TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/9 98/04/0098

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Veröffentlicht am 09.09.1998
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §356 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der KB in E, vertreten durch Mag. S, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. April 1998, Zl. WST1-BA-9755, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: FH in E), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem erstbehördlichen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 81 GewO 1994 die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der Tischlereibetriebsanlage an einem näher bezeichneten Standort durch Vornahme eines Zu- und Umbaues genehmigt.

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. April 1998 wurde die gegen den erstbehördlichen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 leg. cit. zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, der erstbehördliche Bescheid sei nach seiner Zustellung am 11. Juli 1997 am 25. Juli 1997 in Rechtskraft erwachsen. Dem Verfahren zur Erlassung dieses Bescheides sei die Beschwerdeführerin, deren Grundstück durch eine öffentliche Verkehrsfläche (Gemeindestraße) sowie durch öffentliches Wassergut vom Betriebsgrundstück getrennt sei, nicht beigezogen worden. Eine Ladung zu der dem Bescheid der Behörde erster Instanz vorangegangenen Verhandlung am 11. Juni 1997 sei weder unmittelbar durch die Behörde erster Instanz noch durch Anschlag der Marktgemeinde erfolgt. Dem Verwaltungsakt sei zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin sich bereits am 14. Juni 1997 bei der Erstbehörde über ihre Parteistellung erkundigt habe. In einem Schreiben vom 14. Juli 1997 an die Behörde erster Instanz sei diese aufgefordert worden, die in Rede stehenden Änderungen neu zu verhandeln. Anläßlich einer Vorsprache am 17. Juli 1997 sei der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden, daß das gegenständliche Änderungsverfahren bereits mit einem Bescheid abgeschlossen worden sei, worauf sie die Zuerkennung der Parteistellung sowie die Ausfolgung eines Genehmigungsbescheides samt dazugehöriger Verhandlungsschrift beantragt habe. Über diese Vorsprache sei neben einer Niederschrift auch ein Aktenvermerk verfaßt worden. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, daß die Beschwerdeführerin bei all ihren Vorsprachen und schriftlichen Eingaben rechtserhebliche Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 nicht erhoben habe. Erst in ihrer Berufung, also bereits nach Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Bescheides, habe sie solche Einwendungen erhoben. Sie habe daher im Sinne der Regelung des § 356 Abs. 3 GewO 1994 keine Parteistellung erlangt, sodaß ihr gemäß § 359 Abs. 4 leg. cit. auch nicht das Recht zur Erhebung der Berufung zustehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes macht sie geltend, sie habe sich im Juni 1997 als Begleitperson ihrer minderjähriger Kinder eine Woche im Spital befunden und sei aus diesem Grund auch zur Zeit der Augenscheinsverhandlung ortsabwesend gewesen. Sie habe erst am 14. Juli 1997 bemerkt, daß auf der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei mit Bauarbeiten begonnen worden sei, und sich daraufhin beim Gemeindeamt über den Grund hiefür erkundigt. Erst an diesem Tag habe sie erfahren, daß bereits am 11. Juni 1997 eine Augenscheinsverhandlung im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren stattgefunden habe. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, sie habe sich bereits am 14. Juni 1997 bei der Behörde erster Instanz erkundigt, sei aktenwidrig oder beruhe auf einem bloßen Schreibfehler. Sie habe noch am 14. Juli 1997 ein Schreiben an die Behörde erster Instanz gerichtet, in dem sie den Sachverhalt aufgeklärt und sich ausdrücklich unter Hinweis darauf, daß sie Asthmatikerin sei, gegen die Genehmigung der Betriebsanlage ausgesprochen habe. Am 17. Juli 1997 habe sie zusätzlich den Sachverhalt bei der Behörde zu Protokoll gegeben und ausdrücklich auf die von ihr angestrebte Parteistellung und ihre schriftliche Eingabe vom 14. Juli 1997 hingewiesen. Von der Erstbehörde sei ihr damals versichert worden, sie habe Parteistellung, sie sei aber nicht angeleitet worden, ihre Einwendungen gegen die Betriebsanlage näher auszuführen oder zu präzisieren. Sie sei somit ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen, bei der Augenscheinsverhandlung am 11. Juni 1997 Einwendungen zu erheben. Sie habe aber mit Schreiben vom 14. Juli 1997, somit am gleichen Tag, an dem das Hindernis weggefallen war, und vor Eintritt der Rechtskraft des erstbehördlichen Bescheides Einwendungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 erhoben. Sollte die Behörde Zweifel an der genügenden Präzisierung der Einwendungen gehabt haben, so hätte sie die Beschwerdeführerin jedenfalls gemäß § 13a AVG zur Präzisierung anleiten müssen.

Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind. Parteien im Verfahren betreffend die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage oder die Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage sind gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994, unbeschadet des nachfolgenden Satzes, nur jene Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind von Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, liegt eine Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der in § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgesehenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Die Erlangung der Parteistellung durch Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 3 leg. cit. setzt daher das Vorliegen derart qualifizierter Einwendungen voraus; ein lediglich allgemein gehaltenes, nicht auf die konkreten Verhältnisse des Beteiligten abgestelltes Vorbringen stellt aber schon begrifflich keine Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des Rechtsbegriffes einer Einwendung dar (vgl. zum Ganzen z. B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 96/04/0240).

Im Lichte dieser Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Rechtsansicht der belangten Behörde, das Vorbringen der Beschwerdeführerin sowohl in ihrem Schriftsatz vom 14. Juli 1997 als auch anläßlich ihrer persönlichen Vorsprache könne mangels entsprechender Konkretisierung nicht als Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 qualifiziert werden, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken. In ihrem Schriftsatz vom 14. Juli 1997 schildert sie nämlich zunächst, daß sie bereits im Februar 1997 von der mitbeteiligten Partei über das beabsichtigte Projekt informiert worden sei, und schon damals ihre Ablehnung bekundet habe, weil sie Asthmatikerin sei und die Betriebsliegenschaft im Baugebiet liege. Sie habe darüber auch den Sachbearbeiter der Erstbehörde informiert, der ihr versichert habe, im Falle eines Antrages werde sie im Verfahren Parteistellung haben. Ferner schildert sie in diesem Schreiben, daß sie infolge eines Spitalsaufenthaltes vom bisherigen Verfahren keine Kenntnis erlangt habe. Nach der über ihre Vorsprache bei der Erstbehörde vom 17. Juli 1997 aufgenommenen Niederschrift und den darüber verfaßten Aktenvermerk vom selben Tag machte sie auch bei dieser Gelegenheit lediglich geltend, sich als übergangene Partei zu fühlen und Parteistellung zu beantragen. Vom einschreitenden Organ der Erstbehörde sei ihr "in ihrer Funktion als übergangene Partei im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994" eine Kopie des erstbehördlichen Bescheides sowie einer Verhandlungsniederschrift vom 11. Juni 1997 ausgefolgt und sie belehrt worden, daß die Frist zur Erhebung einer Berufung bereits mit 14. Juli 1997 zu laufen begonnen habe. Weder dem schriftlichen noch dem mündlichen Vorbringen ist somit die Befürchtung der Verletzung eines subjektiven Rechtes im oben dargestellten Sinn zu entnehmen. Das Vorbringen in ihrer Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid vom 28. Juli 1997 kann aber schon deshalb nicht als eine derartige Einwendung qualifiziert werden, weil es erst nach Ablauf der im zweiten Satz des § 356 Abs. 3 GewO 1994 eingeräumten zweiwöchigen Frist erhoben wurde.

Ob aber das in der Beschwerde gerügte Verhalten der Erstbehörde eine Verletzung der ihr gemäß § 13a AVG obliegenden Manuduktionspflicht bedeutet, kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben. Denn selbst bei Zutreffen dieser Beurteilung könnte dies nichts daran ändern, daß die Beschwerdeführerin innerhalb der Frist des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 geeignete Einwendungen nicht erhob. Wie sich aus dieser Bestimmung zweifelsfrei ergibt, vermag die Erhebung von Einwendungen erst nach Ablauf dieser Frist die Parteistellung des Nachbarn auch dann nicht mehr zu bewirken, wenn diesen an der Versäumung auch dieser Frist kein Verschulden trifft oder die Fristversäumung durch einen Verfahrensverstoß seitens der Behörde bewirkt wurde (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 96/04/0240).

Hat aber die Beschwerdeführerin solcherart rechtzeitig keine geeigneten Einwendungen erhoben, so hat sie nach der diesbezüglich eindeutigen Regelung des § 356 Abs. 3 GewO 1994 im zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren Parteistellung nicht erlangt, sodaß ihr gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 auch nicht das Recht zur Erhebung der Berufung zustand. Die Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde erweist sich somit als frei von Rechtsirrtum.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040098.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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