TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/7 W205 2128456-1

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Veröffentlicht am 07.11.2019
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Entscheidungsdatum

07.11.2019

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W205 2128456-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Karin SCHNIZER-BLASCHKA nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 01.06.2016, Zl. Damaskus-OB/KONS/0845/2016, aufgrund des Vorlageantrags der XXXX , geb. XXXX 1998, StA. Syrien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 18.04.2016, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Syrien und stellte am 14.01.2016 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus in Beirut (im Folgenden: "ÖB") unter Anschluss diverser Unterlagen einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Begründend führte sie aus, ihr Ehemann, I XXXX , geb. XXXX 1985, StA. Syrien, habe in Österreich Asyl erhalten. Mit diesem wolle sie nun gemeinsam im Bundesgebiet leben.

Die Beschwerdeführerin legte einen Heiratsnachweis aus dem Zivilregister der syrischen Arabischen Republik vor. Aus diesem geht hervor, dass die Eheschließung am 13.01.2013 stattgefunden habe, am 11.05.2015 durch ein islamisches Gericht legalisiert und am 25.05.2015 ins Register des Standesamts eingetragen worden sei. Die vorgelegte Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin weist den 12.01.2016 als Ausstellungsdatum auf.

2. Mit Schreiben vom 17.03.2016 (zugestellt am 23.03.2016) wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihr wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da Zwangsehen, Telefonehen, Stellvertreterehen (bzw. "Handschuhehen") oder Kinderehen (jünger als 16 Jahre bei der Eheschließung) den österreichischen Grundwerten widersprechen würden und daher als nicht gültig anzusehen seien.

3. Am 29.03.2016 brachte die Beschwerdeführerin durch ihren bevollmächtigten Vertreter eine Stellungnahme ein. Darin wurde ausgeführt, dass im konkreten Fall offenbar auf eine Kinderehe Bezug genommen worden sei. Da die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Eheschließung über 15 Jahre alt gewesen sei, sei die Ehe zweifellos gültig. Von einem Verstoß gegen österreichische Grundwerte könne keine Rede sein. Diese Annahme sei rechtshistorisch nicht nachvollziehbar. Es widerspreche auch dem Sinn der Grundwerte, diese Tatsache zum Nachteil des "Opfers" geltend zu machen.

4. Nach Übermittlung der von der Beschwerdeführerin abgegebenen Stellungnahme erstattete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.04.2016 eine neuerliche Stellungnahme, wonach die negative Prognose aufrecht bleibe.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid verweigerte die ÖB die Erteilung des Einreisetitels gem. §26 FPG, iVm § 35 AsylG mit der Begründung, dass Zwangsehen, Telefonehen, Stellvertreterehen (bzw. "Handschuhehen") oder Kinderehen (jünger als 16 Jahre bei der Eheschließung) den österreichischen Grundwerten wiedersprechen würden und daher als nicht gültig anzusehen seien.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 02.05.2016. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass keine "Kinderehe" vorliege. Selbst wenn eine solche vorgelegen wäre, sei sie "auf Grund der Genehmigung" gültig. Ein Heiratsalter von 15 Jahren widerspreche auch nicht den österreichischen Grundwerten oder dem ordre public. Weiters wurde auf einen beiliegenden Auszug aus Wikipedia (nicht im Akt) verwiesen, aus dem hervorgehe, dass etwa in Frankreich Frauen ab 15 Jahren ehemündig gewesen seien, in Österreich bis 2001 auch 15jährige Mädchen hätten heiraten dürfen und in einigen Staaten der USA ein Ehemündigkeitsalter ab 13 Jahren gelte.

Eine Bindung der Botschaft an die Prognoseauskunft des BFA könne nicht gegeben sein, wenn die Prognoseentscheidung offenkundig keine Begründung aufweise, die auf den konkreten Fall Bezug nehme, und offenkundig falsch sei. Es werde daher der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Beschwerdeführerin ein Einreisetitel gemäß § 35 AsylG gewährt werde, allenfalls das Verfahren zur Ergänzung an die 1. Instanz zurückzuverweisen und eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 01.06.2016 wies die ÖB die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.

Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt habe und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen sei. Auch sei die Stellungnahme der Beschwerdeführerin ordnungsgemäß dem BFA zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung vorgelegt und erst in der Folge bescheidmäßig abgesprochen worden. Als alleintragender Grund für die Abweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführerin auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden. Wenn in der Beschwerde vorgebracht werde, dass keine Kinderehe vorliege oder dass, selbst wenn eine solche vorläge, dies nicht dem ordre public widerspreche, müsse entgegnet werden, dass das Datum der Eheschließung vor dem 16. Geburtstag der Beschwerdeführerin liege. Jenseits (und unabhängig von) der oben dargestellten Bindungswirkung vermag daher die Beschwerde zu keiner anderen Beurteilung zu führen, weil Kinderehen - entgegen dem Beschwerdevorbringen - dem ordre public widersprechen würden und daher nicht anzuerkennen seien.

8. Am 02.06.2016 wurde bei der ÖB Damaskus ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

9. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres vom 17.06.2016 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

10. Mit mehreren Schreiben ersuchte die Beschwerdeführerin um positive Entscheidung.

11. Die Bezugsperson I hat am 30.09.2019 in Österreich am Standesamt 1030 Frau H XXXX XXXX geheiratet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei stellte am 14.01.2016 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005.

Als Bezugsperson wurde I XXXX , geb XXXX 1985, StA. Syrien, genannt, welcher der Ehemann der Beschwerdeführerin sei. Die Ehe der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson wurde in Syrien am 13.01.2013 geschlossen, die Ehe wurde ordnungsgemäß beim Standesamt registriert. Nach syrischem Recht ist eine Eheschließung von Mädchen unter 17 Jahren mit Zustimmung des Vaters oder männlichen Vormunds möglich. Es besteht - angesichts der staatlichen Registrierung - kein Grund zu der Annahme, dass die Ehe nach syrischem Recht ungültig geschlossen worden wäre.

Dem Ehemann der nunmehrigen Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2016, Zl. 1047195207/140246528/BMI-BFA_STM-RD, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Die Bezugsperson hat am 30.09.2019 in Österreich neuerlich geheiratet.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen zu Antragstellung, Asylberechtigung der namhaft gemachten Bezugsperson und der am 13.01.2013 in Syrien geschlossenen - dort gültigen - Ehe ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin, den von ihr vorgelegten Urkunden und dem Akt der österreichischen Botschaft Damaskus.

Dass die Bezugsperson in Österreich geheiratet hat, ergibt sich aus der am 07.11.2019 eigeholten ZMR-Auskunft iZm einer damit im Einklang stehenden Auskunft des Standesamtes 1030.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zunächst ist zu den maßgeblichen Bestimmungen für die Entscheidung über den gegenständlichen Einreiseantrag festzuhalten, dass gemäß § 75 Abs. 24 (dritter bis fünfter Satz) AsylG 2005 die §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden sind. Auf Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde.

Im gegenständlichen Fall stellte die Beschwerdeführerin ihren Einreiseantrag nach § 35 AsylG 2005 am 14.01.2016. Das Verfahren über diesen Antrag war somit bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig, sodass im Beschwerdefall § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 anzuwenden ist.

Mit dem FrÄG 2017 (BGBl. I Nr. 145/2017) entfiel vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU - "StatusRL" (vgl. EBzRV 1523 der Beilagen XXV. GP) mit Inkrafttretensdatum 01.11.2017 ohne Übergangsbestimmung (vgl. § 73 Abs. 18 AsylG 2005) unter anderem in § 34 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG 2005 jeweils die Z. 2, in § 35 Abs. 5 leg.cit. wurden die Wendungen "im Herkunftsstaat" jeweils durch die Wortfolge "vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten" ersetzt, mit dem FrÄG 2018 (BGBl. I Nr. 56/2018) erfolgte ua mit Inkrafttretensdatum 01.09.2018 ohne Übergangsbestimmungen (vgl. § 73 Abs. 20 AsylG 2005) eine Neufassung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 und Adaptierung in § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Bei verständiger Interpretation der genannten Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen sind im Beschwerdefall daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 in der durch das FrÄG 2018 modifizierten Fassung, die übrigen Bestimmungen in der nach dem FrÄG 2018 geltenden Fassung anzuwenden.

2. Der mit "Begriffsbestimmungen" übertitelte § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idgF lautet:

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

-[....]

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;"

Der mit "Familienverfahren im Inland" übertitelte § 34 AsylG 2005 idgF lautet:

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

----------

-1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

-2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

-3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

-

-1. dieser nicht straffällig geworden ist und

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

-3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

-1. dieser nicht straffällig geworden ist;

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

-3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

-4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

----------

-1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

-auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der

2. Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

-3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

§ 35 AsylG 2005 idaF lautet:

"Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.

gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und

2.

das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

[...]

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

[...]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

[....]

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 6 und 17) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten wie folgt:

Form der Eheschließung:

§ 16. (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.

(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.

Vorbehaltsklausel (ordre public)

§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 17 und 21) des Ehegesetzes idgF lauten wie folgt:

§ 1 Ehefähigkeit

(1) Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind ehemündig.

(2) Das Gericht hat eine Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, auf ihren Antrag für ehemündig zu erklären, wenn der künftige Ehegatte volljährig ist und sie für diese Ehe reif erscheint.

§ 17 Form der Eheschließung

(1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.

(2) Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.

§ 21 Mangel der Form

(1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch

§ 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat.

(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und es kommt ihr diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

Allerdings steht es dem Bundesverwaltungsgericht innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems nunmehr offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des Bundesamtes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes im Ergebnis zutreffend ist:

3. Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich Asylberechtigte I als Ehemann der Beschwerdeführerin genannt.

Im Beschwerdefall ist angesichts des Alters der Beschwerdeführerin von erst 15 Jahren bei der Eheschließung in Syrien zu klären, ob die Ehe der Beschwerdeführerin zur Bezugsperson in Österreich als gültig anzusehen ist bzw. ob der Beschwerdeführerin aufgrund dieser Ehe die Familieneigenschaft zur Bezugsperson iSd § 35 AsylG zukommt.

Wie in den Sachverhaltsfeststellungen dargelegt, besteht vor dem Hintergrund der vorgelegten Urkunden kein Grund zu der Annahme, dass die Ehe nach syrischem Recht ungültig wäre, zumal nach § 16 Abs. 2 IPRG die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen ist; es genügt die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung. Allerdings sind nach österreichischem Recht Personen unter 16 Jahren nicht ehefähig. Daher führte das BFA in seiner Wahrscheinlichkeitsprognose aus, dass Kinderehen den österreichischen Grundwerten widersprechen und daher als nicht gültig anzusehen sind.

Gegenstand der Verletzung der österreichischen Rechtsordnung iSd § 6 IPRG müssen - so die Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte - Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sein. Die Frage, ob das anzuwendende Recht gegen österreichischen ordre public verstößt, ist jeweils nach der konkreten Situation zu beurteilen (vgl. OGH 28.2.2011, 9 Ob 34/10f). Bestimmungen fremden Rechts, die die Mehrehe, die Kinderehe oder eine einseitige Verstoßung der Frau durch den Mann vorsehen, widersprechen österreichischen Grundwertungen im Sinn der Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG. Dabei kommt es für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG darauf an, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Sachrechts und nicht bloß dieses selbst anstößig ist. Der bloße Widerspruch mit Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung allein führt nicht zur ordre public-Widrigkeit, sondern es muss die "Unerträglichkeit des konkreten Ergebnisses im Einzelfall" vorliegen. Daher ist auch immer nur die konkrete Bestimmung, aber nicht das gesamte (restliche) fremde Recht im Falle einer ordre public-Widrigkeit nicht anzuwenden (VfGH 10.10.2018, E 1805/2018 ua., VwGH 25.04.2019, Ra 2019/22/0043).

Die Zulässigkeit von Kinderehen werden von der Rechtsprechung durchgehend zu jenen Bestimmungen fremden Rechts gezählt, die österreichischen Grundwertungen in diesem Sinne widersprechen. Auch die österreichische Rechtsordnung sieht in mehreren Gesetzen -teilweise unter Bezugnahme auf europarechtliche Vorgaben - zum Schutz vor erzwungenen Eheschließungen insbesondere von Jugendlichen besondere Regelungen vor: Beispielsweise bestimmt § 2 Abs. 1 Z 9 NAG, dass Ehegatten und eingetragene Partner das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung (auf Erteilung eines Aufenthaltstitels) bereits vollendet haben müssen. In der Regierungsvorlage (952 der Beilagen XXII. GP) heißt es: "Die Normierung des Mindestalters für Ehegatten von 18 Jahren (Rechtslage 2009, Anm.) basiert auf Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2003/86/EG. Damit soll eine präventive Sicherungsmaßnahme gegen die Eingehung von sog. "Zwangsehen" unter Jugendlichen eingeführt werden. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres wird gemäß § 1 Abs. 1 des Ehegesetzes die Ehemündigkeit erreicht."

Der Gesetzgeber macht damit deutlich, dass die Festlegung eines Mindestalters für die Anerkennung von Eheschließungen eine Maßnahme gegen erzwungene Eheschließungen darstellt. Es entspricht den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung, dass Jugendliche vor den Folgen von Entscheidungen, deren Tragweite sie aufgrund ihres Alters noch nicht abschätzen könne, geschützt werden sollen. Darüber hinaus sind Jugendliche aufgrund ihrer Abhängigkeit und engen Bindung an Eltern oder andere Erziehungsberechtigte häufiger psychischem Druck oder Zwang ausgesetzt.

Es ist bekannt, dass die Verheiratung von jungen Mädchen in Syrien seit Beginn des Krieges stark zugenommen hat (u.a. Syria 2015 Human Rights Report, US Department of State). Finanzielle Notlagen oder die Annahme, dass verheiratete Mädchen besser vor sexuellen Übergriffen geschützt seien, werden häufig als Ursachen dafür genannt. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass Maßnahmen der österreichischen Rechtsordnung gegen Zwangs- und Kinderehen nicht aufgeweicht werden.

Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Eheschließung erst 15 Jahre alt war, eine solche Eheschließung nach dem oben Gesagten mit der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar und die Ehe daher in Österreich als nicht gültig anzusehen ist, trifft die Prognose des BFA, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, nach Auffassung des BVwG zu.

Da die belangte Behörde über den betreffenden Einreiseantrag ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an die Beschwerdeführerin in Bezug auf den in Österreich befindlichen Ehemann nicht wahrscheinlich sei, und da weiters auch aktuell keine andere Bezugsperson in Betracht kommt, von der die Beschwerdeführerin einen Schutzstatus ableiten könnte, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat, und die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet wurden, liegen im gegenständlichen Fall - wie bereits dargelegt wurde - nicht vor.

Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibt keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen).

Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem jüngsten Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen.". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.

Die Vertretungsbehörden im Ausland verfügen auch nur über eingeschränkte Möglichkeiten und sie wenden nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder unmittelbar noch mittelbar das AVG an. Das Verfahren richtet sich vielmehr nur nach dem Visakodex und den besonderen Verfahrensvorschriften des Fremdenpolizeigesetzes (nunmehr §§ 11 und 11a FPG; vgl. zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 VwGH 13.12.2012, 2012/21/0070; 24.10.2007, 2007/21/0216). Dies gilt unverändert auch nach der mit 01.01.2014 in Kraft getretenen aktuellen Rechtslage, weil vom Gesetzgeber diesbezüglich eine Änderung nicht beabsichtigt war (Gruber, Die Frage der Anwendung des AVG für Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten im Hinblick auf die Novellierung des EGVG durch BGBl. I 33/2013, FABL 3/2013, 17 ff).

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die getroffene Feststellung, wonach die Bezugsperson in Österreich kürzlich eine Ehe mit einer anderen Frau geschlossen hat.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Einreisetitel, Kinderehe, ordre public

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W205.2128456.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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