TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/1 W222 1431046-2

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Veröffentlicht am 01.10.2019
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Entscheidungsdatum

01.10.2019

Norm

AVG §78
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46a
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W222 1431046-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2017, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 46a Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Ausspruch über die Entrichtung einer Verwaltungsabgabe wird gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 01.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.11.2012, Zl. XXXX , hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Zudem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 09.01.2013, Zl. XXXX , abgewiesen.

Am 21.01.2013 langte die Vollmacht der rechtsfreundlichen Vertretung ein.

Am 21.01.2013 langte eine Kopie eines indischen Führerscheines mit den übersetzten Inhaltsangaben ein.

Am 26.02.2013 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich durch einen Organwalter der Landespolizeidirektion Wien einvernommen. Dabei wurde der bisherige Verfahrensverlauf erläutert und der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass er die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Rückkehrhilfe habe. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er über kein Reisedokument verfüge und seinen Lebensunterhalt als Zeitungszusteller bewerkstellige. Er habe keine Familienangehörige in Österreich und noch keinen Deutschkurs besucht.

Im Zuge dieser Einvernahme wurden vom Beschwerdeführer die Formblätter für die Botschaft der Republik Indien ausgefüllt.

Mit Schreiben vom 07.03.2013 wurde die Botschaft der Republik Indien um Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht.

Am 25.03.2013 und 04.06.2013 wurde der Beschwerdeführer wegen rechtswidrigen Aufenthaltes gemäß § 120 Abs. 1a FPG angezeigt.

Am 15.06.2015 wurde gegenständlicher Fremdenakt von der Landespolizeidirektion Wien zuständigkeitshalber an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelt.

Am 12.10.2015 wurde durch die rechtsfreundliche Vertretung um Bekanntgabe des Verfahrensstandes in Bezug auf die Antragstellung einer Duldungskarte in eventu einer Identitätskarte vom 22.06.2015 ersucht.

Das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl teilte dem rechtsfreundlichen Vertreter am 21.10.2015 mit, dass kein Antrag auf Erteilung einer Duldungskarte eingelangt sei.

Am 03.11.2015 wurde der Antrag auf Erteilung einer Duldungskarte in eventu einer Identitätskarte sowie die Faxbestätigung vom 22.06.2015 dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelt. Begründet wurde der Antrag damit, dass der Beschwerdeführer über keinen Lichtbildausweis verfüge, keine Post entgegennehmen könne und sich auch bei polizeilichen Kontrollen nicht ausweisen könne. Er erleide deshalb rechtliche Nachteile und benötige dringend eine Duldungskarte bzw. Identitätskarte. Letztlich wurde angemerkt, dass er stets mit den zuständigen Behörden kooperiert habe und durchgehend aufrecht in Österreich gemeldet war.

Mit Schreiben vom 12.09.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verständigt. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Duldung und die Ausstellung einer Karte für Geduldete abzuweisen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer eine 14-tägige Frist zur Stellungnahme gewährt.

Am 27.09.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesbezüglich eine Stellungnahme ein. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer das Aufsuchen der indischen Botschaft nicht möglich und zumutbar sei, da er weiterhin Angst vor Verfolgung habe. Warum die Behörde meine, die Erlangung eines Heimreisezertifikates sei wahrscheinlich, erschließe sich für den Beschwerdeführer nicht, zumal er stets wahrheitsgemäße Angaben über seine Identität gemacht habe, Beweismittel vorgelegt habe, allen Ladungen Folge geleistet habe und dennoch kein Heimreisezertifikat erwirkt werden konnte. Aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage und fehlender Existenzmöglichkeit in Indien und seiner Entwurzelung durch die lange Abwesenheit bestünde im Falle der Abschiebung die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung. Die Nichtausstellung eines Heimreisezertifikates sei nicht dem Antragsteller zuzurechnen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2017, Zl. XXXX (vermutlich wurden zwei IFA-Zahlen vertauscht, gegenständlich sollte die Zahl lauten: XXXX ), wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 3 FPG abgewiesen. Ferner wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 78 AVG eine Verwaltungsabgabe in Höhe von Euro 6,50 binnen 28 Tagen zu entrichten habe. Das Bundesamt führte im Wesentlichen aus, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe und er mangels Vorlage von Personaldokumenten seine tatsächliche Identität verschleiere. Da es sich um eine unbewiesene Verfahrensidentität handle, komme der Mitwirkung an der Erlangung eines Reisedokuments durch das Ausfüllen der Formerfordernisse keine Relevanz zu. Darüber hinaus wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen mit seinen Familienangehörigen in der Heimat in Kontakt zu treten um sich Urkunden oder andere Nachweise übermitteln zu lassen, welche seine Identität bestätigen könnten.

Hinsichtlich der Vorschreibung der Verwaltungsabgabe von Euro 6,50 gemäß § 78 AVG wurde durch das Bundesamt dargelegt, dass den Parteien in Angelegenheiten der Bundesverwaltung unter anderem für wesentliche in ihrem Privatinteresse gelegene Amtshandlungen Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden können. Gemäß Tarif A Z 2 Bundesverwaltungsabgabenverordnung haben Parteien, soweit nicht eine andere Tarifpost zur Anwendung kommt, eine Abgabe in der Höhe von Euro 6,50 zu entrichten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gelangte zur Ansicht, dass die Erlassung des gegenständlichen Bescheides im Privatinteresse des Beschwerdeführers liege, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Mit Verfahrensanordnung vom 25.08.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Mit Schreiben vom 29.08.2017 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entrichtung der Gebühren in der Höhe von Euro 20,80 binnen 28 Tagen aufgefordert.

Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Beschwerdeführers.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Zu A) I.) Abweisung der Beschwerde:

Der mit "Duldung" überschriebene § 46a FPG idgF lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

...

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

...

(2) ...

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzdokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Heimreisedokumentes notwenigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

..."

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG können Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat gemäß § 46 Abs. 2 FPG - vorbehaltlich des Abs.

2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem

ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

Das Bundesamt ist gemäß § 46 Abs. 2a FPG jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

Das Gesetz setzt es somit als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. - in dessen Auftrag - der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1 FPG, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.

Die Pflicht des Fremden nach Abs. 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs. 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs. 3 Z 1a zu verweisen).

Zutreffend wurde in der Beschwerdeschrift festgehalten, dass der Umstand lediglich eine "Verfahrensidentität" zu führen, nicht die Ausstellung der Karte für Geduldete scheitern lässt.

Zugestimmt muss dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insofern werden, als dass der Beschwerdeführer an den notwendigen Schritten zur Erlangung eines (Ersatz-) Reisedokumentes nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit mitgewirkt hat. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren keinen einschlägigen Nachweis darüber erbracht, dass er aus eigenem Antrieb zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes auf elektronischem oder postalischem Weg mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen hat oder er sich in sonstiger Art und Weise um ein Identitätsdokument bemüht hat. Der Beschwerdeführer ist seit rechtskräftigem Abschluss seines Verfahrens auf internationalen Schutz unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder - wie im Falle des Beschwerdeführers - ist dazu angehalten, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen. Vorgehalten muss dem Beschwerdeführer werden, dass er in der Lage war zu seinem indischen Führerschein - mit dem Ausstellungsdatum 12.06.2012, also kurz vor seinem Verlassen der Heimat - zu gelangen, nicht etwa um vor der Fremdenbehörde seine Identität zu untermauern, sondern in der Absicht sich diesen umschreiben zu lassen. Hervorgehoben wird der Widerspruch, dass der Beschwerdeführer im Asylverfahren noch behauptete keinerlei Dokumente zu besitzen und auch keine in der Heimat zu haben, sodann aber im Besitz eines indischen Führerscheines war.

Unter Zugrundelegung der Aktenlage ist es aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, an weitere Dokumente zu gelangen. Angelastet muss dem Beschwerdeführer werden, dass sein Asylverfahren Anfang des Jahres 2013 rechtskräftig abgeschlossen wurde und der Beschwerdeführer seit diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen wäre, sich um seine Ausreise zu bemühen. Der Beschwerdeführer hat keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass er mit seiner Familie in Indien Kontakt aufgenommen hat, um sich entsprechende Dokumente und Unterlagen auf postalischem Wege schicken zu lassen, bzw. hat er im Verfahren nicht nachvollziehbar dargelegt, warum es ihm nicht möglich sein soll, sich entsprechende Dokumente aus Indien zu beschaffen.

Der Beschwerdeführer ist im gegenständlichen Fall nicht seiner Pflicht nachgekommen, bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument zu beantragen und die Erfüllung dieser Pflicht dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen und er hat offensichtlich auch keine Anstrengungen unternommen, mit seiner Familie, seinen Bekannten und Freunden in Indien Kontakt aufzunehmen, um sich entsprechende Unterlagen schicken zu lassen. In Ermangelung der Mitwirkung an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten, muss eine Duldung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen, ausgeschlossen werden. Die Beschwerde war spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zu A) II.) Ersatzlose Behebung:

Das Bundesamt sprach im angefochtenen Bescheid aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 78 AVG eine Bundesverwaltungsabgabe in Höhe von Euro 6,50 binnen 28 Tagen zu entrichten habe.

§ 78 AVG lautet: "§ 78 (1) Den Parteien können in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung (unmittelbare oder mittelbare Bundesverwaltung, übertragener Wirkungsbereich der Gemeinden in Bundesangelegenheiten) für die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen der Behörden Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden, sofern die Freiheit von derlei Abgaben nicht ausdrücklich durch Gesetz festgesetzt ist. Wenn ein im Verwaltungsverfahren als Partei auftretender Rechtsträger zur Vollziehung der Gesetze berufen ist, so unterliegt er insoweit der Verpflichtung zur Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben nicht, als die Amtshandlung eine unmittelbare Voraussetzung der dem Rechtsträger obliegenden Vollziehung der Gesetze bildet. Die Gebietskörperschaften unterliegen ferner der Verpflichtung zur Entrichtung einer Bundesverwaltungsabgabe nicht, wenn diese der als Partei einschreitenden Gebietskörperschaft zufließen würde.

(2) Für das Ausmaß der Bundesverwaltungsabgaben sind, abgesehen von den durch Gesetz besonders geregelten Fällen, durch Verordnung der Bundesregierung zu erlassende Tarife maßgebend, in denen die Abgaben mit festen Ansätzen, die nach objektiven Merkmalen abgestuft sein können, bis zum Höchstbetrag von 1 090 Euro im einzelnen Fall festzusetzen sind.

(3) Das Ausmaß der Verwaltungsabgaben in den Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeverwaltung richtet sich nach den auf Grund des Finanz-Verfassungsgesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften.

(4) Die Bundesverwaltungsabgaben sind von der Behörde einzuheben und fließen der Gebietskörperschaft zu, die deren Aufwand zu tragen hat.

(5) Die Art der Einhebung ist für die Bundesbehörden durch Verordnung der Bundesregierung, für die Behörden der Länder und Gemeinden durch Verordnung der Landesregierung zu regeln."

§ 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 - BVwAbgV lautet: "1.

(1) Die Parteien haben für jede Verleihung einer Berechtigung oder für sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen, die von Behörden im Sinne des Art. VI Abs. 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen oder infolge Säumnis einer solchen Behörde vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommen wurden, in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung - abgesehen von den durch Gesetz besonders geregelten Fällen - die gemäß dem Abschnitt II festgesetzten Verwaltungsabgaben zu entrichten.

(2) Im Verwaltungsstrafverfahren und im Verwaltungsvollstreckungsverfahren sind keine Verwaltungsabgaben zu entrichten."

Tarif A Tarifpost 2 der BVwAbgV lautet: "TARIF über das Ausmaß der Verwaltungsabgaben in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung

A. Allgemeiner Teil

2. Sonstige Bescheide oder Amtshandlungen, die wesentlich im Privatinteresse der Partei liegen, soweit nicht eine andere

Tarifpost Anwendung findet ..............Euro 6,50"

Dazu sprach der Verwaltungsgerichthof mit Erkenntnis vom 28.01.2004, Zl. 2002/04/0193, aus, dass eine Amtshandlung, welche die Rechtslage der Partei nicht verändert, nicht wesentlich in ihrem Privatinteresse liegt (siehe dazu auch VwGH 02.10.1973, VwSlg. 8473A/73). Bundesverwaltungsabgaben können nur für "Amtshandlungen" der Behörde vorgesehen werden (zB für Bescheide und Beurkundungen), die Amtshandlungen müssen weiters "wesentlich im Privatinteresse" der Partei liegen, sie also begünstigen (zB die Verleihung von Berechtigungen), so Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9 (2011), Rz 685.

Im vorliegenden Verfahren wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete ab, weshalb nach oben Gesagtem nicht von einem "im Privatinteresse der Partei" liegenden Sachverhalt ausgegangen werden kann. Aus diesem Grund war der Tatbestand für die Vorschreibung einer Verwaltungsabgabe im gegenständlichen Fall nicht erfüllt, weshalb dieser Spruchteil ersatzlos zu beheben war.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 22.11.2006, Zl. 2005/20/0406 und viele andere).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Duldung, Mitwirkungspflicht, Reisedokument, Verwaltungsabgabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W222.1431046.2.00

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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