Entscheidungsdatum
24.10.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G304 2215242-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Rudolf KRAVANJA als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, vertreten durch RA Mag. Robert LEVOVNIK, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, vom 29.01.2019, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 40, 41 Abs. 1, 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 20.11.2018 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass samt Beilagen ein.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
Im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie, vom 29.01.2019 wurde bezüglich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Folgendes ausgeführt:
"Die Voraussetzungen für eine UBÖV sind nicht gegeben, der U. leidet an einer leichtgradigen depressiven Störung phasenweise begleitet von ängstlichem Rückzugs- und Vermeidungsverhalten, die Therapieoptionen sind nicht ausgeschöpft, dzt. erfolgt keine Behandlung, keine Medikation; eine Psychotherapie wurde dem U. Im R. der psycholog. Behandlung mehrmals (zuletzt im Nov, 2018) empfohlen."."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.01.2019 wurde der Antrag des BF vom 20.11.2018 auf Vornahme nachstehender Zusatzeintragung in den Behindertenpass abgewiesen: "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung". Begründend dafür wurde das eingeholte fachärztliche Gutachten vom 29.01.2019 verwiesen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens wurden als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt. Da das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen, sei der Antrag des BF abzuweisen.
4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde auf die Mangelhaftigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens verwiesen und um Stattgabe der Beschwerde oder Behebung der Entscheidung und Zurückverweisung an die belangte Behörde ersucht.
5. Am 27.02.2019 langte der gegenständliche Verwaltungsakt samt Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
6. Mit Verfügung des BVwG vom 24.05.2019, Zl. G304 2215242-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung" dem BVwG zu übermitteln.
Mit weiterer Verfügung des BVwG vom 04.06.2019, Zl. G304 2215242-1/2Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 19.06.2019 um 14:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
7. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 17.07.2019 wurden nach durchgeführter Begutachtung des BF am 19.06.2019 erhebliche Einschränkungen aufgrund einer psychischen Erkrankung festgestellt und damit in Zusammenhang die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht für zumutbar gehalten.
8. Mit Verfügung des BVwG vom 19.08.2019, Zl. G304 2215242-1/4Z, dem BF zugestellt am 21.08.2019, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 17.07.2019 übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.
9. Eine Stellungnahme dazu ist bis dato beim BVwG nicht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
2.3. Im seitens des BVwG eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 17.07.2019 wurden "erhebliche Einschränkungen aufgrund einer psychischen Erkrankung, nämlich einer schweren Angststörung" festgestellt und damit in Zusammenhang die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht für zumutbar gehalten.
Konkret wurde ein beim BF vorliegendes "chronifiziertes depressives Syndrom mit Angststörung und Panikattacken (ICD-10 F41.2)" festgestellt und zur vorgenommenen Behindertengradeinschätzung festgehalten:
"(...) Im Vordergrund der psychischen Störung steht ein ausgeprägtes Angstsyndrom mit soziophobischen und klaustrophobischen Zügen mit Panikattacken. Sowohl medikamentöse als auch psychotherapeutische Maßnahmen konnten keine wirkliche Besserung des Beschwerdebildes bringen. Der U. war auch ambulant auf der Psychiatrie (...) im Dezember 2011 und steht in andauernder Psychotherapie. Gegenüber dem Gutachten (...; erg.: d.i. das dem Vorgutachten vorangegangene Gutachten) ist die Erhöhung begründet durch die Chronifizierung und Zunahme der Angststörung."
Als "Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten" wurde angeführt:
"In der Einschätzung (...; erg.: d.i. Einschätzung im Vorgutachten) wurde dem U., trotz der seit mehreren Jahren vorliegenden Angststörung, das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel zugemutet. Unter Berücksichtigung der Richtlinien des Sozialministeriumservice mit fehlender Besserung, trotz Ausschöpfung sämtlicher Therapieangebote, ist dem U. das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar."
Die von der Sachverständigen vorgenommene "Prüfung der Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" ergab Folgendes:
"Beim U. liegen keine wesentlichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erheblichen Funktionseinschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor, dass dem U. das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel nicht ermöglicht. Der U. ist durchaus in der Lage, eine kurze Wegstrecke ohne Behinderung zu bewältigen. Auch das gefahrlose Ein- und Aussteigen und die sichere Beförderung ist möglich.
Es bestehen aber erhebliche Einschränkungen aufgrund einer psychischen Erkrankung, nämlich einer schweren Angststörung (siehe auch Begründung der Gesundheitsschädigung lfd. Nr. 3), sodass dem U. das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel nicht zuzumuten ist."
Die Sachverständige hat demnach die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund einer schweren Angststörung des BF, die sich trotz mehrfach ausgeschöpfter Therapieoptionen nicht bessern konnte, für nicht zumutbar gehalten.
Eine Stellungnahme zu diesem dem BF im Rahmen des Parteiengehörs vorgehaltenen Sachverständigengutachten wurde nicht eingebracht.
Das fachärztliche Gutachten vom 17.07.2019 wird in freier Beweiswürdigung gegenständlicher Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
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erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
3.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass beim BF die Voraussetzungen für die Feststellung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, vorliegen.
Im seitens des BVwG eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 17.07.2019 wurde die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für unzumutbar gehalten, liegt gegenständlich doch eine schwere Angststörung bzw. ein ausgeprägtes Angstsyndrom mit soziophobischen und klaustrophobischen Zügen mit Panikattacken vor und konnten, wie nach Ausschöpfung sämtlicher Therapieoptionen feststeht, weder medikamentöse noch psychotherapeutische Maßnahmen eine Besserung des Beschwerdebildes bringen.
Den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen wird gefolgt und im gegenständlichen Fall aufgrund der auch Panikattacken umfassenden schweren Angststörung des BF von der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgegangen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.
3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 17.07.2019, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.
3.5. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2215242.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.01.2020