Entscheidungsdatum
17.10.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G304 2216641-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Rudolf KRAVANJA als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, vertreten durch den Verein ChronischKrank Österreich, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 28.02.2019, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen "Der Inhaber/ die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert", "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Zusatzeintragung "Der Inhaber/ die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert" wird aufgrund vorliegender hochgradiger Sehbehinderung stattgegeben.
II. Der Beschwerde hinsichtlich einer benötigten Begleitperson wird gemäß §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass liegen vor.
III. Der Beschwerde hinsichtlich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird gemäß §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 18.12.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", "Der Inhaber/ die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" samt Beilagen ein.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Augenheilkunde, eingeholt.
In diesem aufgrund der Aktenlage erstellten Sachveständigengutachten wurden die bei der BF festgestellten "Sehstörungen durch Maculadegeneration" mit 70 v.H. eingeschätzt, aufgrund dieser Einschätzung keine "hochgradige Sehbehinderung" laut Pflegegeldgesetz festgestellt und deswegen auch nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragungen ausgegangen.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.02.2019, eingelangt beim Rechtsvertreter der BF am 07.03.2019, wurden die Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", "Der Inhaber/Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" und "Der Inhaber/ die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert" in den Behindertenpass gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Sachverständigengutachten eingeholt worden sei und nach diesem Gutachten die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragungen nicht vorliegen würden. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.
Konkret zu den einzelnen Anträgen wurde ausgeführt:
3.1. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicth zumutbar, wenn das 36. Lebensmoat vollendet ist und
* erhebliche Einschränkungen der Funktionen der utneren Extremitäten oder
* erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
* erhebliche Funktionseinschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
* eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
* eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vorliegen.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentliches Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke.
3.2. Die Eintragung "Der Inhaber/Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" sei zudem vorzunehmen bei
-
bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen;
-
Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr und Jugendlichen mit deutlicher Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensveränderungen;
-
Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr mit kognitiven Einschränkungen, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, und
-
schwerst behinderten Kindern ab Geburt bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die dauernd überwacht werden müssen (z. B. Aspirationsgefahr);
-
wenn Mobilität im engeren/weiteren Sinn entsprechend der Bestimmungen des BPGG erforderlich ist.
3.3. Die Eintragung "Der Inhaber/ die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert" sei vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 4 BPGG vorliegen.
3.4. Da das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen nicht vorliegen, sei der Antrag des BF abzuweisen.
4. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist durch den Rechtsvertreter der BF, den Obmann eines von ihr dazu bevollmächtigten Vereins, Beschwerde erhoben. Es wurde um Stattgebung der Beschwerde ersucht. Vorgelegt wurde ein Bescheid der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt vom 21.02.2019, wonach ab 1. Jänner 2019 Pflegegeld in Höhe von Stufe 3 anerkannt und bei der Ermittlung der Pflegestufe die hochgradige Sehbehinderung der BF berücksichtigt worden sei.
5. Am 28.03.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigen Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
6. Mit Verfügung des BVwG vom 03.07.2019, Zl. G304 2216641-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachveständigengutachten zu erstellen und dieses binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung dem BVwG zu übermitteln.
7. Mit aktenmäßigem Sachveständigengutachten von Dr. XXXX vom 21.08.2019 wurde im Wesentlichen zusammengefasst eine "hochgradige Sehbehinderung" der BF iSd § 4a Abs. 4 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) festgestellt, und zwar (folgender Absatz war fettgedruckt:) "laut Fachbefund 1/19: Feuchte Makuladegeneration rechtes Auge und trockene Makuladegeneration linkes Auge mit dokumentierter hochgradiger eingeschränkter Sehfähigkeit beidseits, Visus mit Korrektur beidseits: 0.05".
Es wurde von einem "Dauerfall" ausgegangen.
8. Mit Verfügung des BVwG vom 13.09.2019 wurde der BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 21.08.2019 übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.
9. Eine Stellungnahme ist bis dato beim BVwG nicht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Die Voraussetzungen für die beantragten Zusatzeintragungen "Der Inhaber/ die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert", "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" und "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" liegen vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).
In einem Fall, in dem die Zusatzeintragung "Notwendigkeit einer Begleitperson" in den Behindertenpass gemäß § 42 Abs. 1 des BBG 1990 verfahrensgegenständlich ist, sind - regelmäßig unter Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen - die Art der Gesundheitsschädigung des Betroffenen und deren Konsequenzen für die allfällige Notwendigkeit der Beiziehung einer Begleitperson darzustellen (vgl. VwGH 01.03.2016, Zl. Ro 2014/11/00224).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
2.3. Im eingeholten aktenmäßigen Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 21.08.2019 wurden sämtliche dem Verwaltungsakt einliegenden Befunde berücksichtigt und eine bei der BF vorliegende hochgradige Sehbehinderung festgestellt - unter Berücksichtigung eines von der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt, die der BF mit Bescheid vom 21.02.2019 Pflegegeldstufe 3 zugesprochen hat, eingeholten ärztlichen Gutachtens vom 04.02.2019. Nach diesem Gutachten vom 04.02.2019 liegt bei der BF eine "feuchte Makuladegeneration rechts und trockene Makuladegeneration links mit dokumentierter hochgradig eingeschränkter Sehfähigkeit beidseits" vor.
In Ergänzung dieses von der Pensionsversicherungsanstalt eingeholten ärztlichen Gutachtens vom 04.02.2019 wurde der konkrete Pflegebedarf der BF ermittelt und unter dem Punkt "Funktionsbezogener Pflegebedarf" unter dem Untertitel "Hilfe erforderlich" der Punkt "Mobilitätshilfe im weiteren Sinn" bejaht.
Eine Einwendung gegen das seitens des BVwG eingeholte Sachverständigengutachten vom 21.08.2019, in welchem das von der Pensionsversicherungsanstalt eingeholte Gutachten vom 04.02.2018 und ein augenärztlicher Befundbericht von Jänner 2019 berücksichtigt wurde, wurde nicht erhoben.
Der sachverständigen Beurteilung im Gutachten vom 21.08.2019 wird gefolgt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zu Spruchteil A):
3.2.1. Gemäß § 1 Abs. 4 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, idF BGBl. II Nr. 263/2016, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung in den Behindertenpass jedenfalls einzutragen,
? nach Z. 1 die Art der Behinderung, etwa dass
a. der Inhaber des Behindertenpasses überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen ist; diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 1 bis 3 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, vorliegen. Nach § 4a Abs. 1 BPGG ist bei Personen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und auf Grund einer Querschnittlähmung, einer beidseitigen Beinamputation, einer genetischen Muskeldystrophie, einer Encephalitis disseminata oder einer infantilen Cerebralparese zur eigenständigen Lebensführung überwiegend auf den selbständigen Gebrauch eines Rollstuhles oder eines technisch adaptierten Rollstuhles angewiesen sind, mindestens ein Pflegebedarf entsprechend der Stufe 3 anzunehmen;
b. der Inhaber/die Inhaberin des Passes blind oder hochgradig sehbehindert ist. (lit. b). Die Eintragung "Der Inhaber/ die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert" ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 4 BPGG vorliegen;
? nach Z. 2a die Feststellung, dass der Inhaber /die Inhaberin des Passes einer Begleitperson bedarf, welche Eintragung unter anderem dann vorzunehmen ist, wenn der Passinhaber in seinem Behindertenpass bereits über eine Eintragung einer hochgradigen Sehbehinderung (nach § 1 Abs. 4 Z. 1 lit. b der VO) verfügt.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, idF BGBl. II Nr. 263/2016, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
3.2.2. Im vom BVwG eingeholten aktenmäßigen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 21.08.2019 wurde unter Berücksichtigung aktenmäßiger Befunde und Gutachten bei der BF eine hochgradige Sehbehinderung iSd § 4a Abs. 4 BPGG festgestellt.
Diesbezüglich hat sich der Sachverständige auf das dem Verwaltungsakt einliegende seitens der Pensionsversicherung eingeholte ärztliche Gutachten vom 04.02.2019 gestützt. Ergänzend zu diesem Gutachten, in welchem aufgrund der hochgradigen Sehbehinderung der BF Pflegestufe 3 festgestellt wurde, wurde im Zuge näherer Ermittlungen bei der BF Pflegebedarf in Form von "Mobilitätshilfe im weiteren Sinn" festgestellt.
Aufgrund dieses am 04.02.2019 festgestellten Pflegebedarfs liegen im gegenständlichen Fall nach § 1 Abs. 4 Z. 2a iVm § 1 Abs. 4 Z. 1 lit. a der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen die Voraussetzungen zur Vornahme der von der BF beantragten Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" vor.
Mit gegenständlicher Beschwerde wurde ein vor Erlassung und Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vom 28.02.2019 erstelltes Pflegegeldgutachten vom 04.02.2019 über eine bei der BF vorliegende hochgradige Sehbehinderung vorgelegt. Die mit diesem ärztlichen Gutachten vom 04.02.2019 diagnostizierte hochgradige Sehbehinderung der BF hat demnach bereits während offenen Verfahrens vor der belangten Behörde bestanden.
Fest steht im gegenständlichen Fall jedenfalls, dass
? aufgrund der von Dr. XXXX im aktenmäßig erstellten Sachveständigengutachten festgehaltenen hochgradigen Sehbehinderung der BF iSd § 4a Abs. 4 BPGG die Voraussetzung für die Zusatzeintragung "Der Inhaber/ die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert" vorliegt,
? der BF aufgrund ihrer "hochgradigen Sehbehinderung" nach § 1 Abs. 4 Z. 1 lit. b iVm Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zugemutet werden kann und damit die Voraussetzungen für die diesbezüglich beantragte Zusatzeintragung vorliegen, und
? aufgrund der Feststellung in einem ärztlichen Gutachten vom 04.02.2019 - Pflegegeldstufe 3 aufgrund hochgradiger Sehbehinderung, und des folglich ermittelten Pflegebedarfs im Ausmaß der "Mobilitätshilfe im weiteren Sinn" liegt nach § 1 Abs. 4 Z. 2a iVm § 1 Abs. 4 lit. a der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bei der BF auch die Voraussetzung für die von ihr beantragte Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" vor.
Es war der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 28.02.2019 wegen Vorliegens der Voraussetzungen für die beantragten drei Zusatzeintragungen folglich stattzugeben.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 21.08.2019 geklärt, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.
3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2216641.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.01.2020