Entscheidungsdatum
12.09.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W153 2216022-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2019, Zl. 1159836100-180392094, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/95/EU, ABl. Nr. L 337 vom 13.12.2011, der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin (BF), staatenlose Palästinenserin, brachte am 24.04.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz nach § 34 AsylG in Österreich ein.
Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nannte die BF ihre Töchter in Österreich, denen der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei, als Bezugspersonen. Die BF habe keine eigenen Fluchtgründe. Sie legte einen syrischen Reisepass für palästinensische Flüchtlinge vor.
Am 23.10.2018 wurde die BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab sie an, im Camp Al Yarmouk, Syrien, aufgewachsen zu sein, in Syrien neun Jahre lang die Schule besucht und danach als Schneiderin gearbeitet zu haben. Sie habe 1987 geheiratet und fünf Töchter. Ihr Mann sei vor rund drei Jahren in Syrien verstorben. Drei ihrer Töchter seien bereits in Österreich, die anderen würden sich im Libanon aufhalten. Die BF leide an Diabetes.
Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab sie im Wesentlichen an, dass sie Syrien aufgrund des Krieges verlassen habe, ihr Haus sei zerstört worden und sie sei allein in Syrien gewesen. Das Leben sei sehr schwierig gewesen. Andere Gründe gäbe es nicht.
Zu einer Rückkehr in ihre Heimat befragt, gab die BF an, Syrien sei nicht mehr ihre Heimat. Sie habe dort kein Haus und keine Angehörigen mehr.
Das BFA wies mit Bescheid vom 14.02.2019, Zl. 1159836100-180392094, den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der BF der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 14.02.2020 erteilt (Spruchpunkt III.).
Das BFA stellt fest, dass die BF eine staatenlose Palästinenserin sei. Die BF habe bei der ÖB Damaskus einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt, welcher positiv entschieden worden sei. Die Töchter der BF (Bezugsperson) seien bereits vor Einreise der BF nach Österreich volljährig geworden.
Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass die von der BF angegebenen Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates glaubwürdig seien und die BF im Herkunftsstaat nicht aus asylrelevanten Gründen verfolgt werde. Sie habe keine eigenen Asylgründe vorgebracht.
Gegen den Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Es wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die BF Syrien wegen des Bürgerkrieges verlassen habe. Sie habe sich als alleinstehende Witwe ohne familiären Anschluss in einem Land wiedergefunden, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besessen habe. Bei unionsrechtskonformer rechtlicher Beurteilung wäre der BF gemäß Art. 12 Abs. 1 lit a RL 2004/83/EG des Rates iVm der Rechtsprechung des EuGH ipso facto der Status einer Asylberechtigen zuzuerkennen gewesen, denn sie sei unter dem Schutz von UNRWA gestanden und legte diesbezüglich die Registrierungskarte ihrer Familie vor, auf welcher die BF ebenfalls verzeichnet sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person der BF
Die BF ist staatenlose Palästinenserin und als Flüchtling bei UNRWA registriert. Die BF wuchs im Camp Yarmouk auf und lebte vor ihrer Ausreise in Damaskus, XXXX . Sie verließ das Einsatzgebiet der UNRWA wegen des Bürgerkrieges.
Die BF stellte 2017 einen Antrag gemäß § 35 AsylG bei der Österreichischen Botschaft Damaskus. Als Bezugspersonen wurden ihre in Österreich asylberechtigten Töchter genannt. Nach einer positiven Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA wurde der BF ein Visum D mit Gültigkeitszeitraum von 27.01.2018 bis 26.05.2018 ausgestellt.
Sie stellte in Österreich den verfahrensgegenständlichen Asylantrag. Die BF ist in Österreich unbescholten.
Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der BF der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Staat Syrien wegen der realen Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens zuerkannt. Die BF sei eine staatenlose, alleinstehende Frau ohne familiären Anknüpfungspunkt in ihrem Herkunftsstaat.
Zur Lage im Herkunftsstaat
Politische Lage
Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 13.3.2019). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten (FH 1.2018).
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Baath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016).
Es gibt weiterhin Landesteile, in denen die syrische Regierung effektiv keine Kontrolle ausübt. Diese werden entweder durch Teile der Opposition, kurdische Einheiten, ausländische Staaten oder auch durch terroristische Gruppierungen kontrolliert (AA 13.11.2018; vgl. MPG 2018).
Am 13.4.2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden (Reuters 13.4.2016; vgl. France24 17.4.2017). Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als "Farce". Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen (France24 17.4.2016).
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position. Seit der Machtergreifung Assads haben weder Vater noch Sohn politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche eine politische Alternative zu schaffen wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt (USCIRF 26.4.2017). 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten (USDOS 13.3.2019), wodurch dieser für weitere 7 Jahre im Amt bestätigt wurde (WKO 11.2018). Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung
kontrollierten Gebieten abgehalten. Sie wurde von der EU und den USA als undemokratisch kritisiert, die syrische Opposition sprach von einer "Farce" (Haaretz 4.6.2014).
Mitte September 2018 wurden in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten zum ersten Mal seit 2011 wieder Kommunalwahlen abgehalten (IFK 10.2018; vgl. WKO 11.2018). Der Sieg von Assads Baath Partei galt als wenig überraschend. Geflohene und IDPs waren von der Wahl ausgeschlossen (WKO 11.2018).
Mit russischer und iranischer Unterstützung hat die syrische Regierung mittlerweile wieder große Landesteile von bewaffneten oppositionellen Gruppierungen zurückerobert. Trotz der großen Gebietsgewinne durch das Regime besteht die Fragmentierung des Landes in Gebiete, in denen die territoriale Kontrolle von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt wird, weiter fort (AA 13.11.2018).
Die Provinz Idlib im Norden Syriens an der Grenze zur Türkei wird derzeit noch von diversen Rebellengruppierungen kontrolliert (MPG 2018). Im Norden bzw. Nordosten Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen (SWP 7.2018). Die Partei der Demokratischen Union (PYD) ist die politisch und militärisch stärkste Kraft der syrischen Kurden. Sie gilt als syrischer Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) (KAS 4.12.2018b). 2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der PKK, deren Mitglieder die PYD gründeten, gekommen sein. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine "zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrin, Ain al-Arab (Kobane) und die Jazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (BFA 8.2017). Im März 2016 wurde in dem Gebiet, das zuvor unter dem Namen "Rojava" bekannt war, die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte (SWP 7.2018; vgl. KAS 4.12.2018b). Afrin im Nordwesten Syriens ist territorial nicht mit den beiden anderen Kantonen Jazira und Kobane verbunden und steht seit März 2018 unter türkischer Besatzung (KAS 4.12.2018b; vgl. MPG 2018).
Die syrischen Kurden unter Führung der PYD beanspruchen in den Selbstverwaltungskantonen ein Gesellschaftsprojekt aufzubauen, das nicht von islamistischen, sondern von basisdemokratischen Ideen, von Geschlechtergerechtigkeit, Ökologie und Inklusion von Minderheiten geleitet ist. Während Befürworter das syrisch-kurdische Gesellschaftsprojekt als Chance für eine künftige demokratische Struktur Syriens sehen, betrachten Kritiker es als realitätsfremd und autoritär. Das Ziel der PYD ist nicht die Gründung eines kurdischen Staates in Syrien, sondern die Autonomie der kurdischen Kantone als Bestandteil eines neuen, demokratischen und dezentralen Syrien (KAS 4.12.2018a). Die PYD hat sich in den kurdisch kontrollierten Gebieten als die mächtigste politische Partei im sogenannten Kurdischen Nationalrat etabliert, ähnlich der hegemonialen Rolle der Baath-Partei in der Nationalen Front (BS 2018). Ihr militärischer Arm, die YPG sind zudem die dominierende Kraft innerhalb des von den USA unterstützten Militärbündnisses Syrian Democratic Forces (SDF). Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Flüchtlingswelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Diese schwierige Situation führt auch dazu, dass die Kurden wieder vermehrt das Gespräch mit der syrischen Zentralregierung suchen (KAS 4.12.2018b).
Die syrische Regierung erkennt die kurdische Enklave oder Wahlen, die in diesem Gebiet durchgeführt werden, nicht an (USDOS 13.3.2019).
Sicherheitslage
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention des Iran in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018a). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016).
Am Beginn des Jahres 2019 sind noch drei größere Gebiete außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung: die Provinz Idlib und angrenzende Gebiete im Westen der Provinz Aleppo und Norden der Provinz Hama; die Gebiete im Norden und Osten Syriens, die unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) stehen; außerdem die Konfliktschutzzone (de-confliction zone) bei Tanf in Homs bzw. in der Nähe des Rukban Flüchtlingslagers (UNHRC 31.1.2019).
Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen, allen voran die Provinzen Idlib, Teile Aleppos, Raqqas und Deir ez-Zours (AA 13.11.2018).
Laut UNMAS (United Nations Mine Action Service) sind 43% der besiedelten Gebiete Syriens mit Mienen und Fundmunition kontaminiert (AA 13.11.2018). Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen mit derartigen Hinterlassenschaften des bewaffneten Konfliktes zum Beispiel im Osten der Stadt Aleppo, Ost-Ghouta und im Osten Hamas (DIS/DRC 2.2019).
Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghus die letzte Bastion des IS von den oppositionellen "Syrian Democratic Forces" erobert. Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten (DZO 24.3.2019). Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv (FAZ 10.3.2019). Gegenwärtig sollen im Untergrund mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten (FAZ 22.3.2019). Auch IS-Führer Abu Bakr al-Bagdadi bleibt weiterhin verschwunden (FAZ 23.3.2019).
US-Präsident Donald Trump kündigte im Dezember 2018 an, alle 2.000 US-Soldaten aus Syrien abziehen zu wollen. Er erklärte jedoch später noch Soldaten vor Ort belassen zu wollen. Für die von den Amerikanern unterstützen Kurden ist ein Abzug der amerikanischen Truppen ein herber Schlag (Qantara 28.2.2019).
Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen, für die einzelnen Monate des Jahres 2018 finden sich deren Daten in der unten befindlichen Grafik. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von Massakern, bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind (SNHR 1.1.2019). SNHR (1.1.2019)
Für Januar 2019 erfasste SNHR zumindest 197 getötete Zivilisten (SNHR 1.2.2019) für Februar 2019 246 (SNHR 1.3.2019), für März 2019 334 (SNHR 1.4.2019) und für April 2019 324. Zudem sind im April 2019 54 Personen aufgrund Folter verstorben, 50 davon durch Einheiten der syrischen Regierung (SNHR 1.5.2019).
Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung
Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Nichtsdestotrotz wenden die Sicherheitskräfte in Tausenden Fällen solche Praktiken an (USDOS 13.3.2019). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 13.3.2019, AA 13.11.2018). Sie richten sich von Seiten der Regierung insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell wahrgenommen werden (AA 13.11.2018).
NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 13.3.2019; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung soll hierbei auch auf Personen abzielen, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 13.3.2019). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 13.11.2018; vgl. AI 22.2.2018).
Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die UN Commission of Inquiry zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik. Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festhalten werden. Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt ("incommunicado") an unbekannten Orten fest (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018, SHRC 24.1.2019).
In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines "Freilassungsabkommens" auszutauschen (SHRC 24.1.2019).
Seit Sommer 2018 werden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe wenig glaubwürdiger amtlich festgestellter natürlicher Todesursachen (Herzinfarkt, etc.). Berichte von ehemaligen Insassen sowie Menschenrechtsorganisationen benennen als häufigste Todesursachen Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötung (AA 13.11.2018; vgl. SHRC 24.1.2019). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 17.1.2019).
Mit Stand Dezember 2018 ist der Verbleib von 100.000 syrischen Gefangenen noch immer unbekannt. Laut Menschenrechtsgruppen und den Vereinten Nationen sind wahrscheinlich Tausende, wenn nicht Zehntausende davon umgekommen (TWP 23.12.2018).
Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind jedoch keine Neuerung der Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).
Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).
Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen und der Folter von Inhaftierten beschuldigt (FH 1.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Opfer sind vor allem (vermutete) regierungstreue Personen und Mitglieder von Milizen oder rivalisierenden bewaffneten Gruppen.
Zu den Bedingungen in den Hafteinrichtungen der verschiedenen regierungsfeindlichen Gruppen ist wenig bekannt, NGOs berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und unmenschlicher Behandlung. Der IS bestrafte häufig Opfer in der Öffentlichkeit und zwang Bewohner, darunter auch Kinder, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen. Es gibt Berichte zu Steinigungen und Misshandlungen von Frauen. Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) werden systematische Misshandlungen von Gefangenen der Freien Syrischen Armee (FSA) und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) vorgeworfen. Berichtet werden auch Folter und Tötungen von Gefangenen durch den IS (USDOS 13.3.2019).
Religionsfreiheit
In Syrien gibt es keine offizielle Staatsreligion, wobei die Verfassung jedoch vorsieht, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, und dass die islamische Rechtsprechung eine Hauptquelle des Gesetzes darstellt. In Angelegenheiten des Personenstandsrechtes fallen alle Bürger unter die Gesetzgebung ihrer jeweiligen religiösen Gruppe (Christentum, Islam oder Judentum). Zur Klärung von Fragen des Familienstandes verlangt die Regierung daher von ihren Bürgern, ihre Glaubenszugehörigkeit zu einer dieser drei Religionen registrieren zu lassen. Die Religionszugehörigkeit, abgesehen von der jüdischen Religionszugehörigkeit, wird nicht im Pass und auf der Identitätskarte vermerkt, sondern auf der Geburtsurkunde und auf Dokumenten, die zur Eheschließung und für Pilgerreisen notwendig sind (USDOS 21.6.2019). Es ist nicht möglich, "keine Religion" zu registrieren (Eijk 2013). Das Gesetz schränkt Missionierung und Konversionen ein. Es verbietet die Konversion vom Islam zu anderen Religionen, erkennt die Konversion zum Islam jedoch an. Das Strafgesetz verbietet "das Verursachen von Spannungen zwischen religiösen Gemeinschaften" (USDOS 21.6.2019).
Ein neues Gesetz vom Oktober 2018 verleiht dem syrischen Ministerium für Religiöse Stiftungen ("Ministry of Awqaf") zusätzliche Befugnisse. So beinhaltet das Gesetz die Einrichtung eines "Rechtswissenschaftlichen und Gelehrten Rates" mit der Entscheidungshoheit über die Definition, welche Inhalte im religiösen Diskurs angemessen sind. Der Minister wird mit der Kompetenz ausgestattet religiöse Persönlichkeiten zu bestrafen, wenn diese "extremistische" oder auch "abweichende" religiöse Lehre verbreiten, indem ihnen ihre Lizenz entzogen oder gegen sie ein Gerichtsverfahren eingeleitet wird (CEIP 14.11.2018).
Der Rat soll außerdem jede Fatwa, die in Syrien veröffentlicht wird, überwachen, um die Verbreitung wahhabitischen oder mit der Muslimbruderschaft in Verbindung stehenden Gedankenguts zu verhindern. Das Gesetz beinhaltet außerdem die Einrichtung eines Zentralrats mit der Befugnis in allen Gemeinde- und Verwaltungszentren des Landes Außenstellen zu eröffnen, um religiöse Rituale und Feiern zu beaufsichtigen und die Umsetzung der Pläne des Ministeriums zu beurteilen (CEIP 14.11.2018). Einem syrischen Anwalt zufolge kann der Minister durch diese Gesetzesänderung auch in Bereichen, die nicht direkt mit der Verwaltung dieses Ministeriums in Zusammenhang stehen, Einfluss ausüben, so z.B. auf religiöse Literatur (France24 14.10.2018).
Das syrische Eherecht kennt das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit. So ist die Ehe einer muslimischen Frau mit einem nichtmuslimischen Mann nichtig (MPG 2018). Sie wäre laut Gesetz nicht-existent, selbst wenn sie bereits vollzogen wurde (Eijk 2013). Nach dem Konsens der islamischen Juristen ist eine Ehe zwischen einem Muslim und einer nichtmuslimischen Frau wirksam, sofern diese einer der zwei anderen Buchreligionen - also Christentum und Judentum - angehört (MPG o.D.a; vgl. MPG 2018). Eine christliche Ehefrau eines muslimischen Mannes kann jedoch nichts von ihrem Mann erben außer sie konvertiert zum Islam (USDOS 21.6.2019). Ihre Kinder werden automatisch Muslime (Eijk 2013) Gemischtreligiöse Ehen sind in Syrien selten, existieren aber. Sie werden aber häufig geheim geschlossen oder nicht offiziell registriert, weil sie von der Gesellschaft verurteilt werden (Eijk 2013; vgl. USDOS 15.8.2017).
Ethnische und religiöse Minderheiten
Anm.: Viele der angeführten Minderheiten sind ethno-religiöse Minderheiten (z.B. armenische Christen, kurdische Jeziden) oder sie verfügen über kulturell bedingte eigene Interpretationen des Islam im Alltag (z.B. viele sunnitische Kurden). Nähere Informationen zu einzelnen Minderheiten können nach Bedarf im Rahmen von Anfragebeantwortungen geboten werden.
Die anhaltende Vertreibung der syrischen Bevölkerung führt zu einem gewissen Grad an Unsicherheit in den demographischen Daten. Schätzungen der US-Regierung zufolge dürften die Sunniten 74% der Bevölkerung stellen, wobei diese sich unter anderem aus arabischen, kurdischen, tscherkessischen, tschetschenischen und turkmenischen Bevölkerungsanteilen zusammensetzen. Andere muslimische Gruppen, einschließlich Alawiten, Ismailiten und Zwölfer Schiiten machen zusammen 13% aus, die Drusen 3%. Verschiedene christliche Gruppen bilden die verbleibenden 10% (USDOS 21.6.2019; vgl. MRG 5.2018a, AA 2.2018, CIA 11.2.2019). Laut Medien- und anderen Berichten ist davon auszugehen, dass viele Christen aufgrund des Bürgerkrieges das Land verließen, und die Zahl nun bedeutend geringer ist. Vor dem Bürgerkrieg gab es in Syrien ungefähr 80.000 Jeziden (USDOS 21.6.2019).
Die alawitische Gemeinde, zu der Bashar al-Assad gehört, genießt einen privilegierten Status in der Regierung und dominiert auch den staatlichen Sicherheitsapparat und das Militär (USDOS 13.3.2019).
In Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit besteht die syrische Bevölkerung zum Großteil aus Arabern (Syrer, Palästinenser, Iraker). Ethnische Minderheiten sind Kurden, Armenier, Turkmenen und Tscherkessen (AA 2.2018; vgl. MRG 5.2018a).
Religiöse bzw. interkonfessionelle Faktoren spielen auf allen Seiten des Konfliktes eine Rolle, doch fließen auch andere Faktoren im Kampf um die politische Vormachtstellung mit ein. Die Gewalt von Seiten der Regierung gegen Oppositionsgruppen aber auch Zivilisten weist sowohl interkonfessionelle Elemente als auch Elemente ohne interkonfessionellen Bezug auf. Beobachtern zufolge ist die Vorgehensweise der Regierung gegen Oppositionellengruppen, welche die Vormachtstellung der Regierung bedrohen, nicht in erster Linie konfessionell motiviert, doch zeige sie interkonfessionelle Auswirkungen. So versucht die syrische Regierung konfessionell motivierte Unterstützung zu gewinnen, indem sie sich als Beschützerin der religiösen Minderheiten vor sunnitisch-extremistischen Gruppen darstellt, während sie aber gleichzeitig auch radikale sunnitische Gruppen unterstützt und Religionsgemeinschaften kontrolliert. Manche Rebellengruppen bezeichnen sich in Statements und Veröffentlichungen explizit als sunnitische Araber oder sunnitische Islamisten und haben eine fast ausschließlich sunnitische Unterstützerbasis. Dies gibt dem Vorgehen der Regierung gegen oppositionelle Gruppen auch ein konfessionelles Element. Der Einsatz von schiitischen Kämpfern, z.B. aus Afghanistan, um gegen die mehrheitlich sunnitische Opposition vorzugehen, verstärkt zusätzlich die konfessionellen Spannungen. Laut Experten stellt die Regierung die bewaffnete Opposition auch als religiös motiviert dar, indem sie diese mit extremistischen islamistischen Gruppen und Terroristen in Zusammenhang setzt, welche die religiösen Minderheiten sowie die säkulare Regierung eliminieren wollen (USDOS 21.6.2019).
Dies führte dazu, dass manche Führer religiöser Minderheitengruppen der Regierung Präsident Assads ihre Unterstützung aussprechen, da sie diese als ihren Beschützer gegen gewalttätige sunnitisch-arabische Extremisten sehen (USDOS 21.6.2019; vgl. USCIRF 4.2019, FA 27.7.2017). Die Minderheiten sind in ihrer Einstellung der syrischen Regierung gegenüber allerdings gespalten. Auch die Alawiten sind in ihrer Unterstützung bzw. Ablehnung der syrischen Regierung nicht geeint. Manche Mitglieder der Minderheiten sehen die Regierung als Beschützer, andere sehen einen Versuch der Regierung die Minderheiten auszunutzen, um die eigene Legitimität zu stärken, indem zum Beispiel konfessionell motivierte Propaganda verbreitet, und so die Ängste der Minderheiten geschürt werden und deren empfundene Vulnerabilität vertieft wird (MRG 5.2018b). So werden Berichten zufolge auch alawitische oppositionelle Aktivisten Opfer von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Mord durch die Regierung (USDOS 13.3.2019).
Alawitische Gemeinden und schiitische Minderheiten werden aufgrund ihrer wahrgenommenen Unterstützung des Regimes außerdem zu Opfern von Angriffen durch aufständische extremistische Gruppen (MRG 5.2018b). Sunnitische Araber sehen viele der syrischen Christen, Alawiten und schiitischen Muslime aufgrund ihrer fehlenden Unterstützung oder Neutralität gegenüber der syrischen Revolution als mit der syrischen Regierung verbündet an (USCIRF 26.4.2017).
In den unter Kontrolle des sogenannten Islamischen Staates (IS) oder der Gruppierung Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) stehenden Gebieten wurden Schiiten, Alawiten, Christen und andere Minderheiten sowie auch Sunniten, die gegen deren strikte Auslegung des Islam verstießen, Zielscheibe von Tötung, Entführung, Verhaftung oder Misshandlung. Christen wurden gezwungen eine Schutzsteuer zu zahlen, zu konvertieren oder liefen Gefahr getötet zu werden. Der IS entführte tausende großteils jezidische aber auch christliche und turkmenische Frauen und Mädchen im Irak und verschleppte sie nach Syrien, wo sie als Sexsklavinnen verkauft und als Kriegsbeute an IS-Kämpfer verteilt wurden. Durch die Zurückdrängung des IS wurde dessen Herrschaft über Teile der Bevölkerung beendet und seine Möglichkeit religiöse Minderheiten zu unterdrücken und Gewalt auszusetzen, eingedämmt. Allerdings agiert er weiter als aufständische Gruppe und zielt als solche weiterhin mit Angriffen auch gegen Mitglieder religiöser Gruppen (USDOS 21.6.2019).
Im Jahr 2011, kurz vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs, lebten in Syrien zwischen zwei und drei Millionen Kurden. Damit stellten sie etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Die Lebensumstände waren für die Kurden in Syrien lange Zeit noch kritischer als in der Türkei und im Iran. Ein Grund dafür war die brutale Repression aller oppositionellen Bestrebungen durch das Regime. Das Ergebnis waren sehr weitgehende Diskriminierungen. Im Nachgang einer Volkszählung im Jahr 1962 wurde rund 120.000 Kurden die syrische Staatsangehörigkeit aberkannt. Sie und ihre Nachfahren galten den syrischen Behörden seither als geduldete Staatenlose. Die Zahl dieser Ausgebürgerten, die wiederum in registrierte (ajanib) und unregistrierte (maktumin) Staatenlose unterteilt wurden, dürfte 2011 bei über 300.000 gelegen haben. Als im März 2004 im kurdischen Nordosten Unruhen ausbrachen, deren Wellen bis in kurdischen Viertel von Damaskus reichten, wurden sie brutal niedergeschlagen. Die schweren Diskriminierungen, die alle Kurden im Nordosten trafen, blieben bis 2012 bestehen. So durfte in den Schulen und Universitäten nicht in kurdischer Sprache gelehrt werden und kurdische Publikationen waren verboten (SWP 4.1.2019). Die fehlende Präsenz der syrischen Regierung in den kurdischen Gebieten in den Anfangsjahren des Konfliktes verlieh den Kurden mehr Freiheiten, wodurch zum Beispiel die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet werden konnte. Die syrische Regierung erkennt die Legitimation der föderalen kurdischen Gebiete jedoch nicht an (MRG 3.2018).
Frauen
Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation. Vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der Arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte (BFA 8.2017). Dennoch werden Frauen - teilweise aufgrund der Interpretationen der religiösen Gesetze - von verschiedenen Teilen des Familien- und Strafrechts und der Gesetze zu Personenstand, Arbeit, Erbschaft, Pensionierung, sozialer Sicherheit und Staatsbürgerschaft, diskriminiert (USDOS 13.3.2019).
Die Situation von Frauen verschlechterte sich durch den andauernden Konflikt dramatisch. Da Frauen immer wieder Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden, zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt (BFA 8.2017). Vor dem Konflikt nahmen 13% der Frauen am Arbeitsmarkt teil, verglichen mit 73% der Männer. Die Teilhabe sowohl von Männern als auch Frauen am Arbeitsmarkt hat durch Gewalt und Unsicherheit abgenommen. Zuletzt ist in einigen Gebieten, wie in Damaskus, Raqqa und Dara'a, die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt gezwungenermaßen wieder gestiegen, da viele Männer ihre Familien derzeit nicht unterstützen können (USDOS 13.3.2019).
Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Sie reichen von sexueller Versklavung und erdrückenden Kleidungsvorschriften in Gebieten unter Kontrolle von Extremisten einerseits, bis hin zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter Kontrolle der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind (FH 1.2018). In jenen oppositionellen Gebieten, welche von radikal-islamistischen Gruppen kontrolliert werden, sind Frauen besonders eingeschränkt. Es ist schwer für sie, für einfache Erledigungen das Haus zu verlassen. Die Situation hängt jedoch von der Region ab (BFA 8.2017).
Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt (USDOS 13.3.2019, MRG 5.2018). Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikal-islamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet (BFA 8.2017).
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Alleinstehende Frauen
Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt oder Schikane ausgesetzt, jedoch hängt dies von der sozialen Schicht und der Position der Frau bzw. ihrer Familie ab. Man kann die gesellschaftliche Akzeptanz von alleinstehenden Frauen aber in keinem Fall mit europäischen Standards vergleichen, und Frauen sind potentiell Belästigungen ausgesetzt. In Syrien ist es fast undenkbar als Frau alleine zu leben, da eine Frau ohne Familie keine gesellschaftlichen und sozialen Schutzmechanismen besitzt. Beispielsweise würde nach einer Scheidung eine Frau in den meisten Fällen wieder zurück zu ihrer Familie ziehen. Vor dem Konflikt war es für Frauen unter bestimmten Umständen möglich alleine zu leben, z.B. für berufstätige Frauen in urbanen Gebieten (BFA 8.2017).
Der Zugang von alleinstehenden Frauen zu Dokumenten hängt von deren Bildungsgrad, individueller Situation und bisherigen Erfahrungen ab. Beispielsweise werden ältere Frauen, die immer zu Hause waren, mangels vorhandener Begleitperson und behördlicher Erfahrung nur schwer Zugang zu Dokumenten bekommen können (BFA 8.2017). Die Wahrnehmung von alleinstehenden Frauen durch die Gesellschaft unterscheidet sich von Gebiet zu Gebiet. Damaskus-Stadt ist weniger konservativ als andere Gebiete und es wird von Frauen berichtet, die dort in der Vergangenheit alleine lebten. In konservativen Gegenden bekommen allein lebende Frauen jedoch "einen gewissen Ruf" (SD 30.7.2018).
Der Wegfall des Ernährers im Zuge des Konflikts stellt viele Frauen vor das Problem ihre Familien versorgen zu müssen. So stieg die Anzahl der Haushalte mit weiblichen Vorständen im Zuge des Konflikts (WB 6.2.2019)
Im Dezember 2017 hat das von Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) gestützte Syrian Salvation Government (SSG) in der Provinz Idlib eine Entscheidung verkündet, laut welcher alle Witwen in ihrem Kontrollgebiet mit einem Scharia-konformen männlichen Familienangehörigen wohnen müssen. Die Meldung warnt auch vor Bestrafung für "jeden, der sich nicht nach dieser Regelung richtet", es ist jedoch unklar wie die Entscheidung umgesetzt wurde (SD 14.12.2017).
Palästinensische Flüchtlinge
Rechtlicher Status der palästinensischen Flüchtlinge in Syrien und das Mandat der UNRWA
Die United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) ist entsprechend der Resolution 302 IV (1949) der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit einem Mandat zur Förderung der menschlichen Entwicklung palästinensischer Flüchtlinge ausgestattet. Das Mandat wurde jüngst bis zum 30. Juni 2020 verlängert. Per definitionem sind palästinensische Flüchtlinge Personen, deren gewöhnlicher Aufenthaltsort zwischen 1. Juni 1946 und 15. Mai 1948 Palästina war und die sowohl ihr Zuhause wie auch ihre Mittel zur Lebenshaltung aufgrund des Konflikts von 1948 verloren haben. Dienste von UNRWA stehen all jenen Personen offen, die im Einsatzgebiet der Organisation leben, von der Definition umfasst und bei UNRWA registriert sind, sowie Bedarf an Unterstützung haben. Nachkommen männlicher palästinensischer Flüchtlinge können sich ebenfalls bei UNRWA registrieren. Darüber hinaus bietet UNRWA ihre Dienste auch palästinensischen Flüchtlingen und Vertriebenen des Arabisch-Israelischen Konflikts von 1967 und nachfolgender Feindseligkeiten an (BFA 8.2017).
Schon vor dem Ausbruch des Konflikts im Jahr 2011 waren die Palästinenser in Syrien eine vulnerable Bevölkerungsgruppe (BFA 8.2017).
In Syrien lebende Palästinenser werden in Abhängigkeit vom Zeitpunkt ihrer Ankunft in Syrien in verschiedene Kategorien eingeteilt, von denen jeweils auch ihre rechtliche Stellung abhängt. Zu unterscheiden ist zwischen jenen Palästinensern, die als palästinensische Flüchtlinge in Syrien anerkannt sind und jenen, die in Syrien keinen Flüchtlingsstatus genießen. Da Syrien nicht Vertragspartei der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ist, richtet sich der Flüchtlingsstatus nach syrischem Recht (BFA 8.2017).
Die größte Gruppe bilden Palästinenser, die bis zum oder im Jahr 1956 nach Syrien gekommen sind, sowie deren Nachkommen. Diese Palästinenser fallen unter die Anwendung des Gesetzes Nr. 260 aus 1956, welches Palästinenser, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes einen Wohnsitz in Syrien hatten, im Hinblick auf Arbeit, Handel, Militärdienst und Zugang zum öffentlichen Dienst syrischen Staatsbürgern gleichstellt. Ausgeschlossen ist diese Gruppe jedoch vom Wahlrecht, der Bekleidung öffentlicher Ämter sowie vom Erwerb landwirtschaftlicher Nutzflächen. Sie erhalten auch nicht die syrische Staatsbürgerschaft. Unter diese Kategorie fallende Personen sind bei der General Authority for Palestinian Arab Refugees (GAPAR) registriert. Für die Palästinenser, die sich nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 260 noch im Jahr 1956 in Syrien niedergelassen haben, gelten bestimmte Modifikationen und Einschränkungen (va. Anstellung im öffentlichen Dienst nur auf Grundlage zeitliche befristeter Verträge; keine Ableistung von Militärdienst). Sie sind aber ebenfalls bei GAPAR registriert. Diese Gruppen von Palästinensern und ihre Nachkommen sind somit als Flüchtlinge in Syrien anerkannt (BFA 8.2017).
Die nach 1956, insbesondere ab 1967 nach Syrien gekommenen Palästinenser und deren Nachkommen umfassen ihrerseits eine Reihe weiterer Untergruppen: Unter anderem fallen darunter Personen, die nach 1970 aus Jordanien, nach 1982 aus dem Libanon und während der letzten beiden Dekaden aus dem Irak gekommen sind. Ihnen ist gemeinsam, dass sie nicht bei GAPAR registriert und nicht als palästinensische Flüchtlinge anerkannt sind. In Syrien gelten sie als "Arabs in Syria" und werden wie Staatsbürger anderer arabischer Staaten behandelt. Sie können ihren Aufenthaltstitel in Syrien alle 10 Jahre beim Innenministerium erneuern lassen und müssen um Arbeitsgenehmigungen ansuchen. Einige Personen aus dieser Gruppe fallen unter das Mandat von UNHCR. Palästinenser dieser Gruppe können in Syrien jedoch öffentliche Leistungen des Gesundheits- oder Bildungsbereiches kostenfrei nutzen, abgesehen von einem Studium an der Universität, für welches sie eine Gebühr bezahlen müssen (BFA 8.2017).
Die Sicherheitslage in den palästinensischen Flüchtlingslagern und Wohngebieten
Schätzungen aus dem Jahr 2018 zufolge sind noch 438.000 palästinensische Flüchtlinge in Syrien aufhältig (UNRWA 5.12.2018). Vor Ausbruch des Bürgerkrieges lebten geschätzte 560.000 palästinensische Flüchtlinge in Syrien, und davon mehr als 80% in und um Damaskus. Die palästinensischen Flüchtlinge in Syrien waren von schweren Kämpfen in und um manche palästinensische Flüchtlingslager und Stadtteile erheblich betroffen (USAID 4.8.2017).
Zu Beginn des Konfliktes versuchten die Bewohner der meisten palästinensischen Flüchtlingslager neutral zu blieben. Als der Konflikt aber gewalttätiger wurde und sich regionale Allianzen änderten, führten die Diskrepanzen unter den palästinensischen Fraktionen, besonders zwischen Hamas und Fatah, zu einer Spaltung der Palästinenser in ihrer Position gegenüber dem Regime (NOREF 24.1.2017). Manche Palästinenser in Syrien sind für und andere gegen das Regime, die Palästinenser sind somit zwischen den Konfliktparteien gespalten. Palästinenser sind hauptsächlich Sunniten und werden von Seiten des Regimes und dessen Verbündeten auch wie
Sunniten behandelt, also mit Misstrauen, wobei es natürlich Ausnahmen hierzu gibt. Was die Vulnerabilität betrifft, scheint jedoch die Herkunft einer Person aus einem bestimmten Gebiet wichtiger zu sein, als ihre Konfession und ob sie der palästinensischen Minderheit angehört oder nicht. Dabei determinierten die Anfangsjahre des Konflikts 2011-2013, welche Gebiete zu welchen Konfliktparteien zugeordnet werden. Die Bewegungsfreiheit von Palästinensern ist eingeschränkt. Berichten zufolge müssen sie z.B. in Damaskus eine Genehmigung der Mukhabarat (Geheimdienst) und der Sicherheitskräfte bekommen, um ihren Wohnsitz verlegen zu können. Palästinenser müssen den Wohnsitz bei den Mukhabarat registrieren, was dazu führt, dass manche Personen nicht an Palästinenser vermieten wollen (BFA 8.2017).
Allgemein gesprochen sind die Palästinenser vulnerabler als der durchschnittliche Syrer, was auch mit fehlenden Identitätsdokumenten in Verbindung steht (BFA 8.2017). Palästinenser, die bereits vor dem Konflikt deutlich ärmer als Syrer waren, sind nun eine der am meisten vom Konflikt betroffenen Bevölkerungsgruppen in Syrien (UNRWA 5.12.2018). Sie sind außerdem häufig von mehrfachen Vertreibungen betroffen (BFA 8.2017). Dies ist mitunter auch auf die strategische Relevanz der von Palästinensern bewohnten Gebiete zurück zu führen. Beispielsweise waren die Lager südlich von Damaskus strategisch bedeutend, weil sie die beiden oppositionellen Hochburgen im westlichen Damaskus und in Ost-Ghouta trennten und dadurch im bewaffneten Konflikt zum Ziel von Beschuss und Blockaden wurden. Dies führte zur Vertreibung der Bewohner dieser Lager (NOREF 24.1.2017). Sowohl das Regime als auch oppositionelle Gruppierungen belagerten oder beschossen manche palästinensische Flüchtlingslager und Nachbarschaften, oder machten diese anderweitig praktisch unzugänglich, was zu Fällen von schwerer Unterernährung und fehlendem Zugang zu medizinischer und humanitärer Versorgung und Todesfällen von Zivilisten führte (USDOS 13.3.2019).
Die Leistungen der UNRWA im Rahmen ihrer Zugangsmöglichkeiten
Die offiziellen UNRWA-Flüchtlingslager sind Gebiete, die UNRWA von der Regierung des jeweiligen Gastlandes zur Errichtung eines Lagers und der notwendigen Infrastruktur überlassen werden. Die Aktivitäten von UNRWA erstrecken sich jedoch auch auf nicht offiziell diesem Zweck zugewiesene Gebiete (sog. "Inoffizielle Lager"). Dies trifft auch auf Yarmouk zu, einen Stadtteil von Damaskus, der lange Zeit die größte Dichte an palästinensischen Flüchtlingen in Syrien aufwies (BFA 8.2017).
UNRWA bietet Unterstützungsleistungen in zwölf Flüchtlingslagern in Syrien an (neun offizielle und drei inoffizielle Lager). Diese Lager werden von UNRWA jedoch nicht verwaltet, und UNRWA ist nicht für die Sicherheit in den Lagern zuständig. Dies liegt in der Verantwortung der Behörden des Gaststaates (UNRWA o.D.). Die palästinensischen Flüchtlingslager in Syrien sind nicht durch physische Begrenzungen, wie z.B. Mauern, eingefriedet, sondern sie sind Teil der Städte, und gleichen eher Wohnvierteln. In Syrien leben Teile der palästinensischen Bevölkerung innerhalb und andere außerhalb der Lager (BFA 8.2017). Das Land, auf welchem sich die UNRWA-Lager befinden, befindet sich im Eigentum des Gaststaates. Den palästinensischen Familien wurden in der Vergangenheit Grundstücke zugeteilt, worauf Häuser gebaut wurden. Rechtlich gehört den palästinensischen Bewohnern das Land, auf dem die Häuser stehen, nicht. Dennoch werden die dort errichteten Wohnungen und Häuser mittlerweile auch vermietet und verkauft (BFA 8.2017). Der Zugang zu UNRWA-Lagern ist rechtlich nicht eingeschränkt, es kann jedoch faktische Probleme geben, die den Zugang einschränken (BFA 8.2017).
Etwa 95% der in Syrien verbliebenen palästinensischen Flüchtlingsbevölkerung hängen von humanitärer Hilfe ab, um ihre Grundbedürfnisse zu stillen, und etwa 254.000 wurden zumindest einmal innerhalb Syriens vertrieben. 34.200 palästinensische Flüchtlinge in Syrien waren in der ersten Hälfte des Jahres 2018 noch immer in für UNRWA "schwer zugänglichen" Gebieten (UNRWA 5.12.2018). Für Palästinenser ist es zudem schwierig sich durch Checkpoints zu bewegen, z.B. wenn sie keine gültigen syrischen Dokumente vorweisen können. Ihre Bewegungsfreiheit innerhalb Syriens ist aufgrund der Notwendigkeit, die Genehmigung für Wohnortwechsel einzuholen, und aufgrund der Registrierungspflicht eingeschränkt (BFA 8.2017).
Viele UNRWA Einrichtungen wurden durch den Konflikt in Syrien zerstört oder sind für UNRWA nicht zugänglich, wie z.B. 40% der UNRWA Klassenräume oder 25% der Gesundheitszentren (UNRWA o.D.). UNRWA versucht, Alternativen zu den Bildungseinrichtungen zu finden und bietet, sofern möglich, auch Bildung in staatlichen Schulen für palästinensische Kinder an, oft in Form einer zweiten Schicht von Unterrichtsstunden (BFA 8.2017; vgl. UNRWA o.D.). In mehreren Flüchtlingslagern, besonders in Yarmouk, fanden schwere Kämpfe zwischen dem Regime und der Opposition statt und die Lager wurden dabei fast gänzlich zerstört (AJ 20.10.2018). Zudem musste UNRWA aufgrund fehlender Mittel die finanzielle Unterstützung von palästinensischen Flüchtlingen im Jahr 2018 reduzieren (UNRWA o.D.).
Auch 2019 kam es zu Reduzierungen aufgrund fehlender finanzieller Mittel. So erhalten die sogenannte "Cash Assistance" nur noch die vulnerabelsten Personen, wie weibliche Haushaltsvorstände, Waisen, Alte oder Personen mit Behinderungen. Es ist unklar ob das "Cash Assistance" Programm 2020 fortgeführt werden kann (IO A 1.4.2019).
Reisedokumente und Ausreiseregelungen für Palästinenser
Wie und wo Palästinenser in Syrien Dokumente erhalten, hängt von ihrem rechtlichen Status ab. Nur jene Palästinenser, die als palästinensische Flüchtlinge anerkannt sind (also zwischen 1948 und 1956 nach Syrien gekommen sind, bzw. deren Nachkommen) können von der syrischen General Authority for Palestinian Arab Refugees (GAPAR) ein Reisedokument erhalten. Den Reisedokumenten, wie auch den Personalausweisen ist zu entnehmen, dass die Besitzer syrische Palästinenser sind. Palästinenser, die in Syrien den Status "Arabs in Syria" haben, da sie nach 1956 nach Syrien gekommen waren, erhalten von Syrien keine Reisedokumente. Mangels anderer gültiger Reisedokumente beantragen Personen aus dieser Kategorie über die Vertretung der Palästinensischen Behörde (Botschaft Palästinas in Syrien) in Damaskus die Ausstellung eines Reisedokuments durch die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah. Eine persönliche Vorsprache in Ramallah ist für die Ausstellung dieses Reisedokuments nicht erforderlich (BFA 8.2017).
Einige in Syrien aufhältige Palästinenser brauchen für eine legale Ausreise aus Syrien eine Genehmigung und müssen sich zusätzlich einer weiteren Sicherheitskontrolle unterziehen, dies hängt jedoch wieder von ihrem rechtlichen Status in Syrien ab. Auch in der Türkei sind Einreisebeschränkungen für Palästinenser in Kraft (BFA 8.2017).
Ein Palästinenser, der in Syrien bei UNRWA registriert ist und dann in ein anderes Land geht, das auch im Mandatsgebiet der UNRWA liegt (wie z.B. der Libanon), bleibt in Syrien registriert ("registered"), wird aber im Libanon erfasst ("recorded") und hat dort Zugang zu UNRWA-Leistungen. UNRWA schränkt den Zugang zu UNRWA-Leistungen für Palästinenser aus anderen Staaten nicht ein, jedoch können die Staaten die Einreise von Palästinensern und somit deren Zugang zu UNRWA Leistungen in Nachbarstaaten einschränken (BFA 8.2017).
Für Palästinenser ist es nicht nur schwieriger als für syrische Flüchtlinge in Nachbarländern einzureisen, sondern auch dort zu bleiben und einen legalen Aufenthaltsstatus beizubehalten und folglich Leistungen zu erhalten. Ohne legalen Aufenthaltsstatus ist es nicht möglich, eine Ehe zu registrieren, weshalb in weiterer Folge auch die Geburt eines Kindes aus dieser Ehe nicht registriert werden kann (BFA 8.2017).
Rückkehr
Im Juli 2018 zählte die syrische Bevölkerung geschätzte 19,5 Millionen Menschen (CIA 3.4.2019).
Die Zahl der Binnenvertriebenen belief sich im September 2018 auf insgesamt 6,2 Millionen Menschen (UNHCR 30.9.2018). 2018 sind insgesamt etwa 1,2 bis 1,4 Millionen IDPs in Syrien zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).
Mit März 2019 waren 5.681.093 Personen in den Nachbarländern Syriens und Nordafrika als syrische Flüchtlinge registriert (UNHCR 11.3.2019). 2018 sind laut UNHCR insgesamt etwa 56.000 Flüchtlinge nach Syrien zurück gekehrt (UNHCR 18.3.2019).
Weder IDPs noch Flüchtlinge sind notwendigerweise in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).
Wenn eine Person in ihre Heimat zurückkehren möchte, können viele unterschiedliche Faktoren die Rückkehrmöglichkeiten beeinflussen. Ethno-religiöse, wirtschaftliche und politische Aspekte spielen ebenso eine Rolle, wie Fragen des Wiederaufbaus und die Haltung der Regierung gegenüber Gemeinden, die der Opposition zugeneigt sind (FIS 14.12.2018). Über die Zustände, in welche die Flüchtlinge zurückkehren und die Mechanismen des Rückkehrprozesses ist wenig bekannt. Da Präsident Assad die Kontrolle über große Gebiete wiedererlangt, sind immer weniger Informationen verfügbar und es herrschen weiterhin Zugangsbeschränkungen und Beschränkungen bei der Datenerhebung für UNHCR (EIP 6.2019).
Das Fehlen von vorhersehbarer und nachhaltiger physischer Sicherheit in Syrien ist der Hauptfaktor, der die Rückkehrvorhaben von Flüchtlingen negativ beeinflusst. Weiters werden das Fehlen einer adäquaten Unterkunft oder Wohnung oder fehlende Möglichkeiten den Lebensunterhalt zu sichern als wesentliche Hindernisse für die Rückkehr genannt. Als wichtiger Grund für eine Rückkehr wird der Wunsch nach Familienzusammenführung genannt (UNHCR 7.2018). Rückkehrüberlegungen von syrischen Männern werden auch von ihrem Wehrdienststatus beeinflusst (DIS/DRC 2.2019).
Bereits im Jahr 2017 haben die libanesischen Behörden trotz des Konfliktes und begründeter Furcht vor Verfolgung vermehrt die Rückkehr syrischer Flüchtlinge gefordert. Eine kleine Anzahl von Flüchtlingen ist im Rahmen lokaler Abkommen nach Syrien zurückgekehrt. Diese Rückkehrbewegungen werden nicht von UNHCR überwacht. Einige Flüchtlinge kehren aufgrund der harschen Politik der Regierung ihnen gegenüber und sich verschlechternden Bedingungen im Libanon nach Syrien zurück, und nicht weil sie der Meinung sind, dass Syrien sicher sei. Gemeinden im Libanon haben Tausende von Flüchtlingen in Massenausweisungen/Massenvertreibungen ohne Rechtsgrundlage oder ordnungsgemäßes Verfahren vertrieben. Zehntausende sind weiterhin der Gefahr einer Vertreibung ausgesetzt (HRW 17.1.2019). Viele syrische Flüchtlinge kehren aufgrund der schlechten Bedingungen im Libanon und Jordanien nach Syrien zurück, und weil sie außerhalb Syriens keine Zukunft für sich sehen (IT 19.8.2018). UNHCR hat nur vereinzelt und für kurze Zeit Zugang zu Personen, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren, und kann auch keine ungestörten Interviews mit ihnen führen (AA 13.11.2018).
Flüchtlinge, die aus dem Libanon nach Syrien zurückkehren möchten, müssen dies bei den lokalen Sicherheitsbehörden melden und diese leiten den Antrag an die syrischen Behörden weiter (IT 19.8.2018; vgl. Reuters 25.9.2018). Die syrischen Behörden überprüfen die Antragsteller. Anträge auf Rückkehr können von der Regierung auch abgelehnt werden. Der Anteil der Personen, denen die Rückkehr nicht gestattet wird, wird von den verschiedenen Quellen mit 5% (SD 16.1.2019), 10% (Reuters 25.9.2018), bis hin zu 30% (ABC 6.10.2018) angegeben. In vielen Fällen wird auch Binnenvertriebenen die Rückkehr in ihre Heimatgebiete nicht erlaubt (USDOS 13.3.2019).
Gründe für eine Ablehnung können (wahrgenommene) politische Aktivitäten gegen die Regierung bzw. Verbindungen zur Opposition oder die Nicht-Ableistung der Wehrpflicht sein (Reuters 25.9.2018; vgl. ABC 6.10.2018, SD 16.1.2019). Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden, und darum die Genehmigung zur Rückkehr nicht erhalten, sind aufgefordert ihren Status zu "regularisieren", bevor sie zurückkehren können (Reuters 25.9.2018; vgl. SD 16.1.2019). In Jordanien gibt es für diese Regularisierung jedoch bisher keine Abläufe. Im Januar 2019 fanden erstmals organisierte Rückkehrbewegungen einer geringen Anzahl von syrischen Flüchtlingen aus Jordanien am syrisch-jordanischen Jaber-Nassib-Grenzübergang statt. Organisiert wurde die Rückkehr von einem zivilen Komitee, ohne Beteiligung der jordanischen Behörden und auch hier wurden die Namen der Antragsteller den syrischen Behörden zur Rückkehrgenehmigung übermittelt (SD 16.1.2019).
Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen. Um intern oder aus dem Ausland zurückzukehren, müssen Geflüchtete umfangreiche Formulare ausfüllen (EIP 6.2019).
Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten Personen, die illegal ausgereist sind, "bei der Einreise gut zu behandeln". Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung "Versöhnung" beantragen und unter anderem angeben wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein "Versöhnungsformular" ausfüllen (DIS 6.2019).
Syrer benötigen in unterschiedlichen Lebensbereichen eine Sicherheitsfreigabe von den Behörden, so z.B. auch für die Eröffnung eines Geschäftes, eine Eheschließung und Organisation einer Hochzeitsfeier, um den Wohnsitz zu wechseln, für Wiederaufbautätigkeiten oder auch um eine Immobilie zu kaufen (FIS 14.12.2018; vgl. EIP 6.2019). Die Sicherheitsfreigabe kann auch Informationen enthalten, z.B. wo eine Person seit dem Verlassen des konkreten Gebietes aufhältig war. Der Genehmigungsprozess könnte sich einfacher gestalten für eine Person, die in Damaskus aufhältig war, wohingegen der Aufenthalt einer Person in Orten wie Deir ez-Zour zusätzliche Überprüfungen nach sich ziehen kann. Eine Person wird für die Sicherheitserklärung nach Familienmitgliedern, die von der Regierung gesucht werden, befragt, wobe