Entscheidungsdatum
24.10.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G304 2214372-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Rudolf KRAVANJA als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, vom 02.01.2019, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 23.08.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) samt Beilagen ein, der gemäß Hinweis auf dem Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden medizinische Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In einem Gutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Orthopädie, vom 05.10.2018 wurde nach durchgeführter Begutachtung des BF am 03.10.2018 folgende "gutachterliche Stellungnahme" abgegeben:
"Es scheint insgesamt die psychiatrische Situation im Vordergrund zu stehen, rein orthopädisch bestehen keine wesentlichen Funktionseinschränkungen, das "Herausspringen des Kniegelenks/Kniescheibe" kann nicht nachvollzogen werden, die Gang- und Standschwierigkeiten lassen sich funktionell nicht erklären. Da der Kunde zur Untersuchung mit Krücken und Begleitperson erscheint, wird dies auch bestätigt, da die Selbstständigkeit zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht gegeben ist. Es besteht keine Muskelverschmächtigung des linken Beines, obwohl der Kunde angibt, ständig mit 2 Krücken zu gehen. Ein angegebener Fersensporn erreicht keinen Grad der Behinderung. Schmerzmedikamente werden nicht ständig eingenommen, keine morphiumhaltigen Analgetika, daher kann auch kein Schmerzsyndrom (wie im Vorgutachten) eingeschätzt werden. "
Es wurde von einem "Dauerzustand" ausgegangen.
Die Sachverständige ging in ihrem Gutachten hinsichtlich der festgestellten linksseitigen Knie- und Schulterschmerzen und degenerativen Wirbelsäulenerkrankung mangels festgestellter erheblicher Funktionseinschränkung von einer dem BF zumutbaren Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
2.2. In einem Gutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Neurologie, vom 29.11.2018 wurde nach durchgeführter Begutachtung des BF am 28.11.2018 bezüglich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Folgendes ausgeführt:
"Die festgestellten Funktionsstörungen führen zu keiner wesentlichen Einschränkung der Mobilität, so dass durchaus kürzere Wegstrecken und auch längere Wegstrecken über 1000 m zumutbar erscheinen. Die demonstrierte Gangstörung ist massiv psychogen überlagert und entspricht nicht den anatomischen Gegebenheiten und pathologischen Auffälligkeiten im Bereich der unteren Extremitäten. Das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport sind aufgrund der fehlenden Paresen oder Gelenksdeformationen weiterhin gewährleistet. Es lassen sich keine Hinweise für die Notwendigkeit des Tragens von Krücken erheben."
Folgende "gutachterliche Stellungnahme" wurde abgegeben:
Unverändert multiple Beschwerden bei allgemeiner Abwehr gegenüber diversen Untersuchungen am Körper des Probanden. Keine Änderung gegenüber dem Vorbefund 2017. Die Diagnose 2 erhöht die Gesamt-GdB um eine Stufe aufgrund der Therapienotwendigkeiten. Die exorbitant demonstrierten Gangstörungen und mit dem Zeigefinger hingewiesenen Schmerzorte sprechen in erster Linie für eine Somatisierung und Persönlichkeitsstörung. Hinweise auf eine tatsächlich erhöhte Funktionsstörung lassen sich aus dem orthopädischen Gutachten und der neurologischen Zusammenfassung nicht erheben."
Der Sachverständige ging demnach hinsichtlich der festgestellten Funktionseinschränkungen - Chronisches Schmerzsyndrom und Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates - von einem Dauerzustand und keiner der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entgegenstehenden wesentlichen Mobilitätseinschränkung aus.
2.3. In einer sachverständigen Gesamtbeurteilung von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 03.12.2018 wurde in Zusammenfassung der davor eingeholten Sachverständigengutachten aus den Bereichen der Orthopädie und der Neurologie bezüglich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Folgendes festgehalten:
"weder aus orthopädischer noch aus neurologischer Sicht liegen hochgradige Einschränkungen der Mobilität vor. Kurze Wegstrecken sind möglich und auch zumutbar. Laut neurologischem Fachgutachten ist die demonstrierte Gangstörung massiv psychogen überlagert und entspricht nicht den anatomischen Gegebenheiten und pathologischen Auffälligkeiten im Bereich der unteren Extremität. Das Einsteigen beziehungsweise das Aussteigen und der sichere Transport sind aufgrund der fehlenden Paresen oder Gelenksdeformationen weiterhin gewährleistet. Es lassen sich keine Hinweise für die Notwendigkeit des Tragens von 2 Krücken erheben."
Folgende "Gutachterliche Stellungnahme" wurde abgegeben:
"Der Antragsteller kann, laut den beiden erstellten Fachgutachten, eine kurze Wegstrecke ohne Pause zurücklegen, er kann sicher in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auch wieder aussteigen und in diesem auch sicher transportiert werden."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.01.2019 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte Gesamtgutachten vom 03.12.2018 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Da das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen, sei der Antrag des BF abzuweisen.
4. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Dabei wurde auf eine Mangelhaftigkeit der ärztlichen Untersuchung des BF verwiesen und um positive Erledigung seiner Angelegenheit ersucht.
5. Am 11.02.2019 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
6. Mit Schreiben des BVwG vom 24.05.2019, Zl. G304 2214372-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Zustellung dieser Verfügung" dem BVwG zu übermitteln.
Mit Schreiben des BVwG vom 24.05.2019, Zl. G304 2214372-1/2Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 17.06.2019 um 16:30 Uhr zur ärztlichen Begutachtung bei Dr. XXXX einzufinden.
7. In einem aktenmäßigen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 19.06.2019 wurde nach Begutachtung des BF am 17.06.2019 die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für zumutbar gehalten.
8. Mit Verfügung des BVwG vom 01.07.2019, Zl. G304 2214372-1/4Z, dem BF zugestellt am 01.08.2019, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 19.06.2019 übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.
9. Am 09.08.2019 ist beim BVwG ein Schreiben eingelangt, in welchem der BF seine Enttäuschung über die gutachterliche Beurteilung kundtat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
2.3. Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, vom 19.06.2019 nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.
In diesem fachärztlichen Sachverständigengutachten wurde mangels festgestellter erheblicher Funktionseinschränkung die Zurücklegung einer relevanten Wegstrecke, die Überwindung von Niveauunterschieden und auch ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln für möglich gehalten und sowohl gegenüber dem orthopädischen Vorgutachten von Oktober 2018 als auch gegenüber dem neurologischen Vorgutachten vom 28.11.2018 keine Änderung hinsichtlich einer Unbenutzbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt.
Der BF ist diesem ihm vorgehaltenen Sachverständigengutachten in einer dazu abgegebenen schriftlichen Stellungnahme mit Enttäuschung, jedoch mit keiner substantiierten Einwendung entgegentreten, weshalb das im Beschwerdeverfahren eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten vom 19.06.2019 in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte ärztliche Gutachten von Dr. XXXX vom 19.06.2019 wird für schlüssig und nachvollziehbar gehalten.
Der BF hat keine Einwendung dagegen erhoben.
Es wird folglich dem Sachverständigengutachten vom 19.06.2019, in welchem linksseitige Kniegelenksschmerzen mit geringer Einschränkung der Beugung, eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung ohne motorische Ausfallserscheinungen und beidseitige Polyarthralgie-Schulterschmerzen und linksseitige Fersenschmerzen, jedoch keine der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entgegenstehenden erheblichen Funktionseinschränkungen festgestellt wurden und sowohl die Zurücklegung einer relevanten Wegstrecke, als auch die Überwindung von Niveauunterschieden und ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln und demnach die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für möglich gehalten wurde, gefolgt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die gegenständliche Beschwerde abzuweisen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 19.06.2019, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.
3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2214372.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.01.2020