der BF nicht. Befragt, wer und wann gekommen sei, um ihn in den Krieg zu schicken, führte der BF aus, dass er in einer Moschee einen Mann namens Hussaini getroffen habe, der mit ihm über den syrischen Krieg gesprochen habe und ihn nach seiner Festnahme durch die iranischen Behörden zwar befreit habe, ihm jedoch mittels Schreiben den Kriegseinsatz in Syrien nahegelegt habe. Befragt, wieso sein Vater nach Afghanistan zurückgekehrt sei, entgegnete der BF, dass dieser Heimweh gehabt hätte und die aktuelle Lage prüfen hätte wollen. Zur Frage, wie er 18 Jahre lang im Iran aufhältig hätte sein können, erklärte der BF, dass es den Krieg in Syrien erst seit vier Jahren gebe.

Zu den Lebensumständen im Iran befragt, gab der BF an, dass er in einem großen, privaten Betrieb mit zehn Mitarbeitern gearbeitet habe und zu Beginn in etwa 350.000 Toman verdient habe.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, brachte der BF vor, dass er in der Grundversorgung sei, er im Bundesgebiet keine familiären oder sozialen Bindungen habe. Er Er sei Hazara. Sein Vater wäre im Herkunftsstaat getötet worden. Im Iran habe er von den Nachbarn Todesdrohungen erhalten, weshalb er Angst vor einer Ermordung habe.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF vier Auszüge von Dokumenten in Originalsprache, ein Sozialbericht der Caritas vom 16.01.2017 über das Engagement des BF, ein Zertifikat vom 30.03.2016, dass der BF vom 13.01.2016-30.03.2016 einen Deutschkurs auf dem Niveau A 1 erfolgreich abgeschlossen habe, ein weiteres Zertifikat vom 27.06.2016, wonach der BF in der Zeit vom 04.04.2016-27.06.2016 einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht habe, zur Vorlage gebracht.

In einem Schriftsatz des bevollmächtigten Vertreters vom 09.03.2017 wurde ein ÖSD Zertifikat übermittelt, wonach der BF eine Deutschprüfung auf dem Niveau A 1 gut bestanden habe.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

5. Zusammenfassend führte das BFA aus, dass die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit zu begründen sei, dass der BF bezüglich seinem Herkunftsland Afghanistan keine Verfolgungsgründe im Sinne der GFK vorgebracht habe. Im Widerspruch hierzu habe der BF in der Einvernahme am 19.01.2017 angegeben, dass er nicht gezwungen worden sei, in Syrien in den Krieg zu ziehen, sondern ihm lediglich ein diesbezüglicher Vorschlag unterbreitet worden sei. Befragt, weshalb sein Vater nach Afghanistan zurückgekehrt sei, habe der BF dahingehend beantwortet, dass ihm seine Heimat gefehlt habe. Dieses Verhalten deute jedoch keinesfalls darauf hin, dass von einer asylrelevanten Verfolgung ausgegangen werden könne. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, wie es dem BF 18 Jahre lang möglich gewesen sei, im Iran zu leben und zu arbeiten und plötzlich nicht mehr. Auf diese Unschlüssigkeit hingewiesen, habe der BF ausgeführt, dass es damals noch keinen Krieg in Syrien gegeben habe. Überdies habe der BF nicht glaubwürdig darlegen können, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sei, selbst nach Afghanistan zurückzukehren. Diesbezüglich habe er nur knapp angegeben, Angst zu haben, da er bereits seinen Vater verloren habe, der von Nomaden umgebracht worden sei. Weitere Details habe er jedoch nicht nennen können. Zudem sei er in Afghanistan noch nie bedroht worden, was unter dem Umstand, seiner Ausreise im zweiten Lebensjahr auch glaubhaft sei. Bezüglich seines vorgelegten Schreibens aus dem Iran sei zu bemerken, dass dieses laut Dolmetscher nicht gestempelt, sondern lediglich mit einem Fingerabdruck unterzeichnet worden sei. Zudem sei kein Datum ersichtlich und es gehe aus dem Schreiben hervor, dass es sich lediglich um eine freiwillige Meldung für das Militär handle. Somit sei das vom BF vorgelegte Schreiben nicht geeignet, sein Vorbringen zu untermauern, da es weder zeitlich noch inhaltlich mit seinem Vorbringen in Verbindung zu bringen sei, noch seine Angaben zum gegenständlichen Verfahren bestätigen könne. Der BF habe weder eine individuelle Verfolgung noch eine individuelle Gefährdung glaubhaft machen können. Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan erscheine daher eine Ansiedelung in Afghanistan in Hinblick auf die regional unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation insgesamt auch zumutbar. Des Weiteren gebe es für Rückkehrer eine finanzielle Unterstützung. Auch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit habe der BF keinerlei Verfolgung und Bedrohung zu befürchten. Bei den Schiiten handle es sich zwar um eine Minderheit, eine Auseinandersetzung zwischen Sunniten und Schiiten seien im Alltagsleben in Afghanistan jedoch selten. Beim BF handle es sich um einen arbeitsfähigen, jungen Mann mit Berufserfahrungen unter anderem als Tischler. Darüber hinaus habe sich der BF während seines Aufenthaltes in Österreich Kenntnisse der deutschen Sprache aneignen können, was ihm als zusätzliche Qualifikation zugutekomme. Somit sei eine Reintegration in Afghanistan ohne Probleme möglich, zumal der BF die afghanische Kultur sowie die afghanischen Traditionen aufgrund des Aufwachsens bei seiner afghanischen Mutter kennengelernt und vermittelt bekommen habe. Selbst wenn in Afghanistan die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei, könne im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass es dem BF unter Berücksichtigung seiner Verhältnisse im Falle der Rückkehr nach Afghanistan durchaus möglich und zumutbar sei, sich in Kabul oder anderen Großstädten ansässige, staatliche, nichtstaatliche oder internationale Hilfsorganisationen zu wenden, wenngleich nicht verkannt werde, dass von diesen Einrichtungen individuelle Unterstützungsleistungen meist nur in sehr eingeschränktem Ausmaß gewährt werden könnten. Zusätzlich sei zu erwähnen, dass er sich seit kurzer Zeit in Österreich befinde und auch kein Mitglied bei einem Verein oder einer Organisation sei. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen und habe sich der Integration betreffend keine Mühe gegeben. Der BF habe keine Familienangehörigen in Österreich, noch befinde er sich in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Es bestehe auch kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu in Österreich lebenden Personen.

6. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA einlangte. In dieser wird zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass von der belangten Behörde lapidar behauptet werde, dass die behauptete Bedrohung des BF nicht habe festgestellt werden können. In der Einvernahme habe der BF seine im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention asylrelevanten Fluchtgründe dargelegt. Das Bundesamt führe jedoch aus, dass aus den Angaben des BF eine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung nicht vorliege bzw. eine begründete Angst vor Verfolgung nicht ableitbar und dass die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens gänzlich zu versagen sei. Die Ansicht bzw. die Ausführungen des BFA sei für den BF nicht nachvollziehbar, da die Fluchtgründe des BF sehr wohl begründet, stichhaltig und nachvollziehbar seien. Die belangte Behörde hätte bei richtiger Tatsachenfeststellung zum Ergebnis gelangen müssen, dass die Aussagen des BF der Wahrheit entsprechen würden und die Furcht des BF in seinem Herkunftsstaat wohlbegründet sei. Das BFA habe ausschließlich nur generelle Überlegungen getroffen, eine konkrete Untersuchung der Situation des BF habe nicht stattgefunden. Der BF habe Angaben gemacht, die zumindest bei Wahrheitsunterstellung jedenfalls eine Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 2, Art. 3 und Art. 8 EMRK indizieren würden. Vom Bundesamt sei kein Versuch unternommen worden, diese Angaben in irgendeiner Weise zu widerlegen. Auch die Länderberichte der Behörde würden keineswegs ein so positives Bild darstellen, wie in der Beweiswürdigung diesbezüglich dargelegt werde. Zum Bescheid des BFA sei auszuführen, dass sich dieser zum überwiegenden Teil auf das Zitieren vorgeformter, formelhafter Textbausteine beschränkt habe, denen jeglicher Begründungswert fehle, ohne den Fall des BF einer ordnungsgemäßen Prüfung zu unterziehen. Die belangte Behörde habe unterlassen, durch richtige Fragestellung den richtigen Sachverhalt zu ermitteln und feststellen zu können. Weiters habe die belangte Behörde die Fluchtgründe des BF für das Verlassen des Herkunftslandes nicht richtig ermittelt. Der BF habe in seiner Einvernahme nachvollziehbar und konkret dargelegt, dass er seine Gründe gehabt habe, sein Heimatland zu verlassen. Des Weiteren habe die belangte Behörde das Privat-und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK und die Integration des BF nicht richtig festgestellt und eine Interessensabwägung sei nur sehr lapidar vorgenommen worden. Eine ordnungsgemäße Interessensabwägung würde einen Verbleib des BF in Österreich rechtfertigen. Bei richtiger Tatsachenfeststellung hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass das Privat-und Familienleben des BF für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sprechen würden. Dadurch habe die belangte Behörde die Verfahrensvorschrift gemäß § 56 Abs. 3 AsylG verletzt, weshalb ein Verfahrensmangel vorliege. Zudem habe die belangte Behörde die Tatsachen unrichtig festgestellt, weshalb das Ermittlungsverfahren mangelhaft sei. Zusammenfassend müsse daher festgestellt werden, dass die Argumentation des Bundesamtes aus den oben genannten Gründen nicht nachvollziehbar sei. Das Vorbringen des BF entspreche der Wahrheit, sei glaubwürdig und gründlich substantiiert. Des Weiteren stelle es eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, dass die Behörde es verabsäumt habe, sich mit der konkreten Situation des BF auseinanderzusetzen.

Mit Urkundenvorlage vom 16.08.2017 wurden vom bevollmächtigten Vertreter des BF ein Zertifikat vom 29.06.2017 vorgelegt, wonach der BF eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 bestanden habe. Weiters wurden mehrere Bestätigungen über die Absolvierung einzelner Informationsmodule sowie eine Kursbestätigung über den Besuch eines Deutschkurses vom 29.03.2017 bis zum 21.06.2017 zur Vorlage gebracht.

In weiteren Schriftsätzen vom 25.01.2018 sowie vom 23.03.2018 und vom 01.10.2018 wurden ebenfalls mehrere Kursbestätigungen sowie Fotos über Begegnungsprojekte, eine Bestätigung einer ehrenamtlichen Mitarbeit vom 01.02.2018 sowie ein Zertifikat über die Absolvierung eines Kurses auf dem Niveau B1, eine Teilnahmebestätigung am Werte-und Orientierungskurs vom 01.04.2016 und eine Bestätigung einer ehrenamtlichen Mitarbeit für die Evangelische Jugend und eine Teilnahmebestätigung über die Teilnahme an einem Seminar der Evangelischen Jugend in Vorlage gebracht.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.11.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Umständen und seinen Fluchtgründen befragt wurde.

Insbesondere wurde der Beschwerdeführer hierbei umfassend betreffend die Gründe für die Erhebung der Beschwerde sowie zu dem genauen Ablauf und einzelnen Details der bereits bei der ersten Instanz angeführten Fluchterzählung befragt. Bezüglich der Gründe für seine Beschwerdeerhebung führte der BF aus, dass er das Gefühl gehabt habe, dass man seine Probleme nicht ernst genommen habe. Er sei als afghanischer Staatsbürger im Iran aufgewachsen und kenne sich mit den verschiedenen Ethnien in Afghanistan nicht aus, weshalb er auch nicht zwischen Freunden und Feinden unterscheiden könne.

Befragt, ob er in Afghanistan unmittelbar eine Bedrohung erlebt habe, entgegnete der BF, dass sein Vater vor 17 oder 18 Jahren nach Afghanistan gefahren sei, da die Familie dort nach wie vor Grundstücke besessen habe. Falls die Sicherheitslage in Ordnung sei, könnten die restlichen Familienmitglieder nachkommen. Nach einem Jahr habe der BF jedoch erfahren, dass sein Vater getötet worden sei, was dazu geführt habe, dass die Grundstücke seiner Familie von den Kuchi zwangsenteignet und deren Erben in Tötungsabsicht ausgeforscht worden seien. Da bereits sein Vater in diesem Zusammenhang getötet worden sei, habe man der gesamten Familie des BF dazu geraten, nie wieder nach Afghanistan zurückzukehren. Auf Vorhalt, dass Afghanistan ein großes Land sei und es unwahrscheinlich sei, dass man ihn in Millionenstädten ohne Melderegister finden könnte, erwiderte der BF, dass man als Hazara jeden Tag getötet werden könnte. Zum weiteren Vorhalt, dass aus den Länderinformationen hervorgehe, dass es gegen Hazara keine Gruppenverfolgung gebe, erklärte der BF, dass man in Afghanistan dennoch kein Sicherheitsgefühl haben könne, da es zahlreiche Vorfälle mit getöteten Hazara gebe. Der BF sei zudem gegenüber anderen in Afghanistan aufhältigen Personen in einem höheren Maß gefährdet, da er sich dem Christentum verbunden fühle und die Scharia nicht mehr praktiziere. Falls er im Herkunftsstaat nicht mehr nach den Grundsätzen der Scharia lebe, würde er von seinem Stamm getötet werden. Die Frage, ob er bereits getauft sei, wurde vom BF verneint. Befragt, was Ostern für ihn bedeute, erklärte der BF, dass es für ihn ein Fest sei. Zur Aufforderung, das Glaubensbekenntnis wiederzugeben, brachte der BF vor, dass er an den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde und seinen einzigen Sohn glaube. Auf die Frage, seit wann er sich bereits für das Christentum interessiere und auf Vorhalt, dass er dieses auch in der Beschwerdeschrift nichts darüber erwähnt habe, führte der BF aus, dass es schwierig sei, seinen Glauben zu ändern. In einem Jugendcafe habe er Josef kennengelernt, der ihn zu christlichen Sitzungen und Festen eingeladen habe. Die Informationen bezüglich seinem eigenen Glauben seien Lügen gewesen und man habe falsche Angaben zu Jesus Christus verbreitet. Zur Frage, weshalb er sich für das Christentum zu interessieren begonnen habe, obwohl er schon für seine eigene Religion kein Interesse entwickelt habe, gab der BF an, dass er sich wegen der Liebe der Menschen zu dieser religiösen Ausrichtung hingezogen gefühlt habe. Er habe zuvor nie Informationen über das Christentum erhalten und nichts darüber gewusst. Im Gegensatz zum Islam habe Jesus Christus die Menschen davon überzeugt, von Krieg Abstand zu nehmen. Zur Frage, weshalb er nicht versucht habe, innerhalb seiner eigenen Glaubensgemeinschaft sympathische Menschen kennenzulernen, anstatt seinen Glauben gleich zur Gänze abzulegen, brachte der BF vor, dass im Koran Passagen über die Rettung und ein damit verbundenes neues Leben nicht vorkommen würden. Er habe den Koran jedoch nicht gelesen. Auf Vorhalt, dass es nicht verständlich sei, dass er sich nunmehr für das Christentum interessiere, da er bis jetzt keine glaubwürdigen Argumente für die Motivation seines Glaubenswechsels genannt habe, erklärte der BF, dass man es ein längerer Prozess sei, bestimmte Informationen zu verarbeiten und daran zu glauben. Der BF habe jedenfalls nicht erlebt, dass der Grundsatz, dass alle Menschen gleich seien und ihnen auch gleichermaßen geholfen werde, auch im Islam gelte. Zudem habe er in Christentum mehr Freiheiten erfahren, da Frauen und Männer im Gegensatz zum Islam die gleichen Rechte hätten und nicht dieselben strikten Regeln wie in seiner Religion gelten würden. Man müsste sich im Christentum jedenfalls nicht fürchten, dass die eigenen Kinder angegriffen werden könnten. Zum Vorhalt, dass er als Mann seine Frau nicht schlecht behandeln müsse, erwiderte der BF, dass er mit dem Christentum positive Gefühle verbinde und diese auch seiner Familie näherbringen wolle. Im Islam könnten auf Befehl des Mullahs unschuldige Menschen ohne vorherige Anhörung gesteinigt werden können. Befragt, was für ihn der wesentliche Unterschied zwischen Koran und Christentum sei, erklärte der BF, dass Gott seinen einzigen Sohn auf die Welt entsandt habe, welcher durch seine Kreuzigung die Sünden der Menschen aus der Welt geschafft habe. Im Christentum dürfe man im Gegensatz zum Islam nicht töten. Auf Vorhalt, dass dies nicht stimme, da ein zentraler Grundsatz im Islam der Schutz menschlichen Lebens sei, entgegnete der BF, dass es viele Gründe gebe, die für das Christentum sprechen würden, beispielsweise, dass Jesus Christus Sündige auf den rechten Weg führe und im Islam keine Möglichkeit der Verzeihung bestehe. Zum weiteren Vorhalt, dass auch das Alte und das Neue Testament im Koran anerkannte Schriftstücke seien und der BF diese jederzeit lesen könnte, brachte der BF vor, dass dies stimme, jedoch in seiner Sprache Unterschiede in den Lauten bestehen würden. Die Teile des Korans, die über das Alte und Neue Testament handeln würden, hätten jedenfalls nicht denselben Klang wie in der Bibel, weshalb er das Lesen der Bibel bevorzuge. Zur Frage, wann er sich für den Taufkurs angemeldet habe, erklärte der BF, dass er bereits im Oktober Interesse gezeigt habe und in weiterer Folge einen Mann namens Josef und dessen Freunde kennengelernt habe, die ihm das Christentum nähergebracht hätten. Da der 30.10. ein wichtiger Tag für den evangelischen Glauben sei, habe der BF beschlossen, sich an diesem Tag zur Taufe anzumelden. Auf weiteren Vorhalt, dass man nicht länger zuwarte, bevor man einen neuen Glauben annehme, führte der BF aus, dass er Josef und seine Freunde erst nach seiner ersten Einvernahme kennengelernt habe, als er gerade einen Deutschkurs auf dem Niveau A 2 absolviert habe. Zur Frage, was passiert wäre, wenn er Josef nicht kennengelernt habe, erklärte der BF, dass man sich niemals zu etwas hingezogen fühlen würde, wenn man damit argwöhnische Leute in Verbindung setze. Befragt, was für ihn der Unterschied zwischen dem islamischen und dem christlichen Gottesbegriff sei, erklärte der BF, dass im Christentum Gott durch seinen Sohn einen Repräsentanten auf die Welt entsandt habe, der durch sein Blut die Sünden der Menschen beseitigt habe. Im Islam sei jemand von Gott geschickt worden, der Kriege ermöglicht habe. Zudem akzeptiere man im Islam nur Gott und nicht den heiligen Geist und den Sohn Gottes. Zur weiteren Frage, ob dies für ihn persönlich einen tatsächlichen Unterschied mache, entgegnete der BF, dass er an den christlichen Gott glaube, da dessen Sohn vom Krieg Abstand genommen, sich für Sündige geopfert und den Menschen ewiges Leben geschenkt habe.

Der BF besuche in Österreich nunmehr jeden Sonntag eine Kirche namens "Evangelische Jugend" und begrüße den Umstand, dass es in der evangelischen Kirche keine Beschränkungen für die Voraussetzungen für die Ernennung zum Pastor gebe.

Zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er in Afghanistan keine familiären Anknüpfungspunkte mehr habe und seine gesamte Familie im Iran leben würde. Die Lebenssituation seiner Familie sei schlecht, da sie kein regelmäßiges Einkommen erwirtschaftet habe und er seine Ehefrau und seine Kinder aus Österreich nicht beschützen könne. Seine Ehefrau sei im Iran als Köchin tätig, ihr Lohn sei jedoch sehr gering und der BF selbst habe im Iran seinen Lebensunterhalt als Tischler und durch den Verkauf von Schultertaschen erwirtschaftet. Aus dem Iran sei er aufgrund der Illegalität seines Aufenthaltes jedoch zur Ausreise gezwungen worden. Da sich der Vater des BF vor über zehn Jahren als Familienoberhaupt wieder zurück in den Herkunftsstaat begeben habe, hätten die Aufenthaltsberechtigungskarten der übrigen Familienmitglieder ihre Gültigkeit verloren.

Zur Reiseroute befragt, führte der BF aus, dass er inhaftiert worden sei, da von der iranischen Regierung eine Zwangsrekrutierung für den Krieg geplant worden sei. Man habe den BF zudem angedroht, nach Afghanistan abgeschoben zu werden, woraufhin er mithilfe eines Freundes einen Schlepper gegen die Zahlung einer Summe in Höhe von 3500 US-Dollar in Anspruch genommen habe. Auf Vorhalt, dass er sich mit dieser Summe in Afghanistan eine Existenz aufbauen hätte können, erwiderte der BF, dass man ein gutes Leben nicht anhand von wirtschaftlichen Gütern erkennen könne. Afghanistan sei ein Land der "Hoffnungslosen" ohne jegliche Sicherheitsgarantie. Zum weiteren Vorhalt, dass Griechenland und Ungarn sichere Staaten seien und er in diesen bleiben hätte können, erklärte der BF, dass es sich bei Österreich um eines der sichersten Länder der Welt handle und er kein weiteres Risiko eingehen habe wollen. Konkrete Bescheinigungsmittel über eine unmittelbare Bedrohung könne der BF nicht vorlegen, seine Bestätigung sei einzig allein die Zugehörigkeit zu seiner Ethnie und der damit verbundenen Enteignung seiner Grundstücke. Zur Frage, was seine Situation bei einer Rückkehr im Vergleich zu anderen Afghanen unterscheide, gab der BF zu Protokoll, dass er dort keine sozialen Anknüpfungspunkte mehr habe. In Europa habe er zwar ebenfalls keine Kontakte, Hazara würden jedoch nicht verfolgt werden.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, erklärte der BF, dass er durch ehrenamtliche Tätigkeiten 40 Euro im Monat verdiene. Zudem besuche er Deutschkurse und habe bereits österreichische Freunde.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden vom BF eine Bestätigung vom 11.11.2018 vorgelegt, wonach der BF an einem Taufkurs in der Glaubenskirche teilnehme, Bestätigung einer ehrenamtlichen Mitarbeit des BF vom 01.11.2018, Sozialbericht der Caritas vom 14.11.2018, aus dem hervorgehe, dass sich der BF ehrenamtlich engagiere, Bestätigung über einen Religionsaustritt aus der islamisch-schiitischen Gemeinschaft vom 12.11.2018 sowie eine Bestätigung vom 20.10.2018, wonach der BF ehrenamtlich als Kundenbetreuer Dienst vorsehe, in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, stammt ursprünglich aus der Provinz Maidan Wardak und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Identität steht nicht fest. Seine gesamte Familie, einschließlich seiner Ehefrau und seiner drei Kinder, lebt im Iran. Der Beschwerdeführer lebte bis zum zweiten Lebensjahr im Herkunftsstaat und übersiedelte anschließend mit seiner Familie in den Iran, wo er bis zu seiner Ausreise wohnhaft war. Er hat im Iran sieben Jahre die Grundschule besucht und war anschließend als Tischler sowie Händler tätig.

Der Beschwerdeführer hält sich seit Juli 2015 im Bundesgebiet auf. Den Iran verließ er im Jahr 2015 aufgrund seines dortigen illegalen Aufenthaltes und der damit einhergehenden Probleme.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter. Dem Beschwerdeführer ist eine Teilname am Erwerbsleben im Herkunftsstaat zumutbar.

Der Beschwerdeführer lebt in Österreich zum überwiegenden Teil aus den Mitteln der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Personen zu denen ein besonders zu berücksichtigendes Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnis besteht.

Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse; er hat in Österreich Deutschkurse sowie ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet sowie mehrere Informationsmodule und Seminare besucht und eine Prüfung auf dem Niveau A2 absolviert. Er war zudem ehrenamtlich Kundenbetreuer bei der Team Österreich Tafel des Wiener Roten Kreuzes und für die Evangelische Gemeinde tätig.

Das Bestehen von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.

1.2. Zu den angegebenen Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

a.) Betreffend der Gründe für das Verlassen des Irans:

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten ihn persönlich unmittelbar betreffenden asylrechtlich relevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen des Heimatstaates Afghanistan insgesamt glaubhaft nicht dargetan.

Festgestellt wird, dass die vom BF auch angegebenen Konflikte zwischen Kuchis und Hazara nicht in der unterschiedlichen Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit, sondern in der Nutzung von Acker- und Weideflächen bzw. in Gebietsansprüchen begründet waren. Eine dem BF unmittelbar und konkret asylrelevant betreffende Bedrohung durch Kuchis hat der BF insgesamt nicht zu Protokoll angegeben.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.

Es ist nicht glaubhaft, bzw. wurde von diesem glaubhaft und nachvollziehbar nicht dargelegt, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung hinkünftig Verfolgung droht.

Den Iran verließ der BF im Jahr 2015 aufgrund seines dortigen illegalen Aufenthaltes und damit einhergehenden Probleme und stellte wegen dieser Gründe aus dem Iran kommend gegenständlichen Asylantrag in Österreich. Diesen Problemen im Iran kommt im gegenständlichen Verfahren keine asylrechtliche Entscheidungsrelevanz zu.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er im Iran und nunmehr in Europa gelebt hat, konkret und individuell bzw. dass jedem afghanischen Rückkehrer aus dem Iran oder aus Europa deswegen physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Das Vorliegen einer den Beschwerdeführer unmittelbar und konkret betreffenden asylrechtlich relevanten Gefährdung in Afghanistan konnte dieser insgesamt glaubhaft und nachvollziehbar nicht darlegen, bzw. wurde das Vorliegen einer solchen insgesamt nachvollziehbar substantiiert und glaubhaft nicht dargelegt.

b.) Zum angegebenen Interesse am christlichen Glaubens:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der christliche Glauben zum aktuellen Zeitpunkt bereits ein wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden wäre, oder dieser den christlichen Glauben bereits derart verinnerlicht hat, sodass dieser ein wesentlicher Teil der Persönlichkeit des BF geworden ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der BF aus nachvollziehbar glaubhaft glaubensimmanenten Motiven entschieden vom Islam abgewandt hat, sich aus inhaltlich sowie spirituell nachvollziehbaren religiösen Gründen dem Christentum zugewandt hat oder im Falle der Rückkehr nach Afghanistan sein derzeitiges Interesse für den christlichen Glauben nach Außen zur Schau tragen würde, bzw. aufgrund seines nunmehrigen Interesses am christlichen Glauben einer psychischer und/oder physischer Gewalt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer besucht erst seit Oktober 2018 Veranstaltungen und einen Taufkurs der Evangelischen Pfarrgemeinde Wien Simmering und trat erst am 12.11.2018 aus der islamischen Glaubensgemeinschaft aus.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein behauptetes Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan äußerlich zur Schau tragen würde, sodass der Beschwerdeführer alleine aufgrund dieses Merkmales einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen und diesen im Herkunftsstaat ausleben würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass es außerhalb des engsten Familienkreises anderen Personen, insbesondere in Afghanistan bekannt ist, dass der Beschwerdeführer in Österreich Interesse am christlichen Glauben gezeigt hat und er seinen Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft erklärt hat und er aus diesen Gründen einer asylrelevanten Bedrohung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines erst jüngst in Österreich nachweislich begonnenen Interesses am christlichen Glauben einer psychischen oder physischen Gewalt oder Verfolgung ausgesetzt sein wird.

Das BFA hat ein insgesamt mängelfreies Verfahren durchgeführt. Die belangte Behörde ist im gegenständlichen Verfahren ihrer Ermittlungspflicht durch die Vornahme einer detaillierten Befragung nachgekommen und dem angefochtenen Bescheid ist ein im vorliegenden Verwaltungsakt dokumentiert umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Der Sachverhalt wurde unter schlüssiger Beweiswürdigung des Bundesamtes festgestellt und rechtlich korrekt durch das BFA gewürdigt.

In der Beschwerde, als auch in der Verhandlung vor dem BVwG konnten glaubhaft keine wesentlichen, bzw. verfahrensrelevant neuen Sachverhaltselemente glaubhaft bzw. substantiiert begründet dargelegt werden, welche geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffenen Entscheidungen grundlegend in Frage zu stellen.

1.3 Zur Rückkehrsituation

Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere außerhalb seiner Herkunftsregion (Maidan Wardak) keinen unmittelbar individuell gegen ihn gerichteten physischen und/oder psychischen Gewalthandlungen ausgesetzt.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter. Dieser verfügt über Schulbildung und über Berufserfahrung als Tischler.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat, besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018). Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o.D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017). Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch

"Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018). Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb- e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017). Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018). Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.). Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017). Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF- Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017). Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018). Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US- amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens- Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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